Archiv der Kategorie: NS-Verfolgung

NS-Verfolgung

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [207]: Clara Kohn-Liebmann – Internistin und Herzspezialistin. Wien, Santiago de Chile

Clara Kohn-Liebmann – Internistin und Herzspezialistin. Wien, Santiago de Chile

Text: Dr. Walter Mentzel

Clara (Klara) Kohn wurde am 30. Juni 1896 als Tochter des aus Furschütz in Mähren stammenden Privatbeamten Armin Gustav Kohn und der aus Pápa in Ungarn stammenden Verona (1871-1942) geborene Kleinmann, in Wien Leopoldstadt geboren. Seit 1931 war sie mit Paul Liebmann (*3.5.1895 Wien) verheiratet.

Kohn studierte an der Universität Wien Medizin, promovierte am 22. Dezember 1919, und arbeitete danach am Karolinen-Spital bei dessen Leiter Wilhelm Knöpfelmacher (1866-1938). Mit ihm hielt sie 1921 vor der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien einen Vortrag zu „Untersuchungen über den Gallenfarbstoff beim lkterus neonatorum“,[1] der im selben Jahr unter demselben Titel in der Monatsschrift für Kinderheilkunde erschien.

Danach arbeitete sie in Wien als Fachärztin für innere Medizin und als Herzspezialistin und war daneben in einer Reihe von medizinischen Einrichtungen tätig.

„Verein „Die Mutter“

1926 gehörte sie der konstituierenden Gemeinschaft für Mutter- und Erziehungsberatung im Rahmen des Vereins „Die Mutter“ an, in dem auch Emanuell Berghoff, Anne (Anna) Bernfeld (1892-1941), Marie Frischauf-Pappenheim (1882-1966), Karl Josef Friedjung, Otto Gersuny (1895-1964), Karl Gottlieb, Mina Margulies (28.1.1896), Oskar Löwy, Hans Redtenbacher, Emil Schwätzer (1895-1938), Amalie Mela Pappenheim-Bloch (1890-1930), Dora Brücke-Teleky, Hugo Klein, Hans Paradeiser, Siegfried Weiss (1869-1852) und  Erwin Wexberg (1889-1957) teilnahmen.[2]

Wiener Anstalt „Herzstation“

Ab spätestens 1929 arbeitete sie als Spezialistin für Herzerkrankungen und Assistentin an der Röntgenabteilung der Herzstation der Gemeinde Wien in Wien 2, Taborstraße 8.

Zentralstelle für das Bildungswesen

1925 war sie neben Gertrud Ceranke, Bianca Bienenfeld (1879-1929) und Jenny Adler-Herzmark Teil des von der sozialdemokratischen Zentralstelle für das Bildungswesen organisierten Führungsteams in der von Julius Tandler initiierten Hygieneausstellung in Wien.[3]

Sportärztin

Weiters war sie Mitglied der 1932 gegründeten Arbeitsgemeinschaft österreichischer Sportärztinnen, in der sie dem wissenschaftlichen Ausschuss angehörte[4] und die medizinischen Untersuchungen der Athlet:innen an der Herzstation durchführte.

Frauenkranken-Institut Charité

In dem seit 1890 bestehenden Frauenkrankeninstitut Charité in Wien Leopoldstadt, Zirkusgasse 5a, war Kohn bis 1938 ehrenamtliche Mitarbeiterin in der internen Abteilung.[5] In diesem Institut, dem seit 1897 Isidor Fischer (1868-1943) als Präsident und danach bis 1938 Gisela Schiffer (1873-) als Präsidentin vorstand, wurden verarmte Frauen „ohne Unterschied auf die Konfession und Nationalität“ unentgeltlich behandelt. Als ärztlicher Direktor fungierte Josef Weinreb, als sein Stellvertreter Leo Szamek (Urologe), weitere Ärzte waren Hugo Fasal (Dermatologie), Koloman Freuder (Dermatologie), Ernst Kisch, Ladislaus Fessler (Neurologie), Friedrich Kornfeld (Interne), Viktor Fleischer und Bennö Kohn (Gynäkologie).

Verfolgung

Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde Clara und ihr Ehemann Paul Liebmann von den Nationalsozialisten wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt. Clara Liebmann wurde am 23. November 1938 von der Gestapo verhaftet und am 28. November 1938, – da sie beabsichtigte nach Chile auszuwandern –, freigelassen. Im Dezember 1938 flüchtete sie mit ihrem Ehemann Paul auf der SS Copiapo von Antwerpen nach New York. Danach emigrierten beide nach Chile, wo Clara Kohn-Liebmann ihren Beruf als Ärztin wiederaufnahm und zu einer bekannten chilenischen Ärztin avancierte.

Clara Kohn-Liebmann: zirka 1957 (aus: Touristenkarte 1957 Chile)

Sie verstarb am 17. Juli 1994 in Santiago in Chile.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1896, Kohn Clara.

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0350, Kohn Clara (Rigorosum Datum: 15.12.1919).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 192-0059, Kohn Klara (Promotion Datum: 22.12.1919).

Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch 1931, Liebmann Paul, Kohn Clara Dr.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt., VA, 2151 Paul Liebmann (3.5.1895 Wien).

WStLA, VEAV,1.3.2.119.A41 31; 89, Bezirk: 24, Clara Liebmann Dr.

WStLA, VEAV, 1.3.2.119.A41 343, Bezirk: 2, Paul Liebmann.

DÖW, Gestapo-Kartei, Clara Liebmann.

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957, Dec 22, 1938, NARA microfilm publication T715 (Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.).

Brasil, Cartões de Imigração, 1900-1965, Clara Kohn Kleimmann de Liebmann, Immigration; 1957, Arquivo Nacional, Rio de Janeiro (National Archives, Rio de Janeiro).

http://www.bibliotecanacionaldigital.gob.cl/bnd/623/w3-article-614604.html

Clara Kohn Kleinmann, Burial, Santiago, Provincia de Santiago, Santiago Metropolitan, Chile, Cementerio General de Santiago; record ID 217272869.

Literatur:

Knöpfelmacher Wilhelm und Clara Kohn: Untersuchungen über den Gallenfarbenstoff beim Ikterus neonatorum. Aus dem Carolinen-Kinderspitale in Wien. Sonderdruck aus: Monatsschrift für Kinderheilkunde. Leipzig: Verlag von F.C.W. Vogel 1921.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Clara (Klara) Kohn-Liebmann, Internistin, Herzspezialistin, Sportärztin, NS-Verfolgte, Chile, Santiago, Ärztin, Medizingeschichte, Wien

[1] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 38, 1921, Sp. 1648.

[2] Die Mutter. Halbmonatsschrift für alle Fragen der Schwangerschaft, 16.6.1926, S. 2.

[3] Arbeiter Zeitung, 14.6.1925, S. 10.

[4] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 15.4.1932, S. 7.

[5] Der Tag, 12.4.1927, S. 5.

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Normdaten (Person) Kohn-Liebmann, Clara: BBL: 40545; GND: 1281454354;

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 40545 (20.02.2023); Letzte Aktualisierung: 2023 0220
Online unter der URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=40545

Logo Margrit Hartl

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [205]: Richard Volk – Dermatologe, Mitarbeiter am Sero-therapeutischen Institut und der Lupusheilstätte im Wilhelminenspital, NS-Verfolgter

Richard Volk – Dermatologe, Mitarbeiter am Sero-therapeutischen Institut und der Lupusheilstätte im Wilhelminenspital, NS-Verfolgter

Text: Dr. Walter Mentzel

Richard Volk wurde am 14. Oktober 1876 als Sohn von Alois Volk (1847-1927) und Rosa, geborene Spitzer (1854-1932), in Lundenburg in Mähren (heute: Břeclav/Tschechien) geboren. 1908 heiratete er die Medizinerin Else Friedland (1880-1953), die zwischen 1903 und 1907 als erste Universitätsangestellte und als erste weibliche Demonstratorin bei Heinrich Obersteiner jun. am Neurologischen Institut arbeitete.[1] Richard und Else Volk hatten gemeinsam die Kinder Georg Heinrich (geb. 1910-) und Eva Franziska (geb. 1912-)

Nachdem Richard Volk das Gymnasium in Znaim absolviert hatte, begann er 1894 an der Universität Wien mit dem Studium der Medizin, das er am 30. Juni 1900 mit seiner Promotion abschloss. Danach setzte er seine weitere Ausbildung als Aspirant und Operationszögling an der I. Medizinischen Klinik von Hermann Nothnagel (1841-1905) und an der II. Frauenklinik von Friedrich Schauta (1849-1919) u.a. fort. Nach einem darauffolgenden halben Jahr Aufenthalt an den dermatologischen Instituten in Bern und Paris wurde er im Mai 1901 zum Assistenzarzt in der Reserve des Garnisonsspitals Nr. 2 in Wien beim Infanterieregiment Ernst August von Cumberland, Herzog von Braunschweig und Lüneburg Nr. 42 ernannt.[2] Im selben Jahr trat er in den Dienst des staatlichen Sero-therapeutischen Instituts in Wien unter dem Vorstand Richard Paltauf (1858-1924) und publizierte hier gemeinsam mit Philipp Eisenberg die „Untersuchung über die Agglutination“,[3] 1902 „Ueber eine Kaninchenseuche“ und gemeinsam mit Henri de Waele (1876-1967) aus Gent „Ueber Hemmungserscheinungen bei frischen Immunseris[4] sowie 1903 „Zur Frage der Plazentarsyphilis[5] und „Ueber Bakteriohämolysin“.

1903 trat er als Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien bei,[6] und wechselte im selben Jahr als Assistent an die II. Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten von Professor Eduard Lang (1841-1916) ins Allgemeine Krankenhaus Wien, wo er 1904 den Aufsatz „Darf man während der Gravidität am äusseren Genitale oprieren?“ und 1905 „Die therapeutische Verwendbarkeit des Jothions“ publizierte.[7]

Am 1.1.1908 übernahm er, als Nachfolger von Lang, die Leitung der II. Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten im AKH bis 1.1.1909. 1912 habilitierte er sich an der Universität Wien zum Privatdozenten für Dermatologie und Syphilidologie.[8] Seinen „Probevortrag“ gehalten zur Erlangung der Venia legendi im Mai 1912 veröffentlichte er im September 1912 unter dem Titel „Die Vakzinetherapie bei Haut- und Geschlechtskrankheiten in der Wiener medizinischen Wochenschrift in zwei Teilen (Teil 1, Teil 2).[9]

In dieser Zeit engagierte sich Volk als Referent vor allem zum Thema der Geschlechtskrankheiten im Wiener Volksbildungsverein, sowie in sozialdemokratischen Ortsorganisationen.[10] Neben seiner Funktion im AKH Wien führte er eine private Ordination und arbeitete für den Verband der Genossenschafts-Krankenkasse Wiens der Allgemeinen Arbeiter-Krankenkasse- und Unterstützungskasse in Wien. In den späten 1920er Jahren hielt er Vorträge in der Reihe „Stunde der Volksgesundheit“ im Radio Wien, in den 1930er Jahren trat er als Referent bei den Veranstaltungen der „Arbeitsgemeinschaft für gesundheitliche Volksbildung“ auf.[11]

Sammlungen der Medizinischen Universität Wien – Josephinum

Nachdem er im Oktober 1914 vom Oberarzt im Offizierskorps in der Reserve zum Regimentsarzt ernannt wurde,[12] diente er während des Ersten Weltkrieges im Garnisonsspital des Festungskommandos in Przemyśl als Primarius der dermatologischen Abteilung und erhielt im Dezember 1914 das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille.[13] Hier publizierte er 1915 mit Georg Stiefler (1876-1939) „Über Störung der Harnentleerung infolge Erkältung“.[14] Nach dem Fall der Festung Przemysl im März 1915 geriet Volk in russische Kriegsgefangenschaft,[15] aus der er erst 1917 freigelassen wurde. 1918 erhielt er das Ritterkreuz des Franz-Josephs-Ordens mit der Kriegsdekoration und den Schwertern.[16] Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft wurde er zunächst als Nachfolger des 1916 verstorbenen Eduard Lang zum Leiter der „Heilstätte für Lupuskranke“ ernannt, 1918 erfolgte seine Berufung zum Vorstand der Anstalt und seine Ernennung zum Primararzt 2. Klasse im Stande der Abteilungsvorstände in den Wiener Krankenanstalten.[17] 1919 wirkte er gemeinsam mit Paul Gerber, Ernst Löwenstein (1878-1950) und Moriz Weiß an der Gründung der Wiener Gesellschaft für Tuberkuloseforschung mit.[18] 1921 erhielt er den Titel außerordentlicher Professor verliehen.[19]

Zu seinen Hauptwerken zählt noch das 1927 erschienene und von ihm gemeinsam mit Walter Hausmann herausgegebene „Handbuch der Lichttherapie“, sowie die 1907mit Rudolf Kraus publizierte „Studien über Immunität gegen Veriolavaccine. Experimentelle Begründung einer subkutanen Schutzimpfung mittels verdünnter Vaccine“ und die 1906 erschienene Arbeit „Weitere Studien über Immunität bei Syphilis und bei der Vakzination gegen Variola“.

Volk war Mitglied der Wiener dermatologischen Gesellschaft, 1923 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Dänischen dermatologischen Gesellschaft gewählt.[20]

Seine letzte Arbeit in Österreich erschien am 12. Februar 1938 in der Wiener medizinischen Wochenschrift unter dem Titel „Das Rubrophen in der Behandlung der extrapulmonalen Tuberkulose“.[21]

Richard Volk und seine Ehefrau Elsa waren wegen ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Richard Volk verlor seine Lehrberechtigung und wurde am 22. April 1938 seines Amtes enthoben. Er arbeitete kurzzeitig als „Krankenbehandler“ im Rothschild-Spital, bis ihm und seiner Familie 1939 die Flucht nach Mexiko gelang, wo er gemeinsam mit seiner Ehefrau Else eine Arztpraxis betrieb. Richard Volk verstarb am 14. September 1943 in Mexiko City.

An Richard Volk erinnert eine am 9. September 1953 errichtete Büste an seinem langjährigen Arbeitsort beim Lupuspavillon im Wilhelminenspital in Wien 16.

 

Quellen:

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0548, Volk Richard, (Nationalien Datum: 1898/99).

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0500, Volk Richard, (Nationalien Datum: 1894/95).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-431b, Volk Richard (Rigorosum Datum: 13.6.1900).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 189-0546, Volk Richard (Promotion Datum: 30.6.1900).

UAW, Rektoratsarchive, Akademischer Senat, Akten-Sonderreihe, S 304 Personalblätter, Senat S 304.1324 Volk, Richard (14.10.1876-14.09.1943).

Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch 1908, Volk Richard Dr., Friedland Else Dr.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 35.149, Volk Richard.

Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien: Richard Volk.

Literatur:

Handbuch der Lichttherapie. Hrsg. von Walter Hausmann und Richard Volk. Wien: Springer 1927.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 503]

Kraus, Rudolf und Richard Volk: Weitere Studien über Immunität bei Syphilis und bei der Vakzination gegen Variola. [Photokopie] Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 42764]

Keywords:

Volk Richard, Dermatologe, Lupusheilstätte, Wilhelminenspital, NS-Verfolgter, Mexiko,  Arzt, Medizingeschichte, Wien

[1] Blatt der Hausfrau, H. 25, 1904-1905, S. 658.

[2] Wiener Zeitung, 30.5.1901, S. 1.

[3] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 50, 1901, S. 1221-1222.

[4] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 49, 1902, S. 1305-1306.

[5] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 28, 1903, S. 822-827.

[6] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 15, 1903, S. 459.

[7] Die Heilkunde. Monatsschrift für praktische Medizin, H. 7, 1905, S. 289-295.

[8] Wiener klinische Rundschau, Nr. 31, 1912, S. 494.

[9] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 39, 1912, Sp. 2541-2546; Nr. 40, 1912, Sp. 2617-2621.

[10] Arbeiter Zeitung, 21.1.1910, S. 10.

[11] Neues Wiener Tagblatt, 25.2.1937, S. 3.

[12] Die Zeit, 25.10.1914, S. 4.

[13] Wiener Zeitung, 10.12.1914, S. 16.

[14] Wiener klinische Rundschau, Nr. 45/46, 1915, S. 263.

[15] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 4.5.1915, S. 14.

[16] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 24, 1918, Sp. 1117.

[17] Wiener Zeitung, 3.3.1918, S. 5.

[18] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 43, 1919, Sp. 2126.

[19] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 34, 1921, Sp. 1512.

[20] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 52, 1923, Sp. 2353.

[21] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 7, 1938, S. 173-176.

Normdaten (Person) Volk, Richard: BBL: 40469; GND: 1055427651;

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 40469 (06.02.2023); Letzte Aktualisierung: 2023 0207
Online unter der URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=40469

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [199]: Ernst Rudolf Hammerschlag – Internist am S. Canning-Childs-Spital in Wien und Psychiater in New York – NS-Verfolgter

Ernst Rudolf Hammerschlag – Internist am S. Canning-Childs-Spital in Wien und Psychiater in New York – NS-Verfolgter

Text: Dr. Walter Mentzel

Ernst Rudolf Hammerschlag wurde am 13. Februar 1894 als Sohn des Mediziners Albert Hammerschlag und Leontine Hammerschlag in Wien geboren. Nach der Absolvierung der Matura am Josefstädter Oberrealgymnasium in Wien im Jahr 1912,[1] begann er mit dem Studium der Medizin, das er mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrechen musste. Im Frühjahr 1915 geriet er in Przemysl in russischen Kriegsgefangenschaft,[2] aus der er sich durch Flucht aus einem sibirischen Kriegsgefangenenlager entziehen konnte. Nach dem Krieg setzte er das Studium der Medizin an der Universität Wien fort und schloss es im Februar 1923 mit seiner Promotion ab. Danach arbeitete an der I. medizinischen Abteilung des Kaiser-Franz-Joseph-Spitals unter dem Vorstand Professor Josef Wiesel (1876-1928), wo er seine Facharztausbildung zum Internisten absolvierte, und eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten publizierte. Darunter den 1925 erschienenen Aufsatz „Ein Fall von wahrem Aneurysma des Ductus arteriosus Botalli“ und die 1926 im Wiener Archiv für innere Medizin veröffentlichte Arbeit „Über die konstitutionelle Disposition zum akuten Gelenkrheumatismus“. Daneben führte er in Wien bis 1938 eine private Arztpraxis.

Ab 1929 war er als Assistent an der I. medizinischen Abteilung des von der „Samuel Canning Childs Stiftung zur Erforschung und Behandlung innerer Krankheiten und des Krebses“ gegründeten und vom Direktor Adolf Edelmann (1885-1939) geführten S. Canning-Childs-Spital tätig.

Hammerschlag war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, seit 1931 Mitglied der Gesellschaft für innere Medizin, und gehörte der in Wien ansässigen Arbeitsgemeinschaft für gesundheitliche Volksbildung an, in deren Veranstaltungsreihen er in den 1930er Jahren regelmäßig Vorträge hielt.[3] 1936 trat er der Freimaurerloge B’nai Brith bei. Ernst Hammerschlag war Hausarzt von Sigmund Freund, mit dem schon sein Vater Albert und sein Großvater Samuel Hammerschlag eng befreundet waren. Im Jänner 1938 wurde noch sein Redebeitrag in der Sitzung der Gesellschaft für innere Medizin vom 27. Jänner 1938 im Bericht der Gesellschaft publiziert.[4]

New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946.

Ernst Hammerschlag, der wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt wurde, gelang am 27. Juni 1938 über Le Havre mit der SS Normandie die Flucht in die USA. Hier begann er an der New York School of Psychiatry mit dem Studium der Psychiatrie und arbeitete danach am Mount Sinai und Lenox Hill Hospital, sowie als außerordentlicher Professor an der New York School of Psychiatry. Er gehörte in New York bald zu den bekanntesten und prominentesten Psychiatern und Psychotherapeuten und publizierte daneben u.a. 1949 mit dem 1936 aus Österreich in die USA emigrierten Mediziner David Adlersberg (1897-1960) die Arbeit „Mechanism of the Postgastrectomy Syndrome“. In New York heiratete er die von den Nationalsozialisten aus Deutschland geflüchtete Margo Liebes, die lange Jahre Vorstandsmitglied der in New York ansässigen National Association of Women Artists war.

Hammerschlag verstarb am 29. Oktober 1973 in New York. Heute wird ein von der Familie Hammerschlag ins Leben gerufener Preis, der „Margo Harris Hammerschlag Biennial Award“, von der „The National Association of Women Artists“ (NAWA) vergeben.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1893, Hammerschlag Ernst.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, 134-0768, Hammerschlag Ernst (Nationalien Datum: 1918/19).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, 196-0255, Hammerschlag Ernst (Rigorosum Datum: 16.2.1923).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, 192-1447, Hammerschlag Ernst (Promotion Datum: 20.2.1923).

New York Times, 1.11.1973, S. 46.

Matriken der IKH Wien, Geburts-Anzeige, Hammerschlag Ernst.

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957, (NARA microfilm publication T715 – Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.).

New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946, Petitions for naturalization and petition evidence 1943 box 842, no. 458682-458850 (NARA microfilm publication M1972, Southern District of New York Petitions for Naturalization, 1897-1944. Records of District Courts of the United States, 1685 – 2009, RG 21. National Archives at New York).

United States Social Security Death Index, Ernst Hammerschlag, Oct. 1973 (U.S. Social Security Administration, Death Master File).

Literatur:

Hammerschlag, Ernst: Ein Fall von wahrem Aneurysma des Ductus arteriosus Botalli. Sonderdruck aus: Virchow´s Archiv für Pathologische Anatomie und Physiologie und für Klinische Medizin. Berlin: Verlag von Julius Springer 1925.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Ernst Hammerschlag, Innere Medizin, S. Canning-Childs-Spital, Psychiatrie, Sigmund Freud, NS-Verfolgung, Arzt, Medizingeschichte, Wien

[1] Jahresbericht über das k.k. Staatsgymnasium im VVVI. Bezirk Wiens. Josefstädter Obergymnasium, Schulnachricht, Schuljahr 1812/13, S. 19.

[2] Neue Freie Presse, 5.6.1915, S. 19.

[3] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 6.5.1936, S. 27.

[4] Wiener Archiv für innere Medizin. Mitteilungen der Gesellschaft für innere Medizin, Hauptteil Teil 1, Anhang, 1938, S. 15.

 Normdaten (Person) Hammerschlag, Ernst: BBL: 40189; GND: 1275316964

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 40189 (05.12.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 12 05
Online unter der URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=40189

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [195]: Karl Kautsky jun. – Frauenarzt, Sexualmediziner, Gesundheitspolitiker, Facharzt im Berufsberatungsamt und Leiter der Eheberatungsstelle der Gemeinde Wien, NS-Verfolgter

Karl Kautsky jun. – Frauenarzt, Sexualmediziner, Gesundheitspolitiker, Facharzt im Berufsberatungsamt und Leiter der Eheberatungsstelle der Gemeinde Wien, NS-Verfolgter

Text: Dr. Walter Mentzel

Karl Kautsky wurde am 13. Jänner 1892 in Stuttgart als Sohn des in Prag geborenen marxistischen Theoretikers und sozialdemokratischen Politikers Karl Johann Kautsky (1854-1938) und dessen Frau Louise Ronsperger geboren. Seit 1918 war er mit Charlotte Kobelt (1892-1994) verehelicht, mit der er gemeinsam die beiden in Wien geborenen Kinder Hilde (*1920) und Ilse (*1922) hatte.

Kautsky besuchte das Gymnasium in Berlin und begann danach an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin mit dem Studium der Medizin. Nachdem er 1914 die Berechtigung zur Führung einer Arztpraxis in Deutschland erwarb, nahm er im selben Jahr an der Frauenklinik in Frankfurt am Main seine Arbeit als Sekundararzt auf, die er nach der Erlangung seines Doktorats im Jahr 1916 bis 1917 als Assistent an der Frauenklinik fortsetzte. Von November 1917 bis November 1918 nahm er als Assistenzarzt in der k.u.k. Armee am Ersten Weltkrieg teil. Am 30. Juli 1918 promovierte er an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien zum Doktor der Medizin und verlegte seinen Lebensmittelpunkt nach Wien.

Beruflicher Werdegang

In Wien trat er der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs (SdAPÖ) bei und begann – wie schon zuvor sein Bruder, der Ökonom Benedikt Kautzky – seine politische Laufbahn in den Strukturen der SdAPÖ. Er gehörte rasch zum engen Mitarbeiterkreis um Julius Tandler, war Mitglied des Klubs der sozialdemokratischen Fürsorgeräte in Wien, unterrichtete als Teil des Lehrerteams an der Abendschule der Schul- und Kinderfreunde im Schloss Schönbrunn Gesundheitslehre,[1] und kandidierte 1928 bei der Wiener Ärztekammerwahl.[2] Seine berufliche Tätigkeit als Arzt begann er zwischen 1919 und 1921 als Assistent in dem seit 1909 existierenden „Frauenhospiz des Verbandes der Genossenschaftskrankenkassen“ (Wiener Frauenhospiz) und daneben als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bei der Krankenkasse der Handelsangestellten.

Berufsberatungsstelle der Gemeinde Wien

1921 wechselte Kautsky in das von der Gemeinde Wien gemeinsam mit der Arbeiterkammer Wien im selben Jahr geschaffene und gemeinsam verwaltete Berufsberatungsamt der Stadt Wien, wo er bis 1929 die Funktion eines Facharztes einnahm.

Leiter der Eheberatungsstelle der Gemeinde Wien

Im Juni 1922 wurde er auch noch zum Leiter der von Gesundheitsstadtrat Julius Tandler initiierten Eheberatungsstelle der Gemeinde Wien bestellt, diese Funktion übte er bis 1934 aus.[3] Nach seiner aus politischen Gründen erfolgten Entlassung im Februar 1934 wurde diese Stelle vorübergehend geschlossen und erst im Juni 1935 unter der Leitung des entschiedenen Abtreibungsgegners und späteren Pastoralmediziners Albert Niedermeyer (1888-1957) neu eröffnet.

Als Vertreter der Vereinigung sozialdemokratischer Ärzte nahm er im Mai 1924 an der Konferenz zur „Schwangerschaftsunterbrechung und Bevölkerungspolitik“ in der Gesellschaft der Ärzte in Wien teil,[4] dazu erschien von ihm im selben Jahr die Broschüre „Der Kampf gegen den Geburtenrückgang“.[5] 1927 gehörte er der von der Österreichischen Liga für Menschenrechte organisierten Enquete über Eherechtsreform,[6] und seit 1928 der neugegründeten und unter dem Vorsitz von Julius Wagner-Jauregg stehenden Österreichischen Gesellschaft für Volksaufartung und Erdkunde als Vertreter der Eheberatungstelle der Stadt Wien an.[7]

Kautzkys Wirken in der Volksbildung und seine publizistische Tätigkeit

Seine ersten wissenschaftlichen Arbeiten enthielten theoretisch fundierte Überlegungen zum Arztberuf. Dazu zählen die 1919 in der von der SdAPÖ herausgegebenen Zeitschrift Der Kampf publizierten Aufsätze „Die Übernahme der Ärzte durch die Gesellschaft“,[8]Ärztliche Erziehungsfragen“,[9]Die politische und soziale Ideologie des Ärztestandes“,[10] der 1921 veröffentlichte Artikel „Kapitalismus und Volksgesundheit“,[11] und der 1933 erschienene Artikel „Demokratische Medizin“.[12]

An der von Gina Kaus seit 1924 herausgegebenen und Fragen der Schwangerschaft, Säuglingshygiene und Kindererziehung thematisierenden Zeitschrift Die Mutter wirkte er neben Julius Tandler, Viktor Hammerschlag (1870-1943), Josef Karl Friedjung (1871-1946), Albert Moll (1862-1939), Wilhelm Knöpfelmacher (1866-1938) und Carl Hochsinger (1860-1942) als Mitarbeiter seit Beginn an mit.[13] Weiters publizierte er in Zeitungen wie der Arbeiterinnen-Zeitung und deren Beilage Die Frau. Daneben schrieb Kautzky seit den frühen 1920er Jahren bis 1938 regelmäßig in der Wiener medizinischen Wochenschrift Rezensionen zur internationalen medizinischen Literatur.

Noch während seiner Tätigkeit im Wiener Frauenhospiz erschien von ihm 1921 der Aufsatz „Die Benennung der Nierenerkrankungen in der Schwangerschaft“, die sich heute in der Separata-Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befindet. Seine weiteren Arbeiten standen im Kontext zu seiner Beschäftigung im Berufsberatungs- und Eheberatungsamt der Gemeinde Wien. Dazu zählt der 1927 publizierte Artikel „The matrimonial Health Consultation Office“, die 1929 in den Blättern für Wohlfahrtswesen erschienene Arbeit „Öffentliche oder private Eheberatung“ und ein Jahr darauf in derselben Zeitschrift der Aufsatz „Die Eheberatungsstelle der Gemeinde Wien“. 1930 veröffentlichte er gemeinsam mit seiner Kollegin am Berufsberatungsamt der Gemeinde Wien, Ilse Zimmermann (1892-1935), in der Jubiläums-Festschrift der Wiener medizinischen Wochenschrift anlässlich des 70. Geburtstages des Direktors des Ersten öffentlichen Kinder-Krankeninstituts, Karl Hochsinger (1860-1942), den Aufsatz „Zur sozialhygienischen Bedeutung der Lues congenita“.[14] 1931 publizierte er die 79 Seiten umfassende Schrift „Soziale Hygiene der Frau. Eine sozialmedizinische Darstellung des weiblichen Geschlechtslebens“.

Sein Wirken in der ärztlichen Eheberatung spiegelt sich auch in seinen zahlreichen Vorträgen in den Wiener Volksbildungseinrichtungen wider, darunter 1925 als Referent am Lichtbildervortragszyklus in der Urania zu „Probleme der Ehe“,[15] oder seine Vorträge im Radio Wien zur ärztlichen Berufsberatung[16] und hier besonders im Rahmen der „Stunde der Volksgesundheit“.[17] Kautzkys Schwerpunkte seiner Vortragstätigkeit lag im Organisationsbereich der SdAPÖ, wo er zur Sexualmedizin, Hygiene der Frau, der sexuellen Aufklärung, Schwangerschaften und zur Gesundheitspolitik insgesamt referierte. Seine Vorträgen reichten thematisch vom „Recht der Frauen auf Lebensfreude“,[18] bis zu der gemeinsam mit der Individualpsychologin Margrethe Hilferding-Hönigsberg (1871-1942) gestalteten Vortragsreihe zu Schwangerschaftsunterbrechungen vom frauenärztlichen Standpunkt,[19] in der er sich für eine Liberalisierung des § 144 (Schwangerschaftsabbruch) einsetzte. Mit dem Wiedereinsetzen der Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre und der beginnenden Phase der Zerstörung der Demokratie widmete er seine Vorträge inhaltlich zunehmend dem Kampf gegen die sozialen Folgen der Krisen und gegen den aufkommenden Faschismus.

Nach der Niederschlagung der Demonstrationen im Zuge des Brandes des Wiener Justizpalastes am 15. Juli 1927 kam es zur Sammlung von Belegen, die die Übergriffen der Polizeiorgane dokumentieren und Erhebungen der Staatsanwaltschaft einleiten werden sollten. Dazu trug Kautsky durch seine Zeugenaussage bei.[20]

Gemeinderat der Stadt Wien

Im April 1932 kandidierte er bei den Wiener Gemeinderatswahlen für die SdAPÖ und erreichte im Bezirk Wien Währung sein Mandat zum Gemeinderat, dem er bis zum Februar 1934 angehörte.[21] Wegen seiner exponierten Stellung als Gesundheitspolitiker in Wien und als Funktionär der SdAPÖ wurde er nach dem Februar 1934 vom austrofaschistischen Regime für sechs Wochen in der Polizeigefangenenanstalt Rossauer Lände inhaftiert. Nach seiner Freilassung arbeitete er als praktischer Arzt in seiner privaten Praxis. Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurden seine Familie und er wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt. Zwischen August 1938 und Februar 1939 wurde er ein weiteres Mal im Polizeigefangenenhaus Rossauer Lände – diesmal von den Nationalsozialisten – in „Schutzhaft“ genommen.

New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946, Karl Kautsky, 1940.

Nach seiner Enthaftung flüchtete Kautzky mit seiner Familie nach Viggbyholm bei Stockholm in Schweden. Im Oktober 1939 emigrierten sie mit der SS Oslofjord in die USA und ließen sich in New York nieder. Hier baute Kautzky eine private Arztpraxis auf, die er bis zum Ende seiner beruflichen Tätigkeit im Mai 1964 führte. Da er in der USA wegen eines fehlenden Angestelltenverhältnisses kaum Pensionsansprüche erworben hatte und die von der Pensionsversicherung in Österreich zur Auszahlung gekommenen Pensionsansprüche wegen seiner zweimaligen Verfolgungsgeschichte nur geringfügig ausfiel, setzte sich 1964 der Generaldirektors der Wiener Gebietskrankenkasse, der ehemalige NS-Verfolgte und nach 1938 Leiter des Gesundheitswesens im Jüdischen Spital in der Malzgasse in Wien 2, Professor Emil Tuchmann (1899-1976), für ihn bei der Gemeinde Wien ein. Mit Beschluss des Gemeinderatsausschusses im Dezember 1964 erhielt er eine außerordentliche Zuwendung zu seiner Pension zugesprochen.

Kautzky verstarb am 15. Juni 1978 in Napa in Kalifornien.

Quellen:

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, 191-1377, Kautsky Karl (Promotion Datum: 30.7.1918).

WStLA, M.Abt. 202, Personal- und Pensionsakten: politische Funktionäre, 1.2.3.202.A52, Kautsky Karl.

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1925-1957, Karl Johann Kautsky, 1939. (Immigration, New York, United States, NARA microfilm publication T715; Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.).

United States Census, 1940, Karl Kautsky, Assembly District 7, Manhattan, New York City, United States; (NARA digital publication T627. Records of the Bureau of the Census, 1790 – 2007, RG 29. Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, 2012, roll 2636).

New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946, Karl Kautsky, 1940.

United States Social Security Death Index, Karl Kautsky, Jun 1978.

California Death Index, 1940-1997, Karl Kautsky, 15.6.1978; Department of Public Health Services, Sacramento.

Literatur:

Kautsky, Karl: Die Benennung der Nierenerkrankungen in der Schwangerschaft. Sonderdruck aus: Zentralblatt für Gynäkologie. Leipzig: Johann Ambrosius Barth 1921.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Kautsky Karl jun., Frauenarzt, Sexualmedizin, Eheberatung, Berufsberatung, Gemeinde Wien, Julius Tandler, politisch Verfolgter, NS-Verfolgung, Medizingeschichte, Arzt, Medizin

[1] Arbeiter Zeitung, 26.10.1923, S. 6.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 1, 1928, S. 41.

[3] Neue Freie Presse, 2.6.1922, S. 7.

[4] Arbeiter Zeitung, 25.5.1924, S. 8.

[5] Arbeiterinnen Zeitung, H. 6, Beilage: Die Frau, Nr. 4, 1.6.1924, S. 2.

[6] Neues Wiener Journal, 27.4.1927, S. 5.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 26, 1928, S. 41.

[8] Der Kampf, Nr. 12, 1919, S. 459-464.

[9] Der Kampf, Nr. 13, 1919, S. 420-424.

[10] Der Kampf, Nr. 14, 1919, S. 438-442.

[11] Bildungsarbeit. Blätter für sozialistisches Bildungswesen, Nr. 4/5, 1921, S. 28-29.

[12] Arbeiter Zeitung, 3.7.1933, S. 5.

[13] Die Stunde, 3.12.1924, S. 5.

[14] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 45, 1930, S. 1467-1469.

[15] Arbeiter Zeitung, 28.11.1925, S. 11.

[16] Radio Wien 17.9.1928, S. 3.

[17] Arbeiter Zeitung, 28.12.1932, S. 10.

[18] Arbeiter Zeitung, 3.6.1923, S. 12.

[19] Neue Freie Presse, 24.5.1924, S. 8.

[20] Das Kleine Blatt, 6.10.1927, S. 2.

[21] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 25.4.1832, S. 2.

Normdaten (Person)  Kautsky jun., Karl : BBL: 40054; GND: 1033584770

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 40054 (21.11.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 11 21
Online unter der URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=40054

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [194]: Hermann Teleky – Arzt und Funktionär in medizinischen Vereinen

Hermann Teleky – Arzt und Funktionär in medizinischen Vereinen

Text: Dr. Walter Mentzel

Hermann Teleky wurde am 22. Dezember 1837 in Bittsee an der Waag (heute: Bytca Zilinsky kraj/Slowakei) als Sohn von Simon Teleki und Therese Teleki geboren. 1867 heiratete er die Wienerin Marie Koritschoner (1848-1927) mit der er die Kinder, den Sozialmediziner Ludwig Teleky (1872-1957), die Krankenpflegerin Elsa Teleky (1874-?) und die Gynäkologin Dora Brücke-Teleky (1879-1963) hatte.

Teleky kam 1855 nach Wien und begann mit dem Studium der Medizin an der Universität Wien, das er im Juni 1861 mit dem Doktorat der Medizin und im Dezember 1863 mit den Doktorat der Chirurgie abschloss.[1] Zwischen 1861 und 1867 arbeitete er als Sekundararzt im Wiedner Krankenhaus und im Rudolfsspital und widmete sich danach seiner ärztlichen Praxis in Wien 1, Fleischmarkt 4.

Teleky engagierte sich vor allem im ärztlichen Vereinswesen, wo er verschiedenste Funktionen einnahm. Dazu zählen seine Mitgliedschaft und Funktion im Vorstand des wissenschaftlichen Ausschusses des Wiener Doktoren-Kollegiums, dessen Mitglied er seit 1866 war,[2] die Mitgliedschaft in der Gesellschaft der Ärzte in Wien, in die er 1870 zunächst als ordentliches Mitglied beitrat und Funktionen in den Verwaltungsgremien ausübte,[3] sowie seine Mitgliedschaft in der Sektion Wien des niederösterreichischen Ärztevereins, wo er auch 1880 die Funktion des stellvertretenden Präsidenten einnahm.[4] Nachdem er 1894 an der Wahl der Wiener Ärztekammer teilnahm, kam es zu seiner Wahl im Mai 1894.[5] Weiters war er als Mitglied im Verband der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde[6] sowie im Vorstand des Verein Lupusheilstätte tätig.[7]

Von Teleky sind einige Publikationen erhalten, darunter seine 1888 erschienene Arbeit „Ueber Diabetes Mellitus. Bemerkungen gelegentlich der von Prof. Seegen im Wiener Medizinischen Doctoren-Collegium gehaltenen Vorträge“, der 1892 publizierte Aufsatz „Pankreasdiabetes und Icterus gravis“ und sein in der k.k. Gesellschaft der Ärzte in Wien am 3. Februar 1893 gehaltene Vortrag „Ueber subjective und objective Kopfgeräusche“, der als Sonderdruck veröffentlicht wurde. Diese Arbeiten befinden sich in der Separata-Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin. Ebenfalls an der Zweigbibliothek befindet sich von ihm im Bestand der Neuburger-Bibliothek seine 1907 veröffentlichte Publikation zur „Lupusheilstätte und Lupusheim in Wien“ sowie sein 1885 publizierte Artikel „Über den mechanischen Verschluss des Anus praeternaturalis“ und weiters seine 1886 erschienene Arbeit „Über Meningitis cerebrospinalis infectiosa“.

In der Hebammen-Zeitung veröffentlichte er 1889 die Artikelserie „Die Ernährung des schulpflichtigen Kindes“ (2. Teil)[8], und 1890 seinen vor dem Unterstützungsverein für Hebammen in Wien gehaltenen Vortrag „Über Wahl und Behandlung der Ammen“.[9]

Teleky gehörte auch jenem Unterstützerkreis um Marie Lang und den Gründer des Vereins zur Verbesserung der Frauenkleidung, Hugo Klein, an, die sich zum Ziel setzten im Rahmen der Lebensreformbewegung aus gesundheitlichen wie emanzipatorischen Gründen eine Veränderung der Frauenmode zu propagieren. Dazu erstellte er 1902 ein medizinisches Gutachten über die negativen Folgen des Tragens des Mieders, die in der von der Sozialarbeiterin, Frauenrechtlerin und Gründerin des Verein Settlement, Marie Lang (1858-1934), herausgegebenen Zeitschrift „Dokumente der Frauen“ gemeinsam mit jenen Stellungnahmen von Hugo Klein, Josef Breuer (1842-1925), Heinrich Adler, Markus Hajek (1861-1941), Max Kassowitz, Richard Krafft-Ebing oder Friedrich Schauta u.a. sowie den Ausführungen des Malers und Grafikers Alfred Roller (1864-1935), des Modeschöpfers Christoph Drecoll (1851-1939), des Architekten Adolf Loos (1870-1933), des Schriftstellers Hermann Bahr (1863-1934) und eines Aphorismus von Peter Altenberg (1859-1919) publiziert wurden.[10]

1911 wurde zu seinem 50-jährigen Promotionsjubiläum eine Teleky-Stiftung für wohltätige Zwecke errichtet.

Hermann Teleky verstarb am 31. März 1921 in Wien.

Neue Freie Presse, 9.4.1921, S. 14

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch, 1879, Teleky Hermann, Koritschoner Marie.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0433, Teleky Hermann (Nationalien Datum: 1890/91).

UAW, Med. Fak., Promotionsprotokoll, Sign. 181-915, Teleky Hermann (Promotion Datum: 10.6.1861).

UAW, Med. Fak., Promotionsprotokoll, Sign. 181-606, Teleky Hermann (Promotion Chirurgie Datum: 11.12.1863).

Friedhofsdatenbank Wien, Teleky Hermann.

Literatur:

Teleky, Hermann: Ueber Diabetes Mellitus. Bemerkungen gelegentlich der von Prof. Seegen im Wiener Medizinischen Doctoren-Collegium gehaltenen Vorträge. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Blätter. Wien: L. Bergmann & Comp. 1888.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Teleky, Hermann. Pankreasdiabetes und Icterus gravis. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1902.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Teleky, Hermann: Ueber subjective und objective Kopfgeräusche. Nach einem k.k. Gesellschaft der Aerzte am 3. Februar 1893 gehaltenen Vortrage. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Blätter. Wien Verlag von L. Bergmann 1893.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Teleky Hermann, Teleky Ludwig, Doktoren-Kollegium, Lupusheilstätte, Gesellschaft der Ärzte in Wien, Niederösterreichische Ärzteverein, Medizingeschichte, Wien

[1] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 49, 1864, Sp. 765.

[2] Wiener klinische Rundschau, Nr. 24/26, 1919, S. 143; Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 27.11.1866, S. 387.

[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 24, 1870, Sp. 465; Wiener Zeitung, 23.3.1898, S. 5; Illustrieres Wiener Extrablatt, 12.4.1901, S. 15.

[4] Wiener Allgemeine Zeitung, 23.12.1880, S. 5.

[5] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 27.3.1894, S. 10.; Neues Wiener Journal, 27.5.1894, S. 4.

[6] Neue Freie Presse, 25.12.1913, S. 14.

[7] Die Zeit, 23.1.1905, S. 5.

[8] Hebammen-Zeitung, 30.11.1889, S. 4; 15.12.1889, S. 5.

[9] Hebammen-Zeitung, 30.4.1890, S. 57-60.

[10] Dokumente der Frauen, Bd. 7, 1902, S. 674.

Normdaten (Person)  Teleky, Hermann: BBL: 40029; GND: 1155616995

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 40029 (17.11.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 11 17
Online unter der URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=40029

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [193]: Ilse Zimmermann – Kinderärztin, Sozialmedizinerin, Mitarbeiterin des Berufsberatungs- und Jugendamtes der Stadt Wien

Ilse Zimmermann – Kinderärztin, Sozialmedizinerin, Mitarbeiterin des Berufsberatungs- und Jugendamtes der Stadt Wien

Text: Dr. Walter Mentzel

Ilse Zimmermann wurde am 16. Juni 1892 in Wien Leopoldstadt als Tochter des aus Zurawno in Galizien (heute: Schurawno/Ukraine) stammenden Militäroberrechnungsrates der Fachrechnungsabteilung im Kriegsministerium Marcus Zimmermann (zirka 1851-1921) und Eugenie (recte Eugele) Mahl (?-1925) geboren.

Zimmermann besuchte das 1901 von Eugenie Schwarzwald gegründete Mädchenlyzeum am Kohlmarkt in Wien, wo sie den Gymnasialkurs zur Vorbereitung eines Medizinstudiums belegt hatte, und maturierte im Jahr 1910.[1] Danach studierte sie an der Universität Wien Medizin und schloss das Studium am 10. Dezember 1915 mit ihrer Promotion ab.

Im Ersten Weltkrieg arbeitete sie seit spätestens April 1917 bis 1918 als Inspektionsärztin im Lager Wagna bei Leibniz in der Steiermark, wo Geflüchtete und Zwangsevakuierte Italiener:innen aus dem Trentino und aus den Regionen der Südwestfront untergebracht waren.[2] 1917/1918 trat sie dem von Hugo Klein gegründeten Österreichischen Bund für Mutterschutz bei.[3]

Nach Kriegsende begann sie ihre berufliche Karriere als Ärztin im Kaiser Franz-Josef-Spital und wirkte gemeinsam mit dem Kinderarzt und späteren Vorstand der Kinderabteilung des Kaiser Franz-Joseph-Spitals, August Reuss (1879-1954), in dem vom Zentralkrippenverein als Fürsorgeaktion zur Verfügung gestellten Säuglingsheim für die von Hunger bedrohten Kleinkinder in Wien Ottakring an deren Betreuung mit.[4] Im Kaiser Franz-Josef-Spital war sie zuletzt als Assistentin an der Kinderabteilung von Primararzt Dozent Paul Moser (1865-1924) tätig. Nach dessen Tod im Jahr 1924 leitete sie für einige Monate die Abteilung und wechselte im Jahr darauf an das 1922 errichtete Berufsberatungs- und Jugendamt der Stadt Wien, wo sie als ärztliche Konsulentin bis zur ihrem Tod im Jahr 1935 arbeitete. Daneben führte sie in Wien eine private Praxis als Kinderärztin.

Sozialmedizinerin

Ihre berufliche Tätigkeit am Kaiser-Franz-Joseph-Spital und der Gemeinde Wien verband Zimmermann mit ihrer wissenschaftlich Tätigkeit. Sie beschäftigte sich mit sozialmedizinischen Themen und Fragen der Entwicklungs- und Konstitutionslehre. Mit Sigismund Peller arbeitete sie an der ärztlichen Abteilung des Berufsberatungsamtes der Stadt Wien an einer Studie, die 1932 unter dem Titel „Umwelt, Konstitution und Menarche“ als Sonderdruck in der Zeitschrift für Konstitutionslehre erschien. 1934 publizierte sie wiederum mit Peller im Archiv für Gewerbepathologie und Gewerbehygiene die an der ärztlichen Abteilung des Berufsberatungsamtes entstandene Arbeit zu den „Nachuntersuchungen von Elektrotechnikern und Ledergalanteriearbeitern im Lehralter“.[5]

Gemeinsam mit der Journalistin, Bibliothekarin und in der Berufsberatung der Arbeiterkammer Wien tätigen Wanda Lanzer (1906-1980) war sie Herausgeberin und Redakteurin der neu gegründeten Zeitschrift „Säuglings- und Kleinkindpflege“, die 1932 als Beilage zur Zeitschrift Österreichische Blätter für Krankenpflege und Fürsorge erschien.

Zimmermann stellte ihre Arbeitskraft auch dem Ersten öffentlichen Kinder-Krankeninstitut, das eine unentgeltliche Behandlung anbot, zur Verfügung. Anlässlich des 70. Geburtstages dessen Direktors Karl Hochsinger (1860-1942) im Jahr 1930 publizierte sie gemeinsam mit dem Frauenarzt und ebenfalls im städtischen Berufsberatungsamt sowie in der Eheberatungsstelle der Gemeinde Wien tätigen Karl Kautsky jun. (1892-1978) in der Jubiläums-Festschrift der Wiener medizinischen Wochenschrift den Aufsatz „Zur sozialhygienischen Bedeutung der Lues congenita“.[6]

Ilse Zimmermann trat auch als Referentin in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Wahrscheinlich erstmals 1925 an der Montessori Schule, wo sie über die Hygiene des Kleinkindes referierte,[7] 1927 bei einer vom Zentralkrippenverein organisierten Vortragsreihe über Ernährung im Säuglings- und Kleinkindalter,[8] oder 1929 im Klub jüdischer Frauen über Aufbau und Ziele der modernen Jugendfürsorge,[9] sowie im Rahmen der Wiener Volksbildung an der Urania bei der Veranstaltung „Neue Frauenberufe“, bei der sie über die „Bedeutung der wissenschaftlichen Hilfsarbeiterin und ihre Chancen“ referierte.[10] Ihre organisatorischen Bezugspunkte als Vortragende waren vor allem die Organisationen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs und die Arbeiterkammer Wien. Im Oktober 1931 sprach sie im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Zentralstelle für weibliche Berufsberatung der Arbeiterkammer Wien über körperliche Berufseignung der weiblichen Jugend,[11] 1933 berichtete sie vor der Vereinigung sozialdemokratischer Ärzte über sozialhygienische Probleme des Säuglingsalters[12] und in der Frauenorganisation der SdAPÖ des Wiener Gemeindebezirks Landstraße im Rahmen der Funktionärinnen-Schule über Fürsorge für Säuglinge, Kind und Jugendliche.[13]

Zimmermann war Mitglied der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde.

Sie verstarb am 18. Juli 1935 in Wien.

Quellen:

WStLA, Totenbeschreibamt, Serie 1.1.10.A1.22275/1935, Totenbeschaubefund, Grabanweisung: Zimmermann Ilse.

Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 30.7.1935, S. 9.

Literaturliste:

Peller, Sigismund und Ilse Zimmermann: Umwelt, Konstitution und Menarche. Mit 7 Textabbildungen. (Aus der ärztlichen Abteilung des Berufsberatungsamtes der Stadt Wien) Sonderdruck aus: Zeitschrift für Konstitutionslehre (II. Abteilung der Zeitschrift für die gesamte Anatomie. Berlin: Verlag von Julius Springer 1932.



[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Zimmermann, Ilse und Sigismund Peller: Nachuntersuchungen von Elektrotechnikern und Ledergalanteriearbeitern im Lehralter. (Aus der ärztlichen Abteilung des Berufsberatungsamtes Wien) Sonderdruck aus: Archiv für Gewerbepathologie und Gewerbehygiene. Berlin: Verlag von Julius Springer 1934.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Zimmermann Ilse, Kinderärztin, Kaiser Franz-Josef-Spital, Volksbildung, Berufsberatungs- und Jugendamt der Stadt Wien, Ärztin, Medizingeschichte, Wien

[1] Jahresbericht des Mädchen-Lyzeums am Kohlmarkt, 1911, S. 56.

[2] Lagerzeitung für Wagna, Jg. 1917.

[3] Mitteilungen des Österreichischen Bundes für Mutterschutz, Nr. 1, 1918, S. 9.

[4] Neue Freie Presse, 16.12.1923, S. 14; Neues Wiener Journal, 8.12.1922, S. 4.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 3, 1935, S. 77.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 45, 1930, S. 1467-1469.

[7] Arbeiter Zeitung, 5.2.1925, S. 11.

[8] Der Tag, 20.3.1927, S. 8.

[9] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 30.1.1929, S. 10.

[10] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 25.5.1929, S. 5.

[11] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 29.10.1931, S. 8.

[12] Arbeiter Zeitung, 1.2.1933, S. 10.

[13] Arbeiter Zeitung, 15.1.1933, S. 11.

Keywords:
Zimmermann Ilse, Kinderärztin, Kaiser Franz-Josef-Spital, Volksbildung, Berufsberatungs- und Jugendamt der Stadt Wien

Normdaten (Person)  Zimmermann Ilse : BBL: 39942; GND: 1272185753

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 39942 (18.10.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 11 07
Online unter der URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=39942

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [192]: Abraham Stepler – Militärarzt, NS-Verfolgter

Abraham Stepler – Militärarzt, NS-Verfolgter

Text: Dr. Walter Mentzel

Abraham Stepler, Sohn von Isak Stepler und Rachel Schweitzer, wurde am 8. März 1867 in Lemberg in Galizien (heute: Lviv/Ukraine) geboren. 1904 heiratete er die in Tarnopol (heute: Tarnopil/Ukraine) geborene Josefine Reisberg (*31.7.1885)

Stepler studierte an der Universität Wien Medizin und schloss das Studium 1893 mit seiner Promotion ab. Im selben Jahr erfolgte durch Verordnung des Kriegsministeriums seine Ernennung vom Reserve-Assistenzarzt-Stellvertreter zum Oberarzt beim Garnisonsspital 13 in Theresienstadt heute: Terezín/Tschechien),[1] im Oktober 1895 wurde er zum Regimentsarzt 2. Klasse,[2] und im Oktober 1898 zum Regimentsarzt 1. Klasse beim Divisionsfeldartillerie-Regiment Nr. 15 ernannt.[3] Danach wurde er dem Ulanen-Regiment Erzherzog Franz Ferdinand Nr. 7 in Stockerau zugeteilt, 1911 erfolgte seine Beförderung zum Stabsarzt.[4]  

1900 publizierte er in der Wiener klinischen Wochenschrift die an der medizinischen Klinik in Lemberg bei Prof. Anton Gluzinski entstandene Arbeit „Ein Beitrag zur Frage der Entstehung einer acuten Nephritis bei Secundärsyphilis (Nephritis syphilitica praecox)“ als Sonderdruck in der Wiener klinischen Wochenschrift.

Am Ersten Weltkrieg nahm er als Oberstabsarzt und Sanitätschef der 3. Kavallerietruppendivision teil[5] und wurde 1915 mit den Ritterkreuz des Franz Josephs Ordens des Militärverdienstkreuzes ausgezeichnet.[6] Zuletzt wurde er zum Generalstabsarzt befördert.

Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte Stepler nach Österreich zurück, ließ sich mit seiner Familie in Stockerau in Niederösterreich nieder und arbeitete hier ab spätestens 1928 als provisorischer Stadtarzt.[7] Ab 1934 lebte er mit seiner Familie in Wien. Seine Tochter Thea Stepler, die 1937 ihr Medizinstudium an der Universität Wien abgeschlossen hatte, führte ab Februar 1937 ihre Arztpraxis in der elterlichen Wohnung in Wien 6, Mariahilferstraße 99[8] und arbeitete 1938 als Heilpädagogin.

Die Familie Stepler wurde nach dem „Anschluss“ im März 1938 wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt. Thea Stepler gelang im Dezember 1938 von Belgrad aus über Le Havre die Flucht in die USA, wo sie sich in New York niederließ und später als Psychiaterin an der psychiatrischen Klinik des städtischen Strafgerichtshofs arbeitete. Sie verstarb im Juni 1982 in New York. Über den Verbleib von Abraham und seiner Frau zwischen 1938 und 1945 ist nichts bekannt. 1946 emigrierten Abraham und seine Ehefrau Josefine von Belgrad über Frankreich in die USA. Sie lebten bis zu ihrem Tode in New York.

Abraham Stepler verstarb am 12.07.1949 in New York.

Quellen:

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, 134-0430, Stepler Abraham (Nationalien Datum 1890/91).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, 177-384a, Stepler Abraham (Rigorosum Datum 1890).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, 187-0826, Stepler Abraham (Promotion Datum 28.1.1893).

OeStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 13.044, Stepler Abraham (8.3.1867).

OeStA, AdR, E-uReang, FLD Zl. 9.959, Stepler Abraham (8.3.1867).

Auswanderungskartei der IKG Wien: Thea Stepler (*4.3.1912 Stockerau).

Immigration, New York City, New York, United States, NARA microfilm publication T715 (Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.), Stepler Abraham.

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957, Abraham Stepler, 1947. (Immigration, New York City, New York, United States, NARA microfilm publication T715, Washington, D.C.: National Archives and Records Administration).

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957, Thea Stepler, 1938. (Immigration, New York, New York, United States, NARA microfilm publication T715 (Washington, D.C.: National Archives and Records Administration).

United States Social Security Death Index, Thea Stepler, Jun 1982. (U.S. Social Security Administration).

The New York Times, 6.9.1974 by Tom Goldstein.

Ferncliff Cemetery, Hartsdale, Westchester County, New York, Stepler Abraham, Josefine, Thea.

Literaturliste:

Stepler, Abraham: Ein Beitrag zur Frage der Entstehung einer acuten Nephritis bei Secundärsyphilis (Nephritis syphilitica praecox). Aus der medicinischen Klinik des Prof. Anton Gluzinski in Lemberg. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien und Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1900.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Stepler Abraham, Militärarzt, NS-Verfolgter, Medizingeschichte, Arzt, Wien

[1] Der Militärarzt, Nr. 22, 1893, Sp. 176; Neue Freie Presse, 20.11.1893, S. 5.

[2] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 5.11.1895, S. 10.

[3] Wiener Klinische Wochenschrift, Nr. 45, 1898, S. 1033; Pester Loyd, 31.10.1898, S. 4.

[4] Wiener klinische Rundschau, Nr. 19, 1911, S. 306.

[5] Neue Freie Presse, 3.10.1915, S. 32.

[6] Der Militärarzt, Nr. 18, 1915, Sp. 301-302.

[7] Volksbote, 12.5.1928, S. 8.

[8] Pharmazeutische Post, 20.3.1937, S. 137.

Normdaten (Person) Stepler, Abraham : BBL: 39906; GND: 1270727990;

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 39906 (18.10.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 10 18
Online unter der URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=39906

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [187]: Rudolf Laub – Mitarbeiter an der Laryngologischen Station der Medizinischen Fakultät an der Universität Wien und NS-Verfolgter

Rudolf Laub – Mitarbeiter an der Laryngologischen Station der Medizinischen Fakultät an der Universität Wien und NS-Verfolgter

Text: Dr. Walter Mentzel

Rudolf Laub wurde als Sohn des Präsidenten der Kassenärzte der kaufmännischen Angestellten in Wien, Moriz Laub (1869-1944) und der Bertha Mamorek (1876-1952), am 15. März 1908 in Wien geboren. Er studierte an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, schloss am 20. Mai 1932 das Studium mit seiner Promotion ab und arbeitete ab 1933 zunächst als Hilfsarzt an der I. Medizinischen Klinik bei a.o. Professor Herbert Elias (1885-1975) und später an der Laryngologischen Station der Ohrenklinik im Allgemeinen Krankenhaus Wien bei Professor Heinrich Neumann (1873-1939). Laub war seit 1937 Mitglied der Wiener laryngo-rhinologischen Gesellschaft.[1]

Er wurde nach dem „Anschluss“ im März 1938 wegen seiner jüdischen Herkunft von der Universität Wien „beurlaubt“ und Ende April 1938 gekündigt. Im Juli 1938 schied er auch aus der Wiener Ärztekammer aus.

Nachdem ihm im Juli 1938 die Flucht in die USA gelang, und er am 18. August in New York angekommen war, ließ er sich in New Bern/North Carolina nieder. In den USA änderte er seinen Vornamen in Georg und lebte später in Columbia in South Carolina. Er verstarb am 23. Juni 1999 in den USA.

Rudolf Laub war 1935 Mitautor der mit Herbert Elias (1885-1975) gemeinsam verfassten Arbeit „Die Zirkulationsgeschwindigkeit des Blutes bei Kranken mit Aorteninsuffizienz und mit Mitralstenose im kompensierten Zustande“, die an der I. Medizinischen Universitätsklinik in Wien entstand. Sie befindet sich in der Separata-Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin.

Quellen:

Geburtsbuch der IKG Wien, 1908, Laub Rudolf.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-1019, Laub Rudolf (Nationalien Datum, 1926/27).

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-1091, Laub Rudolf (Nationalien Datum, 1930/31).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 197-0433, Laub Rudolf (Rigorosum 14.5.1932).

UAW, Med. Fak., Promotionsprotokoll, Sign. 194-0789 (Promotion Datum 20.5.1932), Laub Rudolf.

Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien Rudolf (Georg) Laub.

United States Social Security Death Index, George R Laub, 23 Jun 1999.

Literaturliste:

Elias, Herbert und Rudolf Laub: Die Zirkulationsgeschwindigkeit des Blutes bei Kranken mit Aorteninsuffizienz und mit Mitralstenose im kompensierten Zustande. Aus der I. Medizinischen Universitätsklinik in Wien (Vorstand: Prof. H. Eppinger) Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Julius Springer 1935.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Laryngologe, NS-Verfolgter, Facharzt für Ohrenheilkunde, Allgemeines Krankenhaus Wien, Arzt, Medizingeschichte, Wien

[1] Monatsschrift für Ohrenheilkunde. H. 11. 1937. S. 1398.

Normdaten (Person) Laub, Rudolf (Georg): BBL: 39612; GND: 126700206

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 39612 (12.09.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 09 19
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=39612

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [186]: Max Ostermann – Verleger und Redakteur der „Ars Medici“ und Facharzt für physikalische Heilmethoden

Max Ostermann – Verleger und Redakteur der „Ars Medici“ und Facharzt für physikalische Heilmethoden

Text: Dr. Walter Mentzel

Max Ostermann wurde am 13. August 1886 in Tauroggen in Russland (heute: Litauen) als Sohn von Moses Aron Ostermann (*zirka 1862-1936 Wien) und Riva Lea Schereschewsky (*zirka 1858-1933 Wien) geboren. Seit 1916 war er mit Olga Katharina Schön (*zirka 1889) verheiratet.

Ostermann studierte an der Universität Wien Medizin und promovierte im Juli 1913. Im Ersten Weltkrieg diente er als Assistenzarzt der Reserve beim Landwehr-Infanterieregiment Nr. 1. Im Dezember 1914 wurde ihm die belobende Anerkennung ausgesprochen[1] und 1917 erhielt er das Offiziersehrenzeichen vom Roten Kreuz.[2] Seit 1933 war er Mitglied der Freimaurerloge Eintracht der B´nai Brith.

Facharzt für physikalische Heilmethoden – Institut für Inhalationstherapie und physikalische Heilmethoden

Ostermann übernahm nach dem Tod von Isaak Eisig Segel (1870-1913) dessen 1909 gegründete Sauerstoff-Inhalationsstätte „Ozonion“ in Wien 9, Spitalgasse 1a und führte sie als Facharzt für physikalische Heilmethoden unter den Namen „Inhalatorium und Lichttherapie Dr. Max Ostermann“ bis 1938 weiter.

Ars Medici. Nr. 3. 1914.

Später nannte er sie in „Wiener Physico-Therapeutisches Institut“ um, zuletzt hieß sie bis 1938 „Privatheilanstalt. Institut für Inhalationstherapie und physikalische Heilverfahren“. Ab spätestens 1920 bot er hier „Lichtkurse mit künstlicher Höhensonne“[3] und seit 1925 auch Bestrahlungskurse an.[4]

Wissenschaftliche Arbeiten

Seine erste Publikationen entstand 1912, als er als Student ein von ihm überarbeitetes und erweitertes Vorlesungsmanuskript für jene zum Rigorosum antretenden Student*innen unter dem Pseudonym „M. Osman“ mit dem Titel „Makroskopisch-diagnostisches Taschenbuch der pathologischen Anatomie. Ein Repetitorium für Rigorosanten und Ärzte“ publizierte. 1923 erschien von ihm der Beitrag „Praktische Inhalations- und Pneumatotherapie mit besondere Berücksichtigung der Lungentuberkulose“ im ersten Band des von Ernst Löwenstein herausgegeben zweibändigen „Handbuch der gesamten Tuberkulose-Therapie“. 1924 veröffentlichte er in der Wiener medizinischen Wochenschrift den Artikel „Zur künstlichen Heliotherapie der Larynxtuberkulose[5] und 1932 den Aufsatz „Der faradische und galvano-faradische Tonisatorstrom in der Theorie und Praxis[6].

Darüber hinaus war Ostermann Verleger verschiedener Zeitschriften wie der „Ars Medici“ und von Monografien. 1927 publizierte er das „Diagnostisch-therapeutisches Taschenbuch im Verlag der Ars Medici. Ein Nachschlagewerk für die Praxis“, in dem die „bewährten Methoden und Rezepte“ der vorangegangenen Jahrgänge der Zeitschrift für Praktiker zusammengefasst waren. 1928 erreichte diese Publikation bereits die dritte und erweiterte Auflage. Als Bearbeiter scheinen neben Ostermann, Alfred (Abraham) Feuerring (1880-1963), Leopold Pollmer (1884-?) und der Kinderarzt Eugen Stransky (1891-1975) auf. Das Geleitwort verfasste Professor Norbert Ortner (1865-1935), der zum Mitarbeiterkreis der Ars Medici gehörte. 1931 kam das von Max Ostermann bearbeitete „Praktikum der physikalischen-diätischen Therapie“ heraus, das 1934 in einer zweiten, ergänzten sowie erweiterten Auflage und 1952 in einer dritten Auflage im Verlag Ars Medici veröffentlicht wurde. Zwischen 1933 und 1938 verlegte Ostermann noch die Zeitschrift „Der praktische Zahnarzt“ im Verlag Ars Medici.

Herausgeber der Zeitschrift Ars Medici

Nach dem Tod von Isaak Eisig Segel im Jahr 1913 übernahm Ostermann auch die Redaktion der im Jänner 1911 von Segel gegründeten Zeitschrift „Ars Medici“. Ab Jänner 1919 erschien sie unter seiner Herausgeberschaft und führte sie am Standort Spitalgasse 1a, wo auch die von ihm von Segel übernommene Ordination ihren Standort hatte, bis März 1938 überaus erfolgreich weiter.

Ars Medici. Nr. 1. 1919.

Ostermann nahm nur sanfte Veränderungen an der Blattlinie vor. Der Umfang der Zeitschrift vergrößerte sich, ausländische Literatur wurde mehr berücksichtigt und therapeutische und diagnostische Notizen vermehrt aufgenommen. Weiterhin folgte er der Blattlinie, bewährte Behandlungsmethoden und die neuerscheinende internationale Fachliteratur und relevante medizinische Forschungsergebnisse zu erfassen und sie in eine für Praktiker*innen anwendbare Weise aufzubereiten. Die Zeitschrift sollte – wie es in ihrer Selbstbeschreibung hieß – als „Berater des Arztes“ und Praktikers fungieren. Der Erfolg und die Beliebtheit der Zeitung lässt sich nicht nur an den überaus hohen Auflagezahlen ablesen, sondern auch an ihrer Nachfrage außerhalb Europas, wie beispielsweise der Türkei, Tunesien, Ägypten, der USA, Japan, Russland, und den Kolonien diverser europäischer Länder.

Neben den Themenblöcken Innere Medizin, Nervenheilkunde, Chirurgie, Geburtshilfe- und Gynäkologie, Laryngologie- und Rhinologie u.a. bot die Zeitschrift inhaltlich noch in den Unterkapiteln Hinweise zur Diagnose und Therapie sowie in einer eigenen Rubrik eine Stellenvermittlung für Ärzt*innen an. Besonders hervorzuheben sind die Rubriken „Aus der Praxis“ und „Meinungsaustausch“, die schon von Segel eingeführt wurden. Hier konnten Ärzt*innen aus dem In- und Ausland Meinungen und Erfahrungen zu Behandlungsmethoden und Fragen der Diagnostik austauschen und Anfragen an die Kollegenschaft stellen, die in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift von Kolleg*innen beantwortet und thematisiert wurden. Diese Rubriken wurden von Ostermann nach seiner Übernahme der Zeitschrift fortgeführt, ausgebaut und gehörten zum zentralen Bestandteil der Zeitschrift. Schon 1911 hieß es zum Zweck dieser durchaus modernen Kommunikationsplattform: „Unsere berühmtesten Fachgenossen haben es beklagt, dass zahlreiche therapeutischen und diagnostisch wertvollen Methoden, Handgriffe, Winke der Allgemeinheit aus dem Grunde verloren gehen, weil der Praktiker, der über sie verfügt, keine Zeit zu einer stilgerechten Abhandlung findet. Die Ars Medici will auch für diese Beiträge Publikationsstelle sein.“[7]

Ars Medici. Nr. 6. 1915.

Tatsächlich fanden sich unter den Redaktionsmitgliedern der Zeitschrift zahlreiche Professoren der Medizinischen Fakultät in Wien, die – wie Anton Eiselsberg (1860-1939), Norbert Ortner, Julius Wagner-Jauregg (1857-1940) oder Karl Ullmann (1860-1942) – auf diesem Weg mit praktischen Ärzt*innen kommunizierten, aber auch von deren hier festgehaltenen Erfahrungen profitierten. Im Jahr 1933 bestand das redaktionelle Mitarbeiterteam der Zeitschrift aus den folgenden Personen.

Ars Medici, Nr. 1, 1933.

Im Verlag „Ars Medici“ publizierten auch eine Reihe von Wissenschafter der Medizinischen Fakultät in Wien wie 1930 Eugen Stransky den „Leitfaden der Kinderheilkunde für den praktischen Arzt”, 1932 Viktor BaarWetter und Krankheiten“, 1935 Isidor Fischer sein Werk zu „Wiens Mediziner und die Freiheitsbewegung des Jahres 1848”, in einem Sonderdruck Abraham EitelbergEinige Winke zur Therapie der akuten Mittelohrentzündung“, oder 1934 Karl Ullmann seine Arbeit „Diagnostisch-therapeutisches Vademekum der Geschlechtskrankheiten und ihre Grenzgebiete“.

Die „Ars Medici“ als offizielles Organ der American Medical Association of Vienna (A.M.A.)

Ab Jänner 1923 gab Max Ostermann erstmals gemeinsam mit dem US-amerikanischen Mediziner Professor Aaron Arkin eine englischsprachige Ausgabe der Ars Medici heraus. Der Titel lautete „Ars Medici. The journal of the general practitioner. Reviews and abstracts of medical literature“ und erschien wie ihr deutschsprachiges Pendant monatlich am Verlagsort Spitalgasse 1a. Seit Jänner 1927 war die „Ars Medici“ nach einem Vertragsabschluss mit dem Präsidenten der A.M.A. das offizielle Organ der 1903 gegründeten und 1921 reorganisierten American Medicial Association of Vienna (A.M.A). Sie erschien monatlich als englischsprachige Ausgabe unter dem Titel „Ars Medici. Journal of the American Medical Association“ unter der Herausgeberschaft von Ostermann. In der ersten Nummer findet sich ein Geleitwort des Präsidenten der A.M.A. of Vienna, Leon J. Tiber. Diese Reihe stellt auch eine wesentliche Quelle zur Vereinsgeschichte der A.M.A. in Wien dar.

Verfolgung und Neubeginn

Max Ostermann musste nach dem „Anschluss“ im März 1938 wegen seiner jüdischen Herkunft und der drohenden NS-Verfolgung die Verlagsarbeit einstellen und flüchtete am 22. Juli 1938 in die Schweiz. Die letzte Nummer 6, die Juni-Ausgabe 1938, wurde noch in Wien veröffentlicht, mit Artikeln, die bereits von den Nationalsozialisten vertriebenen Ärzt*innen, verfasst worden waren. Damit endeten in Österreich die Geschichte und Entwicklung eines internationalen Zeitschriftenprojektes, an dem zahlreiche Mediziner*innen der Wiener medizinischen Schule über fast 30 Jahren mitgewirkt hatten.

Die nächste Ausgabe der „Ars Medici“ (Nr. 7/8) kam im August 1938 wieder unter der Herausgeberschaft Ostermanns in der Schweiz im „Verlag der Ars Medici G.m.b.H., Basel 12“ heraus. In dieser ersten Ausgabe gab Ostermann die geplanten Veränderungen, wie der künftig vermehrten Aufnahme englischsprachiger Literatur bekannt, und betonte den Willen zur Fortsetzung der bisherigen Tradition.

Ars Medici. Nr. 7/8. 1938

Seine „Privatheilanstalt Institut für Inhalationstherapie und physikalische Heilverfahren“ in Wien 9, Spitalgasse 1a wurde vom Stabsarzt a.D. und seit 1933 Mitglied der NSDAP, Hans Scheidl (*1868), im November 1938 samt der Konzession zum Betrieb einer Heilanstalt sowie des gesamten Inventars „arisiert“. Die Löschung des Verlags „Ars Medici“ aus dem Handelsregister erfolgte im März 1942.

Ostermann, dessen Ehefrau in Wien zurückblieb und am 21. November 1940 in Wien in ihrer Wohnung am Alsergrund verstarb, lebte ab dem 25. Juli 1938 in Basel. Nach einer mehrjährigen Unterbrechung erschien die Zeitschrift von 1947 bis zu seinem Tod 1967 wieder unter seiner Herausgeberschaft im Verlag Ars Medici/Lüdin AG in der Schweiz. Auch sein 1927 erstmals publiziertes Diagnostische-Therapeutische Handbuch wurde bis in die 1960er Jahre hinein immer wieder neu aufgelegt.

Max Ostermann verstarb am 12. März 1967 in Basel. Heute existiert die Zeitschrift unter dem Titel „Ars Medici – Schweizer Zeitschrift für Hausarztmedizin“.

Seine am 6. Oktober 1917 in Wien geborene Tochter Lisbeth Ostermann studierte im März 1938 an der Universität Wien im sechsten Semester Medizin. Sie war – mit dem Abgangszeugnis vom 7.11.1938 – gezwungen das Studium abzubrechen und flüchtete zu ihrem Vater in die Schweiz, wo sie an der Universität Basel das Studium fortsetzte und 1941 promovierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte sie zunächst nach England und im Februar 1948 in die USA. Hier absolvierte sie noch im selben Jahr das State Board Exam und ein Praktikum am Flushing Hospital und führte danach eine Arztpraxis in New York. Im Jänner 1954 erhielt sie die US-Staatsbürgerschaft und lebte unter dem Namen „Elizabeth A. Osterman“ in Brooklyn, New York City. Ebenfalls 1954 heiratete sie Paul Wechter. Sie verstarb im Mai 2014 in Longboat Key in Florida, USA.

Der Anstoß zur Beschäftigung mit der österreichischen Geschichte der Ars Medici sowie mit Isaak Segel und Max Ostermann kam von Prof. Franz X. Lackner bei dem ich mich auch für wichtige Hinweise bedanken möchte.

Quellen und Literatur:

UAW, Sign. 134-0660, Ostermann Max (Nationalien Datum 1910/11).

UAW, Sign. 191-0367, Ostermann Max (Promotionsdatum 2.7.1913).

Friedhofsdatenbank Wien, Olga Ostermann.

OeStA, AdR, E-uReang, VVSt., VA, Zl. 60.384, Ostermann Max.

OeStA, AdR, E-uReang, VVSt., Gewerbe, Zl. 3.455, Ostermann Max.

OeStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 2.733, Ostermann Max.

OeStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 5.915, Ostermann Max.

Lackner Franz X.: Exploring Vienna between the two world wars. Doctors of the American Medical Association and their families, in: Narratives of Encounters in the North Atlantic Triangle (Zacharasiewicz and Staines eds.), Wien 2015, S. 107-126.

Literaturliste:

Ostermann, Max: Makroskopisch-diagnostisches Taschenbuch der pathologischen Anatomie. Ein Repetitorium für Rigorosanten und Ärzte in 502 typischen Fällen mit 62 Abbildungen. Wien und Leipzig: Šafář 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 52384]

Ostermann, Max: Praktikum der physikalisch-diätetischen Therapie. 2. erg. u. erw. Aufl. Wien: Ars Medici 1934.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 66904]

Keywords:

Ars Medici, Max Ostermann, NS-Verfolgter, Facharzt für physikalische Medizin, Verleger, Medizingeschichte, Wien, Arzt

[1] Medizinische Klinik. Wochenschrift für praktische Ärzte Österreichs. 13.12.1914. S. 1754.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 47. 1917. Sp. 2123.

[3] Arbeiter Zeitung. 12.9.1920. S. 11.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 8. 1925, Sp. 485.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 36. 1924. Sp. 1875-1876.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 44. 1932. S. 1389-1390.

[7] Ars Medici. 6.1.1911.

Normdaten (Person) Ostermann, Max: BBL: 39567; GND: 1229195076

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 39567(01.09.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 09 01
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=39567

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [184]: Gertrud Bien – Kinderärztin am Karolinen-Kinderspital und Primarärztin an der Städtischen Kinderübernahmestelle in Wien

Gertrud Bien – Kinderärztin am Karolinen-Kinderspital und Primarärztin an der Städtischen Kinderübernahmestelle in Wien

Text: Dr. Walter Mentzel

Gertrud Bien wurde am 3. April 1881 als Tochter des aus Lemberg stammenden Rechtsanwaltes Friedrich Bien (1844-1913) und der aus Leipzig stammenden Gisela Wittner (zirka 1856-1920) in Wien geboren. Sie studierte an der Universität Wien Medizin und schloss – wie auch die Medizinerin Friederike Fränkel – das Studium im Dezember 1906 mit ihrer Promotion ab.[1] Schon während ihres Studiums veröffentlichte sie 1905 ihre erste wissenschaftliche Arbeit in den „Arbeiten aus dem Neurologischen Institute“ „Zur Anatomie des Zentralnervensystems einer Doppelmißbildung bei der Ziege“. Nach ihrer Promotion begann sie am Karolinen-Kinderspital in Wien bei dem seit 1901 als Direktor hier wirkenden Professor Wilhelm Knöpfelmacher (1866-1938) zunächst als dessen Assistentin und danach als Anstaltsärztin zu arbeiten. Hier publizierte sie 1913 „Über einen Fall von Illeus, hervorgerufen durch Obliteration eines Mekel’schen Divertikel“,[2] und gemeinsam mit Knöpfelmacher den im Jahr 1915 erschienenen Aufsatz „Untersuchung über die Nabelkoliken älterer Kinder“, der sich in der Separata-Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befindet. Weiters publizierte sie noch vor dem Ersten Weltkrieg in den Anatomischen Heften die Arbeit „Zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Dickdarms“.

1912 wurde sie gemeinsam mit Dora Teleky (1879-1963) in die Gesellschaft der Ärzte in Wien aufgenommen[3] und 1913 erfolgte ihr Beitritt in die Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien.[4] Im selben Jahr nahm sie an der 85. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Wien als Referentin teil.[5] Neben ihrer Tätigkeit am Karolinen-Kinderspital war sie vor dem Ersten Weltkrieg neben Nikolaus Damianos und Yella Silbermark-Reissig auch noch als Sekundarärztin im Vereinsreservespital Nr. 1 des Patriotischen Hilfsvereines vom Roten Kreuz für Niederösterreich im Einsatz.[6] Im Ersten Weltkrieg erhielt sie 1918 das Kriegskreuz für Zivilverdienste verliehen,[7] und im Oktober 1918 war sie Teil jenes Kreises von Ärzten, dem auch Ludwig Teleky angehörte, die in einem Arbeitsausschuss an der Errichtung einer Kindererholungsstätte für unterernährte und blutarme Kinder im Meidlinger Kriegsspital wirkten.[8] Nach dem Krieg gehörte sie als Mitglied dem im Jahr 1920 in Wien gegründeten Zentral-Hilfskomitee der Ärzte Österreichs an.[9]

Primarärztin an der Städtischen Kinderübernahmestelle

1926 erfolgte ihre Berufung zur Primarärztin in die von der Gemeinde und vom Wiener Stadtrat für Wohlfahrts- und Gesundheitswesen, Julius Tandler (1869-1936), zwischen 1925 und 1927 in der Lustkandlgasse 50 errichtete und unter der Leitung von Leo Kundi (1888-1954) stehende Kinderübernahmestelle. Hier wurden alle der Gemeinde Wien übergebenen Säuglinge, Kinder und Jugendliche aufgenommen, beobachtet und weitere Fürsorgemaßnahmen eingeleitet. 1932 unterrichtete sie gemeinsam mit Knöpfelmacher das Fach Kinder- und Säuglingspflege an der Pflegerinnenschule des Rudolfinerhauses.[10] 1929 gab sie gemeinsam mit Charlotte Bühler (1893-1974) und Hildegard Hetzer (1899-1991) die in Leipzig erschienene Schriftenreihe „Psychologie der Fürsorge“ und den ersten Band „Kindheit und Armut“ heraus.

Bien als Frauenrechtsaktivistin

Vor dem Ersten Weltkrieg hielt Bien im Verein für erweiterte Frauenbildung in Wien Kurse ab.[11] Ebenso hielt sie im Athenäum (Verein für die Abhaltung von wissenschaftlichen Lehrkursen für Frauen und Mädchen) über einige Jahre hindurch Vorträge zur Säuglings- und Kinderpflege.[12] Wie ihre Mutter Gisela war sie in der Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs aktiv und gehörte hier vor dem Krieg jenem Komitee an, das sich gegen die Teuerung und deren sozialen Auswirkungen richtete. Gemeinsam mit der Vorsitzenden Dora Teleky und Gertrud Ceranke (1893-1956), Hedwig Fischer-Hofmann und Cornelie Much-Benndorf (1880-1962) war sie Mitglied der Kommission für Volksgesundheit im Bund österreichischer Frauenvereine[13] und nahm im September 1931 gemeinsam mit Teleky und Fischer-Hofmann an dem vom Bund österreichischer Frauenvereine organisierten 6. Internationalen Ärztinnenkongress teil.[14] Ebenso hielt sie Vorträge wie vor der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft der Sozialistischen Studentenschaft zum Thema Kinderasyle und Pädagogik.[15] Zu ihrem Freundeskreis zählte Adele Bloch-Bauer (1881-1925).

Bien gehörte wegen ihrer Nähe zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs sowie ihrer jüdischer Herkunft zu jener Gruppe von Ärzt*innen, die nach der Zerschlagung der Demokratie 1933/34 an ihrer Berufsausübung in den Wiener medizinischen Einrichtungen und Fürsorgestellen gehindert wurde. Im März 1934 erfolgte nach § 2 der „Verordnung des Bundeskommissärs für Wien betreffend die Erlassung einiger dienstrechtlicher Bestimmungen“ ihre Versetzung in den dauernden Ruhestand“. Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt. Ihr gelang am 29. Dezember 1938 die Flucht nach England, wo sie in London lebte und im November 1939 in die USA emigrierte. Sie verstarb am 27. Februar 1940 in Manhattan in New York.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1881, Bien Gertrud.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0586, Bien Gertrud (Nationalien Datum 1902/03).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 190-0505, Bien Gertrud (Promotion Datum 22.12.1906).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0019, Bien Gertrud (Rigorosum 13.12.1906).

United Kingdom, Outgoing Passenger Lists, 1890-1960, Bien Gertrud, 1939.

Immigration, New York, New York, United States, NARA microfilm publication T715 (Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.), New York, Passenger List, Bien Gertrud, 1939.

New York, New York City Municipal Death, 1795-1949, Bien Gertrud, 1940.

Aufbau Bd. 6, 15.3.1940 Nr. 11, S. 10 Spalte b (Todesnachricht Ende Februar 1940 in New York).

Literaturliste:

Bien, Gertrud: Zur Anatomie des Zentralnervensystems einer Doppelmißbildung bei der Ziege. Separat-Abdruck aus: Arbeiten aus dem Neurologischen Institute. Leipzig: Deuticke 1905.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 22312]

Bien, Gertrud: Zur Entwickelungsgeschichte des menschlichen Dickdarmes. Separat-Abdruck aus: Anatomische Hefte. Wiesbaden: Bergmann 1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 22493]

Knöpfelmacher, Wilhelm und Gertrud Bien: Untersuchungen über die Nabelkoliken älterer Kinder. Aus dem Karolinenspitale in Wien (Direktor: Prof. Dr. W. Knoepfelmacher). Separatabdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles k.u.k. Hofbuchhandlung 1915.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Gertrud Bien, Kinderärztin, Karolinen-Kinderspital, Städtische Kinderübernahmestelle Wien, NS-Verfolgte, Wien, Medizingeschichte, Ärztin

[1] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 2.12.1906. S. 11.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 13. 1913. Sp. 824-827.

[3] Österreichische Frauenschau. Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen. H. Juni 1912. S. 5.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 32. 1913. Sp. 1995.

[5] Der Bund. Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine. H. 9. 1913. S. 15.

[6] Rechenschafts-Bericht des österreichischen patriotischen Hilfsvereines vom Roten Kreuz für Niederösterreich 1913. S. 9.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 20. 1918. Sp. 927.

[8] Arbeiter Zeitung. 6.10.1918. S. 7.

[9] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 48. 1924. Sp. 2583.

[10] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 23. 1932. S. 707.

[11] Jahresbericht des Vereines für erweiterte Frauenbildung in Wien. Wien 1914. S. 17.

[12] Neues Wiener Journal. 27.10.1915. S. 10; Der Bund. Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine. H. 8. 1917. S. 23 und H. 8. 1918, S. 20.

[13] Die Österreicherin. Nr. 1. 1931. S. 2.

[14] Das Wort der Frau. 13.9.1931. S. 1.

[15] Arbeiter-Zeitung. 24.2.1933. S. 9.

Normdaten (Person) Bien, Gertrud: BBL: 39493; GND: 1266885145

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 39493 (22.08.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 08 22
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=39493

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl