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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [326]: Roth, Georgine – Ärztin am Offiziers-Töchter-Erziehungsinstitut in Wien Hernals

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online:

Keywords: Offiziers-Töchter-Erziehungsinstitut, Medizingeschichte, Wien

Georgine Maria Appolonia Sephalia Fidelia Roth wurde am 24. Oktober 1861 als Tochter des Generalmajors Carl Joseph Valentin von Roth (1818-1879) und der Gräfin Georgine (1827-1910), geborene Pálfy ab Erdöd, auf Schloss Bibersburg in Ungarn (heute: Červený Kameň), geboren. Sie wuchs bei ihren Eltern in Pressburg auf, erhielt hier privaten Gymnasialunterricht und legte die Matura an einem Gymnasium in Wien ab.

Nach erfolgreichem Abschluss der Aufnahmeprüfung studierte sie von 1885 bis 1889 in Zürich Medizin und absolvierte im Anschluss von 1890 bis 1892 die klinischen Studien an der Universität Genf. Im Frühjahr 1892 legte sie das Schlussexamen ab und erhielt am 23. Februar 1892 ihr eidgenössisches Diplom und erwarb den Doktortitel.

Nach ihrer Rückkehr nach Wien im Frühjahr 1892 hospitierte sie an verschiedenen Krankenanstalten, darunter das Maria-Theresien-Hospital und das Rudolfiner-Haus, sowie an der II. Medizinischen Klinik unter Professor Edmund von Neusser (1852-1912). Hier publizierte sie 1894 die Arbeit „Ueber die Wirksamkeit des Lactophenins“ und wurde im Sommersemester 1893 für die klinischen Vorlesungen bei Neusser an der Universität Wien zugelassen.

Offiziers-Töchter-Erziehungsinstitut in Wien

Am 31. September 1895 erhielt sie die kaiserliche Genehmigung und mit Erlass des Reichskriegsministeriums vom 1.10.1895 die Berufung zur Untervorsteherin „zur Versehung des laufenden ärztlichen Dienstes“ an die Krankenabteilung des Offiziers-Töchter-Erziehungsinstituts in Wien Hernals. Am 20. Oktober fand am Institut ihre Beeidigung statt, wodurch sie formal als Ärztin zugelassen wurde.

In ihrem Betätigungsfeld war sie zunächst eingeschränkt, da sie bei den Behandlungen das Einvernehmen mit einem leitenden Stabsarzt herstellen musste, da ihr Doktorat in Österreich nicht nostrifiziert wurde und sie daher die ärztliche Praxis nicht selbstständig ausüben durfte.[1] Die Wiener medizinische Wochenpresse umschrieb ihr Arbeitsfeld mit den Worten: „stilles Walten im häuslichen Kreise“.[2] Neben der Überprüfung der Einhaltung der hygienischen Bedingungen an der Krankenabteilung war sie mit der Behandlung der Patienten unter der Aufsicht des Stabsarzt betraut. Erst im Jahr 1900 erhielt sie, nach Gabriele von Possanner von Ehrenthal (1860-1940), als zweite Ärztin durch einen Statthaltereierlass mit kaiserlicher Zustimmung die Bewilligung zur Ausübung hilfsärztlicher Verrichtungen erteilt,[3] womit ihr die vollständige Ausübung ihres ärztlichen Berufes und das Führen einer Arztpraxis gestattet worden war.

Georgine Roth: Illustrierte Welt. Nr. 19, 1896, S. 451.

Seit 1893 gehörte sie als Mitglied dem Verein für erweiterte Frauenbildung in Wien an, seit spätestens 1901 war sie Mitarbeiterin des Frauen-Wohltätigkeits-Verein für Wien und Umgebung, Bezirksorganisation Hernals, sowie in der der Österreichischen Liga zur Bekämpfung des Mädchenhandels tätig.[4] Weiters engagierte sie sich in dem 1912 sich konstituierenden Komitee zur Errichtung von Arbeitsstuben für Kinder.[5]

In der um die Jahrhundertwende geführten und von Hugo Klein (1863-1937) und seinem „Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung“ angestoßenen Debatte über die körperlichen Schädigungen, die durch traditionelle Frauenbekleidung wie dem Mieder verursacht wurden, stellte sie neben Hermann Teleky (1837-1921), Max Kassowitz (1842-1913) und Friedrich Schauta (1849-1919) ein medizinisches Gutachten aus. Darin bestätigte sie die hervorgerufenen Missbildungen und Deformationen und sprach sich für eine grundsätzliche Reform der Frauenbekleidung aus.[6]

1908 trat sie krankheitsbedingt als k.u.k. Untervorsteherin in den Ruhestand, führte aber weiterhin ihre Arztpraxis in Wien 13, Bernbrunngasse 5 weiter. Georgine Roth verstarb am 15. Mai 1940 in Wien.

Quellen:

Friedhofsdatenbank Wien: Roth Georgine.

Literatur:

Roth, Georgine: Ueber die Wirksamkeit des „Lactophenins“. Aus der II. medicinischen Klinik des Herrn Professor Neusser des k.k. Wiener Allgemeinen Krankenhauses. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Druck von Friedrich Jasper 1894.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

[1] Jahresbericht des Vereines für erweiterte Frauenbildung in Wien, 1909, S. 8.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 44, 1895, Sp. 1877-1878.

[3] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 19.1.1900, S. 5.

[4] Bericht der Oesterreichischen Liga zur Bekämpfung des Mädchenhandels, 1911, S. 62.

[5] Neue Freie Presse, 9.3.1912, S. 12.

[6] Dokumente der Frauen, Bd. 6, Nr. 22, 1902, 678-679.

Normdaten (Person):  Roth, Georgine: BBL: ; GND:

VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien
BBL:  (.2025)
URL: https://https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=47038

Letzte Aktualisierung: 2025 05 12

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SAVE THE DATE! Workshop für Studierende: Hochschulschriften erfolgreich verfassen

Im Workshop können MedUni Wien Studierende erfahren, wie sie ihre Abschlussarbeit konform des aktualisierten Leitfadens für das Erstellen von Hochschulschriften (Stand Jänner 2025) erstellen können. Nach den Impulsreferaten können konkrete Fragen zur eigenen Abschlussarbeit gestellt werden.
Termin(e):

Donnerstag, 8.5.2025

Dienstag, 3.6.2025

Zeit: jeweils 16:00 – 19:00 Uhr

Ort:

Mehrzweckraum (5.E0.03)
Universitätsbibliothek der MedUni Wien
AKH Wien, Ebene 5

Für die Teilnahme an der Veranstaltung ist eine Anmeldung zu einem Workshoptermin über Moodle notwendig.

Anmeldelink:

https://moodle.meduniwien.ac.at/course/view.php?id=3087

Einladung & Programm

Hochschulschriften erfolgreich verfassen: Workshop für Studierende

FRESH eBOOKS: Forschungsethik in der Pflegeforschung : Grundlagen für eine verantwortungsvolle Praxis; Notfallmedizin..

FRESH eBOOKS
 

Alle aktuellen eBooks der Universitätsbibliothek können von MedUni Wien Angehörigen im Volltext  am Campus der MedUni Wien oder via Remote Access  abgerufen werden.

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1
 
 
E-Book

Nachhaltigkeitskommunikation in der Gesundheitswirtschaft : Wie Sie nachhaltig agieren und glaubwürdig kommunizieren

Kesting, Tobias [VerfasserIn]Scherenberg, Viviane [VerfasserIn]
2025
 
2
 
 
E-Book

Treatment of Refractory Renal Anemia : Case Collection

Liu, Bi-Cheng [HerausgeberIn]
2025
 
3
 
 
E-Book

Neue Technologien und digitale Anwendungen in der Diabetestherapie

Petry, Sebastian [VerfasserIn]
2025
 
4
 
 
E-Book

Repetitorium Phlebologie : Für die Zusatzweiterbildung – Prüfungs- und Praxiswissen

Nüllen, Helmut [VerfasserIn]Noppeney, Thomas [VerfasserIn]
2025
 
5
 
 
E-Book

Todes- und Suizidwünsche : Ethische Herausforderungen in der Pflege

Klotz, Karen [VerfasserIn]Seidlein, Anna-Henrikje [VerfasserIn]Riedel, Annette [VerfasserIn]
2025
 
6
 
 
E-Book

The Thorax : Medical, Radiological, and Pathological Assessment

Moran, Cesar A [HerausgeberIn]Truong, Mylene T [HerausgeberIn]de Groot, Patricia M [HerausgeberIn]
2023
 
7
 
 
E-Book

Schlafbezogene Atmungsstörungen im Kindesalter : Besonderheiten in Diagnostik und Therapie

Stuck, Boris A. [VerfasserIn]Schneider, Barbara [VerfasserIn]
2025
 
8
 
 
E-Book

Clinical and Surgical Aspects of Congenital Heart Diseases : Text and Study Guide

Tagarakis, Georgios [HerausgeberIn]Gheni Sarfan, Ahmed [HerausgeberIn]Hashim, Hashim Talib [HerausgeberIn]Varney, Joseph [HerausgeberIn]
2023
 
9
 
 
E-Book

Gastrointestinales Mikrobiom : Organ- und systembezogene Perspektiven

Schulz, Christian [HerausgeberIn]Malfertheiner, Peter [HerausgeberIn]
2024
 
10
 
 
E-Book

The High-risk Surgical Patient

Aseni, Paolo [HerausgeberIn]Grande, Antonino Massimiliano [HerausgeberIn]Leppäniemi, Ari [HerausgeberIn]Chiara, Osvaldo [HerausgeberIn]
2023
 

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E-Book

Alcohol and Alcohol-related Diseases

Mueller, Sebastian [HerausgeberIn]Heilig, Markus [HerausgeberIn]
2023
 

12

 
 
E-Book

Komplikationsmanagement nach Unterspritzungen mit Hyaluronsäure

Hilgers, Katharina [VerfasserIn]
2025
 

13

 
 

14

 
 
E-Book

Notfallmedizin

Ziegenfuß, Thomas [VerfasserIn]
2025
 

15

 
 
E-Book

Forschungsethik in der Pflegeforschung : Grundlagen für eine verantwortungsvolle Praxis

Seidlein, Anna-Henrikje [VerfasserIn]Riedel, Annette [VerfasserIn]Klotz, Karen [VerfasserIn]
2025
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Fresh eBooks:

Members of MedUni Vienna can get access to all current eBooks from the University Library in full text on the MedUni Vienna campus or via Remote Access . External users can download eBooks after receiving the library card via the MUW library WiFi in the UB reading room. Check out this list of the latest English eBooks we’ve just added.

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Neuerwerbungen: Mai 2025

Der Bestand der Bibliothek wird durch zahlreiche interessante Neuerwerbungen laufend erweitert. Stöbern Sie in unserer virtuellen Buchausstellung, lesen Sie die eBooks. Ein Großteil der neu erworbenen Literatur wird in der Buchausstellung im Lesesaal präsentiert. Diese Bücher können Sie vormerken und nach der Ausstellung ausleihen.
[en]  Interesting new acquisitions expand our library’s collection. Browse through our virtual book exhibition and read the eBooks! Most of the books are presented in the book exhibition in the reading room, where they can be reserved and borrowed after the exhibition.

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TOP-JOURNAL des Monats: JAMA-JOURNAL OF THE AMERICAN MEDICAL ASSOCIATION

JAMA-JOURNAL OF THE AMERICAN MEDICAL ASSOCIATION (Journal Impact Factor: 63.5*)[en]

Die Universitätsbibliothek stellt medizinische Top-Journals am Campus der MedUni Wien und via Remote Access  (>>Anleitung  ) zur Verfügung.

Das  TOP-JOURNAL des Monats im Van Swieten Blog ist:

JAMA-JOURNAL OF THE AMERICAN MEDICAL ASSOCIATION

Zu den Volltexten: Jg. 279, H. 1 (1998) –

Laut den Habilitationsrichtlinien der MedUni Wien werden die ersten 20% der Zeitschriften eines bestimmten Fachgebietes in den Journal Citation Reports als Top Journals gewertet. Die zwischen 20% und 60% liegenden Zeitschriften gelten als Standard Journals.

Mit dem 2023 Journal Impact Factor 63.5 ist JAMA-JOURNAL OF THE AMERICAN MEDICAL ASSOCIATION ein Top-Journal in der Kategorie: MEDICINE, GENERAL & INTERNAL

ISSN: 0098-7484
48 issues/year

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[en] The University Library offers top medical journals available on the MedUni Vienna campus and via Remote Access .

TOP JOURNAL of the month in the Van Swieten Blog is:

JAMA-JOURNAL OF THE AMERICAN MEDICAL ASSOCIATION

To the fulltexts: Jg. 279, H. 1 (1998) –  

According to the habilitation guidelines defined by MedUni Vienna, the first 20% of journals in a specific JCR category are classed as Top Journals. Journals positioned between 20% and 60% are classed as Standard Journals.

In the Impact Factor ranking with the 2023 Journal Impact Factor 63.5 is JAMA-JOURNAL OF THE AMERICAN MEDICAL ASSOCIATION a Top Journal in the category: MEDICINE, GENERAL & INTERNAL

ISSN: 0098-7484
48 issues/year

*2023 Journal Impact Factor

Habilitationsrichtlinien: https://www.meduniwien.ac.at/web/karriere/karriere-an-der-medizinischen-universitaet-wien/wissenschaftliche-karriere-an-der-meduni-wien/habilitation

habilitation guidelines:
https://www.meduniwien.ac.at/web/en/career/careers-at-the-medical-university-of-vienna/scientific-careers-at-the-meduni-vienna/venia-docendi/

Letzter Abruf: 24.04.2025

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Weiterlesen: Datenbank des Monats – Journal Citation Reports (JCR)

Datenbank des Monats – Cite them right online

Datenbank des Monats –  Cite them right online

Cite them right online – die Informations- und Lernplattform bietet Einstiege ins Regelwerk von unterschiedlichen Zitationsstilen, wie APA, Chicago, Harvard, IEEE und MLA sowie Zitationsvorlagen, Lernvideos und dieses interaktive Tutorial zur Vermeidung von Plagiaten und zur Unterstützung in Fragen der akademischen Integrität.

>>Zur Datenbank

>>https://www.citethemrighttutorial.com/course-modules

Cite Them Right“ können Sie auf allen PCs, die mit dem Computernetz der MedUni Wien verbunden sind, nutzen.  Der Zugang via Remote Access (Fernzugriff) ist ebenso möglich. 

Sie finden den Link zur Plattform auch in der Liste der Datenbanken (DBIS) der Universitätsbibliothek.

 

Buchtipp:

 
Pears, Richard [VerfasserIn]Shields, Graham J., 1953- [VerfasserIn]
2022
Standortnummer/Signatur BK-02.13-165 /<12> 
 

Letzte Aktualisierung: 2025 03 24

Scientific Writing Hacks: Paraphrasieren

Hack #71:

Paraphrasieren: Wissenschaftliches Schreiben gemäß der guten wissenschaftlichen Praxis erfordert eine Wiedergabe der Inhalte in möglichst eigenen Textstrukturen und Formulierungen, ohne deren Sinn zu verfälschen. Dies gilt auch für Übersetzungen – 1:1 Übersetzungen sollten vermieden werden. Da Fachterminologie und Zahlenangaben möglichst exakt übernommen werden sollten, ist hier (z.B. bei der Aufzählung von Fachbegriffen oder der Übernahme von vielen Zahlenwerten) im Sinne der Transparenz zumindest seitengenau zu zitieren. Direktzitate und 1:1 Übersetzungen müssen mittels Anführungszeichen und Seitenangabe zitiert werden. Bei Übersetzungen ist zusätzlich anzuführen wer oder was (KI) die Übersetzung durchgeführt hat.

Weiterführende Informationen finden Sie auf der Homepage der Plagiatsprüfungsstelle, im Leitfaden für das Erstellen von Hochschulschriften für Studierende und dem Muster für eine Abschlussarbeit.

Letzter Aktualisierung: 09.12.2024
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Recently Added: Neue historische Volltexte im Repositorium der UB MedUni Wien ePub 

MedUni Wien ePub ist der Publikationsserver der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, über den Sie Einsicht in digitalisierte Materialien vornehmlich aus den Beständen der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin erhalten. Weiters stehen Ihnen die approbierten Abschlussarbeiten der Medizinischen Universität Wien zur Verfügung. Ebenso erhalten Sie Zugriff auf Open Access Zeitschriftenartikel, an denen Mitarbeiter:innen der Medizinischen Universität Wien beteiligt sind oder als korrespondierende Autor:innen fungieren.
Die aktuellsten Neuzugänge medizinhistorischer Werke im Repositorium der UB MedUni Wien ePub  sind:

[en: MedUni Vienna ePub is the publication server of the University Library of the Medical University of Vienna, which gives you access to digitized materials, primarily from the holdings of the Branch Library of Medical History. It also grants access to the approbated theses of the Medical University of Vienna and to open access articles where the corresponding author is affiliated with the Medical University of Vienna.
New additions of medical history works  in the repository of UB MedUni Wien ePub are:]

Mehr historische Werke in UbMedUni ePub finden Sie >>hier

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [325]: Neudörfer, Ignaz Joseph – Chirurg und Militärarzt

Neudörfer, Ignaz Joseph – Chirurg und Militärarzt

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 16.04.2025

Keywords: Chirurg, Militärarzt, Privatdozent, Allgemeine Poliklinik, Medizingeschichte, Wien

Ignaz Joseph Neudörfer wurde am 15. März 1825 als Sohn von Moses Neudörfer (zirka 1797-?) und Anna (zirka 1797-1877), geborene Schlesinger, in Hlinik bei Bytca in Ungarn (heute: Hlinik nad Vahom/Slowakei) geboren. In erster Ehe war er mit Emma Emilie Lange (1845-1873) und in zweiter Ehe mit der aus Schlesien stammenden Anna Paulina Lange (1848-1926) verheiratet. Aus diesen Ehen stammten sechs Kinder, darunter der spätere Chirurg und Leiter des Krankenhauses in Hohenems in Vorarlberg, Artur Neudörfer (1877-1952). Neudörfer konvertierte während seines Studiums vom jüdischen zum katholischen Glauben.

Neudörfer studierte an der Universität Wien Medizin und promovierte am 3. August 1855 zum Doktor der Medizin und am 19. Jänner 1856 zum Doktor der Chirurgie. Nachdem er 1855 als Cholera-Aushilfsarzt nach Laibach entsandt wurde,[1] arbeitete er als Sekundararzt an der IV. Chirurgischen Abteilung im Allgemeinen Krankenhaus und zwischen 1857 und 1858 als supplierender Professor an der Chirurgenschule in Olmütz.[2] Darüber berichtete er in seiner 1858 erschienen Arbeit „Mitteilungen aus der chirurgischen Klinik in Olmütz“. Im Jahr 1857 veröffentlichte Neudörfer den Aufsatz „Der hydrostatische Apparat in der Chirurgie“, basierend auf einem im November 1856 gehaltenen Vortrag an der Akademie der Wissenschaften in Wien und im Jänner 1857 seinen in der Sektion für Physiologie und Pathologie der k.k. Gesellschaft der Ärzte gehaltenen Vortrag „Über Hydrocephalus externus chronicus aquisitus“.

Neudörfer Ignaz: Josephinum – Sammlungen der Medizinischen Universität Wien

Solferino

Im Juni 1859 nahm Neudörfer als Oberarzt im Sardinischen Krieg an der Schlacht von Solferino teil und erhielt dafür das Ritterkreuz des Franz Josefs-Ordens.[1] Ein Jahr darauf wurde er zum Regimentsarzt ernannt.[2] Danach erfolgte 1860 seine Zuteilung zum Garnisonsspital Nr. 1 in Prag und seine Ernennung zum Privatdozenten der Chirurgie an der Universität Prag.

Deutsch-Dänischer Krieg 1864 – Chefarzt der kaiserlichen Armee in Mexiko

Im Jahr 1864 leitete er im Deutsch-Dänischen Krieg zunächst das Offiziers-Spital in Schleswig[3] und danach das Feldspital Nr. 12, wofür er das Ritterkreuz des königlichen Württembergischen Kron-Ordens erhielt.[4] Darüber berichtete er in seiner 63-seitigen Broschüre „Aus dem feldärztlichen Berichte über die Verwundeten in Schleswig“. Anschließend trat er im April 1864 als Chefarzt und Begleiter des späteren Kaisers Maximilian I. in die kaiserliche mexikanische Armee ein[5] und unternahm im Frühjahr 1864 zur Rekrutierung von Ärzten für die mexikanische Armee eine Reise durch Deutschland und die Schweiz.[6] In Mexiko organisierte er das Sanitätswesen in der Armee. Nach seiner Rückkehr nahm er 1866 wieder seinen Dienst in die k.u.k. Armee auf, wurde für seine Tätigkeit als Militärarzt in der kaiserlichen mexikanischen Armee zum Oberstleutnant Stabsarzt befördert[7] und richtete in Reichenberg eine Heilanstalt ein.

Garnisons-Spital Nr. 1 Wien

1867 wechselte Neudorfer vom Garnisons-Spital Nr. 1 in Prag in das Garnisons-Spital Nr. 1 nach Wien[8] und erhielt im selben Jahr die Militärdekoration des Offizierskreuzes des belgischen Leopolds-Ordens sowie das Offizierskreuz des mexikanischen Guadaloup-Ordens.[9]

Seine umfangreichen Erfahrungen als Kriegschirurg fanden ihren Niederschlag in dem von ihm verfassten dreibändigen „Handbuch der Kriegschirurgie“, das über Jahrzehnte als Standardwerk der Kriegschirurgie galt. Neudörfer publizierte darüber hinaus zahlreiche Aufsätze und Artikel in der medizinischen Fachpresse wie 1867 „Ueber die Grösse der abzutragenden Knochenstücke“[10] oder 1871 „Die Endresultate der Gelenksresektion“. Er führte eine Reihe von Neuerungen im militärischen Sanitätswesen ein, darunter eine von ihm konstruierte Feldtrage[11] sowie die Verwendung von Gips- und desinfizierenden Pulverbänden bei Schussverletzungen und die Gelenkssekretion bei Schussbrüchen. Weiters beschäftigte er sich mit Wundinfektionen. 1877 erschien dazu seine Monografie „Die chirurgische Behandlung der Wunden“, 1879 „Aus der chirurgischen Klinik der Militärärzte“, 1880 „Über Desinfektion im Kriege“, 1882 „Zur Chloroformnarkose“ und 1885 „Die moderne Chirurgie in ihrer Theorie und Praxis“.

Militär-Sanitätsreform-Kommission, Josephinum, Mitbegründer der Allgemeinen Poliklinik

Zunächst erfolgte im Jahr 1868 nach seiner Habilitation die Ernennung Neudörfers zum Privatdozenten der allgemeinen und klinischen Chirurgie an der Universität Wien. Im selben Jahr wurde er als Mitglied der Militär-Sanitäts-Reform-Kommission eingesetzt, in der er sich für die Schließung des Josephinums einsetzte.[12] Trotzdem wirkte er hier seit 1870 als Lehrbeauftragter für operative Chirurgie und ab 1875 als Chirurg im Rahmen der militärärztlichen Kurse am Josephinum.[13]

1872 gehörte er dem Kreis der Gründungsmitglieder der Allgemeinen Poliklinik in Wien an und übernahm die Leitung der Chirurgischen Abteilung an der Klinik.[14] 1873 wurde das Verlangen des k.u.k. Kriegsministeriums nach einer Ernennung von Neudörfers zum a.o. Professor vom medizinischen Doctoren-Kollegium abgelehnt.[15] 1874 erhielt er seine Beförderung zum Stabsarzt.

1878: Bosnien-Herzegowina

1878 nahm er als Operateur und Berater des Armee-Chefarztes an der Okkupation Bosnien-Herzegowinas teil.[16]

Nachdem er 1883 zum Sanitätschef des 9. Armeekorps in Josefstadt und 1886 zum Sanitätschef des 5. Armeekorps in Pressburg bestellt worden war, schied Neudörfer 1887 aus der Armee aus, trat in den Ruhestand und erhielt den Titel eines Generalstabsarztes.[17] Seine Tätigkeit an der Poliklinik führte er ab 1891 bis 1895 weiter. In diesen Jahren publizierte er 1888 „Gegenwart und Zukunft der Antiseptik und ihr Verhältnis zur Bakteriologie“ und „Die Impfung als pathogenes, curatives und prophylaktisches Agens“.[18] 1889 erschien von ihm „Die Syphilis“, 1889 „Erfahrungen und Enttäuschungen mit der Ozontherapie“,[19] 1890 „Ueber Spirotherapie“, 1891 „Die lokale Anästhesie“[20] und „Die Aus- und Einrenkungen im Schultergelenk“,[21] sowie 1895 „Behring´s Heilserum und das Wasserstoffsuperoxyd“. Zahlreiche seiner Arbeiten befinden sich heute in der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin.

Volksbildung – Ethische Gesellschaft

Neudörfer unterstützte den Wiener Volksbildungsverein und war dort als Referent tätig. Außerdem war er Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien und Redaktionsmitglied der von Karl Bettelheim (1840-1895) herausgegebenen „Medizinisch-chirurgischen Rundschau“. Neudörfer gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Ethischen Gesellschaft in Wien, die für eine Trennung von Staat und Kirche eintrat.

Neudörfer verstarb am 20. Mai 1898 in Abbazia (Opatija, Kroatien).

Quellen:

Taufmatriken, Rk., Erzdiözese Wien, 3. Landstraße, St. Rochus, Taufbuch 01-34, 1851, Folio 117, Neudörfer Ignaz Joseph.

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 170-175a, Neudörfer Ignaz (Rigorosum Datum: 1855).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 181-169, Neudörfer Ignaz (Promotion Datum: 3.8.1855).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 181-102, Neudörfer Ignaz (Promotion Datum: 19.1.1856).

ÖStA, AVA, Unterricht UM, Allg. Akten, 1210.16 Neudörfer Ignaz, Professorenakt, 1856-1863.

ÖStA, AVA, Unterricht UM, Allg. Akten, 628.30 Neudörfer Ignaz, Professorenakt, 1868-1887.

Literatur:

Neudörfer, Ignaz Joseph: Mitteilungen aus der chirurgischen Klinik in Olmütz. Sonderdruck aus: Österreichische Zeitschrift für praktische Heilkunde. Wien: 1858.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 40376]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Über Hydrocephalus externus chronicus aquisitus. Vorgetragen in der Section für Physiologie und Pathologie der k.k. Gesellschaft der Ärzte am 2. Jänner 1857. Sonderdruck aus: Zeitschrift der k.k. Gesellschaft der Ärzte zu Wien. Wien: Druck von Carl Gerold’s Sohn 1857.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Aus dem feldärztlichen Berichte über die Verwundeten in Schleswig. Berlin: Sittenfeld 1864.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 33431]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Handbuch der Kriegschirurgie. Leipzig: Vogel 1864-1872.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 8068]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Die Endresultate der Gelenksresektion. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien: Druck von F.B. Geitler 1871.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Die chirurgische Behandlung der Wunden. Wien: Braumüller 1877.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 29151]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Aus der chirurgischen Klinik der Militärärzte. Wien: Braumüller 1879.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 29190]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Über Desinfektion im Kriege. Vortrag, gehalten im Militärwiss. Vereine zu Wien am 13. Februar 1880. Sonderdruck aus: Organ des Militärwiss. Vereines. Wien: Verlag des Militärwiss. Vereines 1880.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 46838]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Zur Chloroformnarkose. Sonderdruck aus: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. Leipzig: 1882.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 29148]

Neudörfer, Ignaz Jospeh: Die moderne Chirurgie in ihrer Theorie und Praxis. Wien: Braumüller 1885.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 29191]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Gegenwart und Zukunft der Antiseptik und ihr Verhältnis zur Bakteriologie. Sonderdruck aus: Klinische Zeit- und Streitfragen. Wien: 1888.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 13492/2,1]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Die Impfung als pathogenes, curatives und prophylaktisches Agens. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Alfred Hölder, k.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1888.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Neudörfer, Ignaz Jospeh: Die Syphilis. Sonderdruck aus: Verlag von Alfred Hölder, k.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1889.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Neudörfer, Ignaz Joseph: Ueber Spirotherapie. Vortrag, gehalten in der Sitzung der k.k. Gesellschaft der Aerzte in Wien, am 14. März 1890. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Alferd Hölder, k.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1890.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Neudörger, Ignaz Joseph: Behring´s Heilserum und das Wasserstoffsuperoxyd. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles 1895.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

[1] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 34, 1859, Sp. 557.

[2] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 17.7.1860, S. 234.

[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 10, 1864, Sp. 157.

[4] Wiener Zeitung, 16.9.1864, S. 1.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 38, 1864, Sp. 607. Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 20.12.1864, S. 412.

[6] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 15.8.1864, S. 271.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 68, 1866, Sp. 1094.

[8] Wiener medizinische Wochenpresse, Nr. 44, 1867, Sp. 704.

[9] Wiener medizinische Wochenpresse, Nr.,33, 1867, Sp. 525.

[10] Wiener medizinische Wochenpresse, Nr. 11, 1867, Sp. 161-165,

[11] Der Militärarzt, 1875, Sp. 132-133

[12] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 8.9.1868, S. 6.

[13] Wiener medizinische Wochenpresse, Nr. 31, 1875, Sp. 725-726.

[14] Wiener medizinische Wochenpresse, Nr. 1, 1872, Sp. 20.

[15] Wiener medizinische Wochenpresse, Nr. 4, 1873, Sp. 94.

[16] Wiener medizinische Wochenpresse, Nr. 37, 1878, Sp. 1006.

[17] Internationale klinische Rundschau, Nr. 23, 1887, Sp. 737.

[18] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 14, 1888, S. 299-304.

[19] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 20, 1889, Sp. 833-835; Nr. 21, 1889, Sp. 873-876.

[20] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 31, 1891, S. 1177-1180; Nr. 32, 1891, Sp. 1221-1224; Nr. 33, 1891, Sp. 1265-1268.

[21] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 40, 1891, Sp. 1601-1605; Nr. 41, 1891, Sp. 1649-1651; Nr. 42, 1891, Sp. 1689-1692; Nr. 43, 1891, Sp. 1733-1736.

[1] Zeitschrift der k.k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien, 1855, S. 584.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 40, 1857, Sp. 733.

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