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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [330]: Bienenfeld, Bianca – Frauenärztin und Gynäkologin im Allgemeinen Krankenhaus Wien und erste Fachärztin des Verbandes der Genossenschafts-Krankenkassen Wien

 

Autor: Dr. Walter Mentzel

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Keywords: Frauenärztin, Gynäkologin, Allgemeines Krankenhaus Wien, Genossenschafts-Krankenkasse, Medizingeschichte, Wien

Bianca Bienenfeld wurde am 10. November 1879 als Tochter einer aus Krakau stammenden jüdischen Familie in Wien geboren und wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf. Ihr Großvater war Verwalter des israelitischen Spitals in Krakau, ihr Vater, Heinrich Leo Bienenfeld (1849-1895), arbeitete in Wien als Hof- und Gerichtsadvokat, ihre Mutter, Victoria Gitel (geb. Schmelkes) (1852-1918), stammte aus einer angesehenen Rabbinerfamilie. Ihre Schwester Elsa (1877-1942) war in Wien als Musikwissenschaftlerin und Musikpublizistin tätig.

Bienenfeld besuchte ab 1892 das neu eröffnete erste Wiener Mädchengymnasium des Vereins für erweiterte Frauenbildung. Ihre Matura legte sie 1898 extern mit Auszeichnung am Akademischen Gymnasium in Wien ab.[1] Danach studierte sie ab dem Wintersemester 1898/99 an der Universität Wien naturwissenschaftliche Fächer, konnte aber erst nach zwei Jahren an der Medizinischen Fakultät inskribieren. Gemeinsam mit ihrer Schwester Elsa besuchte sie Vorlesungen des Musikwissenschafters Guido Adler (1855-1941) und teilte mit ihr die Leidenschaft zur Musik.

Studentinnen-Verein „Wien“

Während ihrer Studienzeit war Bienenfeld gemeinsam mit ihrer Schwester Mitglied des im Dezember 1898 im wissenschaftlichen Club gegründeten ersten Wiener Studentinnen-Vereins „Wien“, dem auch die Medizinstudentinnen Gabriele Possanner von Ehrenthal (1860-1940), Margarete Hilferding-Hönigsberg (1871-1942) und Stephanie Weiss-Eder (1878-1959) angehörten. Sie war seit der Gründung des Vereins als Kassiererin und später als Schriftführerin in den Vereinsorganen tätig.[2] Dem Verein gehörten zudem die spätere Ärztin Rosa Regina Walter (1.4.1878 Wien, ermordet im Holocaust 1942 Belgrad), verheiratete Markovic,[3] und die Medizinstudentin und spätere Schriftstellerin Irma Schönfeld (1876-1915) an.

Während ihres Medizinstudiums, das sie am 10. März 1904 mit ihrer Promotion abschloss, studierte sie bei Friedrich Schauta (1849-1919), Richard von Krafft-Ebing (1840-1902), James Eisenberg (1861-1910), Edmund Neusser (1852-1912) und Anton Weichselbaum (1845-1920). Bereits als Studentin erfolgte ihre Bestellung zur Demonstratorin und Aspirantin am Physiologischen Institut bei Siegmund Exner (1846-1926), wo sie 1903 über „Das anatomische Verhalten der Muscularis mucosae in Beziehung zu ihrer physiologischen Bedeutung“ publizierte.

Nach der Promotion arbeitete sie nach einer gemeinsam mit Stephanie Weiss-Eder erfolgreich eingebrachten Petition beim Ministerium für Cultus und Unterricht als Aspirantin an der II. Medizinischen Klinik im Allgemeinen Krankenhaus bei Edmund Neusser[4] und danach an der Kinderklinik (St. Anna Kinderspital) bei Theodor Escherich (1957-1911). Anschließend trat sie als erste supplierende Sekundarärztin in die III. medizinische Klinik unter dem Internisten Norbert Ortner (1965-1935) ein. Nach neun Monaten wurde sie auf Antrag von Professor Ortner am 1. Dezember 1906 an der I. Universitäts-Frauenklinik bei Friedrich Schauta bestellt, wo sie weitere sieben Jahre tätig war, sich zur Gynäkologin ausbilden ließ und im Februar 1908 die Ernennung zur definitiven Sekundarärztin erhielt. 1907 publizierte sie an der Klinik „Das Verhalten der Leukozyten bei der Serumkrankheit“ und im selben Jahr am Laboratorium der Spiegler-Stiftung in Wien „Das Verhalten der Frauenmilch zu Lab und Säure“. Zuletzt wurde sie auf Antrag von Schauta zur Intern-Ärztin der Klinik ernannt. Im Jahr 1912 veröffentlichte sie den „Beitrag zur Kenntnis des Lipoidgehaltes der Placenta“. Danach verließ sie 1913 als emeritierte Intern-Ärztin das Allgemeine Krankenhaus und arbeitete in ihrer Privatpraxis in Wien.

Bianca Bienenfeld (zirka 1907): In: Jahresbericht des Vereines für erweiterte Frauenbildung 1907/08.

Sanatorium Loew und Ambulanz des Verbandes der Genossenschafts-Krankenkassen Wien und Niederösterreich (Allgemeine Arbeiterkrankenkasse Wien)

Während des Ersten Weltkrieges übernahm Bienenfeld die Hausarztstelle an der Gynäkologischen Abteilung des Sanatoriums Loew in Wien. 1919 wurde sie zur ersten Fachärztin und Leiterin der gynäkologischen und geburtshilflichen Ambulanz an der Genossenschafts-Krankenkasse Wien und Niederösterreich ernannt. Hier nahm sie auch ihre wissenschaftliche Publikationstätigkeit u.a. mit ihrer Mitarbeiterin an der Ambulanz, Ida Eckstein (1888-1982), auf, mit der sie 1919 „Ein Sakraltumor beim Neugeborenen[5] publizierte. 1925 erschien von ihr „Zur Klinik der Vaginalsysten“,[6] und 1926 veröffentlichte sie erneut gemeinsam mit Ida Eckstein „Zur diagnostischen Verwertung des Gonotestfingerlings bei der weiblichen Gonorrhöe[7]

Neben ihrer beruflichen Tätigkeit als Medizinerin hielt sie Vorträge in den Wiener Volksbildungseinrichtungen, wie den 1913 in der Urania zu „Das Leben vor der Geburt“,[8] den sie in der Zeitschrift „Die Frau und Mutter“ (Teil 2) in einer Artikelserie (Teil 1; Teil 3) publizierte.[9] Im selben Jahr veröffentlichte sie noch in der von der Frauenrechtlerin und Sozialreformerin Auguste Fickert (1855-1910) gegründeten Zeitschrift „Neues Frauenleben“ den Aufsatz „Die Geschichte der Krankenpflege“.[10] 1917 erschien von ihr die Artikelserie „Ueber die Physiologie der Frau“ in der Zeitschrift „Die Frau und Mutter“.[11] Anlässlich des Gynäkologenkongresses im Jahr 1925 in Wien veröffentlichte sie den Artikel „Wiens Anteil an der modernen Frauenheilkunde“[12] und 1928 wiederum in der Zeitschrift „Die Frau und Mutter“ den Artikel „Entwicklung und Entwicklungsstörungen der weiblichen Reife“.[13]

Sie verstarb am 22. August 1929 bei einem Zugsunglück in Schwarzach St. Veith auf der Rückreise von den Salzburger Festspielen in Begleitung ihrer Schwester Elsa.

Bianca Bienenfeld, Todesanzeige, Neue Freie Presse, 25.8.1929, S. 29.

1929 erschienen aus Anlass ihres Todes mehrere Nachrufe, darunter von Heinrich Peham (1871-1930) in der Zeitung Der Tag,[14] von Pauline Feldmann (1884-1986) in der Zeitschrift Medizinische Klinik,[15] und von Dora Brücke-Teleky (1879-1963) in der Wiener medizinischen Wochenschrift.[16] Ihre Schwester Elsa Bienenfeld wurde nach dem „Anschluss“ im März 1938 wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt und am 26. Mai 1942 in Maly Trostinec ermordet.

1933 trat ein aus den Initiatoren, dem Architekten Oskar Strnad (1879-1935) und dem Bildhauer Georg Ehrlich (1897-1966), bestehendes Dr. Bianca Bienenfeld-Komitee an die Gemeinde Wien heran, um auf der Grünanlage am Albertplatz in Wien-Josefstadt ein von den beiden Initiatoren geschaffenes Bianca Bienenfeld-Denkmal genehmigen zu lassen. Die erteilte Genehmigung verfiel, da innerhalb der Jahresfrist keine Aufstellung des Denkmals erfolgte.[17] Seit April 2025 ist nach ihr in Wien-Leopoldstadt eine Straße benannt.

Quellen:

Geburtsbuch der IKG Wien, 1879, Bienenfeld Bianca.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0586, Bienenfeld Bianca (Nationalien Datum 1902/03).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-021a, Bienenfeld Bianca (Rigorosum Datum 4.3.1904).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 189-1421, Bienenfeld Bianca (Promotion Datum 10.3.1904).

Friedhofsdatenbank der IKG Wien, Bienenfeld Bianca.

Literatur:

Bienenfeld, Bianca: Das anatomische Verhalten der Muscularis mucosae in Beziehung zu ihrer physiologischen Bedeutung. Bonn: Strauss 1903.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 22498]

Bienenfeld, Bianca: Das Verhalten der Leukozyten bei der Serumkrankheit. Sonderdruck aus: Jahrbuch der Kinderheilkunde und physische Erziehung. Berlin: Verlag von S. Karger 1907.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Bienenfeld, Bianca: Das Verhalten der Frauenmilch zu Lab und Säure. Aus dem Laboratorium der Spiegler-Stiftung, Wien (Leiter: S. Fränkel). Sonderdruck aus: Biochemische Zeitschrift. Berlin: Verlag von Julius Springer 1907.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Bienenfeld, Bianca: Beitrag zur Kenntnis des Lipoidgehaltes der Placenta. Aus der I. Universitäts-Frauenklinik [Vorstand: Hofrat Schauta] und dem chemischen Laboratorium der L. Spiegler-Stiftung [Vorstand: Prof. S. Fraenkel] in Wien. Sonderdruck aus: Monatsschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie. Berlin: Verlag von S. Karger 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

[1] Jahres-Bericht über das k.k. Akademische Gymnasium Wien in Wien für das Schuljahr 1898/99, Wien 1899, S. 9.

[2] Frauen-Werke, Nr. 2, 1899, S. 2; Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 4.3.1899, S. 2.

[3] Yad Vashem Markovic Vera (https://collections.yadvashem.org/en/names/13903965).

[4] Hebammen-Zeitung, 15.9.1904, S. 133.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 39, 1919, Sp. 1890-1897.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 22, 1925, Sp. 1268-1274.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 18, 1926, S. 544-550.

[8] Die Zeit, 30.1.1913, S. 7.

[9] Die Frau und Mutter, H.1, Oktober 1913, S. 2-5; H. 2, November 1913, S. 46-48; H. 3, Dezember 1913, S. 79-81.

[10] Neues Frauenleben, Jänner 1913, S. 8-13.

[11] Die Frau und Mutter, H. 3, 1916, S.30-32; H. 4, 1917, S. 45-47; H. 5, 1917, S.65-66; H.6, 1917, S. 79-80.

[12] Neues Wiener Journal, 31.5.1925, S. 7.

[13] Die Frau und Mutter, 1928, S. 11-12.

[14] Der Tag, 9.11.1929, S. 4.

[15] Medizinische Klinik, 30.8.1929, S. 1324.

[16] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 36, 1929, S. 1162-1163.

[17] Rathaus-Korrespondenz, 25. Juli 1933.

Normdaten (Person):Bienenfeld, Bianca : BBL: ; GND:

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BBL:  47046 (16.06.2025)
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Letzte Aktualisierung: 2025.06.16

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