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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [156]: Benno Grossmann – Rhino-Laryngologe, Assistent und Vorstand des Laboratorium an der Universitätsklinik von Markus Hajek

Benno Grossmann – Rhino-Laryngologe, Assistent und Vorstand des Laboratorium an der Universitätsklinik von Markus Hajek

Text: Dr. Walter Mentzel

Benno (Beno) Grossmann wurde am 20. August 1884 als Sohn des aus Kladno in Böhmen (heute Tschechien) stammenden Ignaz Grossmann und Johanna, geborene Epstein, in Wien Währing geboren. Nach seiner Matura im Jahr 1903 am Staatsgymnasium in Wien 6, studierte er an der Universität Wien Medizin und schloss das Studium im Dezember 1908 mit seiner Promotion zum Doktor der gesamten Heilkunde ab. Danach begann er seine medizinische Laufbahn an der rhino-laryngologischen Abteilung der Allgemeinen Poliklinik unter dem damaligen Dozenten und späteren Univ. Professor Hans Koschier (1868-1918) und danach als Sekundararzt an der Krankenanstalt der Rudolfs-Stiftung. Vor dem Ersten Weltkrieg publizierte er 1910 an der rhino-laryngologischen Abteilung „Zur Frage der Bedeutung der Wassermannschen Reaktion in der Rhini-Laryngologie“ und 1911 mit Karl von Müllern „XIII. Beiträge zur Kenntnis der Primärerkrankungen der hämatopoetischen Organe. Aus der Prosektur des k. k. Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien und dem pathologischen Institut der Wiener allgemeinen Poliklinik. (Vorstand: Prof. Dr. H. Albrecht)“. Diese Arbeit befindet sich heute in der Separata Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin.

Am Ersten Weltkrieg nahm er als Landsturmassistenzarzt im mobilen Reservespital Nr. 2/13 und zugeteilt als Arzt im Epidemiespital in Oleszow (heute: Oleshiv/Ukraine) teil.[1] Nach dem Ersten Weltkrieg war er bis zum Studienjahr 1926/27 als Assistent an der Klinik für Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten unter dem Vorstand Prof. Markus Hajek (1861-1941) tätig. Hier publizierte er 1922 „Ein bemerkenswerter Fall von echter Lymohogranulomatose der Haut, der Hypopharynxschleimhaut und des Magens“ und gemeinsam mit dem Assistenten an der Klinik, Fritz Schlemmer (1884-1923), im Wiener Archiv für innere Medizin „Ein bemerkenswerter Fall von echter Lymphogranulomatose der Haut, der Hypopharynxschleimhaut und des Magens im „Wiener Archiv für innere Krankheiten“.[2] 1925 erschien von ihm in der Monatsschrift für Ohrenheilkunde und Laryngo-Rhinologie gemeinsam mit Richard Waldapfel die „Neue Untersuchung bei der Angina lacunaris“ und 1927 in derselben Zeitschrift „Zur Kenntnis der Knorpelgeschwülste des Kehlkopfes“.

Nach seiner Emeritierung als Assistent im Jahr 1927 arbeitete er als Vorstand des Laboratoriums an der Universitätsklinik für Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten unter Markus Hajek und daneben als Facharzt für Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten in Wien 9, Alserbachstraße 1. 1932 publizierte er in dieser Funktion in der Monatsschrift für Ohrenheilkunde „Über das Vorkommen von Flimmerephitel in den Gaumenmandeln des Menschen“. Grossmann war bis 1938 Mitglied der Wiener Laryngo-rhinologischen Gesellschaft.

Die Familie Grossmann war jüdischer Herkunft. Benno Grossmann gelang 1939 mit seiner Ehefrau Maria Auguste Emma (*18.1.1901 Wien), geborene Ivanissevich, und seinen beiden Töchtern die Flucht vor den Nationalsozialisten in die USA. Er verstarb am 5. Juli 1967 in Cairo, Alexander Country in Illinois.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbücher 1884, Grossmann Benno.

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0698, Großmann Benno (Nationalien Datum: 1906/07).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0175, Großmann Benno (Rigorosen Datum: 16.12.1908).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 190-0827, Großmann Benno (Promotions-Sponsions-Datum: 22.12.1908).

UAW, Rektorat, Akten-Sonderreihe des Akademischen Senats, S 304 Personalblätter, Senat S 304.391 Grossmann, Benno.

Find a Grave: https://de.findagrave.com/memorial/106899512/benno-grossman (Grossmann Benno Dr.).

Literaturliste:

Müllern, Karl von und Benno Großmann: XIII. Beiträge zur Kenntnis der Primärerkennungen der hämatopoetischen Organe. Aus der Prosektur des k.k. Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien und dem pathologischen Institut der Wiener allgemeinen Poliklinik. (Vorstand: Prof. Dr. H. Albrecht) Sonderdruck aus: Beiträge zur pathologischen Anatomie und zur allgemeinen Pathologie. Jena: Verlag von Gustav Fischer 1911.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Biblitohek]

Keywords:
Benno Grossmann, Markus Hajek, Laryngologe, Separata Bibliothek, Arzt, Medizingeschichte, Wien

[1] Wiener Zeitung. 14.7.1916. S. 5.

[2] Wiener Archiv für innere Krankheiten. Teil 2. 1922. S. 573-594.

Normdaten (Person) Grossmann, Benno: BBL: 38317; GND: 1252420188

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der MedUni Wien, BBL: 38317 (28.01.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 01 28
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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [155]: Hein, Isidor – Primararzt an der Rudolfs-Stiftung und Privatdozent im Allgemeinen Krankenhaus Wien

Hein, Isidor – Primararzt an der Rudolfs-Stiftung und Privatdozent im Allgemeinen Krankenhaus Wien

Text: Walter Mentzel

Isidor Julius Hein wurde am 22. Juni 1840 als Sohn der aus Österreichisch-Schlesien stammenden Isidor und Maria Hein in Wien geboren. Nach dem Besuch des Schottengymnasiums in Wien[1] begann er ein Studium der Medizin an der Universität Wien, das er 1862 mit dem Rigorosum, 1863 mit seiner Sponsion abschloss. 1867 promovierte er noch zum Doktor der Chirurgie.[2] Während seiner Studienzeit gehörte er zum Interessentenkreis um das Journal „Österreichische botanische Zeitschrift“.[3] 1864 wurde er in das Medizinische Doctoren-Collegium aufgenommen,[4] zu dieser Zeit arbeitete er bereits als Sekundararzt und kurzeitig als Leiter einer medizinischen Abteilung im Allgemeinen Krankenhaus in Wien.

Seit zirka 1870 war er als Armenarzt im 9. Wiener Gemeindebezirk Alsergrund tätig und ab 1874 wirkte er noch zusätzlich unentgeltlich an einem Wiener Waisenhaus.[5] Dafür wurde er vom Bürgermeister der Stadt Wien, Cajetan Felder (1814-1894), ausgezeichnet.[6] Daneben führte er eine Privatordination und publizierte wissenschaftliche Abhandlungen, die in der Wiener medizinischen Wochenschrift erschienen. Darunter 1870 „Ein Fall von Pleuritis. Punctio thoracis. Heilung“,[7] 1877 publizierte er einen zweiteiligen Aufsatz „Ueber die Cheyne-Stockes’sche Athmungsform“ [Nr. 14 und Nr. 15, 1877][8] und 1879 über „Ueber die Anwendung der Kälte in Fällen von Brucheinklemmung[9]

Im April 1881 erfolgte durch das Ministerium des Inneren seine Ernennung zum Primararzt an der Rudolfs-Stiftung als Nachfolger des Primararztes und Professors Leopold Schrötter von Kristelli (1837-1908)[10] und 1883 bemühte er sich um die Zulassung zur Habilitation beim medizinischen Professorenkollegium an der Medizinischen Fakultät in Wien für interne Medizin, die noch im selben Jahr vom Ministerium für Cultus und Unterricht genehmigt wurde und zu seiner Ernennung zum Privatdozenten für klinische Propädeutik an der Medizinischen Fakultät führte.[11] Im Rahmen des Wiener medizinischen Doctoren-Collegiums engagierte er sich in deren Hygiene-Sektion in der Bekämpfung der Tuberkulose und der Cholera.[12] Im Jänner 1885 erfolgte seine Bestellung zum Primararzt und Leiter der III. medizinischen Abteilung im Allgemeinen Krankenhaus.[13]

Hein verstarb am 19. Juni 1885 in Wien.[14]

In der Neuburger-Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befindet sich zu ihm ein dreiseitiger Nachruf aus den Mittelungen des Wiener medizinischen Doktoren-Kollegiums, Bd. 11 [Z 4496/11].

Quellen:

Matriken Wien, kath. Taufbuch, Pfarre Rossau 1840, Folio 322, Hein Isidor Julius.

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 170-101a, Hein Isidor (Rigorosen Datum 1862).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 181-1086, Hein Isidor (Promotion- Sponsionsdatum 23.5.1863).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 182-96, Hein Isidor (Promotion 5.3.1867).

Matriken Wien, kath. Sterbe-Register, Wien 9, Lichtenthal, 1885, Folio 30, Hein Julius Isidor.

[1] Jahres-Bericht des kais. kön. Ober-Gymnasiums zu den Schotten in Wien 1858. Verzeichnis der Abiturenten.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 4. 1868. Sp. 62.

[3] Österreichische botanische Zeitschrift. Nr. 12. 1862. S. 398.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 48. 1864. Sp. 750.

[5] Neues Fremden-Blatt, 20.10.1874. S. 5.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 24. 1877. Sp. 594.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 8. 1870. Sp. 126-127.

[8] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 14. 1877. Sp. 317-320 und Nr. 15. 1877. Sp. 341-344.

[9] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 26. 1879. Sp. 711-113 und Nr. 27. 1879. Sp. 739-741.

[10] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 18. 1881. Sp. 519; Wiener Zeitung. 28.4.1881. S. 3

[11] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 19. 1883. Sp. 595 und Nr. 51. 1883. Sp. 1539-1540. Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 20.12.1883. S. 3.

[12] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 11. 1884. Sp. 324; Nr. 40. 1884. Sp. 1203.

[13] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 6. 1885. Sp. 184.

[14] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 20.6.1885, S. 3.

Keywords:
Allgemeines Krankenhaus Wien, Armenarzt, Isidor Hein, Arzt, Medizingeschichte, Wien

Normdaten (Person) Hein, IsidorBBL: 38334; GND: 1251760163

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der MedUni Wien, BBL: 38235 (01.02.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 02 01
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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [154]: Lederer, Camill – Kinderarzt und Homöopath

Lederer, Camill – Kinderarzt und Homöopath

Text: Walter Mentzel

Camill Lederer wurde am 23. Juli 1830 in Wien als eines von den elf Kindern seines Vaters Thomas Lederer jun. geboren. Mit 18 Jahren nahm er gemeinsam mit seinen beiden Brüdern, dem späteren Wiener Vizebürgermeister Moritz Lederer (*27.7. 1832 Wien, gest. 1.12.1921 Wien) und Gustav Lederer in der „akademischen Legion“ an der 1848er Revolution teil.

Nach seinem Studium der Medizin an der Universität Wien, das er 1855 mit dem Doktorat und als Magister der Geburtshilfe abschloss. Er war vor allem ein beliebter Haus- und Leibarzt in Kreisen des Hochadels und des Groß- und Finanzbürgertums.

Er publizierte u.a. in der Zeitschrift „Unser Kind“[1] über die „Die Verhütung von Plattfüssen“ oder in der Zeitschrift „Das Kind“ zum Schulbesuch.[2]

Lederer übernahm nach dem Tod seines Vaters dessen private medizinische Bibliothek, baute sie bis zu seinem Tod 1912 weiter aus und ließ sie einheitlich binden.

Von ihm besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin die von ihm verfasste sechsseitige „Einleitung zu einer neuen Auflage von ,Mutter und Kind‘ von Thomas Lederer“ seines Vaters Thomas Lederer als Typoskript aus dem Familienarchiv Maresch. Ebenso aus dem Familienarchiv Maresch befindet sich an der Zweigbibliothek von Camill Lederer das Typoskript „Miscellanea Physico-medio-mathematika. Auszug aus dem gleichnamigen Buch von Dr. Andreas Elias Büchner von 1728“. Dazu kommt seine 1906 in der Monatsschrift für praktische Wasserheilkunde veröffentlichte Publikation „Der Hydrotherapeut Dr. Currie als Begründer der Thermometrie und der wissenschaftlichen Wasserheilmethode“.

Camill Lederer verstarb am 12. Mai 1912 in Vinica im heutigen Kroatien, wo er auch beerdigt wurde.

Quellen:

Lederer, Camill: Einleitung zu einer neuen Auflage von „Mutter und Kind“ von Thomas Lederer. Typoskript erstellt vom Original im Familienarchiv Maresch 1994.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: SA-4315/b]

Lederer, Camill. Misecellanea Physico-medio-mathematika. Auszug aus dem gleichnamigen Buch von Dr. Andreas Elias Büchner. Typoskript erstellt vom Original im Familienarchiv Maresch 1994.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: SA-4315/c]

Tauf-Matriken der kath. Kirche, Pfarre St. Stephan in Wien, 1830, Folio 158, Lederer Camill Jakob Thomas.

UAW, Medizinische Fakultät, Rigorosenprotokolle 1821-1871, Sign. 170-145r, Lederer Camill.

UAW, Medizinische Fakultät, Promotionsprotokolle 1854-1865, Sign. 181-46, Lederer Camill.

Literaturliste:

Lederer, Camill: Der Hydrotherapeut Dr. Currie als Begründer der Thermometrie und der wissenschaftlichen Wasserheilmethode. Nach Zitaten aus Dr. Curries Werk. Sonderdruck aus: Monatsschrift für praktische Wasserheilkunde und physikalische Heilmethoden. München: Druck von Franz X. Seitz 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 5638]

[1] Unser Kind – Halbmonats-Zeitschrift für Kinderpflege und Erziehung unter Mitarbeit hervorragender Kinderärzte und Pädagogen. Nr. 8. 1903.

[2] Das Kind. Nr. 19. 1905.

Keywords:
Camill Lederer, Kinderarzt,  Arzt, Medizingeschichte, Geburtshilfe, Chirurgie, Wien, Private Bibliothek, Homöopath, Medizinische Bibliothek, Wiener Ärztebibliothek, Private Ärztebibliothek, Privatbibliothek

Normdaten (Person) Lederer, Camill: GND1239059205 ; BBL: 38235;

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der MedUni Wien, BBL: 38235 (26.01.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 01 26
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=38235

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [153]: Lederer, Thomas – Kinder- und Frauenarzt in Wien

Lederer, Thomas – Kinder- und Frauenarzt in Wien

Text: Walter Mentzel

Thomas Lederer jun. war ein Kinder- und Frauenarzt, der eine umfangreiche private medizinische Bibliothek aufbaute, die von seinem Sohn Camill Lederer erweitert worden war, und sich heute an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin an der Medizinischen Universität Wien befindet. Lederer wurde 1791 in Strakonitz in Böhmen (heute Strakonice/Tschechien) als Sohn von Thomas Lederer sen. (*1750 Luxembourg – damals Teil der österreichischen Niederlande, gest. 8.3.1828 Wien) geboren. Sein Vater war Unteroffizier der österreichischen Armee und späteren k.k. Wasserbau-Direktions-Aufseher. Lederer sen. war mit Anna Lederer verheiratet, mit der er die fünf Söhne und Töchter – Thomas Lederer jun. (Magister der Chirurgie in der Salvator Apotheke), Johann (Chirurg in Wien), Leopold, Marin und Joseph Lederer – hatte.

Thomas Lederer jun. studierte in Wien und Gießen Medizin (1817 Wund- und Geburtsarzt in Wien, Ehrendiplom als Doktor der Universität Gießen) und nahm 1809 als Militärarzt an der Schlacht von Aspern teil. Lederer hatte mit seiner Ehefrau elf Kinder, darunter Sidonie (ca. 1826-1872), verheiratete Maresch, Anna Theresie (*1829), den späteren Vizebürgermeister von Wien Moritz Lederer (1832-1921), Konstanze (ca. 1833-1911), verheiratete Maresch, Hermann Lederer (*1834), Gustav Lederer (1834-?) und Clementine (1842-1873), verheiratete Nielssen und die später mit dem Schriftsteller Ferdinand von Saar (1833-1906) verheiratete Melanie Lederer (1840-1884).

Seine medizinische Laufbahn begann Thomas Lederer jun. als sogenannter Operations-Zögling an der chirurgischen Klinik im Allgemeinen Krankenhaus in Wien, wo 1819 seine Ernennung zum Assistenten an der theoretisch-praktischen Schule der Geburtshilfe für Ärzte und Hebammen bei dem Professor für Geburtenhilfe Johann Lukas Boër (1751-1835 Wien) erfolgte. Seit 1823 wandte er sich der Homöopathie zu.

Abbildung: Exlibris Thomas Lederer jun.

Abbildung: Exlibris Thomas Lederer jun.

1822 veröffentlichte er in Wien das Handbuch der Hebammenkunst und 1826 sein Hauptwerk „Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […]“ für das er 1827 von der Universität Gießen das Diplom zum Dr. der Medizin, Chirurgie und Geburtenhilfe erhielt. Das Werk erschien 1842 in einer zweiten verbesserten Auflage. Danach arbeitete er als Kinderarzt und ab 1837 über viele Jahre als Leibarzt der Fürstin Melanie von Metternich. Er gilt als Modernisierer der Geburtshilfe und der frühkindlichen Förderung.

Abbildung: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […] Wien: Armbruster 1826.

Abbildung: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […] Wien: Armbruster 1826.

In der Arbeit „Mutter und Kind“ entwickelte Lederer ein System eines kindergerechten Kinderzimmers: darunter die von ihm entwickelte und propagierte Gehschule („Gehschrank“), die in seinem Buch durch eine Kupfertafel dargestellt wurde, und die sich erst langsam im Laufe des 19. Jahrhunderts durchsetzte und noch im 20. Jahrhundert zu popularisieren versucht wurde, ebenso wie die von ihm geforderte „Reformkleidung“ für Frauen. So wurde u.a. noch 1910 im „Wiener Tagblatt“ auf das von Thomas 1827 veröffentlichte Buch und die von ihm darin beschriebenen Vorteile der „Gehschule“ verwiesen und sie beworben.[1]

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Abbildung: Die Kinderstube, Tafel II aus: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […]. Wien: Armbruster 1826.

Abbildung: Das Geburtsbett, Tafel I aus: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […]. Wien: Armbruster 1826.

Abbildung: Das Geburtsbett, Tafel I aus: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […]. Wien: Armbruster 1826.

Die Abbildungen (Kupfertafeln) stammen vom Julius Schnorr von Karlsfeld (*26.3.1794 Leipzig, gest. 24.3.1872 Dresden) in: Wikipedia – Die Freie Enzyklopädie: URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Schnorr_von_Carolsfeld (Stand: 26.01.2022)

Thomas Lederer verstarb am 27. Jänner 1874 in Wien.

Quellen:

Lederer, Thomas: Arzt und Geburtshelfer in Wien. Abschrift aus dem Totenprotokoll. 8.3.1828 Lederer Thomas sen.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: Abschrift. 912]

Lederer, Camill: Einleitung zu einer neuen Auflage von „Mutter und Kind“ von Thomas Lederer. Typoskript erstellt vom Original im Familienarchiv Maresch 1994.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: SA-4315/b]

Local-Anzeiger der „Presse“, 1.2.1874, „Zur Erinnerung an Dr. Lederer“.

Lederer, Thomas: Arzt und Geburtshelfer in Wien. 3 ungez. Bl. o.O. o.J.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: Abschr. 912.]

Literaturliste:

Lederer, Thomas: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette; mit einem aus der Darstellung ihres natürlichen Verlaufs abgeleiteten Unterrichte für Frauen, sich zweckmäßig zu verhalten. Nebst einer auf die Entwicklungsgeschichte des Kindes gegründeten Anleitung, zur naturgemäßen, die bestehenden Vorurtheile und Mißbräuche vermeidenden, Pflege und Erziehung desselben. Mit zwey Kupfertafeln. Wien: In Carl Armbruster’s Verlage 1826.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Josephinische Bibliothek, Sign.: JB 3.838]

[1] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 3.7.1910. S. 8.

Keywords:
Frauenarzt, Kinderarzt, Private Bibliothek, Thomas Lederer, Arzt, Medizingeschichte, Geburtshilfe, Medizinische Bibliothek, Wiener Ärztebibliothek, Private Ärztebibliothek, Privatbibliothek, Homöopathie, Chirurgie, Wien, Frühkindliche Förderung 

Normdaten (Person) Lederer, Thomas: GND: 1240399650; BBL: 38218;

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der MedUni Wien, BBL: 38218 (26.01.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 01 26
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=38218

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [152]: Rudolf Bum – Städtischer Arzt und Zahnarzt in Wien

Rudolf Bum – Städtischer Arzt und Zahnarzt in Wien

Text: Dr. Walter Mentzel

Rudolf Bum wurde am 18. Jänner 1866 als Sohn von Moritz Bum und Sofie, geborene Bloch, in Brünn in Mähren geboren. Er war seit 1905 mit Margarete (Grete), geborene Pollak, verheiratet, mit der er die beiden Söhne Paul Georg und Peter August hatte.

Bum studierte ab 1886 an der Universität Wien Medizin und schloss das Studium 1891 mit seiner Promotion ab. Zunächst arbeitete an der medizinischen Abteilung des AKH Wien bei Prof. Anton Drasche (1826-1904), danach als Krankenkassenarzt und seit spätestens 1897 als supplierender städtischer Arzt im Wiener Gemeindebezirk Margareten. Seit zirka 1899 übte er auch die Tätigkeit eines Zahnarztes aus. Bum wirkte an dem von Max Kahane 1908 herausgegebenen „Medizinisches Handbuch für praktische Ärzte“ mit.[1]

Von ihm besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien Publikationen sowohl in der Separata-Bibliothek als auch in der Neuburger Bibliothek aus der Zeit seiner Tätigkeit im AKH Wien: „Über die Wirkung des Phenocollum hydrochloricum“, seine 1906 erschienene Studie „Über „Extension“ bei der Präparation approximaler Höhlen“ und „Über Speichelsteine“, seine Mitwirkung bei der mehrbändigen Publikation zur „Konservierende Zahnheilkunde“ und seine 1917 erschienener Aufsatz „Das Goldinlay, die Extension for Prevention und der Kontaktpunkt“.

Bum war seit 1897 Mitglied des „Wiener medicinischen Clubs“,[2] und seit 1903 der Gesellschaft der Ärzte in Wien.[3] Er verstarb im Juli 1935 in Wien. Rudolf Bum war jüdischer Herkunft. Seinen beiden Söhnen gelang 1938 die Flucht vor den Nationalsozialisten nach Großbritannien bzw. in die USA.

Quellen:

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 187-106, Bum Rudolf (Promotions-Sponsions-Datum: 21.2.1891).

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0231, Bum Rudolf (Nationalien Datum: 1886/87).

Wiener Communal-Kalender und Städtisches Jahrbuch, Wien 1897, S. 143.

Matriken der IKG Wien. Begräbnisse: Bum Rudolf Dr.

Literaturliste:

Bum, Rudolf: Ueber die Wirkung des Phenocollum hydrochloricum. Aus der med. Abteilung des Hofr. Prof. Drasche im allgemeinen Krankenhause in Wien. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien: Druck von Gottlieb Gistel & Comp. 1892.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Bum, Rudolf: Ueber „Extension“ bei der Präparation approximaler Höhlen. Sonderdruck aus: Oesterr.-Ungar. Vierteljahresschrift für Zahnheilkunde. Wien: Verlag des Verfassers 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Bum, Rudolf: Ueber Speichelsteine. Sonderdruck aus: Oesterr.-Ungar. Vierteljahresschrift für Zahnheilkunde. Wien: Verlag des Verfassers 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Black, G.V. und Rudolf Pichler: Konservierende Zahnheilkunde. Bd. 1-2. Berlin: 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 68841.]

Bum, Rudolf: Das Goldinlay, die Extension for Prevention und der Kontaktpunkt. Sonderdruck aus: Vierteljahresschrift für Zahnheilkunde. Wien: Selbstverlag 1917.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

[1] Wiener klinische Wochenschrift. Nr. 45. 1908. Sp. 2491.

[2] Wiener klinische Wochenschrift. Nr. 1. 1897. S. 21.

[3] Wiener klinische Wochenschrift. Nr. 15. 1903. S. 459.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [151]: Robert Bachrach – Urologe, Abteilungsvorstand des Kaiser Franz Joseph-Ambulatoriums und Jubiläumsspitals, NS-Vertriebener

Robert Bachrach – Urologe, Abteilungsvorstand des Kaiser Franz Joseph-Ambulatoriums und Jubiläumsspitals, NS-Vertriebener

Text: Dr. Walter Mentzel

Robert Bachrach wurde am 27. November 1879 als Sohn von Heinrich Joachim Bachrach (1839-1881) und Amalia (1843-1905), geborene Kohn-Hözlmacher, in Wien geboren.[1]

Nach Abschluss seines Medizinstudiums an der Universität Wien mit seiner Promotion im Jahr 1904 arbeitete er als Assistent an der chirurgischen Abteilung des Rothschild-Spitales bei Prof. Otto Zuckerkandl (1861-1921). Hier publizierte er eine Reihe von Arbeiten, die sich heute in der Separata Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befinden. Dazu gehören seine Studien „Ueber die Resultate unserer Operationen an den Gallenwegen“ aus der II. chirurgischen Universitätsklinik Wien aus dem Jahr 1908, die 1909 veröffentlichte Arbeit

„Über Telangiektasien der Harnblase“, die 1910 publizierte Untersuchung zur „Blutgerinnungszeit und Nierenfunktion“, und die 1911 erschienenen Aufsätze über die „Versuche einer Vereinfachung des Tuberkelbazillennachweises im Harn“ und „Zur Tuberkulinbehandlung der Urogenitaltuberkulose“. 1914 erschienen noch seine beiden Studien „Nephrektomie bei bilateraler Tuberkulose“ und gemeinsam mit Robert Löwy „Zur Klinik der Nierenerkrankungen im Lichte der neuen funktionellen Prüfungsmethoden“. 1912 publizierte er in der Wiener Medizinischen Wochenschrift einen Artikel „Über die endovesicale Behandlung von Blasentumoren mit Hochfrequenzströmen.[2]

Am Ersten Weltkrieg nahm Bachrach als Oberarzt im Landwehr-Infanterieregiment Kolomea Nr. 36 teil.[3] Nach dem Krieg führte er als emeritierter Assistent in Wien eine private Ordination spezialisiert auf die Chirurgie und auf urologische Erkrankungen und arbeitete als Abteilungsvorstand am Kaiser Franz Joseph-Ambulatorium und Jubiläumsspital.

Hier erschienen von ihm 1921 die gemeinsam mit Karl Hitzenberger (1893-1941) publizierten „Pyeloradioskopische Studien“, die sich ebenfalls in der Separata Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befinden, und 1924 der Aufsatz „Zur Therapie der Harnröhrenstriktur“[4]. Weitere Arbeiten von ihm aus dem Gebiet der Urologie finden sich in der Neuburger Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien.

Im Herbst 1936 nahm er an dem von der Internationalen Gesellschaft für Urologie organisierten Weltkongress der Urologen in Wien teil, worüber er ausführlich im Neuen Wiener Journal berichtete.[5] Bachrach war Mitglied der Gesellschaft für Urologie und der Gesellschaft der Ärzte in Wien.

Robert Bachrach, der jüdischer Herkunft war, gelang 1938 die Flucht vor den Nationalsozialisten nach Großbritannien, von wo er im September 1940 in die USA emigrierte und sich in New York niederließ. Er verstarb am 24. April 1944 in Manhattan in New York.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1879, Bachrach Robert.

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-021a, Rigorosen Datum: 1904.05.18, Bachrach Robert (1879.11.27 Wien).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 190-0014, Promotions-/Sponsions-Datum: 1904.05.21, Bachrach Robert.

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0507, Bachrach Robert, Nationalien Datum: 1898/99.

ÖStA, AdR, E-uReang, VA, Zl. 14.706, Bachrach Robert (27.11.1879).

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 16453, Bachrach Robert.

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 18.624, Bachrach Robert.

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957.

Robert Bachrach: United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968.

United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, Bachrach Robert.

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957, Robert Bachrach, 1940; citing Immigration, New York, United States, NARA microfilm publication T715 (Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.).

https://de.findagrave.com/memorial/192850033/robert-bachrach

[1] Archiv der IKG Wien, Geburtsbuch 1879, Bachrach Robert.

[2] Wiener Medizinische Wochenschrift. 31. 1912. Sp. 2078-2081.

[3] Wiener Zeitung. 25.10.1914. S. 1.

[4] Wiener Medizinische Wochenschrift. 47. 1924. Sp. 2453-2455.

[5] Neues Wiener Journal. 6.9.1936. S. 12.

Normdaten (Person) Bachrach, Robert: BBL: 38134; GND: 1249685869

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [143]: Alfred Götzl – Sozialmediziner und Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [143]:

Alfred Götzl – Sozialmediziner und Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien

Text: Dr. Walter Mentzel

Alfred Götzl war langjähriger Mitarbeiter und Studienautor von Ludwig Teleky. Wegen seiner jüdischen Herkunft und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten wurde er als Dozent für Innere Medizin an der Medizinischen Fakultät 1938 von der Universität Wien vertrieben.

Alfred Götzl wurde am 1. Dezember 1873 als Sohn des aus Böhmen stammenden Salomon Götzl und Marie Schüssler in Wien geboren. Nach Abschluss seines Medizinstudium an der Universität Wien mit der Promotion im Jahr 1898[1] arbeitete er bis 1903 als Assistent an der Heilanstalt Alland. Danach eröffnete er eine Arztpraxis in Wien 19, Cottagegasse 86.[2]

Gemeinsam mit Alfred Bass arbeitete er unter der Leitung von Ludwig Teleky 1905 an der sozialmedizinische Studie zu den Perlmutterdrechslergehilfen während ihres Streikes und den Kohlenabladern der k.k. priv. Kaiser Ferdinand-Nordbahngesellschaft mit. Als Schüler von Teleky publizierte er 1910 eine von ihm am Krankenkassen-Ambulatorium für Gewerbekrankheiten durchgeführte Studie:

Götzl, Alfred: Die Bedeutung der punktierten Erythocyten für die Diagnose der Bleivergiftung. In: Wiener Arbeiten zur Sozialen Medizin. H. 1. 1910.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

1912 erschien seine ebenfalls am Ambulatorium von Teleky und am chemischen Laboratorium des k.k. serotherapeutischen Institutes von Richard Paltauf (1858-1924) unternommene Studie:

Götzl, Alfred: Die Bedeutung der Hämstoporphyrinurie für die Diagnose der Bleivergiftungen. In: Wiener Arbeiten zur Sozialen Medizin. H. 2. 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

1915 erschien seine Arbeit:

Götzl, Alfred: Soziale Erhebung bei tuberkulösen Handelsangestellten. In: Wiener Arbeiten zur Sozialen Medizin. H. 7. 1915.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

Vom Stadtrat von Wien wurde Götzl im August 1919 zum provisorischen Facharzt für Tuberkulosefürsorge für das Städtische Gesundheitsamt bestellt.[3] Daneben war er als leitender Arzt in der Fürsorgestelle Wien 16, des Vereines „Settlement“ tätig.[4] 1920 wurde er neben Arnold Czech und Ludwig Teleky in den Vollzugsausschuss für die Tuberkulosefürsorge nominiert,[5] und zum Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien ernannt. Götzl zählte neben Julius Tandler zu den Pionieren beim Ausbau der Tuberkulosefürsorgestellen in Wien. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war er Mitglied im „Österreichischen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose“ und schon vor dem Ende des Ersten Weltkrieges nahm Götzl den Aufbau der Tuberkulosefürsorgestellen in Wien gemeinsam mit Teleky in Angriff. 1917 publizierte er dazu in der Zeitschrift Österreichisches Sanitätswesen:

Götzl, Alfred: Die Errichtung von Tuberkulosefürsorgestellen. Sonderdruck aus: Österreichisches Sanitätswesen. Wien: Hölder 1917.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

1918 gab er in der Arbeiter Zeitung einen Überblick über die „Tuberkulosenbekämpfung in Österreich“ [6]. 1923 zog er über die Entwicklung der Tuberkulosefürsorgestellen, ihren Erfolg und über seine Tätigkeit ein Resümee.[7] In seiner Funktion als Chefarzt der Tuberkulosenfürsorge publizierte er in der Arbeiter Zeitung[8] einen ausführlichen Bericht über die „Behandlung der Lungentuberkulose“ oder zur Bedeutung des staatlichen Sozialversicherungswesen[9] aus der Sicht der Medizin. Darüber hinaus war er auch in der Wiener Volksbildung aktiv, wo er ebenso zur Tuberkulosenbekämpfung[10] Stellung nahm wie im Fortbildungsvortrag der Gesellschaft der Ärzte in Wien[11]. 1926 erfolgte seine Habilitation an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im Fach innere Medizin mit besonderer Berücksichtigung der Tuberkulosefürsorge und seine Ernennung zum Privatdozent.[12]

Götzl, der auch Mitglied der Vereinigung sozialdemokratischer Ärzte war, hielt – nach der Übersiedlung von Teleky nach Düsseldorf und dem Ende des Sozialen Seminars an der Universität Wien – im Rahmen des Verbandes der sozialistischen Studenten in deren Medizinischer Fachgruppe/Sozialmedizinisches Seminar Vorträge zur Sozialmedizin,[13] so wie auch vor Gewerkschaftsversammlungen zu Themen der Berufskrankheiten.

Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt. Er wurde seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Alfred Götzl, seiner Ehefrau Paula (*23.5.1886 Wien, gest. 21.10.1984 San Francisco/USA) und den beiden Kindern Johanna (*23.9.1908, gest. 5.1.2004 Kalifornien) und Franz Rudolf (*28.9.1914 Wien, gest. 1981 Berkeley/Kalifornien), der 1938 an der Medizinischen Fakultät studierte und ebenfalls aus rassistischen Gründen von der Universität Wien vertrieben wurde, gelang die Flucht in die USA. Alfred Götzl unterrichtete in den darauf folgenden Jahren an der University of California School of Medicine in San Francisco. Er verstarb am 21. Jänner 1946 in San Francisco.

Quellen:

Matriken der IKG, Geburtsbuch 1873, Götzl Alfred.

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0457, Götzl Alfred (Nationalien Datum: 1894/95).

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-1150, Götzl Alfred (Nationalien Datum: 1934/35).

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-1232, Götzl Alfred (Nationalien Datum: 1937/38).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 188-1107, Götzl Alfred (Promotionsdatum: 31.3.1898).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-51a, Götzl Alfred (Rigorosum Datum: 23.3.1898).

UAW, Rektoratsarchiv, Akademischer Senat, Personalblätter, Senat S 304.362 Götzl, Alfred.

United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, Götzl Alfred 1946.

[1] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 2. 1899. Sp. 93.

[2] Neue Freie Presse. 8.11.1903. S. 9.

[3] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 1.9.1919. S. 6.

[4] Wiener klinische Rundschau. Nr. 7/8. 1920. S. 47.

[5] Wiener klinische Rundschau. Nr. 5/6. 1920. S. 29.

[6] Arbeiter Zeitung. 14.8.1918. S. 6.

[7] Arbeiter Zeitung. 23.1.1923. S. 8.

[8] Arbeiter Zeitung. 19.7.1924. S. 11.

[9] Arbeiter Zeitung. 10.7.1925. S. 7.

[10] Arbeiter Zeitung. 14.3.1928. S. 12.

[11] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 40. 1935. S. 1082.

[12] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 39. 1926. S. 1164.

[13] Arbeiter Zeitung. 23.11.1926. S. 11.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [142]: Clara Hönigsberg-Scherer – Medizinerin, Schülerin von Ludwig Teleky

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [142]:

Clara Hönigsberg-Scherer – Medizinerin, Schülerin von Ludwig Teleky

Text: Dr. Walter Mentzel

Clare Hönigsberg war 1910 Teilnehmerin und Referentin im Seminar für Soziale Medizin von Ludwig Teleky. Hönigsberg wurde am 1. Februar 1879 in Wien als Tochter von Paul Hönigsberg und der Frauenrechtsaktivistin Emma Hönigsberg (1851-1927), geborene Breuer, geboren. Ihre Schwester Margarete Hilferding-Hönigsberg (1871-1942) studierte ebenfalls Medizin und arbeitete ebenso wie Clara als praktische Kassenärztin. Clara Hönigsberg war mit Eduard Scherer verheiratet.

Hönigsberg schloss ihr Medizinstudium an der Universität Wien Medizin im Dezember 1904 zeitgleich mit Amalia Friedmann, Anna Pölzl und Dora Teleky mit ihrer Promotion ab. Seit spätestens 1908 arbeitete sie als Ärztin beim Verband der Genossenschaftskrankenkassen Wien in Währing,[1] und führte daneben in Wien Hernals eine private Ordination für Innere- und Frauenkrankheiten.

1910 nahm sie am Seminar Soziale Medizin von Ludwig Teleky teil, wo sie zum Studium der sozialen Hygiene referierte.[2]

Sie engagierte sich in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und war Mitglied des Vereins sozialdemokratischer Frauen und Mädchen. Weiters war sie im Unterrichtsverband Hernals tätig und hielt Vorträge in den verschiedensten sozialdemokratischen Organisationen zur Hygiene, Gesundheitspflege und Körperkultur der Frauen oder zur Stellung der Ärzt*innen zum § 144 (Abtreibung). Schon vor dem Ersten Weltkrieg war sie im Verein Tuberkulosenschutz aktiv, wo sie u.a. über „Die Frau und die Bedeutung der Tuberkulose“ referierte.[3] 1927 publizierte sie in der Wiener medizinischen Wochenschrift den Aufsatz „Ein Vorschlag zur Tuberkulosenprohylaxe“.[4]

Clara Scherer-Hönigsberg, die wegen ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt war, verstarb an ihrem Wohnungsort in Wien Hernals am 20. Juni 1942. Ihr Bruder Otto wurde am 27.9.1942 im Ghetto Theresienstadt ermordet, ihre Schwester Margarete 1942 im KZ Treblinka.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1879, Hönigsberg Clara.

UAW, Med. Fak., Nationalien/Studienkataloge 1862–1938, Sign. 134-0587, Hönigsberg Clara.

UAW, Med. Fak., Promotionsprotokoll, Sign. 190-0128, Hönigsberg Clara (Promotion 21.12.1904).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 28.107, Scherer Clara (1879.02.01).

[1] Arbeiter Zeitung. 9.1.1909. S. 12.

[2] Teleky, Ludwig (Hg.): Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin. Wien, Leipzig: 1910. S. 188.

[3] Arbeiter Zeitung. 1.3.1913. S. 11.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 5. 1927. S. 168.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [137]: Alfred Arnstein: Vorstand der Tuberkuloseabteilung des Versorgungsheimes am Krankenhaus in Lainz und Schüler von Ludwig Teleky

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [137]:

Alfred Arnstein: Vorstand der Tuberkuloseabteilung des Versorgungsheimes am Krankenhaus in Lainz und Schüler von Ludwig Teleky

Text: Dr. Walter Mentzel

Der Mediziner Alfred Arnstein, jahrelang im Personalstand der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, war vor dem Ersten Weltkrieg als Student und Assistent im Allgemeinen Krankenhaus in Wien Schüler und Studienautor von Ludwig Teleky.

Alfred Arnstein wurde am 26. Juni 1886 in Wien als Sohn des Rechtsanwaltes Emanuel Arnstein und Regina Hahn geboren. Nach Abschluss seines Medizinstudiums an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im Jahr 1910 mit seiner Promotion, erfolgte im selben Jahr seine Ernennung zum Assistenzarztstellvertreter und 1912 die Ernennung zum Assistenzarzt an der 3. Medizinischen Klinik im Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Neben seiner beruflichen Tätigkeit am AKH hielt er Vorträge zu medizinischen Themen bei den Wiener Volksbildungsvereinen.

Arnstein besuchte als Student von Ludwig Teleky, das Seminar für soziale Medizin und veröffentlichte 1910 seine hier erarbeitete Studie in den „Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin“ unter dem Titel „Beiträge zur Kenntnis des Gießfiebers“. Noch als Assistenzarzt nahm er 1912 am Seminar teil, referierte über „Der Krebs als Berufskrankheit“ und legte eine Arbeit „Über die Bleivergiftung der Feilenhauer in Wien“ vor, die 1912 in den Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin und im selben Jahr als Sonderdruck in der Zeitschrift „Das österreichische Sanitätswesen“ erschien.

Arnstein, Alfred: Über die Häufigkeit der Bleivergiftung unter den Feilenhauern in Wien. In: Sonderdruck aus: Das österreichische Sanitätswesen. Wien: Verlag von Alfred Hölder, k.k. Hof u. Universitäts-Buchhändler 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

1913 folgte von ihm nach seiner Teilnahme am Seminar die unter der Leitung von Teleky durchgeführte „Sozialhygienische Untersuchung über Bergleute in den Schneeberger Kobaltgruben, insbesondere über das Vorkommen des sogenannten ‚Schneeberger Lungenkrebs‘“, die 1913 in den Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin als auch als Sonderdruck der Wiener klinischen Wochenschrift veröffentlicht wurde.

Arnstein, Alfred: Ueber den sogenannten „Schneeberger Lungenkrebs“. In: Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitätsbuchhändler 1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg, an dem er als aktiver Militärarzt teilnahm, setzte Arnstein seine Arbeit als Assistenzarzt im AKH fort und schloss 1921 seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin ab. Daneben führte er eine Privatordination in Wien. Am 27.3.1925 schied er aus dem Personalstand des Allgemeinen Krankenhauses aus und trat in den Dienst der Gemeinde Wien an der Tuberkuloseabteilung des Versorgungsheimes am Krankenhaus in Lainz ein, wo er bis März 1938 als Vorstand und Primararzt wirkte.

Die Familie Arnstein war aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 der NS-Verfolgung ausgesetzt. Nach der zwangsweisen Versetzung in den dauernden Ruhestand am 23.4.1938 flüchtete Arnstein mit seiner Ehefrau und den beiden Söhnen im August 1938 nach England, wo er ab 1941 in London als Arzt arbeitete. Er starb 1972 in London.

Die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien restituierte 2012 im Rahmen der systematischen Provenienzforschung ein Buch mit der Provenienz Alfred Arnstein. Mehr dazu [].

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch, 1885-1886, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 901, Heinrich Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 4251, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 1272, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 4047, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 4812, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA  24391, Alfred Arnstein.

UAW, Med. Fak., Sign. 134, Nationalien/Studienkataloge 1862-1938, Zl. 588 Alfred Arnstein (1906/07).

UAW, Med. Fak., Promotionsprotokoll 1904-1912, Sign. 190-1056 Alfred Arnstein (Promotion 20.4.1910).

UAW, Med. Fak., Rigorosenprotokoll 1903-1930 Sign. 196-2 (Rigorosum: 22.4.1910).

WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV 739, 19. Bez., Alfred Arnstein.

WStLA, M.Abt. 202, A6, Personalakt 2. Reihe, Alfred Arnstein.

Todesnachricht Alfred Arnstein. In: British medical journal. 22.01.1972. S. 317.

Literatur:

Bauer Bruno und Walter Mentzel: NS-Provenienzforschung an der Medizinischen Universität Wien 2011 und 2012. Restitutionen von Büchern der Bibliothek Sassenbach sowie den Privatbibliotheken von Raoul Fernand Jellinek-Mercedes und Alfred Arnstein. In: VÖB (= Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare/66) (2013) 3/4. S. 449–457.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [134]: Alfred Bass – Sozialmediziner, Schularzt und Interessensvertreter der Wiener Ärzt*innen

Alfred Bass – Sozialmediziner, Schularzt und Interessensvertreter der Wiener Ärzt*innen

 Text: Dr. Walter Mentzel

Alfred Bass war ein österreichischer Sozialmediziner, Studienmitarbeiter von Ludwig Teleky und Funktionär in den Interessensvertretungen der Wiener Ärzt*innen. Er wurde 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt und im Holocaust ermordet. Von ihm besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien eine Reihe von Arbeiten in ihrer Separata- sowie in der Neuburger-Bibliothek.

Alfred Bass wurde am 1. August 1867 als Sohn von Josef Bass, einem Lehrer aus Pilsen, und Katalin Katharina, geborene Fissler, in Linz geboren. Seine Eltern waren jüdischer Herkunft. Nach seinem Studium der Medizin an der Universität Wien, das er 1892 mit seiner Promotion abschloss, arbeitete er als Militärarzt im Garnisons-Spital Nr. 13 in Theresienstadt beim Infanterieregiment Nr. 100, danach als praktischer Arzt in Zinnwald (heute: Cínovec) und danach in Mariaschein (heute: Bohosudov/Tschechien) in Nordböhmen. Hier beschäftigte er sich vom arbeitsmedizinischen Standpunkt aus mit den Arbeitsverhältnissen in der nordböhmischen Industrie, insbesondere im nordböhmischen Kohlenrevier. 1898 erschien von ihm der Aufsatz „Wir und die Krankencassen“ in der Zeitschrift „Die Heilkunde, Monatsschrift für praktische Medizin, in dem er sich – wie auch später in Wien – für die Interessen der Kassenärzte einsetzte.

Bass, Alfred: Wir und die Krankencassen. Sonderdruck aus: Die Heilkunde. Monatsschrift für praktische Medicin. Teschen: K.u.k. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska 1898.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 25033]

1899 kehre er nach Wien zurück und arbeitete als Assistent an der Wiener Poliklinik sowie als praktischer Arzt im Wien-Mariahilf.[1]

Alfred Bass gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zum engen Kreis an Mitarbeitern von Ludwig Teleky und nahm an dem von Teleky an der Universität Wien errichteten Seminar für soziale Medizin teil. 1905 wirkte er gemeinsam mit Alfred Götzl an der von Ludwig Teleky durchgeführten medizinischen Untersuchung der Perlmutterdrechslergehilfen während ihres Streikes mit, ebenso an der sozialmedizinischen Studie zu den Steinmetzen sowie 1906 wiederum mit Alfred Götzl an der von Ludwig Teleky initiierten Studie zu den Zündholzarbeiter im Böhmerwald. 1910 publizierte er anlässlich eines drohenden Aufstandes der Perlmutterdrechsler rückblickend einen Bericht[2] in der Allgemeinen Wiener medizinische Zeitung über „Die Gesundheitsverhältnisse bei den Perlmutterdrechslern“ und im selben Jahr im ersten Jahrgang der „Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin“ die Ergebnisse der Studie über die 1905 gemeinsam mit Teleky und Götzl unternommene sozialmedizinischen Untersuchung zu den Steinmetzen und Perlmutterdrechslern.[3]

Abb. 1    Titelblatt: Bass: Die Gesundheitsverhältnisse der Wiener Steinmetzen und Perlmutterdrechsler. In: Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin. Wien, Leipzig: 1910. S. 80.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

Bass engagierte sich bis zur Zerstörung der Demokratie 1933/34 in den ärztlichen Interessensorganisationen und in der Österreichischen Sozialdemokratie. Er trat neben der Verbesserung der rechtlichen und materiellen Lage der Kassenärzte für eine massive Ausweitung, Demokratisierung und gesetzlichen Verankerung der Gesundheitsversorgung und für eine staatliche Regelung im Bereich der Krankenversicherung ein. Dazu publizierte er 1930 in der Wiener Medizinischen Wochenschrift den Aufsatz
Die Krankenversicherung im Kampf gegen sozialen Krankheiten“.[4]

1903 kandidierte er bei der Wahlen für die Wiener Ärztekammer,[5] an deren Stelle er die gewerkschaftliche Organisierung der Ärzte propagierte.[6] In dem 1908 von Max Kahane (1866–1923) herausgegeben Medizinischen Handlexikon für praktische Ärzte, publizierte er einige Artikel. Seit 1906 nahm er an den Vortragsabenden und Sitzungen in der von Sigmund Freud ins Leben gerufenen Mittwoch-Gesellschaft, sowie bis zu seinem Austritt im Jahr 1909 an jenen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung teil.

Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete Bass als praktischer Arzt in Wien-Mariahilf, war in der Tuberkulosenfürsorge aktiv, und als städtischer Schularzt tätig. Er wirkte an der von Anton Drasche herausgegebenen „Bibliothek der gesammten medicinischen Wissenschaften für praktische Ärzte und Spezialärzte“ mit.[7] Daneben übte er die Funktion eines Chefarztes der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien aus und engagierte sich weiterhin auf dem Gebiet der Sozialmedizin und in den ärztlichen Interessensorganisationen. Nach der Übersiedelung von Teleky nach Düsseldorf leitete er alleine die „Beratungsstelle für Berufswahl“, eine Organisation, die Jugendliche zum Einstieg ins Berufsleben verhelfen sollte.[8] Er war Mitglied und Unterstützer des Österreichischen Bundes für Mutterschutz, des Vereins „Freie Schule“, und des Vereins „Die Bereitschaft“, der für soziale Arbeit und zur Verbreiterung „sozialer Kenntnisse“ gegründet worden war. Politisch engagierte er sich in den sozialdemokratischen Organisationen, darunter im Abstinentenbund, wo er zu Fragen der sozialen Medizin oder der Sozialversicherung referierte, sowie als Mitglied in der Vereinigung sozialdemokratischer Ärzte, in deren Versammlungen er Themen wie „Schulreform und Volksgesundheit“,[9] den Ausbau der Sozialversicherung, die Krankenkassen, und den Mieterschutz behandelte.[10] In der Wirtschaftlichen Organisation der Ärzte Wiens war er als Funktionär und als Sektionsleiter der Spitalsbezirksgruppe Wien 6 tätig.

Bass war Mitglied der 1934 als Dachorganisation gegründeten Gesellschaft des Grauen Kreuzes, einer Hilfsorganisation für Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland.[11]

Bass und seine Familie waren aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Am 28. Oktober 1941 erfolgte die Deportation von Alfred Bass aus seiner Wohnung in Wien 6, Köstlergasse 10 in das Ghetto Łódź. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. 1947 erfolgte seine Todeserklärung. Seine Ehefrau Martha Bass (20.11.1873 Wien), geborene Weiss, verstarb 1940 in Wien. Sein Sohn Wolfgang Bass überlebte den Holocaust. An Alfred Bass erinnert heute ein Erinnerungsstein, verlegt vom Verein Erinnern für die Zukunft, vor dem Wohnhaus der Familie Bass in Wien 6, Köstlergasse 10.

Abb. 2 Gedenkstein, Foto: Walter Mentzel, 2021

Quellen:

Archiv der IKG Wien, Trauungsbuch 1895, Bass Alfred, Weiss Martha.

AUW, Sign. 134-221 (Nationalien 1886/87) Bass Alfred.

AUW, Sign. 134-354 (Nationalien 1890/91) Bass Alfred.

AUW, Sign. 187-709 (Promotionsdatum: 29.7.1892) Bass Alfred.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 33.606, Bass Alfred (Geburtsdatum 1867.08.01).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 13.545, Bass Martha (1873.11.20).

[1] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 21.5.1907. S. 1.

[2] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 25.10.1910. S. 470-471.

[3] Bass, Alfred: Die Gesundheitsverhältnisse der Wiener Steinmetzen und Perlmutterdrechsler. In: Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin. Wien, Leipzig: Verlag von Moritz Perles 1910. S. 80-106.

[4] Wiener Medizinischen Wochenschrift, Nr. 52, S. 1685-1686.

[5] Neue Freie Presse, 31.12.1903, S. 8.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 42, Sp. 2069-2071.

[7] Die Heilkunde. Monatsschrift für praktische Ärzte – Wiener Ausgabe. H. 12. September 1900. S. 732.

[8] Arbeiter Zeitung. 17.7.1921. S. 8.

[9] Arbeiter Zeitung. 26.4.1922. S. 9.

[10] Arbeiter Zeitung. 23.6.1923. S. 9.

[11] Gerechtigkeit. 28.5.1936. S. 12.

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