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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [152]: Rudolf Bum – Städtischer Arzt und Zahnarzt in Wien

Rudolf Bum – Städtischer Arzt und Zahnarzt in Wien

Text: Dr. Walter Mentzel

Rudolf Bum wurde am 18. Jänner 1866 als Sohn von Moritz Bum und Sofie, geborene Bloch, in Brünn in Mähren geboren. Er war seit 1905 mit Margarete (Grete), geborene Pollak, verheiratet, mit der er die beiden Söhne Paul Georg und Peter August hatte.

Bum studierte ab 1886 an der Universität Wien Medizin und schloss das Studium 1891 mit seiner Promotion ab. Zunächst arbeitete an der medizinischen Abteilung des AKH Wien bei Prof. Anton Drasche (1826-1904), danach als Krankenkassenarzt und seit spätestens 1897 als supplierender städtischer Arzt im Wiener Gemeindebezirk Margareten. Seit zirka 1899 übte er auch die Tätigkeit eines Zahnarztes aus. Bum wirkte an dem von Max Kahane 1908 herausgegebenen „Medizinisches Handbuch für praktische Ärzte“ mit.[1]

Von ihm besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien Publikationen sowohl in der Separata-Bibliothek als auch in der Neuburger Bibliothek aus der Zeit seiner Tätigkeit im AKH Wien: „Über die Wirkung des Phenocollum hydrochloricum“, seine 1906 erschienene Studie „Über „Extension“ bei der Präparation approximaler Höhlen“ und „Über Speichelsteine“, seine Mitwirkung bei der mehrbändigen Publikation zur „Konservierende Zahnheilkunde“ und seine 1917 erschienener Aufsatz „Das Goldinlay, die Extension for Prevention und der Kontaktpunkt“.

Bum war seit 1897 Mitglied des „Wiener medicinischen Clubs“,[2] und seit 1903 der Gesellschaft der Ärzte in Wien.[3] Er verstarb im Juli 1935 in Wien. Rudolf Bum war jüdischer Herkunft. Seinen beiden Söhnen gelang 1938 die Flucht vor den Nationalsozialisten nach Großbritannien bzw. in die USA.

Quellen:

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 187-106, Bum Rudolf (Promotions-Sponsions-Datum: 21.2.1891).

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0231, Bum Rudolf (Nationalien Datum: 1886/87).

Wiener Communal-Kalender und Städtisches Jahrbuch, Wien 1897, S. 143.

Matriken der IKG Wien. Begräbnisse: Bum Rudolf Dr.

Literaturliste:

Bum, Rudolf: Ueber die Wirkung des Phenocollum hydrochloricum. Aus der med. Abteilung des Hofr. Prof. Drasche im allgemeinen Krankenhause in Wien. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien: Druck von Gottlieb Gistel & Comp. 1892.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Bum, Rudolf: Ueber „Extension“ bei der Präparation approximaler Höhlen. Sonderdruck aus: Oesterr.-Ungar. Vierteljahresschrift für Zahnheilkunde. Wien: Verlag des Verfassers 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Bum, Rudolf: Ueber Speichelsteine. Sonderdruck aus: Oesterr.-Ungar. Vierteljahresschrift für Zahnheilkunde. Wien: Verlag des Verfassers 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Black, G.V. und Rudolf Pichler: Konservierende Zahnheilkunde. Bd. 1-2. Berlin: 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 68841.]

Bum, Rudolf: Das Goldinlay, die Extension for Prevention und der Kontaktpunkt. Sonderdruck aus: Vierteljahresschrift für Zahnheilkunde. Wien: Selbstverlag 1917.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

[1] Wiener klinische Wochenschrift. Nr. 45. 1908. Sp. 2491.

[2] Wiener klinische Wochenschrift. Nr. 1. 1897. S. 21.

[3] Wiener klinische Wochenschrift. Nr. 15. 1903. S. 459.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [151]: Robert Bachrach – Urologe, Abteilungsvorstand des Kaiser Franz Joseph-Ambulatoriums und Jubiläumsspitals, NS-Vertriebener

Robert Bachrach – Urologe, Abteilungsvorstand des Kaiser Franz Joseph-Ambulatoriums und Jubiläumsspitals, NS-Vertriebener

Text: Dr. Walter Mentzel

Robert Bachrach wurde am 27. November 1879 als Sohn von Heinrich Joachim Bachrach (1839-1881) und Amalia (1843-1905), geborene Kohn-Hözlmacher, in Wien geboren.[1]

Nach Abschluss seines Medizinstudiums an der Universität Wien mit seiner Promotion im Jahr 1904 arbeitete er als Assistent an der chirurgischen Abteilung des Rothschild-Spitales bei Prof. Otto Zuckerkandl (1861-1921). Hier publizierte er eine Reihe von Arbeiten, die sich heute in der Separata Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befinden. Dazu gehören seine Studien „Ueber die Resultate unserer Operationen an den Gallenwegen“ aus der II. chirurgischen Universitätsklinik Wien aus dem Jahr 1908, die 1909 veröffentlichte Arbeit

„Über Telangiektasien der Harnblase“, die 1910 publizierte Untersuchung zur „Blutgerinnungszeit und Nierenfunktion“, und die 1911 erschienenen Aufsätze über die „Versuche einer Vereinfachung des Tuberkelbazillennachweises im Harn“ und „Zur Tuberkulinbehandlung der Urogenitaltuberkulose“. 1914 erschienen noch seine beiden Studien „Nephrektomie bei bilateraler Tuberkulose“ und gemeinsam mit Robert Löwy „Zur Klinik der Nierenerkrankungen im Lichte der neuen funktionellen Prüfungsmethoden“. 1912 publizierte er in der Wiener Medizinischen Wochenschrift einen Artikel „Über die endovesicale Behandlung von Blasentumoren mit Hochfrequenzströmen.[2]

Am Ersten Weltkrieg nahm Bachrach als Oberarzt im Landwehr-Infanterieregiment Kolomea Nr. 36 teil.[3] Nach dem Krieg führte er als emeritierter Assistent in Wien eine private Ordination spezialisiert auf die Chirurgie und auf urologische Erkrankungen und arbeitete als Abteilungsvorstand am Kaiser Franz Joseph-Ambulatorium und Jubiläumsspital.

Hier erschienen von ihm 1921 die gemeinsam mit Karl Hitzenberger (1893-1941) publizierten „Pyeloradioskopische Studien“, die sich ebenfalls in der Separata Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befinden, und 1924 der Aufsatz „Zur Therapie der Harnröhrenstriktur“[4]. Weitere Arbeiten von ihm aus dem Gebiet der Urologie finden sich in der Neuburger Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien.

Im Herbst 1936 nahm er an dem von der Internationalen Gesellschaft für Urologie organisierten Weltkongress der Urologen in Wien teil, worüber er ausführlich im Neuen Wiener Journal berichtete.[5] Bachrach war Mitglied der Gesellschaft für Urologie und der Gesellschaft der Ärzte in Wien.

Robert Bachrach, der jüdischer Herkunft war, gelang 1938 die Flucht vor den Nationalsozialisten nach Großbritannien, von wo er im September 1940 in die USA emigrierte und sich in New York niederließ. Er verstarb am 24. April 1944 in Manhattan in New York.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1879, Bachrach Robert.

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-021a, Rigorosen Datum: 1904.05.18, Bachrach Robert (1879.11.27 Wien).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 190-0014, Promotions-/Sponsions-Datum: 1904.05.21, Bachrach Robert.

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0507, Bachrach Robert, Nationalien Datum: 1898/99.

ÖStA, AdR, E-uReang, VA, Zl. 14.706, Bachrach Robert (27.11.1879).

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 16453, Bachrach Robert.

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 18.624, Bachrach Robert.

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957.

Robert Bachrach: United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968.

United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, Bachrach Robert.

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957, Robert Bachrach, 1940; citing Immigration, New York, United States, NARA microfilm publication T715 (Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.).

https://de.findagrave.com/memorial/192850033/robert-bachrach

[1] Archiv der IKG Wien, Geburtsbuch 1879, Bachrach Robert.

[2] Wiener Medizinische Wochenschrift. 31. 1912. Sp. 2078-2081.

[3] Wiener Zeitung. 25.10.1914. S. 1.

[4] Wiener Medizinische Wochenschrift. 47. 1924. Sp. 2453-2455.

[5] Neues Wiener Journal. 6.9.1936. S. 12.

Normdaten (Person) Bachrach, Robert: BBL: 38134; GND: 1249685869

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 38134 (11.01.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 05 17
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=38134

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [143]: Alfred Götzl – Sozialmediziner und Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [143]:

Alfred Götzl – Sozialmediziner und Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien

Text: Dr. Walter Mentzel

Alfred Götzl war langjähriger Mitarbeiter und Studienautor von Ludwig Teleky. Wegen seiner jüdischen Herkunft und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten wurde er als Dozent für Innere Medizin an der Medizinischen Fakultät 1938 von der Universität Wien vertrieben.

Alfred Götzl wurde am 1. Dezember 1873 als Sohn des aus Böhmen stammenden Salomon Götzl und Marie Schüssler in Wien geboren. Nach Abschluss seines Medizinstudium an der Universität Wien mit der Promotion im Jahr 1898[1] arbeitete er bis 1903 als Assistent an der Heilanstalt Alland. Danach eröffnete er eine Arztpraxis in Wien 19, Cottagegasse 86.[2]

Gemeinsam mit Alfred Bass arbeitete er unter der Leitung von Ludwig Teleky 1905 an der sozialmedizinische Studie zu den Perlmutterdrechslergehilfen während ihres Streikes und den Kohlenabladern der k.k. priv. Kaiser Ferdinand-Nordbahngesellschaft mit. Als Schüler von Teleky publizierte er 1910 eine von ihm am Krankenkassen-Ambulatorium für Gewerbekrankheiten durchgeführte Studie:

Götzl, Alfred: Die Bedeutung der punktierten Erythocyten für die Diagnose der Bleivergiftung. In: Wiener Arbeiten zur Sozialen Medizin. H. 1. 1910.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

1912 erschien seine ebenfalls am Ambulatorium von Teleky und am chemischen Laboratorium des k.k. serotherapeutischen Institutes von Richard Paltauf (1858-1924) unternommene Studie:

Götzl, Alfred: Die Bedeutung der Hämstoporphyrinurie für die Diagnose der Bleivergiftungen. In: Wiener Arbeiten zur Sozialen Medizin. H. 2. 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

1915 erschien seine Arbeit:

Götzl, Alfred: Soziale Erhebung bei tuberkulösen Handelsangestellten. In: Wiener Arbeiten zur Sozialen Medizin. H. 7. 1915.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

Vom Stadtrat von Wien wurde Götzl im August 1919 zum provisorischen Facharzt für Tuberkulosefürsorge für das Städtische Gesundheitsamt bestellt.[3] Daneben war er als leitender Arzt in der Fürsorgestelle Wien 16, des Vereines „Settlement“ tätig.[4] 1920 wurde er neben Arnold Czech und Ludwig Teleky in den Vollzugsausschuss für die Tuberkulosefürsorge nominiert,[5] und zum Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien ernannt. Götzl zählte neben Julius Tandler zu den Pionieren beim Ausbau der Tuberkulosefürsorgestellen in Wien. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war er Mitglied im „Österreichischen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose“ und schon vor dem Ende des Ersten Weltkrieges nahm Götzl den Aufbau der Tuberkulosefürsorgestellen in Wien gemeinsam mit Teleky in Angriff. 1917 publizierte er dazu in der Zeitschrift Österreichisches Sanitätswesen:

Götzl, Alfred: Die Errichtung von Tuberkulosefürsorgestellen. Sonderdruck aus: Österreichisches Sanitätswesen. Wien: Hölder 1917.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

1918 gab er in der Arbeiter Zeitung einen Überblick über die „Tuberkulosenbekämpfung in Österreich“ [6]. 1923 zog er über die Entwicklung der Tuberkulosefürsorgestellen, ihren Erfolg und über seine Tätigkeit ein Resümee.[7] In seiner Funktion als Chefarzt der Tuberkulosenfürsorge publizierte er in der Arbeiter Zeitung[8] einen ausführlichen Bericht über die „Behandlung der Lungentuberkulose“ oder zur Bedeutung des staatlichen Sozialversicherungswesen[9] aus der Sicht der Medizin. Darüber hinaus war er auch in der Wiener Volksbildung aktiv, wo er ebenso zur Tuberkulosenbekämpfung[10] Stellung nahm wie im Fortbildungsvortrag der Gesellschaft der Ärzte in Wien[11]. 1926 erfolgte seine Habilitation an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im Fach innere Medizin mit besonderer Berücksichtigung der Tuberkulosefürsorge und seine Ernennung zum Privatdozent.[12]

Götzl, der auch Mitglied der Vereinigung sozialdemokratischer Ärzte war, hielt – nach der Übersiedlung von Teleky nach Düsseldorf und dem Ende des Sozialen Seminars an der Universität Wien – im Rahmen des Verbandes der sozialistischen Studenten in deren Medizinischer Fachgruppe/Sozialmedizinisches Seminar Vorträge zur Sozialmedizin,[13] so wie auch vor Gewerkschaftsversammlungen zu Themen der Berufskrankheiten.

Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt. Er wurde seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Alfred Götzl, seiner Ehefrau Paula (*23.5.1886 Wien, gest. 21.10.1984 San Francisco/USA) und den beiden Kindern Johanna (*23.9.1908, gest. 5.1.2004 Kalifornien) und Franz Rudolf (*28.9.1914 Wien, gest. 1981 Berkeley/Kalifornien), der 1938 an der Medizinischen Fakultät studierte und ebenfalls aus rassistischen Gründen von der Universität Wien vertrieben wurde, gelang die Flucht in die USA. Alfred Götzl unterrichtete in den darauf folgenden Jahren an der University of California School of Medicine in San Francisco. Er verstarb am 21. Jänner 1946 in San Francisco.

Quellen:

Matriken der IKG, Geburtsbuch 1873, Götzl Alfred.

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0457, Götzl Alfred (Nationalien Datum: 1894/95).

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-1150, Götzl Alfred (Nationalien Datum: 1934/35).

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-1232, Götzl Alfred (Nationalien Datum: 1937/38).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 188-1107, Götzl Alfred (Promotionsdatum: 31.3.1898).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-51a, Götzl Alfred (Rigorosum Datum: 23.3.1898).

UAW, Rektoratsarchiv, Akademischer Senat, Personalblätter, Senat S 304.362 Götzl, Alfred.

United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, Götzl Alfred 1946.

[1] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 2. 1899. Sp. 93.

[2] Neue Freie Presse. 8.11.1903. S. 9.

[3] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 1.9.1919. S. 6.

[4] Wiener klinische Rundschau. Nr. 7/8. 1920. S. 47.

[5] Wiener klinische Rundschau. Nr. 5/6. 1920. S. 29.

[6] Arbeiter Zeitung. 14.8.1918. S. 6.

[7] Arbeiter Zeitung. 23.1.1923. S. 8.

[8] Arbeiter Zeitung. 19.7.1924. S. 11.

[9] Arbeiter Zeitung. 10.7.1925. S. 7.

[10] Arbeiter Zeitung. 14.3.1928. S. 12.

[11] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 40. 1935. S. 1082.

[12] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 39. 1926. S. 1164.

[13] Arbeiter Zeitung. 23.11.1926. S. 11.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [142]: Clara Hönigsberg-Scherer – Medizinerin, Schülerin von Ludwig Teleky

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [142]:

Clara Hönigsberg-Scherer – Medizinerin, Schülerin von Ludwig Teleky

Text: Dr. Walter Mentzel

Clare Hönigsberg war 1910 Teilnehmerin und Referentin im Seminar für Soziale Medizin von Ludwig Teleky. Hönigsberg wurde am 1. Februar 1879 in Wien als Tochter von Paul Hönigsberg und der Frauenrechtsaktivistin Emma Hönigsberg (1851-1927), geborene Breuer, geboren. Ihre Schwester Margarete Hilferding-Hönigsberg (1871-1942) studierte ebenfalls Medizin und arbeitete ebenso wie Clara als praktische Kassenärztin. Clara Hönigsberg war mit Eduard Scherer verheiratet.

Hönigsberg schloss ihr Medizinstudium an der Universität Wien Medizin im Dezember 1904 zeitgleich mit Amalia Friedmann, Anna Pölzl und Dora Teleky mit ihrer Promotion ab. Seit spätestens 1908 arbeitete sie als Ärztin beim Verband der Genossenschaftskrankenkassen Wien in Währing,[1] und führte daneben in Wien Hernals eine private Ordination für Innere- und Frauenkrankheiten.

1910 nahm sie am Seminar Soziale Medizin von Ludwig Teleky teil, wo sie zum Studium der sozialen Hygiene referierte.[2]

Sie engagierte sich in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und war Mitglied des Vereins sozialdemokratischer Frauen und Mädchen. Weiters war sie im Unterrichtsverband Hernals tätig und hielt Vorträge in den verschiedensten sozialdemokratischen Organisationen zur Hygiene, Gesundheitspflege und Körperkultur der Frauen oder zur Stellung der Ärzt*innen zum § 144 (Abtreibung). Schon vor dem Ersten Weltkrieg war sie im Verein Tuberkulosenschutz aktiv, wo sie u.a. über „Die Frau und die Bedeutung der Tuberkulose“ referierte.[3] 1927 publizierte sie in der Wiener medizinischen Wochenschrift den Aufsatz „Ein Vorschlag zur Tuberkulosenprohylaxe“.[4]

Clara Scherer-Hönigsberg, die wegen ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt war, verstarb an ihrem Wohnungsort in Wien Hernals am 20. Juni 1942. Ihr Bruder Otto wurde am 27.9.1942 im Ghetto Theresienstadt ermordet, ihre Schwester Margarete 1942 im KZ Treblinka.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1879, Hönigsberg Clara.

UAW, Med. Fak., Nationalien/Studienkataloge 1862–1938, Sign. 134-0587, Hönigsberg Clara.

UAW, Med. Fak., Promotionsprotokoll, Sign. 190-0128, Hönigsberg Clara (Promotion 21.12.1904).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 28.107, Scherer Clara (1879.02.01).

[1] Arbeiter Zeitung. 9.1.1909. S. 12.

[2] Teleky, Ludwig (Hg.): Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin. Wien, Leipzig: 1910. S. 188.

[3] Arbeiter Zeitung. 1.3.1913. S. 11.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 5. 1927. S. 168.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [137]: Alfred Arnstein: Vorstand der Tuberkuloseabteilung des Versorgungsheimes am Krankenhaus in Lainz und Schüler von Ludwig Teleky

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [137]:

Alfred Arnstein: Vorstand der Tuberkuloseabteilung des Versorgungsheimes am Krankenhaus in Lainz und Schüler von Ludwig Teleky

Text: Dr. Walter Mentzel

Der Mediziner Alfred Arnstein, jahrelang im Personalstand der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, war vor dem Ersten Weltkrieg als Student und Assistent im Allgemeinen Krankenhaus in Wien Schüler und Studienautor von Ludwig Teleky.

Alfred Arnstein wurde am 26. Juni 1886 in Wien als Sohn des Rechtsanwaltes Emanuel Arnstein und Regina Hahn geboren. Nach Abschluss seines Medizinstudiums an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im Jahr 1910 mit seiner Promotion, erfolgte im selben Jahr seine Ernennung zum Assistenzarztstellvertreter und 1912 die Ernennung zum Assistenzarzt an der 3. Medizinischen Klinik im Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Neben seiner beruflichen Tätigkeit am AKH hielt er Vorträge zu medizinischen Themen bei den Wiener Volksbildungsvereinen.

Arnstein besuchte als Student von Ludwig Teleky, das Seminar für soziale Medizin und veröffentlichte 1910 seine hier erarbeitete Studie in den „Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin“ unter dem Titel „Beiträge zur Kenntnis des Gießfiebers“. Noch als Assistenzarzt nahm er 1912 am Seminar teil, referierte über „Der Krebs als Berufskrankheit“ und legte eine Arbeit „Über die Bleivergiftung der Feilenhauer in Wien“ vor, die 1912 in den Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin und im selben Jahr als Sonderdruck in der Zeitschrift „Das österreichische Sanitätswesen“ erschien.

Arnstein, Alfred: Über die Häufigkeit der Bleivergiftung unter den Feilenhauern in Wien. In: Sonderdruck aus: Das österreichische Sanitätswesen. Wien: Verlag von Alfred Hölder, k.k. Hof u. Universitäts-Buchhändler 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

1913 folgte von ihm nach seiner Teilnahme am Seminar die unter der Leitung von Teleky durchgeführte „Sozialhygienische Untersuchung über Bergleute in den Schneeberger Kobaltgruben, insbesondere über das Vorkommen des sogenannten ‚Schneeberger Lungenkrebs‘“, die 1913 in den Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin als auch als Sonderdruck der Wiener klinischen Wochenschrift veröffentlicht wurde.

Arnstein, Alfred: Ueber den sogenannten „Schneeberger Lungenkrebs“. In: Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitätsbuchhändler 1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg, an dem er als aktiver Militärarzt teilnahm, setzte Arnstein seine Arbeit als Assistenzarzt im AKH fort und schloss 1921 seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin ab. Daneben führte er eine Privatordination in Wien. Am 27.3.1925 schied er aus dem Personalstand des Allgemeinen Krankenhauses aus und trat in den Dienst der Gemeinde Wien an der Tuberkuloseabteilung des Versorgungsheimes am Krankenhaus in Lainz ein, wo er bis März 1938 als Vorstand und Primararzt wirkte.

Die Familie Arnstein war aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 der NS-Verfolgung ausgesetzt. Nach der zwangsweisen Versetzung in den dauernden Ruhestand am 23.4.1938 flüchtete Arnstein mit seiner Ehefrau und den beiden Söhnen im August 1938 nach England, wo er ab 1941 in London als Arzt arbeitete. Er starb 1972 in London.

Die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien restituierte 2012 im Rahmen der systematischen Provenienzforschung ein Buch mit der Provenienz Alfred Arnstein. Mehr dazu [].

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch, 1885-1886, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 901, Heinrich Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 4251, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 1272, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 4047, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 4812, Alfred Arnstein.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA  24391, Alfred Arnstein.

UAW, Med. Fak., Sign. 134, Nationalien/Studienkataloge 1862-1938, Zl. 588 Alfred Arnstein (1906/07).

UAW, Med. Fak., Promotionsprotokoll 1904-1912, Sign. 190-1056 Alfred Arnstein (Promotion 20.4.1910).

UAW, Med. Fak., Rigorosenprotokoll 1903-1930 Sign. 196-2 (Rigorosum: 22.4.1910).

WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV 739, 19. Bez., Alfred Arnstein.

WStLA, M.Abt. 202, A6, Personalakt 2. Reihe, Alfred Arnstein.

Todesnachricht Alfred Arnstein. In: British medical journal. 22.01.1972. S. 317.

Literatur:

Bauer Bruno und Walter Mentzel: NS-Provenienzforschung an der Medizinischen Universität Wien 2011 und 2012. Restitutionen von Büchern der Bibliothek Sassenbach sowie den Privatbibliotheken von Raoul Fernand Jellinek-Mercedes und Alfred Arnstein. In: VÖB (= Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare/66) (2013) 3/4. S. 449–457.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [134]: Alfred Bass – Sozialmediziner, Schularzt und Interessensvertreter der Wiener Ärzt*innen

Alfred Bass – Sozialmediziner, Schularzt und Interessensvertreter der Wiener Ärzt*innen

 Text: Dr. Walter Mentzel

Alfred Bass war ein österreichischer Sozialmediziner, Studienmitarbeiter von Ludwig Teleky und Funktionär in den Interessensvertretungen der Wiener Ärzt*innen. Er wurde 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt und im Holocaust ermordet. Von ihm besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien eine Reihe von Arbeiten in ihrer Separata- sowie in der Neuburger-Bibliothek.

Alfred Bass wurde am 1. August 1867 als Sohn von Josef Bass, einem Lehrer aus Pilsen, und Katalin Katharina, geborene Fissler, in Linz geboren. Seine Eltern waren jüdischer Herkunft. Nach seinem Studium der Medizin an der Universität Wien, das er 1892 mit seiner Promotion abschloss, arbeitete er als Militärarzt im Garnisons-Spital Nr. 13 in Theresienstadt beim Infanterieregiment Nr. 100, danach als praktischer Arzt in Zinnwald (heute: Cínovec) und danach in Mariaschein (heute: Bohosudov/Tschechien) in Nordböhmen. Hier beschäftigte er sich vom arbeitsmedizinischen Standpunkt aus mit den Arbeitsverhältnissen in der nordböhmischen Industrie, insbesondere im nordböhmischen Kohlenrevier. 1898 erschien von ihm der Aufsatz „Wir und die Krankencassen“ in der Zeitschrift „Die Heilkunde, Monatsschrift für praktische Medizin, in dem er sich – wie auch später in Wien – für die Interessen der Kassenärzte einsetzte.

Bass, Alfred: Wir und die Krankencassen. Sonderdruck aus: Die Heilkunde. Monatsschrift für praktische Medicin. Teschen: K.u.k. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska 1898.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 25033]

1899 kehre er nach Wien zurück und arbeitete als Assistent an der Wiener Poliklinik sowie als praktischer Arzt im Wien-Mariahilf.[1]

Alfred Bass gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zum engen Kreis an Mitarbeitern von Ludwig Teleky und nahm an dem von Teleky an der Universität Wien errichteten Seminar für soziale Medizin teil. 1905 wirkte er gemeinsam mit Alfred Götzl an der von Ludwig Teleky durchgeführten medizinischen Untersuchung der Perlmutterdrechslergehilfen während ihres Streikes mit, ebenso an der sozialmedizinischen Studie zu den Steinmetzen sowie 1906 wiederum mit Alfred Götzl an der von Ludwig Teleky initiierten Studie zu den Zündholzarbeiter im Böhmerwald. 1910 publizierte er anlässlich eines drohenden Aufstandes der Perlmutterdrechsler rückblickend einen Bericht[2] in der Allgemeinen Wiener medizinische Zeitung über „Die Gesundheitsverhältnisse bei den Perlmutterdrechslern“ und im selben Jahr im ersten Jahrgang der „Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin“ die Ergebnisse der Studie über die 1905 gemeinsam mit Teleky und Götzl unternommene sozialmedizinischen Untersuchung zu den Steinmetzen und Perlmutterdrechslern.[3]

Abb. 1    Titelblatt: Bass: Die Gesundheitsverhältnisse der Wiener Steinmetzen und Perlmutterdrechsler. In: Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin. Wien, Leipzig: 1910. S. 80.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

Bass engagierte sich bis zur Zerstörung der Demokratie 1933/34 in den ärztlichen Interessensorganisationen und in der Österreichischen Sozialdemokratie. Er trat neben der Verbesserung der rechtlichen und materiellen Lage der Kassenärzte für eine massive Ausweitung, Demokratisierung und gesetzlichen Verankerung der Gesundheitsversorgung und für eine staatliche Regelung im Bereich der Krankenversicherung ein. Dazu publizierte er 1930 in der Wiener Medizinischen Wochenschrift den Aufsatz
Die Krankenversicherung im Kampf gegen sozialen Krankheiten“.[4]

1903 kandidierte er bei der Wahlen für die Wiener Ärztekammer,[5] an deren Stelle er die gewerkschaftliche Organisierung der Ärzte propagierte.[6] In dem 1908 von Max Kahane (1866–1923) herausgegeben Medizinischen Handlexikon für praktische Ärzte, publizierte er einige Artikel. Seit 1906 nahm er an den Vortragsabenden und Sitzungen in der von Sigmund Freud ins Leben gerufenen Mittwoch-Gesellschaft, sowie bis zu seinem Austritt im Jahr 1909 an jenen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung teil.

Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete Bass als praktischer Arzt in Wien-Mariahilf, war in der Tuberkulosenfürsorge aktiv, und als städtischer Schularzt tätig. Er wirkte an der von Anton Drasche herausgegebenen „Bibliothek der gesammten medicinischen Wissenschaften für praktische Ärzte und Spezialärzte“ mit.[7] Daneben übte er die Funktion eines Chefarztes der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien aus und engagierte sich weiterhin auf dem Gebiet der Sozialmedizin und in den ärztlichen Interessensorganisationen. Nach der Übersiedelung von Teleky nach Düsseldorf leitete er alleine die „Beratungsstelle für Berufswahl“, eine Organisation, die Jugendliche zum Einstieg ins Berufsleben verhelfen sollte.[8] Er war Mitglied und Unterstützer des Österreichischen Bundes für Mutterschutz, des Vereins „Freie Schule“, und des Vereins „Die Bereitschaft“, der für soziale Arbeit und zur Verbreiterung „sozialer Kenntnisse“ gegründet worden war. Politisch engagierte er sich in den sozialdemokratischen Organisationen, darunter im Abstinentenbund, wo er zu Fragen der sozialen Medizin oder der Sozialversicherung referierte, sowie als Mitglied in der Vereinigung sozialdemokratischer Ärzte, in deren Versammlungen er Themen wie „Schulreform und Volksgesundheit“,[9] den Ausbau der Sozialversicherung, die Krankenkassen, und den Mieterschutz behandelte.[10] In der Wirtschaftlichen Organisation der Ärzte Wiens war er als Funktionär und als Sektionsleiter der Spitalsbezirksgruppe Wien 6 tätig.

Bass war Mitglied der 1934 als Dachorganisation gegründeten Gesellschaft des Grauen Kreuzes, einer Hilfsorganisation für Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland.[11]

Bass und seine Familie waren aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Am 28. Oktober 1941 erfolgte die Deportation von Alfred Bass aus seiner Wohnung in Wien 6, Köstlergasse 10 in das Ghetto Łódź. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. 1947 erfolgte seine Todeserklärung. Seine Ehefrau Martha Bass (20.11.1873 Wien), geborene Weiss, verstarb 1940 in Wien. Sein Sohn Wolfgang Bass überlebte den Holocaust. An Alfred Bass erinnert heute ein Erinnerungsstein, verlegt vom Verein Erinnern für die Zukunft, vor dem Wohnhaus der Familie Bass in Wien 6, Köstlergasse 10.

Abb. 2 Gedenkstein, Foto: Walter Mentzel, 2021

Quellen:

Archiv der IKG Wien, Trauungsbuch 1895, Bass Alfred, Weiss Martha.

AUW, Sign. 134-221 (Nationalien 1886/87) Bass Alfred.

AUW, Sign. 134-354 (Nationalien 1890/91) Bass Alfred.

AUW, Sign. 187-709 (Promotionsdatum: 29.7.1892) Bass Alfred.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 33.606, Bass Alfred (Geburtsdatum 1867.08.01).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 13.545, Bass Martha (1873.11.20).

[1] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 21.5.1907. S. 1.

[2] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 25.10.1910. S. 470-471.

[3] Bass, Alfred: Die Gesundheitsverhältnisse der Wiener Steinmetzen und Perlmutterdrechsler. In: Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin. Wien, Leipzig: Verlag von Moritz Perles 1910. S. 80-106.

[4] Wiener Medizinischen Wochenschrift, Nr. 52, S. 1685-1686.

[5] Neue Freie Presse, 31.12.1903, S. 8.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 42, Sp. 2069-2071.

[7] Die Heilkunde. Monatsschrift für praktische Ärzte – Wiener Ausgabe. H. 12. September 1900. S. 732.

[8] Arbeiter Zeitung. 17.7.1921. S. 8.

[9] Arbeiter Zeitung. 26.4.1922. S. 9.

[10] Arbeiter Zeitung. 23.6.1923. S. 9.

[11] Gerechtigkeit. 28.5.1936. S. 12.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [131]: Baar Viktor – Medizin-meteorologische Forschungen

Baar Viktor – Medizin-meteorologische Forschungen

Text: Dr. Walter Mentzel

 Viktor Baar, war der jüngere Bruder des Mediziners Gustav Baar, und wurde am 8. Jänner 1887 in Freiberg in Mähren (heute: Příbor/Tschechien) geboren. Seit 1923 war er mit Margeritha (*12.1.1899), geborene Löbl verheiratet. Baar begann 1906 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien mit seinem Studium und arbeitete nach seiner Promotion im Jahr 1911 als Sekundararzt an der III. medizinischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien bei Prof. Hermann Schlesinger (1866-1934). 1914 wurde er Mitglied der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien.[1] Aus seinen Arbeitsjahren bis zum Ersten Weltkrieg stammt von ihm die heute sich im Bestand der Separata-Bibliothek an der Zweigbibliothek der für Geschichte der Medizin befindende Arbeit

Baar, Viktor: Asthma bronchiale und Luftdruck. Aus der III. medizinischen Abteilung des k. k. Allgemeinen Krankenhauses (Vorstand: Prof. Dr. Hermann Schlesinger). Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles k.u.k. Hofbuchhandlung 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

und ebenfalls aus dem Jahr 1914, die sich an der Neuburger-Bibliothek befindende Arbeit:

Baar, Viktor: Ein Beitrag zur Diagnose der Konstitution. Sonderdruck aus: Medizinische Klinik. Berlin: Urban & Schwarzenberg 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign. 22400]

Während des Ersten Weltkrieges diente er als Militärarzt im Range eines Oberarztes der Reserve in der k.u.k. Armee und war am Isonzo an der Südwestfront im Einsatz. Aus dieser Zeit stammen eine Reihe von Publikationen wie 1915 „Ein Wort über Strohschienen“[2] und „Klima und Konstitution im Kriege“[3], aus dem Jahr 1916:

Baar, Viktor: Über Kriegsseuchen und Impfungen im Felde. Sonderdruck aus: Der Militärarzt. Wien: Verlag von Moritz Perles, k.u.k. Hofbuchhandlung 1916.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign. 22400]

die er am Isonzo schrieb und die sich heute in der Separata-Bibliothek befindet, sowie eine Arbeit über „Die Influenzaepidemie im Februar 1916“[4]. 1917 veröffentlichte er im Verlag Perles die Monografie:

Baar, Viktor: Ein Jahr an der Isonzofront. Klimatologische Beobachtungen. Wien: Perles 1917.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign. 4027]

in der er als Bataillonsarzt an der Isonzofront meteorologische Einflüsse auf die Morbidität nachzuweisen versuchte.

Zwischen 1918 und 1919 war er wieder als Sekundararzt an der III. Medizinischen Abteilung bei Professor Schlesinger tätig. Aus dieser Zeit stammen seine beiden in der Separata-Bibliothek erhaltenen Arbeiten

Baar, Viktor: Neosalvarsan bei gonorrhischer Zystitis. Ein Beitrag zur Beeinflussung der Konstitution durch Medikamente. Sonderdruck aus: Wiener Medizinischen Wochenschrift. Wien: Moritz Perles, k.u.k. Hofbuchhandlung 1918.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

und seine letzte am AKH publizierte Arbeit

Baar, Viktor: Ein positiver Bakterienbefund bei einem Fall von chronischer myeloischer Leukämie (Myeloblastenleukämie). Aus der III. medizinischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien (Vorstand: Prof. Hermann Schlesinger). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller Universitäts-Verlagsbuchhandlung 1919.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

Ab spätestens 1920 arbeitete Baar als Städtischer Arzt und Oberstadtarzt im Personalstand der Gemeinde Wien, führte daneben eine private Ordination, und publizierte in den folgenden Jahren eine Reihe von Aufsätzen und eine Monografie. 1929 erschien von ihm der Aufsatz „Die Homöopathie“,[5] 1930 ein weiterer zur „Ultrarotlichtlampef“,[6] und 1932 verfasste er die in der Gesellschaft der Ärzte Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin erhaltene Monografie:

Baar, Viktor: Wetter und Krankheiten. [Vom Standpunkte des praktischen Arztes, mit 96 erläuternden Monatswettertabellen]. Wien: Ars Medici 1932.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Gesellschaft der Ärzte Bibliothek, Sign.: GÄ-17971]

1933 publizierte er den Aufsatz „Altausee, ein klimatischer Nierenkurort“,[7] 1935 eine Arbeit über Asthma und Tuberkulose[8] und eine weitere in zwei Teilen über „Die Schädigung der Haut durch den Beruf, durch den Sport, durch die Jahreszeiten und durch die Kosmetik. Nebst einem Anhang“.[9]

Seine letzte Arbeit „Über 6 geheilte Asthmafälle“ veröffentlichte Baar in zwei Teilen 1937 in der Medizinischen Wochenschrift.[10]

Die Familie Baar war nach dem „Anschluss“ im März 1938 wegen ihrer jüdischen Herkunft der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Viktor und Margeritha Baar und ihre Kinder, die am 14. Jänner 1924 geborene Ruth, der 12. Dezember 1924 in Wien geborene Herbert, und die am 20. Jänner 1926 geborene Erika, wurden am 15. Februar 1941 aus einer Sammelwohnung in Wien 2, Czerningasse 15/18 nach Opole deportiert und ermordet. Sein Bruder Moric Mojzis Baar (*8.7.1874 Freiberg/Mähren) wurde am 6. September 1943 im KZ Auschwitz ermordet.

Quellen:

Archiv der Universität Wien, Rektorat, Med. Fak., Rigorosenprotokolle, Sign. 196-0025, Baar Viktor (Rigorosen Datum: 1911.05.05).

AUW, Rektorat, Med. Fak., Promotionsprotokoll, Sign.190-1273, Baar Viktor (Promotions- Sponsions-Datum: 1911.05.15).

AUW, Rektorat, Med. Fak., Nationalien, Sign. 134-0589, 1906/07, Baar Viktor (Nationalien Datum: 1906/07).

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 5.737, Baar Viktor.

Wiener Kommunal-Kalender und Städtisches Jahrbuch für 1921, Wien 1921.

DOEW: Viktor Baar, Geburtstag: 08.01.1887, Wohnort: Wien 2, Czerningasse 15/8, Deportation: Wien/Opole, Deportationsdatum: 15.02.1941.

[1] Wiener medizinische Wochenschrift. 13.6.1914. Sp. 1348.

[2] Der Militärarzt. 1915. Sp. 454-455.

[3] Der Militärarzt. Nr. 31. 11.12.1915. Sp. 502-504.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift. 3.2.1917. Sp. 298-301.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 32. 1929. S. 1036-1039.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 12. 1930. S 416-417.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 41. 1933. S 1159-1160.

[8] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 2. 1935. S. 31-35.

[9] Wiener medizinischen Wochenschrift. Nr. 26 und Nr. 30. 1935. S. 793-795 und 816-820.

[10] Wiener medizinischen Wochenschrift. Nr. 30 und Nr. 31. 1937. S. 790-793 und 816-820.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [128]: Michael Alt – Arzt im Karolinenspital und städtischer Bezirksarzt in Wien

Michael Alt – Arzt im Karolinenspital und städtischer Bezirksarzt in Wien

Text: Dr. Walter Mentzel

Michael Alt wurde am 22. September 1864 in Gewitsch in Mähren (heute: Jevico/Tschechien) geboren. Alt studierte an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und schloss sein Studium 1890 mit seiner Promotion ab. 1891 wurde er vom Geschäftsrat des Wiener medizinischen Doctoren-Collegiums zum Sekundararzt im Caroline Riedl’schen Kinderspital („Karolinen-Kinderspital“) in Wien ernannt.[1]

In dieser Zeit publizierte er eine Arbeit, die sich heute in der Separata-Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befindet:

Alt, Michael: Anaemia infantilis pseudoleucaemia. Aus dem Karloninenspitale in Wien. Sonderdruck aus: Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. Berlin: Hirschwald 1892.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

1895 erfolgte seine Ernennung zum städtischen Bezirksarzt im Stadtphysikat in Wien, zunächst in Wien Döbling und ab 1896 für Wien Neubau, wo er später als praktischer Arzt weiter arbeitete.

1892 wurde er ordentliches Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien.[2] 1911 wurde er als Mitglied in die Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien ausgenommen.[3]

Michael Alt wurde wegen seiner jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt und musste bei der Vermögensverkehrsstelle beim Ministerium für Arbeit und Wirtschaft eine Vermögensanmeldung abgeben. Er verstarb am 5. Juni 1940 in Wien im Rothschild-Spital.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch 1892.

Archiv der Universität Wien, Sign. 177, Zl. 7 b, Alt Michael (Rigorosum: 1888).

Archiv der Universität Wien, Sign. 186, Zl. 2.855, Alt Michael (Promotion: 24.5.1890).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 24.303, Alt Michael.

Friedhofsdatenbank der Stadt Wien: Alt Michael.

[1] Neue Freie Presse. 13.8.1891. S. 5.

[2] Wiener klinische Wochenschrift. 7.4.1892. Sp. 217.

[3] Wiener Medizinische Wochenschrift. 14.1.1911. Sp. 208.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [126]: Carl Berdach – Bezirksarzt in Wien, NS-Verfolgter

Carl Berdach – Bezirksarzt in Wien, NS-Verfolgter

Text: Dr. Walter Mentzel

Carl Berdach war ein langjährig in Wien tätiger Bezirksarzt. Geboren am 19. Oktober 1863 als eines von sieben Kindern von Josua Berdach (1831-1905) und Rosa (1838-1920), geborene Berdach, war er der Cousin des Mediziners Julius Berdach. Nach dem Studium der Medizin an der Universität Wien, das er 1887 mit der Promotion abschloss, begann er als Aspirant an der II. Medizinischen Klinik im Allgemeinen Krankenhaus in Wien bei Prof. Heinrich von Bamberger (1822-1988).

In der Separata-Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befindet sich eine Arbeit von Carl Berdach:

Berdach, Carl: Beiträge zur Wirkung des Antipyrin. Aus der medizinischen Klinik des Herrn Hofrathes Prof. v. Bamberger. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Selbstverlag 1888.

 

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

Nach dem Tod von Bamberger wechselte Berdach als Sekundararzt an die I. chirurgische Abteilung des AKH in Wien zu Prof. Josef Weinlechner (1829-1906). Hier publizierte er 1889 „Ein Fall von primärem Sarkom der Nebenniere nebst einigen diagnostischen Bemerkungen“.[1] Im selben Jahr wurde er auch zum Krankenkassenarzt des Gremiums der Wiener Kaufmannschaft bestellt.[2] Ab 1890 stand er im Personalstand des Stadtphysikats der Gemeinde Wien und war als städtischer Bezirksarzt zunächst im Vierten Wiener Gemeindebezirk,[3] ab 1892 im Fünften und von 1896 bis 1922 im Zweiten Wiener Gemeindebezirk tätig.[4] 1913 erfolgte seine Ernennung zum Oberbezirksarzt des 2. Bezirkes. Nach seinem Ausscheiden als Oberbezirksarzt war er als praktischer Arzt im Zweiten Wiener Gemeindebezirk tätig.

Berdach war Mitglied der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien, Obmann des Wohlfahrtsvereines für Hinterbliebene der Ärzte Wiens und Niederösterreich,[5] stellvertretender Obmann des 1875 gegründeten Ärztlichen Vereines im 2. Wiener Gemeindebezirk,[6] und im Geschäftsrat des Wiener medizinischen Doktoren-Kollegium tätig.[7]

Berdach, der jüdischer Herkunft war, wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und nach dem „Anschluss“ in eine Sammelwohnung in Wien 1, Neutorgasse 15/7 zwangsumgesiedelt, wo er mit seinem Cousin Julius Berdach und dessen Familie bis zu ihrer Deportation lebte. Carl Berdach wurde am 14. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und am 1. Jänner 1943 ermordet. Seinem Sohn Otto Berdach, der ebenfalls in Wien als Mediziner tätig war, gelang die Flucht in die USA. Er verstarb im Oktober 1970 in Aurora, Illinois.

Quellen:

Wiener Communal-Kalender und Städtisches Jahrbuch. Wien: 1890-1922. Findbuch ÖStA, AdR, VA, 18.682, Berdach Carl (19.10.1863).

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1863, Berdach Carl.

AUW, Med. Fak, Nationalien/Studienkataloge 1862-1938, Sign. 134, Zl. 147, Berdach Karl Nationalien (1882/83).

AUW, Med. Fak, Rigorosenprotokoll (1872-1894), Sign. 177, Zl. 26a, Berdach Karl (Rigorosum 1884).

AUW, Med. Fak, Promotionsprotokoll (1874-1890), Sign. 186, Zl. 2.050, Berdach Karl (Promotion 14.7.1887).

Arolsen-Archiv, Inhaftierungsdokumente, Deportationen und Transporte, Deportationen aus dem Gestapobereich Wien (1939-1945), Transport 31: Deportation von Wien nach Theresienstadt, 14.07.1942 (Berdach Karl).

Opferdatenbank: Ghetto Theresienstadt: Berdach Carl.

[1] Wiener Medizinische Wochenschrift. 9.3.1889. Sp. 357-359 und 16.3.1889. Sp. 385-388.

[2] Neues Wiener Tagblatt (Tagesausgabe). 1.9.1889. S. 4.

[3] Wiener Zeitung. 25.12.1890. S. 35.

[4] Wiener Communal-Kalender und Städtisches Jahrbuch. Wien: 1890-1922.

[5] Wiener Medizinische Wochenschrift. 28.4.1934. S. 508.

[6] Wiener Medizinische Wochenschrift. 15.1.1910. Sp. 182.

[7] Internationale klinische Rundschau. Nr. 24/26. 1919. S. 143. Wiener Medizinische Wochenschrift. 2.10.1937. S. 1031.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [124]: Andreas Witlacil – Sozialhygieniker, Mitorganisator des Sanitätswesens in Wien und Polizeichefarzt der Polizeidirektion Wien

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [124]:

Andreas Witlacil – Sozialhygieniker, Mitorganisator des Sanitätswesens in Wien und Polizeichefarzt der Polizeidirektion Wien

Text: Dr. Walter Mentzel

Andreas Witlacil war mehr als fünf Jahrzehnte als Arzt und Sozialhygieniker in zahlreichen ärztlichen und medizinischen Standes- und Verwaltungsorganisationen tätig, in denen er auf die sanitäre Entwicklung der Stadt Wien während der Stadterweiterung im 19. Jahrhundert und der damit einhergehenden Neuorganisation der medizinischen Verwaltung Einfluss nahm. Für ihn gehörte eine wohlorganisierte Armenkrankenpflege zu den ersten und dringlichsten Aufgaben einer Großstadt. Besondere Verdienste erwarb er sich bei der Organisation des polizeiärztlichen Dienstes. Daneben entfaltete er eine immense publizistische Tätigkeit als Mitbegründer der Wiener medizinischen Wochenschrift und Redaktionsmitglied in der Zeitschrift Der Militärarzt, wo er zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen und Rezensionen und unter den Rubriken „Feuilletons“, „Jahresrevuen“ publizierte. Zahleiche Artikel versah er mit dem Autoren-Kürzel „(W)“.

Andreas Witlacil wurde am 12. November 1817 in Wien am Spittelberg unter dem Taufnamen Andre Joseph als Sohn des k.k. Hof-Kutschers Joseph Witlacil und Christina, geborene Zichner, geboren. 1846 heiratete er Maria Amalia Eichinger. Seine Tochter Amalie war mit dem Mediziner Karl Hammerschmidt verheiratet, der unter dem Namen Abdullah Bay Professor an der medizinischen Schule in Konstantinopel wirkte, nachdem er als Teilnehmer an der Revolution von 1848 aus Wien in das osmanische Reich geflüchtet war.[1]

Abb. 1    Österreichische Illustrierte Zeitung. 13.8.1905. S. 5.

Witlacil studierte an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und promovierte im März 1846. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit der Entwicklung einer Propädeutik der medizinischen Statistik, einem Thema, das er später in seinen vielfältigen beruflichen Arbeitsfeldern und Funktionen forcierte.

Witlacil, Andreas: Dissertatio Inauguralis Medico-Statistica Sistens Principa Statisticae Medicinalis |b Quam Consensu Et Auctoritate Illustrissimi Et Magnifici Domini Praesidis Et Directoris, Perillustris Et Spectabilis Domini Decani Nec Non Clarissimorum Ac Celeberrimorum D.D. Professorum Pro Doctoris Medicinae Laurea Summisque In Medicina Honoribus Et Privilegiis Rite Et Legitime Consequendis In Antiquissima Ac Celeberrima Universitate Vindobonensi Publicae Disquisitioni. In theses adnexas disputabitur in Universitatis aedibus die 14. mensis Martii 1846. Wien: Typis Congregationis Mechitaristicae 1846.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Historische Dissertations-Bibliothek, Sign.: D-4432]

Seine Dissertation erschien noch im selben Jahr in deutscher Übersetzung unter dem Titel:

Witlacil, Andreas: Die Grundzüge der medicinischen Statistik entwickelt und kritisch beleuchtet. Wien: gedruckt bei den P.P. Mechitaristen 1846.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Josephinische Bibliothek, Sign.: JB 5670]

Abb. 2    Titelblatt: Witlacil: Die Grundzüge der medicinischen Statistik […]. Wien: 1846.

Die Massenarmut in Wien im Vormärz und die Revolution von 1848

Sein Interesse für die Ursachen und Folgen der Massenarmut in Wien im Vormärz führten Witlacil neben seinem sozialen Engagement, zu seinen ersten wissenschaftlichen Arbeiten und schließlich zur aktiven Teilnahme an der Revolution von 1848. 1846 wirkte er im gerade gegründeten Wiener allgemeinen Hülfs-Verein[2] mit, der sich die Linderung des Massenelends sowie der Hungersnöte der 1840er Jahre in den Wiener Vorstädten zum Ziel gesetzt hatte. Ein Jahr darauf publizierte Witlacil in der Zeitschrift des Vereins für Deutsche Statistik eine Studie zu den „Verhältnissen der handarbeitenden Bevölkerung Wiens“,[3] die er 1848 – bereits unter dem Eindruck der Revolution – mit seinem Aufsatz „Vorschläge zur Verbesserung der Lage der handarbeitenden Bevölkerung Wiens“ fortsetzte[4]. Bereits die 1846 in dieser Zeitschrift mit dem Autorenkennzeichen „Dr. W“ erschienen Artikel zur „Bewegung der Bevölkerung Wiens im Verwaltungsjahr 1846“ dürften ihm zuzuordnen sein. Diese ersten von ihm erhaltenen Arbeiten zeichnen sich durch eine hohe Dichte an quantitativen Material aus, mit der er akribisch die konkreten Lebensverhältnisse der handarbeitenden Bevölkerung zu beschreiben versuchte und Vorschläge zur Verbesserung deren Lebenssituation zog. Während der Revolution von 1848 gründete er im Juli den Wiener Arbeiterklub „Concordia“, der neben dem Allgemeinen Arbeiterverein, der zweitälteste Arbeiterverein in der 1848er Revolution war und bis Oktober 1848 bestand. Daneben gab er bis September 1848 die Zeitung „Concordia – Politisch-sociales Wochenblatt für die Arbeiterschaft“ heraus.[5] Als Mitglied der Garde der akademischen Legion und Verfasser der Flugschrift „An die gesammten arbeitenden Volksklassen in Wien und der Umgebung“,[6] strebte er die Bildung eines eigenen Arbeiter-Korps an.[7] Im Mai unterbreitete er in einem von ihm veröffentlichten Brief an den pädagogischen Verein in Wien Vorschläge zur Volksbildung und Volkserziehung und forderte die „tüchtigen Geister“ auf sich „zu erheben, um mit vereinten Kräften das Licht der Aufklärung durch alle Schichten der Gesellschaft zu verbreiten und insbesondere das Volk zur politischen Reife heranzubilden.“[8]

Arzt und Förderer der Statistik in der Medizin

Seine Aktivitäten während der Revolution von 1848 blieben nach deren Niederschlagung ohne Folgen auf seine weitere berufliche Karriere. Von 1849 bis 1856 arbeitete er als Sekundararzt im Allgemeinen Krankenhaus in Wien, wo er sich u.a. mit der Herstellung und Aufbereitung der Spitalsstatistik beschäftigte, aus der die von ihm verfassten und redigierten „Jahresberichte des Wiener k.k. allgemeinen Krankenhauses“ hervorgingen, die regelmäßig im Wochenblatt der Zeitschrift der k.k. Gesellschaft der Ärzte zu Wien erschienen. Im Juli 1856 wies Witlacil in einem Artikel in der Wiener medizinischen Wochenschrift auf den Nutzen statistischer Erhebungen auf dem Gebiet der Medizin hin und prangerte den bisher gepflegten „statistischen Dilettantismus“ an. Zu dessen Abhilfe forderte er die flächendeckende Einführung standardisierter Formulare in den ärztlichen Anstalten und die Errichtung eines eigenen statistischen Büros.[9] Im November 1856 stellte Carl Ludwig Sigmund (1810-1883) – ein Anhänger von Ignaz Semmelweis – in der Gesellschaft der Ärzte in Wien den Antrag zur Bildung eines Komitees für medizinische Statistik, das sich mit der Frage der Bearbeitung und Zusammenführung der an den einzelnen Anstalten vorhandenen statistischen Daten befassen sollte,[10] und dem Witlacil hinzugezogen wurde.[11] Über den im April/Mai 1857 durchgeführten Internationalen statistischen Kongress in Wien, an dem die medizinische Statistik ein Themenblock war, berichtete Witlacil ausführlich.[12]

Nach Beendigung seines Dienstverhältnisses im AKH Wien war er zwischen 1856 und 1871 als Armenarzt in den Wiener Bezirken Josefstadt und als Polizeiarzt in Ottakring,[13] sowie von Juni 1871 bis 1887 als Bezirksarzt in der damaligen Bezirkshauptmannschaft Hernals,[14] und danach zwei Jahre bis 1889/90 in der Bezirkshauptmannschaft Währing tätig. Seit 1859 arbeitete er noch als Gerichtsarzt in Hernals, was sich auch in einigen Artikel zur Gerichtsmedizin niederschlug.[15] Während dieser Jahre beschäftigte er sich sowohl als Polizeiarzt als auch als Publizist mit der Organisation von Maßnahmen zur Hebung der Sanitätspflege[16] und mit den in Wien epidemisch auftretenden Erkrankungen, wie 1852 mit seinen „Bemerkungen zur Frage über die Kontagiosität der Cholera und der epidemischen Krankheiten überhaupt“,[17] oder 1866 über die Cholera-Epidemie in den Vororten Wiens in Ottakring, Hernals und Neulerchenfeld, die er statistisch zu erfassen versuchte und darüber 1867 mehrere Artikel [1. Teil, 2. Teil, 3. Teil, 4. Teil, 5. Teil, 6. Teil, 7. Teil) publizierte.[18] 1872 nahm er am III. Internationalen medizinischen Kongress in Wien teil, wo er zur Frage der Quarantäne bei Cholera-Epidemien referierte.[19] 1879 publizierte er eine Artikelserie zu „Die Abwehr der Pest“.[20]

Witlacils Tätigkeiten in den ärztlichen Standesorganisationen des Doktoren-Kollegiums, der Gesellschaft der Ärzte in Wien, des niederösterreichischen Sanitätsrates und des Vereins niederösterreichischer Ärzte

Witlacil war Zeit seines Berufslebens in hohen Funktionen zahlreicher Standes- und medizinischer Verwaltungsgremien vertreten. Er war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, zu deren Sekretär er 1851 ernannt worden war.[21] Im selben Jahr erfolgte seine Wahl in den Ausschuss des Doktoren-Kollegiums der Medizinischen Fakultät, dem zu dieser Zeit wichtigsten Vertretungsorgan der Ärzteschaft, dem er in mehreren Funktionen angehörte,[22] darunter auch als Bibliothekar und Bearbeiter des Bibliothekskataloges.[23] Mit seiner 1852[24] ersten und 1868 letztmalig erfolgten Wahl in den Geschäftsrat[25] und 1871 mit seiner Wahl zum Obmann des Geschäftsrates des Doktoren-Kollegiums,[26] war er in den zentralen Fragen der Interessensvertretung der Ärzteschaft sowie der Weiterentwicklung des Sanitätswesens der Habsburgermonarchie involviert. Darunter etwa 1862 bei der Revision des Sanitätsgesetzes.[27] Früh trat er gegen die im September 1849 vollzogenen Trennung zwischen einem Professoren– und einem Doktoren-Collegium auf und für die Wiederherstellung der Einheit zwischen den Professoren und Doktoren-Kollegium ein.[28] 1869 spaltete er das Doktoren-Kollegium und gründete innerhalb diesem den Reformklub,[29] mit dem er eine Reform des Doktoren-Kollegiums zu bewerkstelligen versuchte.[30] 1870 kandidierte er als Vertreter des liberalen Reform-Clubs (1872-1878), einer Abspaltung von jungen Akademikern von der Liberalen Partei, zur Wahl des Obmannes des Doktoren-Kollegiums,[31] nachdem er zuvor in einem offenen Brief die von ihm als „ultrakonservativ“ bezeichnete Ärzteschaft kritisiert hatte. Als Vertreter der Reformgruppe forderte er eine Demokratisierung und Neuorganisation des Kollegiums unter Einbeziehung aller Ärzte Niederösterreichs und Wiens und die Bildung eigener Kollegien in den Kronländern der Habsburgermonarchie mit dem Ziel Fragen der Sanitätsverwaltung durch alle Ärzte vertreten zu lassen. Seine Vorstellungen und seine Kritik am bestehenden System formulierte er in einem Artikel in der Wiener medizinischen Wochenschrift im Jahr 1870.[32] Angesichts seines geringen Erfolges bei seinen Reformvorhaben schlug er 1873 die Gründung einer Ärztekammer für die Habsburgermonarchie und damit eine neue gesetzliche Vertretung der Ärzte vor.[33]

1874 initiierte er den Verein der Ärzte in Niederösterreich, wo er von Beginn bis noch nach seiner Pensionierung 1902 letztmalig zum Präsidenten gewählt wurde.[34] Ebenso war er Gründer des Österreichischen Ärzteverbandes, einer Dachorganisation der zu dieser Zeit bestehenden Ärztevereine.

Witlacil gehörte dem niederösterreichischen Landessanitätsrat seit dessen Gründung im Jahre 1870 an. 1874 erfolgte seine Ernennung zum ordentlichen Mitglied,[35] seit 1880 wurde er regelmäßig zum Vorsitzenden-Stellvertreter gewählt, und noch nach seiner Pensionierung im November 1901 blieb er Mitglied des Rates. In diesem Gremium arbeitete er wesentlich an einer Neuordnung der Sanitätsdienstes in Niederösterreich, Wien und seiner Vororte mit, mit der er eine höhere Zentralisation und einen stärkeren staatlichen Einfluss zu bewirken versuchte.[36] Als Delegierter des Landessanitätsrates wurde er 1883 zur hygienischen Ausstellung nach Berlin, 1891 zum internationalen hygienischen Kongress in London,[37] und 1895 zum Kongress nach Budapest entsandt. Als Funktionär des Landessanitätsrates kritisierte er über Jahrzehnte die hygienischen und sanitären Mängel in der Stadtentwicklung und bemühte sich um den Aufbau einer modernen Sanitätsverwaltung zur Gestaltung einer gerechten und humanitären Großstadt. Dazu forderte er die Übernahme des Sanitätsdienstes in die organisatorische Obhut der Stadt Wien und eine Neuorganisation der Bezirks- und Armenärzte ein, sowie Maßnahmen zu den Folgen der rasanten Industrialisierung Wiens. Bereits 1865 hatte er einen Artikel unter dem Titel „Eine Lebensfrage für Wien“ veröffentlicht, in dem er auf die zunehmende Verschmutzung der Stadt im Zuge der Ansiedlung von Gewerbe und Industrie inmitten der neubebauten Wohnsiedlungen hinwies und strenge städteplanerische Eingriffe forderte.[38] Weiters publizierte er in den 1860er Jahren zu Fragen der Lebensmittelkunde wie der „Lösung der Trichinenfrage“[39] und forderte dementsprechend in seiner Funktion im Doktoren-Kollegium strenge sanitätspolizeiliche Gesetze.[40] In diesem Zusammenhang war er auch im „Comite gegen sanitäts-polizeiliche Gesetzesübertretungen“ vertreten.[41] Er setzte sich für die Modernisierung der Kanalisation Wiens ein, für die Reform und den Ausbau psychiatrischer Anstalten sowie öffentlicher Krankenhäuser, trat für staatliche Pflege- und Erziehungsanstalten ein,[42] und kritisierte die in Wien herrschenden Wohnverhältnisse bedingt durch das Bettgehertum sowie die verfehlte Wohnungspolitik und Mietensteigerungen.[43] In den 1860er Jahren gehörte er der Kommission zur Reorganisierung des Lokal-Sanitätsdienstes in Wien und der Vororte an,[44] 1870 legte er einen weitgehenden Entwurf zu Maßnahmen „Zur Reform des Sanitätsdienstes“ vor,[45] dem 1879 zwei Artikel „Zur Organisation des hauptstädtischen Sanitätsdienstes“ (1. Teil, 2. Teil) in der Wiener Medizinische Wochenschrift[46] folgten, und 1888 formulierte er in einem Artikel seine Vorstellungen zu einer Vereinigung der Vororte Wiens mit der Kommune Wien.[47] 1892 forderte er die Errichtung von zwei voneinander getrennten Ärztekammern für Wien und Niederösterreich, unterbreitete Vorschläge zur Abhilfe der Umweltbelastung durch die Industrie- und Gewerbebetriebe, der Wasserverunreinigung, der Verbesserung der Schulgebäude, der Verbreiterung der engen Gassen, und der Schaffung von Parkanlagen, und der Notwendigkeit einer zentralen Organisation des städtischen Sanitätsdienstes und der Marktaufsicht und er Gesundheitsämter.[48] Ebenso forderte er seit 1888 ein Ministerium für Medizinalangelegenheiten, und damit ein Gesundheitsministerium.[49]

Daneben war Witacil in zahlreichen medizinischen und ärztlichen Gremien aktiv, darunter 1872 im Komitee zur größtmöglichen Verbreitung und der Organisation des Impfwesens,[50] als Mitglied in der 1881 gegründeten Gesellschaft für Gesundheitspflege und 1886 im vorbereitenden Komitee[51] für den 1887 stattfindenden internationalen Kongress für Hygiene und Demographie.[52] 1901 nahm er an dem in Wien tagenden Internationalen Kongress gegen den Alkoholismus teil.[53] Von Beginn an war er auch im 1868 gegründeten Verein Psychiatrische Gesellschaft (Verein für Psychiatrie) aktiv und in die Vereinsgremien gewählt worden.[54] Im Rahmen dieser Tätigkeit verfasste er eine Artikelserie unter dem Titel „Unsere Humanitätsanstalten und die Humanität“, in der er u.a. die Ökonomisierung der medizinischen Versorgung kritisierte (Teil 1 und Teil 2),[55] und publizierte seine Vereinsvorträge wie jenen „Der Selbstmord vom Standpunkte der Psychologie, der pathologischen Anatomie und der Gesetzgebung betrachtet“.[56] Weiters unterstützte er als Mitglied den Unterstützungsverein für mittellose Taubstumme,[57] und beteiligte sich im Komitee „Für die Erziehung und den Unterricht epileptischer Kinder“ zur Errichtung einer Heil- Erziehungs- und Unterrichtsanstalt für epileptische Kinder in Österreich“.[58]

Witlacil als Publizist und Mitbegründer der Wiener medizinischen Wochenschrift

Witlacil war Mitbegründer und Redaktionsmitglied der seit 1851 erscheinenden Wiener medizinischen Wochenschrift, in der er bis zu seinem Tod regelmäßig u.a. im Feuilleton publizierte, und der Zeitschrift Der Militärarzt. 1870 veröffentlichte er in einer achteiligen Artikelserie seine gewonnenen Reiseeindrücke in das osmanische Reich unter dem Titel „Nach Konstantinopel und Brussa“, die er zum Studium der Quarantänemaßnahmen unternommen hatte,[59] über seine zweite Reise in den Orient berichtete er 1872 in der Rubrik „Reisenotizen“,[60] und 1892 eine Arbeit über „Hygienisches aus London“. Weiters publizierte er hier zahlreiche Buchbesprechungen und berichtete Ausführlich über Personalentscheidungen in der Sanitätsverwaltung.

Witlacil als Leiter und Organisator der Wiener Polizeiärzte – 1892-1901

An der Spitze der kommunalen Armen- und Polizeiärzte stehend, forderte Witlacil schon in den 1860er Jahren eine Trennung des ärztlichen Polizeidienstes vom übrigen Sanitätsdienst sowie die Reorganisation des gesamten armen- und polizeilichen Sanitätsdienstes in Wien und der zum Polizeirayon gehörenden Vororte.[61] Im November 1892 erfolgte für ihn – 75-jährig – sein bisher größter Karrieresprung mit der Ernennung zum Polizei-Chefarzt der Polizeidirektion Wien, wofür er sich zuvor beworben hatte,[62] und bis zu seinem 85 Lebensjahr 1901 ausüben sollte. In dieser Funktion nahm er umgehend die Neugestaltung und Neusystematisierung des polizeiärztlichen und kommunalen Sanitätsdienstes in Angriff. Er schuf ein eigenes Sanitätsdepartment innerhalb der Polizeidirektion Wien und einen chefärztlichen Dienst, vor allem kam es zu einer massiven Aufstockung des Personalstandes. Nunmehr standen den Bezirken jeweils mindestens zwei Polizeiärzte zur Verfügung in Wien II sogar sieben, insgesamt 51.[63] 1893 publizierte er über seine einjährige Tätigkeit in dieser Funktion einen Aufsatz in „Das österreichische Sanitätswesen“, in dem er über den chefärztlichen Dienst, über das Gefangenenhaus und den Dienst in den Kommissariaten u.a. berichtete.[64] Hier forderte er für alle Frauen ein gesichertes Arbeitsverhältnis, um die Prostitution nachhaltig zu bekämpfen. In seiner öffentlichen Kritik an den desaströsen Wohnverhältnissen im Wien um 1900, die er auch als Nährboden für den grassierenden Antisemitismus erkannte, bezog er auch Bürgermeister Karl Lueger und die Stadtverwaltung mit ein, die er für die Versäumnisse und Fehlplanungen im Wohnungsbau und der fehlenden Maßnahmen zur Linderung der Wohnungssituation verantwortlich machte. Auch in der unter ihm erfolgten Einführung der „Jahresberichte des Chefarztes der k.k. Polizeidirektion in Wien“, die von ihm redigiert wurden und sich neben der Fülle an statistischen Daten durch die Einbeziehung der Bevölkerungsmeinung kennzeichnete, übte er eine schonungslose Kritik an den mangelhaften sanitären Verhältnissen wie der Straßenreinigung, dem Bauwesen und den schlechten Wohnungsverhältnissen, bis hin zu der von ihm konstatierten Verbreitung der Neurasthenie.

In der Separata-Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin sind zwei von ihm redigierte Jahresberichte erhalten:

Witlacil Andreas: Aus dem Jahresberichte des Chefarztes der k.k. Polizeidirection in Wien für das Jahr 1899. Sonderdruck aus: Das österreichische Sanitätswesen. Wien: Verlag von Alfred Hölder, k.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1901.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

Witlacil Andreas: Aus dem Jahresberichte des Chefarztes der k.k. Polizeidirection in Wien für das Jahr 1900. Sonderdruck aus: Das österreichische Sanitätswesen. Wien: Verlag von Alfred Hölder, k.u.k. Hof- und Universitätsbuchhändler 1902.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

Abb. 3    Titelblatt: Witlacil: Aus dem Jahresberichte des Chefarztes der k.k. Polizeidirektion in Wien […]

1901 schied Witlacil, nachdem er um die Versetzung in den Ruhestand erbeten hatte, und nach Genehmigung des Kaisers,[65] 85ig jährig aus dem Personalstand der Polizeidirektion Wien aus. Wenige Monate vor seinem Tod wurde er noch zum Ehrenmitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien ernannt.[66] Er verstarb am 6. August 1905 im 88. Lebensjahr.

Witlacil erhielt 1866 eine Auszeichnung wegen seiner Tätigkeit während der Cholera-Epidemie und 1888 das Ritterkreuz des Franz-Josephs-Ordens. Weitere Auszeichnungen erhielt er 1874 wegen der erfolgreichen Tätigkeit während der Cholera- und Blattern-Epidemie im Jahre 1873,[67] und wegen seiner Tätigkeit während der Schutzpockenimpfung 1874.[68] 1885 wurde er zum Ehrenbürger der Gemeinden Ober-Döbling[69] und 1887 von Nussdorf[70] ernannt. 1897 erhielt er den Titel Regierungsrat. Weiters war er Mitglied der Medizinischen Gesellschaft in Konstantinopel.[71]

Quellen:

Taufbuch, Erzdiözese Wien, St. Ulrich, Buch Nr. 42, Folio 93, Andreas Joseph Witlacil (geb. 12.11.1817).

Trauungsindex, Erzdiözese Wien, Schottenfeld, Folio 35, Witlacil Andreas; Eichinger Maria.

Taufbuch, Erzdiözese Wien, Maria Treu, 1850, Folio 59, Witlacil Amalia (geb. 1.2.1850).

Taufbuch, Erzdiözese Wien, Schottenfeld, 1847, Folio 103, Witlacil Franz (geb. 24.5.1847).

AUW, Med. Fak, Dekanat, Promotionsprotokolle, Sign. 176, Zl. 525, Witlacil Andreas (Promotions- Sponsions-Datum: 1846.03.31).

[1] Wiener Medizinische Wochenschrift. 5.9.1874. Sp. 803-804.

[2] Wiener Zeitung. 9.6.1847. S. 1267.

[3] Witlacil, Andreas: Verhältnissen der handarbeitenden Bevölkerung Wiens. In: Zeitschrift des Vereins für Deutsche Statistik I. Wien 1848. S. 177 ff.

[4] Witlacil, Andreas: Vorschläge zur Verbesserung der Lage der handarbeitenden Bevölkerung Wiens. In: Zeitschrift des Vereins für Deutsche Statistik I. Berlin. H.7. 1848. S. 640-646. [https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=umn.319510022621922&view=1up&seq=12].

[5] Arbeiter Zeitung. 21.7.1898. S. 4.

[6] Witlacil, Anderas: An die gesammten arbeitenden Volksklassen in Wien und der Umgebung, Dr. Witlacil, Garde der akademischen Legion, Stadt, Kumpfgasse Nr. 826. Anton Benko: Wien 1848.

[7] Fenner von Fennenberg (ehemaliger Ober-Kommandant der Wiener Volkswehr) Wiener Oktobertage. Geschildert und mit allen Aktenstücken belegt. Zweiter Theil. Leipzig: Verlagsbureau 1849. S. 42.

[8] Wiener Zeitung. 23.5.1848. S. 417.

[9] Wiener Medizinische Wochenschrift. 5.7.1856. Sp. 441-444.

[10] Wiener Zeitung. 7.11.1856. S. 4.

[11] Wiener Zeitung. 17.12.1856. S. 3738; Wiener Zeitung. 31.5.1857. S. 1582.

[12] Wiener Medizinische Wochenschrift. 5.7.1856. Sp. 651-653.

[13] Wiener Medizinische Wochenschrift. 5.11.1887. Sp. 1481.

[14] Wiener Medizinische Wochenschrift. 1.7.1871. Sp. 640.

[15] Wiener Medizinische Wochenschrift. 12.4.1862. Sp. 231-233; 29.11.1862. S. 759-760.

[16] Wiener Medizinische Wochenschrift. 20.1.1872. Sp. 68.

[17] Wiener Medizinische Wochenschrift. 13.3.1852. Sp. 175.

[18] Wiener Medizinische Wochenschrift. 13.3.1867. Sp. 323-325; 16.3.1867. Sp. 341-343; 20.3.1867. Sp. 356-357; 23.3.1867; Sp 371-373; 27.3.1867; Sp. 388-390; 30.3.1867. Sp. 406-408; 3.4.1867. Sp. 422-424.

[19] Neue Freie Presse. 20.2.1872. S. 6.

[20] Wiener Medizinische Wochenschrift. 19.7.1879. Sp. 793-795; 26.7.1879. Sp. 817-819; 2.8.1879. Sp. 845-847.

[21] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 9. 1851. Sp. 171.

[22] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 9. 1851. Sp. 619.

[23] Wiener Zeitung. 31.12.1851. S. 3891.

[24] Wiener Medizinische Wochenschrift. 1852. Sp. 791.

[25] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 15.12.1868. S. 413.

[26] Wiener Medizinische Wochenschrift. 30.12.1871. Sp. 1272.

[27] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 4.3.1862. S. 84.

[28] Wiener Zeitung, 24.7.1853. S. 1757.

[29] Wiener Medizinische Wochenschrift. 20.3.1869. 1851. Sp. 395.

[30] Wiener Medizinische Wochenschrift. 14.8.1869. Sp. 1098.

[31] Wiener Medizinische Wochenschrift. 8.10.1870. Sp. 1163; 31.12.1870. Sp. 1462.

[32] Wiener Medizinische Wochenschrift. 26.11.1851 Sp. 1339-1342.

[33] Wiener Medizinische Wochenschrift. 28.6.1873. Sp. 630.

[34] Wiener Medizinische Wochenschrift. 4.4.1874. Sp. 283. Nr. 22. 1877. Sp. 544; Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 8.10.1901. S. 470.

[35] Die Presse. 1.1.1874. S. 8

[36] Wiener Medizinische Wochenschrift. 1.7.1871. Sp. 632.

[37] Wiener Medizinische Wochenschrift. 15.8.1891. Sp. 1377-1379.

[38] Wiener Medizinische Wochenschrift. 6.5.1865. Sp. 639-641.

[39] Wiener Medizinische Wochenschrift. 14.2.1866. Sp. 211-214.

[40] Wiener Medizinische Wochenschrift. 18.4.1866. Sp. 497.

[41] Neue Freie Presse. 10.5.1866. S. 4-5.

[42] Die Presse. 19.12.1866. S. 9.

[43] Neue Freie Presse. 3.12.1903. S. 8.

[44] Wiener Medizinische Wochenschrift. 31.7.1869. Sp. 1033.

[45] Wiener Medizinische Wochenschrift. 12.1.1870. Sp. 67-71.

[46] Wiener Medizinische Wochenschrift. 16.8.1879. Sp 893-894; 23.8.1879. Sp. 917-920.

[47] Wiener Medizinische Wochenschrift. 28.4.1888. Sp. 581-584.

[48] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 26.4.1892. S. 191.

[49] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 30.3.1888. S. 3.

[50] Deutsche Zeitung. 30.7.1872. S. 6.

[51] Wiener Medizinische Wochenschrift. 16.4.1881. Sp. 455.

[52] Wiener Medizinische Wochenschrift. 8.5.1886. Sp. 694.

[53] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 9.4.1901. S. 3.

[54] Wiener Medizinische Wochenschrift. 30.5.1868. Sp. 722; Neue Freie Presse. 28.1.1868. S. 7.

[55] Wiener Medizinische Wochenschrift. 29.8.1868. 1135-1137; 2.9.1868. Sp. 1149-1151.

[56] Wiener Medizinische Wochenschrift. 5.6.1869. 756-758; 9.6.1869. Sp. 774-775.

[57] Wiener Allgemeine Zeitung. 17.4.1888. S. 5.

[58] Wiener Medizinische Wochenschrift. 23.11.1895. Sp. 2044.

[59] Wiener Medizinische Wochenschrift. 30.7.1870. Sp. 909-911. 20.8.1870. Sp. 973-976; 27.8.1870. Sp. 997-998; 10.9.1870. Sp. 1047-1050; 17.9.1870. Sp. 1077-1079; 29.10.1870. Sp. 1235-1238; 14.1.1871. Sp. 39-41; 4.2.1871. Sp. 111-112.

[60] Wiener Medizinische Wochenschrift. 28.9.1872. Sp. 987-990; 5.10.1872. Sp. 1011-1014.

[61] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 31.8.1869. S. 310.

[62] Wiener Medizinische Wochenschrift. 26.11.1892. Sp. 1862. Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 8.11.1892. S. 519.

[63] Wiener Medizinische Wochenschrift. 9.12.1893. Sp. 2028.

[64] Das österreichische Sanitätswesen. 1893.

[65] Deutsches Volksblatt. 16.11.1901. S. 3. Siehe auch stattdessen Wiener Zeitung. 7.6.1902. Sp. 1130.

[66] Neue Freie Presse (Abendblatt). 8.8.1905. S. 2.

[67] Wiener Medizinische Wochenschrift. 25.4.1874. Sp. 349.

[68] Wiener Zeitung. 14.8.1875. S. 2.

[69] Wiener Medizinische Wochenschrift. 24.1.1885. Sp. 122.

[70] Neue Freie Presse. 8.11.1887. S. 5.

[71] Deutsche Zeitung. 26.2.1874. S. 4.

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