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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [169]: Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte sowie die Präsidenten des Vereines von 1945 bis heute (Teil 3)

Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte sowie die Präsidenten des Vereines von 1945 bis heute (Teil 3)

Text: Dr. Walter Mentzel, Dr. Johannes Kirchner

Die an der Zweigbibliothek für Zahnmedizin/UBMed-360 der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien sich befindende Bibliothek des 1861 gegründeten Vereins Österreichischer Zahnärzte (VÖZ), heute Österreichische Gesellschaft für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde (ÖGZMK), ist eine der ältesten vollständig erhaltenen österreichischen Vereinsbibliotheken eines medizinischen Fachvereines. In einem ersten Blogbeitrag wurde die Zeit von der Vereinsgründung bis zum Jahr 1889 thematisiert und in einem zweiten die weitere Entwicklung bis zu der von den Nationalsozialisten erzwungenen Einstellung der Vereinstätigkeit im Frühjahr 1938. Im nunmehrigen dritten und letzten Teil wird die Zeit zwischen der Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit im Jahr 1945 bis in die Gegenwart skizziert.

Zunächst kam es am 17. Oktober 1945 mit Bescheid des Staatsamtes für Inneres gemäß § 1, Abs. 2 des Vereins-Reorganisationsgesetzes vom 31. Juli 1945 (StGBl. Nr. 102) aufgrund eines entsprechenden Antrages zur Außerkraftsetzung der 1938 von den Nationalsozialisten auf Anordnung des Stillhaltekommissärs für Vereine, Organisationen und Verbände verfügten Auflösung des Vereines. Damit konnte der Verein gemäß § 5 Abs. 1 des neuen Vereins-Reorganisationsgesetzes in der Form, in der er bis 1938 bestanden hatte, unter Bedachtnahme der Gewahrung der Rechte der Vereinsmitglieder und der unveränderten Geltung der Statuten seine Tätigkeit wiederaufnehmen.

Gleichzeitig mit der formalen Wiederherstellung des Vereins wurde auch die Bestellung eines provisorischen Vereinsvorstandes geregelt. Der Vereinsbehörde im Staatsamt des Inneren wurden im Oktober 1945 als Mitglieder des provisorischen Vereinsvorstandes Dr. Fritz Driak (1900–1959), der zuvor auch zum provisorischen Leiter des Zahnärztlichen Universitätsinstitutes in Wien und zum Chefredakteur der „Österreichischen Zeitschrift für Stomatologie“ bestellt worden war,[1] weiters Dr. Hans Goldbach (1895-1977), der bereits im August 1945 als Vizepräsident in die provisorische Leitung der Ärztekammer berufen worden war,[2] und der 1961 zum Klinikvorstand ernannte Dr. Hans Langer (1907–1974) vorgeschlagen.[3] Die erste ordentliche Hauptversammlung des Vereins fand erst fünf Monate später am 19. März 1946 im Hörsaal des Zahnärztlichen Universitätsinstitutes statt. Zur ersten Monatsversammlung des Vereins, die ab nun wieder regelmäßig abgehalten wurden, kam es am 4. Juni 1946[4]. Hierbei wurde Driak zum ordentlichen Präsidenten gewählt. Er sollte diese Funktion bis zu seinem Tod im Jahr 1959 ausüben. Driak war seinerzeit Assistent des im Mai 1945 als Leiter der zahnärztlichen Universitätsklinik wegen seiner Involvierung und Verstrickung als Mitglied der NSDAP von seinem Amt enthobenen Dr. Hans Pichler (1877–1949) und vor 1938 Leiter des Heeresambulatoriums. Nachdem er sich 1946 habilitiert hatte, wurde er im selben Jahr zum Vorstand des Zahnärztlichen Institutes ernannt. 1949 erfolgte seine Berufung zum außerordentlichen und 1952 zum ordentlichen Professor, seit 1955 war er Ordinarius an der Wiener Universitäts-Zahnklinik.

Von ihm befinden sich im Bestand der Vereinsbibliothek Bücher mit dem Stempel „M.U. Dr. Fritz Driak“.


Abb.1: Meyer, Wilhelm: Lehrbuch der normalen Histologie und Entwicklungsgeschichte der Zähne des Menschen. München: Hanser 1951.

In seine Amtszeit fiel die im September 1951 begangene neunzigjährige Bestandsfeier des Vereins, die mit der Abhaltung eines internationalen Zahnärztekongresses verbunden war und die Ausgangspunkt der späteren Zahnärztetagungen und Zahnärztekongresse werden sollte. Nach Driaks Tod wurde 1959 Dr. Stefan Loos (1904–2000) sein Nachfolger an der Universitätsklinik, der auch zwischen 1960 und 1977 dem Verein als Präsident zur Verfügung stand. Anlässlich des Österreichischen Zahnärztetages 1977 kam es mit der Konstituierung der „Österreichischen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Verein Österreichischer Zahnärzte (gegr. 1861)“ (ÖGZMK) als Dachverband zur Neugestaltung des zahnärztlichen Vereinswesens, in dem die bestehenden Zahnärztevereine unter Beibehaltung ihrer weitestgehenden Eigenständigkeit als neun selbständige Landeszweigstellen mit eigenen Statuten integriert wurden, während sich der bisher bestehende „Zentralverband der wissenschaftlichen zahnärztlichen Vereinigungen“ auflöste. 1978 kam es zur Eingliederung der Dentisten in die Organisationsstruktur der ÖGZMK.

Von Loos besitzt die Bibliothek sowohl Bücher mit seinem Stempel als auch mit seinen handschriftlichen Besitzmerkmalen.

Abb. 2: Rech, Hermann: Keramische Prothetik: Porzellanfüllungen, Porzellankronen, Jacketkronen, Porzellanbrücken, Zahnfleischblöcke, Continuous-Gum-Arbeiten. Berlin: Meusser, 1927.

Abb. 3: Reis, Paul: Lehrbuch der Physik: einschließlich der Physik des Himmels (Himmelskunde), der Luft (Meteorologie) und der Erde (physikalische Geographie); gemäß der neueren Anschauung und mit den neuesten Fortschritten; für Gymnasien, Realschulen und andere höhere Lehranstalten. Leipzig: Quandt & Händel 1893.

An die Spitze des neugegründeten Dachverbandes trat nach Ablöse von Loos Dr. Koloman Keresztesi (1916–2000), der diese Position inklusive der Präsidentschaft des Wiener Zweigvereines bis 1983 innehatte. Unter ihm kam das Vermögen des ehemaligen Vereins österreichischer Zahnärzte in die Verantwortung des Wiener Zweigvereines am Standort der Wiener Universitätszahnklinik. Von Keresztesi besitzt die Vereinsbibliothek ebenfalls Bücher mit seinem Stempel.

Abb. 4: Meyer Wilhelm, Lehrbuch der normalen Histologie und Entwicklungsgeschichte der Zähne des Menschen. München 1951.

Keresztesis Nachfolger waren zwischen 1983 und 1985 Dr. Heinz Köle (1920-2015) und danach Dr. Kurt Gausch (1932-2018) sowie von 1989 bis 1993 Dr. Georg Watzek (geb. 1944). Zwischen 1993 und 2003 fungierte Dr. Rudolf Slavicek (1928-2022) als Präsident, danach bis 2011 Dr. Rudolf O. Bratschko (geb. 1940) und anschließend Dr. Herbert Haider (1949 -2021). Seit 2015 führt Dr. Walter Keidel (geb. 1957) die Geschicke des Dachverbandes.

Unter der Präsidentschaft von Gausch kam es am 24.9 1987 zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft „ARGE für Geschichte der Zahnheilkunde“. Am 3.12 wurde bei der konstituierenden Sitzung Dr. Johannes Kirchner (geb. 1956) zum Leiter bestimmt. Sein Hauptanliegen war es, die großartige Vergangenheit der österreichischen Zahnheilkunde im Austausch mit den historischen Ereignissen in Europa und Übersee darzustellen. Dass es in Wien das zweitälteste Zahnmuseum der Welt gab, sah er als einen Schatz, den er der Öffentlichkeit in Ausstellungen und Präsentationen vermitteln wollte. Den großen Erfindergeist und die hohe manuelle Geschicklichkeit der Zahnärzte und Dentisten weit über den Alltagsberuf hinaus öffentlich zu machen, lag ihm besonders am Herzen. Die hohen künstlerischen Fähigkeiten mancher Kollegen waren ihm Vorbild und Ansporn. Daher war die ÖGZMK (ehem. VÖZ) seiner Meinung nach die richtige Heimat für diese Sammlungen, wobei nicht nur die Exponate besonderes Augenmerk verlangten, sondern auch die großartige Bibliothek, die er im Auftrag des Vereines bis heute als Bibliothekar betreuen darf.

Wenn auch das Museum derzeit geschlossen ist, so hofft Kirchner, dass die Geschichte des Berufstandes niemals in Vergessenheit geraten wird, damit auch künftige Generationen über die Entwicklung der Zahnheilkunde staunen und von ihr lernen und profitieren können.

Wie auch in vielen anderen Vereinen kann die ÖGZMK wegen der Pandemie derzeit nicht ihren vielfältigen Aufgaben in dem von ihr angestrebten Ausmaß gerecht werden. So bleibt vor allem die Hoffnung, dass viele junge Kolleginnen und Kollegen das gemeinsame Lernen und die Weitergabe ihres Wissens an künftige Generationen auch weiterhin als wertvoll erachten mögen.


Abb. 5: Johannes Kirchner, copyright Oemus-Media-AG

Die Vereinsbibliothek

Die Vereinsbibliothek, die seit 1897 in den von Dr. Josef Ritter von Metnitz (1861-1905) zur Verfügung gestellten Räumen der Allgemeinen Poliklinik in Wien 9, Höfergasse 1/II ihren Platz gefunden hatte, dürfte in den späten 1920er oder frühen 1930er Jahren in das zahnärztliche Universitätsinstitut übersiedelt worden sein. 1936 wurden auch die Sammlungen des Vereines anlässlich des 9. Internationalen Zahnärztekongresses in Wien aus der Poliklinik in das zahnärztliche Museum im seit 1927 im ehemaligen Garnisonspital untergebrachten zahnärztlichen Universitätsinstitut transferiert. Driak, der seit 1930 als Assistent unter Pichler am Institut und an der Kieferstation tätig war, übte hier ab 1931 für drei Jahre als Nachfolger des seit 1928 als Bibliothekar eingesetzten Dr. Franz Péter (1889 -1963) die Funktion des Bibliothekars der Vereinsbibliothek aus. Sein Nachfolger war der 1938 als unbesoldeter Hochschulassistent am zahnärztlichen Institut tätige Dr. Hans Schächter (1906-1990), der nach dem „Anschluss“ im März 1938 wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten von der Universität vertrieben wurde und bereits am 17. März 1938 nach Großbritannien flüchtete, wo er sich in Bromley/Kent niederließ und seine Arbeit als Zahnarzt wieder aufnahm. Später änderte er seinen Namen in „Schachter“.

Mit der Wiederaufnahme des Vereinslebens im Jahr 1946 wurde Langer zum Bibliothekar und der 1974 zum Vorstand der zahnärztlichen Universitätsklinik ernannte Keresztesi zu seinem Stellvertreter bestellt. Danach waren ab 1955 Dr. Eduard Zitka (1901–1963), ab 1961 Dr. Erich Schuh (1921-1991) und seine Stellvertreterin Dr. Elisabeth Bauer (1925-2005), danach ab 1964 Keresztesi und ab 1970 Dr. Ernst Stich (geb.1927) sowie Keresztesi als Stellvertreter als Bibliothekar*innen mit der Führung der Vereinsbibliothek betraut. In den 1960er Jahren war die Bibliothek des Vereines in unmittelbarer Umgebung der Institutsbibliothek untergebracht. Der Verbleib an diesem Standort war jedoch wegen der Übersiedlung der Institutsbibliothek unsicher. So kam es auch in den folgenden Jahren wegen Platzmangels und Umbauarbeiten an der Zahnklinik mehrmals gemeinsam mit der Institutsbibliothek zu Übersiedlungen.

Neben den oben erwähnten Büchern der Vereinspräsidenten, die in den Bibliotheksbestand integriert wurden, finden sich auch noch Bücher aus dem früheren Besitz von Ärzt*innen und Mitgliedern des Vereins sowie aus Bücherschenkungen, die dem Verein zukamen, im Bibliotheksbestand. Darunter Bücher mit dem Stempel des Dentisten und Fachlehrers am Lehrinstitut für Dentisten Artur Litawsky (1894-1990).

Abb. 6: Heinrich, Erich: Die Helferin des Zahnarztes: ein Lehr- und Nachschlagbuch. Berlin: Berlinische Verl.-Anstalt, 1936.

Eine Widmung des Institutsdirektors Robert Licht (Autor der Schenkung) samt Stempel des Lehrinstitutes für Dentisten – Reichsverband Deutscher Dentisten.

Abb. 7: Licht, Robert: Die biotechnische Behandlung von Spaltbildungen und Defekten der Gaumenorgane. München: Verlag des Reichsverbandes der Dentisten, 1936.

Die 1977 erfolgte Gründung der ÖGZMK brachte die Entscheidung mit sich, die Bibliothek und das Museum der Obsorge des Zweigvereins Wien zu unterstellen. Stich wurde 1990 durch Dr. Christiane Weber (geb. 1946) als Bibliothekarin abgelöst, die diese Funktion 10 Jahre ausübte. 1996 wurde der ehemalige Bibliothekar der Universität Wien, Dkfm. Burkhard Klebel (1929 – 2017), auf Empfehlung des damaligen Kustos Dr. Johannes Kirchner verpflichtet, die erstmalige elektronische Erfassung des zirka 2000 Titel umfassenden Bestandes durchzuführen. Mit der Neuplanung der Universitätszahnklinik und der damit diskutierten Zusammenführung der Klinikbibliothek mit der Vereinsbibliothek kam es schließlich entsprechend dem Universitäts-Organisationsgesetz zur Übersiedlung der Bestände aller universitären Institutsbibliotheken in die Zentralbibliothek für Medi­zin an der Medizinischen Universität Wien (ZBMUW). Um die Vereinsbibliothek im Eigentum des Vereines zu erhalten, wurde 1998 ein Vertrag abgeschlossen, der die Eigentumsrechte bei dem Verein beließ und die Verwaltung des Bibliotheksbestandes sowie die Raum- und Ausstattungskosten an die heutige Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien übertrug. Der Bibliotheksbestand des Vereines ist seitdem am Standort der Zweigbibliothek für Zahnmedizin getrennt aufgestellt und als Vereinseigentum gekennzeichnet sowie der Zeitschriftenbestand als Ergänzung der Institutsreihen eingeordnet. Mit der damit erreichten Integration und direkten Anbindung der bereits online erfassten Bestände der Vereinsbibliothek in das zu dieser Zeit an österreichischen Bibliotheken verwendete Bibliothekssystem konnte erstmals weltweit der Zugriff auf den Onlinekatalog des Bibliotheksbestandes ermöglicht werden. Die Vereinsbibliothek wurde ab Oktober 1999 von der Mitarbeiterin der ZBMUW, Ilse Groke (geb. 1941), und von 2006 bis heute vom Bibliothekar der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, Gerhard Großhaupt (geb.1969) betreut, der seit 2019 von der Bibliothekarin Teresa Trzepizur (geb.1959) unterstützt wird. Im Jahr 2000 wurde Kirchner, Kustos der Bibliothek, gebeten, die Agenden des Bibliothekars im Wiener Zweigverein mitzuübernehmen. Im Zuge des Um- und Neubaus der Universitätszahnklinik (2008–2011) kam es im Nordflügel des Altbaus zur Errichtung einer Freihandbibliothek, wo nunmehr auch die Vereinsbibliothek an separierter Stelle bis heute ihren Platz hat.


Abb. 8: Die Vereinsbibliothek, Gerhard Großhaupt


Abb. 9: Gerhard Großhaupt und Teresa Trzepizur

Literatur und Quellen

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 28-42.

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: Geschichte der Vereinsbibliothek. S. 59-63.

Driak Fritz, Zahnärztliche Vereine und Zeitschriften. Zeitschrift für Stomatologie, 1946, S. 145.

Missbichler Manuela, Der Zahnmediziner Fritz Driak (1900-1959). Vorstand der Wiener Universitäts-Zahnklinik (1945/49-1959), Wien Dipl. Arb. 2007.

Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938: Hans Schächter (Schachter).

England & Wales, Todesverzeichnis, 1837-2005: Hans Schachter.

Keywords:

Verein Österreichischer Zahnärzte, Österreichische Gesellschaft für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde

Kontakt:

Zweigbibliothek für Zahnmedizin, UBMed-360
Sensengasse 2a BT6A-1090 Wien
Tel.: 01/40070/2990
Mag. Gerhard Grosshaupt, MSc
E-Mail: gerhard.grosshaupt@meduniwien.ac.at
Mitarbeiterin: Teresa Trzepizur

MR DDr. Johannes Kirchner
Ottakringerstrasse 64
A-1170 Wien
Tel: 01/4050325

Dr. Walter Mentzel
E-Mail: walter.mentzel@meduniwien.ac.at
Web: https://waltermentzel.wordpress.com/

[1] Neues Österreich. 14.10.1949. S. 2.

[2] Wiener Zeitung. 16.12.1945. S. 2.

[3] Kundmachung der Wiederaufnahme der Tätigkeit des Vereines „Verein österreichischer Zahnärzte“. In: Wiener Zeitung. 20.10.1945.

[4] Wiener Zeitung. 5.6.1946. S. 4.

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 38823 (08.04.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 04 26
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=38823
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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [119]: Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte sowie die Präsidenten des Vereines von 1889 bis 1938 (Teil 2)

Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte sowie die Präsidenten des Vereines von 1889 bis 1938 (Teil 2)

Text: Dr. Walter Mentzel, Dr. Johannes Kirchner

An der Zweigbibliothek für Zahnmedizin/UBMed-360 der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien befindet sich die Bibliothek einer der ältesten österreichischen medizinischen Fachvereine, des 1861 gegründeten Vereins Österreichischer Zahnärzte (VÖZ), heute Österreichische Gesellschaft für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde (ÖGZMK) . In einem ersten Blogbeitrag wurde die Zeit von der Vereinsgründung bis zum Jahr 1889 thematisiert, in diesem Beitrag folgt die Entwicklung des Vereines und der Bibliothek bis zum Jahr 1938.

Nach dem 1889 vollzogenen Rücktritt von Phillip Steinberger (1829-1903) als Präsident des Vereines, übernahm Regierungsrat Dr. Karl Fischer-Colbrie (1831-1909) – ein Aktivist der 1848er Revolution in Wien in den Reihen der „Akademischen Legion“ – die Vereinsführung.

Abb. 1    Karl Fischer-Colbrie. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 30.

Das Vereinslokal wechselte in die frühere Zahnarztpraxis von Steinberger, die vom Schriftführer und späteren Vizepräsidenten des Vereins Prof. Dr. Josef Ritter von Metnitz (1861-1905) übernommen worden war, und in der nunmehr neben der Sammlung auch die Bibliothek des Vereines untergebracht und von Metnitz seit 1889 bibliothekarisch betreut wurde.

Abb. 2    Prof. Dr. Josef Ritter von Metnitz (1861-1905). Aus: Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

Nach nur zwei Jahren kam es zur Wahl von Dr. Johann Pichler (1834-1904) zum Präsidenten des Vereines, der dieses Amt bis zum Jahr 1900 ausübte.

Abb. 3 Johann Pichler. Aus: Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

In seiner Amtsperiode erfuhr der Verein einen Bedeutungszuwachs durch die Wahl von Pichler zum Vertreter der Zahnärzte in der sich 1894 konstituierten Wiener Ärztekammer, sowie durch die Zuwächse bei der Zahl der Vereinsmitglieder und durch die Intensivierung der internationalen Kontakte, die sich u.a. an der Teilnahme am zahnärztlichen Kongress in Paris 1900 niederschlugen. Der Vereinsstandort wechselte erstmals außerhalb einer Privatwohnung eines Vereinsproponenten in die Räumlichkeiten der Wiener Poliklinik in Wien 9, Höfergasse 1, wo Metnitz eine erst neugeschaffene zahnärztliche Abteilung führte, und wo er die Bibliothek wie auch die Sammlung weiterhin verwaltete. In der Amtsperiode von Pichler wurden auch die offiziellen Sitzungsberichte des Vereines als „Berichte aus dem Verein österreichischer Zahnärzte“ (Monatsberichte) in der Wiener Klinischen Wochenschrift abgedruckt.[1]

Von Metnitz besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin in der Separata Bibliothek eine Reihe von Publikationen, sowie von ihm herausgegebenen oder verfassten Monografien, die sich im Bestand der Vereinsbibliothek an der Zweigbibliothek für Zahnmedizin befinden:

Heider, Moriz und Wedl, Carl: Atlas zur Pathologie der Zähne (= Atlas to the pathology of the teeth. Dem Executive Committee des Zahnärztlichen Welt-Congresses abgehalten in Chicago vom 17. bis 27. August 1893 in Hochachtung gewidmet von Metnitz). 2. verm. Aufl. Leipzig: Felix 1893.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V-0659]

Abb. 4    Heider, Moriz und Carl Wedl: Atlas zur Pathologie der Zähne.

Metnitz, Joseph R. von: Lehrbuch der Zahnheilkunde für praktische Ärzte und Studierende. Wien, Leipzig: Urban & Schwarzenberg 1891.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V-0300]

Abb. 5    Titelblatt: Metnitz: Lehrbuch der Zahnheilkunde […]. Wien und Leipzig: 1891.

Metnitz, Joseph R. von: Carl Wedl’s Pathologie der Zähne: 1. 2. umgearb. Aufl. Leipzig: Felix 1901.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V-0380]

Abb. 6    Cover: Metnitz: […] Pathologie der Zähne. 1. Bd. Leipzig: 1901.

Metnitz, Joseph R. von: Carl Wedl’s Pathologie der Zähne: 2. 2. umgearb. Aufl. Leipzig: Felix 1903.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V-0381]

Abb. 7    Cover: Metnitz: […] Pathologie der Zähne. 2. Bd. Leipzig: 1903.

Als Nachfolger von Johann Pichler wurde der 1863 in den Verein als Mitglied eingetretene Zahnarzt Regierungsrat Dr. Karl Jarisch (1839-1915) zum Präsidenten gewählt. Jarisch stammte aus einer angesehenen Wiener Ärztefamilie und hatte wie sein Vorgänger als Präsident des Vereines in der Wiener Ärztekammer und in den Verwaltungsgremien des „Doctoren-Kollegiums“ hohe Funktionen inne.

Abb. 8 Karl Jarisch. Aus: Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

Jarisch hatte bereits als Vizesekretär des Vereines die Betreuung der Bibliothek übernommen und die Benutzungsbestimmungen entworfen, sowie Bücher der Vereinsbibliothek als Schenkung überlassen.

Abb. 9    Exlibris Jarisch [Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V296]

Unter seiner Amtszeit erfuhr der Verein eine weitere Internationalisierung: 1901, zum 40-jährigen Jubiläum der Vereinsgründung, wurden eine Reihe prominenter Wissenschafter aus dem In- und Ausland zu Ehrenmitgliedern des Vereines ernannt, darunter Emil Zuckerkandl,[2] 1906 beteiligte sich der Verein an der Hygiene Ausstellung in Wien, und 1910 erfolgte der Beitritt des VÖZ zur Association Stomatologique Internationale. In die Amtsperiode von Jarisch fällt auch die gemeinsam von dem VÖZ mit dem „Verein Wiener Zahnärzte“ 1902 durchgeführte Gründung des „Zentralverband Österreichischer Stomatologen“, zu dessen ersten Präsident Jarisch gewählt wurde, und die Übernahme der Herausgeberschaft der ebenfalls seit 1902 bestehenden „Österreichischen Zeitschrift für Stomatologie“ durch den VÖZ.

Die Zeitschrift Österreichische Zeitschrift für Stomatologie. Monatsschrift für wissenschaftliche und praktische Zahnheilkunde befindet sich heute an der Zweigbibliothek für Zahnmedizin.

Österreichische Zeitschrift für Stomatologie. Monatsschrift für wissenschaftliche und praktische Zahnheilkunde

Abb. 10

Abb. 10 und 11    Österreichische Zeitschrift für Stomatologie. Monatsschrift für wissenschaftliche und praktische Zahnheilkunde.

Die Bibliothek, die 1897 in die Allgemeine Poliklinik in Wien 9, Höfergasse 1/II verlegt wurde, leitete als Nachfolger von Metnitz, nunmehr der Zahnarzt Dr. Siegfried Ornstein (1869-1928), der 1911 anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Vereines federführend eine Festschrift konzipierte und verfasste.

Ornstein, Siegfried: Der Verein österreichischer Zahnärzte von 1861-1911. Eine geschichtliche Schilderung. Sonderabdruck aus: Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte. Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

[Universitätsbibliothek MedUni Wien – Magazin, Sign.: 2017-05480]

Auf Jarisch folgte 1912 Dr. Richard Breuer (1863-1945) als Präsident des Vereines nach, der diese Funktion bis 1925 ausübte. Nachdem es während des Ersten Weltkrieges kriegsbedingt zu einem nahezu völligen Erliegen der Vereinstätigkeit kam, sah sich der Verein nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund zahlreicher zahnärztlicher Vereinsgründungen, die unterschiedlich divergierende Interessen wahrnahmen, mit einem Bedeutungsverlust konfrontiert, der auch seine Gestaltungsmöglichkeiten in berufs- und standesspezifischen Belangen massiv reduzierte.

Abb. 12  Breuer Richard. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 31.

Breuer unterstütze die Erweiterung der Bibliothek durch eine Reihe von Bücherschenkungen, die seine Widmungen tragen.

Abb. 13  Widmung Richard Breuer [Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V824].

Die wissenschaftlichen Arbeiten von Breuer befinden sich heute in der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin in der Separata Bibliothek an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien.

Unter seinem Nachfolger Dr. Franz Zeliska (1873-1944), der bis 1930 das Präsidentenamt innehatte, beteiligte sich der Verein an der Gründung der European Ortodontic Society in Berlin. Während der Amtszeit seines Nachfolgers, Dr. Anton Schlemmer (1883-1935), trat der Verein, wie alle anderen zahnärztlichen Vereine, dem 1931 gegründeten „Reichsverband Österreichischer Zahnärzte“ bei, der nunmehr vor allem die standespolitischen Interessen der österreichischen Zahnärzte vertrat.

Abb. 14  Franz Zeliska. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 31.

Auch Schlemmer überließ wie Breuer und Jarisch zahnärztliche Literatur der Vereinsbibliothek.

Abb. 15  Anton Schlemmer. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 31.

Abb. 16  Stempel Dr. Schlemmer [Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V841]

Nach dem Tod von Schlemmer folgte ihm 1935 Dr. Hans Schwabe (1886-1975) als Vereinspräsident nach, der bis zur Niederlegung der Vereinstätigkeit nach dem „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 diese Funktion ausübte.

Abb. 17  Hans Schwabe. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 32.

Die letzte Monatssitzung des Vereines fand am 2. März 1938 statt. Im Frühjahr 1938 stellte der Verein seine Tätigkeit ein. Über eine vereinsrechtliche Löschung und Auflösung des Vereines durch die NS-Stellen, wie den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände Wien, ist bislang nichts bekannt.

Literatur und Quellen

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 28-42.

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: Geschichte der Vereinsbibliothek. S. 59-63.

Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A 32 – Gelöschte Vereine, Zl. 4667/1923-1938.

UAW, Medizinische Fakultät, Promotionsprotokoll 1874-1890, Sign. 186, Zl. 1696, Metnitz Ritter von (13.6.1885).

UAW, Medizinische Fakultät, Rigorosenprotokoll 1872-1894, Sign. 177, Zl. 245b, (Rigorosum 1882), Metnitz Ritter von (21.12.1861)

UAW, Medizinische Fakultät, Rigorosenprotokoll 1821-1871, Sign. 170, Zl. 11a, (Rigorosum 1862), Jarisch Karl (2.11.1839 Wien).

UAW, Medizinische Fakultät, Promotionsprotokoll 1854-1865, Sign. 181, Zl. 1.007, (Promotion 14.4.1862) Jarisch Karl (2.11.1839 Wien).

UAW, Medizinische Fakultät, Promotionsprotokoll 1854-1865, Sign. 181, Zl. 543, Chirurgie Sponsion (15.7.1862), Jarisch Karl (2.11.1839 Wien).

UAW, Dekanat, Med 9.2 Chirurgen 1822 – 1890, Jarisch Karl (Chirurg.Dr.med, Rigorosum (11.7.1865) Ergänzung dentista, approb. Wien.

UAW, Medizinische Fakultät, Rigorosenprotokoll 1821-1871, Sign. 170, Zl. 196, (Rigorosum 1860), Pichler Johann (17.11.1834).

Kontakt:

Zweigbibliothek für Zahnmedizin, UBMed-360
Sensengasse 2a BT6A-1090 Wien
Tel.: 01/40070/2990
Mag. Gerhard Grosshaupt, MSc
E-Mail: gerhard.grosshaupt@meduniwien.ac.at

MR DDr. Johannes Kirchner
Ottakringerstrasse 64
A-1170 Wien
Tel: 01/4050325

Dr. Walter Mentzel
E-Mail: walter.mentzel@meduniwien.ac.at
Web: https://waltermentzel.wordpress.com/

[1] Exemplarisch: Wiener Klinische Wochenschrift. 6.7.1899. S. 735.

[2] Internationale klinische Rundschau. Nr. 47. 1901. S. 898.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [109]: Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte und die darin enthaltenen Büchersammlungen sowie dessen Mitglieder von der Vereinsgründung 1861 bis 1889 (Teil 1)

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [109]:
Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte und die darin enthaltenen Büchersammlungen sowie dessen Mitglieder von der Vereinsgründung 1861 bis 1889 (Teil 1)

Text: Dr. Walter Mentzel, Dr. Johannes Kirchner

An der Zweigbibliothek für Zahnmedizin/UBMed-360 der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien befindet sich die Bibliothek des Vereins Österreichischer Zahnärzte (VÖZ), der auf eine fast 160 jährige Geschichte verweisen kann. Diese schon seit dem Gründungsjahr des Vereines 1861 aufgebaute Bibliothek ist heute die einzige in ihrem vollen Umfang und als eigenständiger Bestand erhalten gebliebene medizinische Vereinsbibliothek aus der Zeit der „Ersten und Zweiten medizinischen Schule“ im 19. Jahrhundert, in der zahlreiche medizinische Fachvereine gegründet worden waren, deren Bibliotheksbestände aber heute nur mehr rudimentär und zersplittert erhalten sind. Die Bibliothek befindet sich nach wie vor im Eigentum des Vereines, ist separat aufgestellt, und wird vertraglich seit 1998 bibliothekarisch von der Zweigbibliothek für Zahnmedizin an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien verwaltet und betreut. Sie enthält heute etwa 2.000 Titel. 1977 erfolgte im Zuge der Neustrukturierung der zahnärztlichen Vereine Österreichs die Umbenennung des Vereins in Österreichische Gesellschaft für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde (ÖGZMK), wobei im Titel „Verein Österreichischer Zahnärzte (gegr. 1861)“ erhalten blieb.

Abb. 1 und 2  Die Bibliothek an ihrem heutigen Standort: Zweigbibliothek für Zahnmedizin.

Bibliothekar: Mag. Gerhard Grosshaupt, MSc. Foto© Dr. Walter Mentzel

Diese Vereinsbibliothek wurde neben gezielten Ankäufen vor allem durch die Übernahme von Nachlässen und Schenkungen der Vereinsmitglieder und deren Führungsorganen aufgebaut. Sie lassen sich durch die in den Büchern enthaltenen ursprünglichen Besitzstempel, Exlibris und Widmungen zuordnen.

Abb. 3    Bibliotheksstempel 1: V 236

Abb. 4    Bibliotheksstempel 2: V 431

Abb. 5    Bibliotheksstempel 3

Der Verein Österreichischer Zahnärzte wurde, nachdem die Genehmigung des Statutenentwurfes durch das Ministerium des Inneren und den Kaiser im April 1861 erteilt worden war, im August desselben Jahres als österreichischer Lokalverein des 1859 im Rahmen des Deutschen Bundes gegründeten Centralvereins Deutscher Zahnärzte ins Leben gerufen und begann die Aufnahme seiner Tätigkeit im November mit der konstituierenden Sitzung.

Heiders Bedeutung für die Zahnheilkunde in Europa kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden:

Als sich am 1. August 1859 26 Zahnärzte aus den Ländern des Deutschen Bundes in Berlin zur Gründung des oben genannten Centralvereines trafen, war Moriz Heider (*21.6.1816 Wien, gest. 29.7.1866 Wien) der einzige Österreicher darunter. Es zeigt, welches Ansehen er bei seinen Kollegen genoss, dass er bei der zwei Tage später stattgefundenen Vorstandswahl zum Vorsitzenden gekürt wurde. Sowohl im Centralverein als auch im VÖZ übte er dieses Amt bis zu seinem Tod aus.

Der Zweck des VÖZ war laut Statuten die „Hebung des Standes der Zahnärzte in wissenschaftlicher, socialer und collegialer Beziehung, sowie Förderung der Forschung auf dem Gebiet der zahnärztlichen Wissenschaft und Anwendung derselben in der Praxis.“ Unter Punkt c.) hieß es als weitere Zielsetzung des Vereines: „Gründung eines zahnärztlichen Lesevereines in Verbindung mit einer zahnärztlichen Bibliothek und derlei Sammlungen.“ Neben der Einrichtung einer Bibliothek war auch deren Betreuung durch die Schriftführer des Vereins vorgesehen und geregelt.[1] Die Anschaffungen von Büchern und Zeitschriften für die Bibliothek speisten sich aus den Mitgliederbeiträgen. Die Bibliothek nahm in den ersten Jahrzehnten eine zentrale Rolle der Vereinstätigkeit ein und sollte vor allem die Aus- und Weiterbildung der Vereinsmitglieder fördern und den Mangel an zugänglicher wissenschaftlicher Literatur und die fehlende universitäre Verankerung an der Universität Wien in diesem Fachgebiet ausgleichen.

Abb. 6    Fotografie: Moriz Heider, ca. 1850, © Dr. Johannes Kirchner

Der Verein publizierte bis 1920 seine Jahresberichte. Sie stellen heute eine Primärquelle für die Forschung zu der Tätigkeit des Vereines dar und befinden sich im Bestand der Vereinsbibliothek an der Zweigbibliothek für Zahnmedizin:

Jahresbericht des Vereins Österreichischer Zahnärzte. Wien: 1862-1920.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 1152]

Moriz Heider war es auch, der die erste Büchersammlung aus dem Nachlass seines in Pest geborenen Lehrers, des Zahnarztes, kaiserlichen Leibzahnarztes und ersten Vortragenden der Zahnheilkunde an der Universität Wien, Georg Carabelli, Edler von Lunkaszprie (1787/88-1842), in die im Entstehen begriffene Vereinsbibliothek übernommen hatte und damit den Grundstock der Vereinsbibliothek schuf. Obwohl diese Bücher aus seiner Provenienz heute nicht mehr zuzuordnen sind, so findet sich ein Buch im Bestand, das durch eine Schenkung an Carabelli, auf dessen Besitz hinweist.

Abb. 7   V 153

Müller, Joseph Oswald: Das Kaltwasser und seine heilkräftigen Beziehungen zu Zahnkrankheiten. Als Anleitung zur begründeten und Zweck gemässen Anwendung dieses Heilmittels, mit besonderer Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des nichtärztlichen Publikums dargestellt durch Krankengeschichten erläutert. Wien: Eigenverlag 1840.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 153]

So wie sein Lehrer, Georg Carabelli, hat Heider nach seinem frühen Tod 1866 dem Verein neben seiner Präparaten-Sammlung auch seine Bibliothek, wie aus 26 handschriftlichen Eigentumsvermerken hervorgeht, noch am Totenbett seinem Freund und Hausarzt H. Med. Rat Dr. Schneller überantwortet, „mit der Bitte […], diese Gegenstände unserem Vereinals ein ewiges Andenken zu übergeben.[2] Im Jahresbericht 1867 des Vereines österreichischer Zahnärzte ist auch erstmals die Größe der Bibliothek mit 157 Signaturen, die neben Bücher auch ausländische Zeitschriften (zwei amerikanische und drei englische) sowie ein Bücherverzeichnis enthielt, überliefert. Das Vereinsmitglied Dr. Theodor Hartmann hatte sich dieser zeitraubenden Arbeit bereitwillig unterzogen, und in Kooperation mit dem Sekretär des Vereines, der für die Bibliothek zuständig war, sowohl von der Bibliothek als auch von der Präparate-Sammlung vollständige Kataloge erfasst. Zu dieser Zeit wurde auch erstmals eine gezielte Ankaufs- und Erwerbungsstrategie entworfen, und zwar sollten durch Vorschlag eines jeden Mitgliedes und eines folgenden Majoritätsbeschlusses die Bücherwerbungen des Vereines finalisiert werden. Insgesamt verwendete der Verein in den ersten Jahren zirka ein Drittel der Vereinsausgaben für den Aufbau der Bibliothek und der Bindung von nicht gebundenen Zeitschriften. 1867 kam es zur Wahl von Philipp Jarisch (*3.7.1804, gest. 9.11.1887, Wien) zum Vereinspräsidenten und der Vicesekretär des Vereines Carl Jarisch übernahm die Betreuung der Bibliothek.

Abb. 8 und 9   Statuten des Vereines. Aus: 30. Jahresbericht des Vereines österreichischer Zahnärzte 1890-1891. Wien 1891.

Von Philipp Jarisch sind auch Bücher in der Vereinsbibliothek erhalten, die durch seine handschriftlichen Besitzvermerke identifizierbar sind.

Abb.   10 V 13

Albrecht, Eduard: Die Krankheiten an der Wurzelhaut der Zähne. Berlin: Verlag von Hermann Peters 1869.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 13]

Philipp Jarisch wurde 1870 durch den ehemaligen Assistenten von Heider, Phillip Steinberger (1829-1903), abgelöst, der bis 1889 das Amt ausübte. Auch Steinberger, der seit der Gründung im Jahr 1861 Mitglied des Vereines war, habilitierte sich 1863 für Zahnheilkunde, und setzte sich wie sein Vorgänger für die Gründung einer eigenen zahnärztlichen Ausbildungsstätte an der Universität Wien ein. Er hinterließ seine Büchersammlung dem Verein – darunter Bücher aus seiner Studentenzeit – die durch die in seinen Büchern erhaltenen Exlibris zuordenbar ist.

Abb. 11   Philipp Steinberger

Steinberger kennzeichnete seine Bibliothek mit einem zweifärbigen in rot oder blau gehaltenen Exlibris.

Abb. 12    V 431

Rokitansky, Carl: Handbuch der pathologischen Anatomie. Bd. 2. Wien: Bei Braumüller & Seidel 1844.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 431]

Abb. 13   V 520

Henle, Jacob: Anatomischer Hand-Atlas zum Gebrauch im Secirsaal. Erstes Heft: Knochen, Bänder und Muskeln. Braunschweig: Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn 1871.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 520]

In die Amtsperiode von Steinberger fällt auch die im Jahr 1885 getroffene Entscheidung, erstmals für die sich zusehends vergrößernde Bibliothek einen eigenen vom Vorstand gewählten Bibliothekar einzusetzen (lt. Statutenänderung vom 19.Februar 1885). Der erste in dieser Funktion war Dr. Emil Martin, der diese Funktion von 1885 bis 1889 Inne hatte. Ihm folgten von 1889 bis 1897 der als Sekretär des Vereines und ab 1894 als Vorstand der zahnärztlichen Abteilung der Allgemeinen Poliklinik in Wien fungierende, Prof. Dr. Josef Ritter von Metnitz (1861-1905), und ab 1897 Dr. Siegfried Ornstein (1869-1928), der auch den historischen Abriss der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Vereines 1921 verfasste. Der Standort der Bibliothek war seit 1861 mit jenem des Vereines ident und befand sich zunächst ab 1861 in Wien 1, Brandstätte 7/Haus 628, in der ehemaligen Ordination von Carabelli, die nach dessen Tod von Moriz Heider übernommen worden war und danach an Philipp Steinberger überging. Dieses Haus wurde 1873 demoliert und so übersiedelte der Vereinssitz samt seiner bis dahin 251 Bücher und 17 Journale umfassende Bibliothek an den Standort „Am Hof Nr. 13“ in Wien, wo Steinberger sowohl seine neue Wohnung als auch seine Arztpraxis gefunden hatte. 1890 übersiedelte die Bibliothek in die Wohnung des Bibliothekars Josef Metnitz (1861-1905), in die unmittelbare Nähe des Vereinssitzes Am Hof Nr. 11. Die Vereinsbibliothek besitzt aus dieser Periode noch weitere Büchersammlungen von den Mitgliedern des Vereines, wie beispielsweise Bücher des Mitarbeiters von Moriz Heider, Adolph Zsigmondy (1816-1880), einem in Pressburg geborenen Zahnarzt und Leibzahnarzt der Kaiserin Elisabeth (1837-1898), der seit der Gründung des Vereines dessen Mitglied war.

Abb. 14   Josef Ritter von Metnitz

Abb. 15   V 347

Nessel, Franz: Handbuch der Zahnheilkunde. Prag: In Commission bei J.G. Calve1840.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 347]

Ebenfalls im Bücherbestand integriert befindet sich die Büchersammlung des ehemaligen im Februar 1884 auf einer konstituierenden Versammlung gegründeten „Verein Wiener Zahnärzte“, die vom VÖZ übernommen wurde.

Abb. 16

Abb. 17

Adler, Heinrich: Ein halbes Jahrtausend: Festschrift, anlässlich des 500jährigen Bestandes der Acta facultatismedicaeVindobonensis. Wien: Verlag des Wiener Medicinisches Doctoren-Collegiums 1899.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: G 0005]

Literatur:

Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A 32 – Gelöschte Vereine, Zl. 4667/1923-1938.

  1. Jahresbericht des Vereines österreichischer Zahnärzte 1890-1891. Wien 1891.

Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien 1911.

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 28-42.

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: Geschichte der Vereinsbibliothek. S. 59-63.

Kontakt:

Zweigbibliothek für Zahnmedizin, UBMed-360
Sensengasse 2a BT6
A-1090 Wien
Tel.: 01/40070/2990
Mag. Gerhard Grosshaupt, MSc
E-Mail: gerhard.grosshaupt@meduniwien.ac.at

MR DDr. Johannes Kirchner
Ottakringerstrasse 64
A-1170 Wien
Tel: 01/4050325

Dr. Walter Mentzel
E-Mail: walter.mentzel@meduniwien.ac.at
Web: https://waltermentzel.wordpress.com/

[1]30. Jahresbericht des Vereines österreichischer Zahnärzte 1890-1891. Wien 1891.

[2]Nachruf auf Professor Dr. Heider, vorgetragen von Dr. Jarischsen: 5. Jahresbericht des VÖZ. 14.11.1866. S. 15.