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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [119]: Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte sowie die Präsidenten des Vereines von 1889 bis 1938 (Teil 2)

Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte sowie die Präsidenten des Vereines von 1889 bis 1938 (Teil 2)

Text: Dr. Walter Mentzel, Dr. Johannes Kirchner

An der Zweigbibliothek für Zahnmedizin/UBMed-360 der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien befindet sich die Bibliothek einer der ältesten österreichischen medizinischen Fachvereine, des 1861 gegründeten Vereins Österreichischer Zahnärzte (VÖZ), heute Österreichische Gesellschaft für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde (ÖGZMK) . In einem ersten Blogbeitrag wurde die Zeit von der Vereinsgründung bis zum Jahr 1889 thematisiert, in diesem Beitrag folgt die Entwicklung des Vereines und der Bibliothek bis zum Jahr 1938.

Nach dem 1889 vollzogenen Rücktritt von Phillip Steinberger (1829-1903) als Präsident des Vereines, übernahm Regierungsrat Dr. Karl Fischer-Colbrie (1831-1909) – ein Aktivist der 1848er Revolution in Wien in den Reihen der „Akademischen Legion“ – die Vereinsführung.

Abb. 1    Karl Fischer-Colbrie. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 30.

Das Vereinslokal wechselte in die frühere Zahnarztpraxis von Steinberger, die vom Schriftführer und späteren Vizepräsidenten des Vereins Prof. Dr. Josef Ritter von Metnitz (1861-1905) übernommen worden war, und in der nunmehr neben der Sammlung auch die Bibliothek des Vereines untergebracht und von Metnitz seit 1889 bibliothekarisch betreut wurde.

Abb. 2    Prof. Dr. Josef Ritter von Metnitz (1861-1905). Aus: Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

Nach nur zwei Jahren kam es zur Wahl von Dr. Johann Pichler (1834-1904) zum Präsidenten des Vereines, der dieses Amt bis zum Jahr 1900 ausübte.

Abb. 3 Johann Pichler. Aus: Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

In seiner Amtsperiode erfuhr der Verein einen Bedeutungszuwachs durch die Wahl von Pichler zum Vertreter der Zahnärzte in der sich 1894 konstituierten Wiener Ärztekammer, sowie durch die Zuwächse bei der Zahl der Vereinsmitglieder und durch die Intensivierung der internationalen Kontakte, die sich u.a. an der Teilnahme am zahnärztlichen Kongress in Paris 1900 niederschlugen. Der Vereinsstandort wechselte erstmals außerhalb einer Privatwohnung eines Vereinsproponenten in die Räumlichkeiten der Wiener Poliklinik in Wien 9, Höfergasse 1, wo Metnitz eine erst neugeschaffene zahnärztliche Abteilung führte, und wo er die Bibliothek wie auch die Sammlung weiterhin verwaltete. In der Amtsperiode von Pichler wurden auch die offiziellen Sitzungsberichte des Vereines als „Berichte aus dem Verein österreichischer Zahnärzte“ (Monatsberichte) in der Wiener Klinischen Wochenschrift abgedruckt.[1]

Von Metnitz besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin in der Separata Bibliothek eine Reihe von Publikationen, sowie von ihm herausgegebenen oder verfassten Monografien, die sich im Bestand der Vereinsbibliothek an der Zweigbibliothek für Zahnmedizin befinden:

Heider, Moriz und Wedl, Carl: Atlas zur Pathologie der Zähne (= Atlas to the pathology of the teeth. Dem Executive Committee des Zahnärztlichen Welt-Congresses abgehalten in Chicago vom 17. bis 27. August 1893 in Hochachtung gewidmet von Metnitz). 2. verm. Aufl. Leipzig: Felix 1893.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V-0659]

Abb. 4    Heider, Moriz und Carl Wedl: Atlas zur Pathologie der Zähne.

Metnitz, Joseph R. von: Lehrbuch der Zahnheilkunde für praktische Ärzte und Studierende. Wien, Leipzig: Urban & Schwarzenberg 1891.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V-0300]

Abb. 5    Titelblatt: Metnitz: Lehrbuch der Zahnheilkunde […]. Wien und Leipzig: 1891.

Metnitz, Joseph R. von: Carl Wedl’s Pathologie der Zähne: 1. 2. umgearb. Aufl. Leipzig: Felix 1901.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V-0380]

Abb. 6    Cover: Metnitz: […] Pathologie der Zähne. 1. Bd. Leipzig: 1901.

Metnitz, Joseph R. von: Carl Wedl’s Pathologie der Zähne: 2. 2. umgearb. Aufl. Leipzig: Felix 1903.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V-0381]

Abb. 7    Cover: Metnitz: […] Pathologie der Zähne. 2. Bd. Leipzig: 1903.

Als Nachfolger von Johann Pichler wurde der 1863 in den Verein als Mitglied eingetretene Zahnarzt Regierungsrat Dr. Karl Jarisch (1839-1915) zum Präsidenten gewählt. Jarisch stammte aus einer angesehenen Wiener Ärztefamilie und hatte wie sein Vorgänger als Präsident des Vereines in der Wiener Ärztekammer und in den Verwaltungsgremien des „Doctoren-Kollegiums“ hohe Funktionen inne.

Abb. 8 Karl Jarisch. Aus: Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

Jarisch hatte bereits als Vizesekretär des Vereines die Betreuung der Bibliothek übernommen und die Benutzungsbestimmungen entworfen, sowie Bücher der Vereinsbibliothek als Schenkung überlassen.

Abb. 9    Exlibris Jarisch [Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V296]

Unter seiner Amtszeit erfuhr der Verein eine weitere Internationalisierung: 1901, zum 40-jährigen Jubiläum der Vereinsgründung, wurden eine Reihe prominenter Wissenschafter aus dem In- und Ausland zu Ehrenmitgliedern des Vereines ernannt, darunter Emil Zuckerkandl,[2] 1906 beteiligte sich der Verein an der Hygiene Ausstellung in Wien, und 1910 erfolgte der Beitritt des VÖZ zur Association Stomatologique Internationale. In die Amtsperiode von Jarisch fällt auch die gemeinsam von dem VÖZ mit dem „Verein Wiener Zahnärzte“ 1902 durchgeführte Gründung des „Zentralverband Österreichischer Stomatologen“, zu dessen ersten Präsident Jarisch gewählt wurde, und die Übernahme der Herausgeberschaft der ebenfalls seit 1902 bestehenden „Österreichischen Zeitschrift für Stomatologie“ durch den VÖZ.

Die Zeitschrift Österreichische Zeitschrift für Stomatologie. Monatsschrift für wissenschaftliche und praktische Zahnheilkunde befindet sich heute an der Zweigbibliothek für Zahnmedizin.

Österreichische Zeitschrift für Stomatologie. Monatsschrift für wissenschaftliche und praktische Zahnheilkunde

Abb. 10

Abb. 10 und 11    Österreichische Zeitschrift für Stomatologie. Monatsschrift für wissenschaftliche und praktische Zahnheilkunde.

Die Bibliothek, die 1897 in die Allgemeine Poliklinik in Wien 9, Höfergasse 1/II verlegt wurde, leitete als Nachfolger von Metnitz, nunmehr der Zahnarzt Dr. Siegfried Ornstein (1869-1928), der 1911 anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Vereines federführend eine Festschrift konzipierte und verfasste.

Ornstein, Siegfried: Der Verein österreichischer Zahnärzte von 1861-1911. Eine geschichtliche Schilderung. Sonderabdruck aus: Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte. Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

[Universitätsbibliothek MedUni Wien – Magazin, Sign.: 2017-05480]

Auf Jarisch folgte 1912 Dr. Richard Breuer (1863-1945) als Präsident des Vereines nach, der diese Funktion bis 1925 ausübte. Nachdem es während des Ersten Weltkrieges kriegsbedingt zu einem nahezu völligen Erliegen der Vereinstätigkeit kam, sah sich der Verein nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund zahlreicher zahnärztlicher Vereinsgründungen, die unterschiedlich divergierende Interessen wahrnahmen, mit einem Bedeutungsverlust konfrontiert, der auch seine Gestaltungsmöglichkeiten in berufs- und standesspezifischen Belangen massiv reduzierte.

Abb. 12  Breuer Richard. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 31.

Breuer unterstütze die Erweiterung der Bibliothek durch eine Reihe von Bücherschenkungen, die seine Widmungen tragen.

Abb. 13  Widmung Richard Breuer [Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V824].

Die wissenschaftlichen Arbeiten von Breuer befinden sich heute in der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin in der Separata Bibliothek an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien.

Unter seinem Nachfolger Dr. Franz Zeliska (1873-1944), der bis 1930 das Präsidentenamt innehatte, beteiligte sich der Verein an der Gründung der European Ortodontic Society in Berlin. Während der Amtszeit seines Nachfolgers, Dr. Anton Schlemmer (1883-1935), trat der Verein, wie alle anderen zahnärztlichen Vereine, dem 1931 gegründeten „Reichsverband Österreichischer Zahnärzte“ bei, der nunmehr vor allem die standespolitischen Interessen der österreichischen Zahnärzte vertrat.

Abb. 14  Franz Zeliska. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 31.

Auch Schlemmer überließ wie Breuer und Jarisch zahnärztliche Literatur der Vereinsbibliothek.

Abb. 15  Anton Schlemmer. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 31.

Abb. 16  Stempel Dr. Schlemmer [Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V841]

Nach dem Tod von Schlemmer folgte ihm 1935 Dr. Hans Schwabe (1886-1975) als Vereinspräsident nach, der bis zur Niederlegung der Vereinstätigkeit nach dem „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 diese Funktion ausübte.

Abb. 17  Hans Schwabe. Aus: 150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 32.

Die letzte Monatssitzung des Vereines fand am 2. März 1938 statt. Im Frühjahr 1938 stellte der Verein seine Tätigkeit ein. Über eine vereinsrechtliche Löschung und Auflösung des Vereines durch die NS-Stellen, wie den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände Wien, ist bislang nichts bekannt.

Literatur und Quellen

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 28-42.

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: Geschichte der Vereinsbibliothek. S. 59-63.

Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien: Verlag des Vereines österreichischer Zahnärzte 1911.

Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A 32 – Gelöschte Vereine, Zl. 4667/1923-1938.

UAW, Medizinische Fakultät, Promotionsprotokoll 1874-1890, Sign. 186, Zl. 1696, Metnitz Ritter von (13.6.1885).

UAW, Medizinische Fakultät, Rigorosenprotokoll 1872-1894, Sign. 177, Zl. 245b, (Rigorosum 1882), Metnitz Ritter von (21.12.1861)

UAW, Medizinische Fakultät, Rigorosenprotokoll 1821-1871, Sign. 170, Zl. 11a, (Rigorosum 1862), Jarisch Karl (2.11.1839 Wien).

UAW, Medizinische Fakultät, Promotionsprotokoll 1854-1865, Sign. 181, Zl. 1.007, (Promotion 14.4.1862) Jarisch Karl (2.11.1839 Wien).

UAW, Medizinische Fakultät, Promotionsprotokoll 1854-1865, Sign. 181, Zl. 543, Chirurgie Sponsion (15.7.1862), Jarisch Karl (2.11.1839 Wien).

UAW, Dekanat, Med 9.2 Chirurgen 1822 – 1890, Jarisch Karl (Chirurg.Dr.med, Rigorosum (11.7.1865) Ergänzung dentista, approb. Wien.

UAW, Medizinische Fakultät, Rigorosenprotokoll 1821-1871, Sign. 170, Zl. 196, (Rigorosum 1860), Pichler Johann (17.11.1834).

Kontakt:

Zweigbibliothek für Zahnmedizin, UBMed-360
Sensengasse 2a BT6A-1090 Wien
Tel.: 01/40070/2990
Mag. Gerhard Grosshaupt, MSc
E-Mail: gerhard.grosshaupt@meduniwien.ac.at

MR DDr. Johannes Kirchner
Ottakringerstrasse 64
A-1170 Wien
Tel: 01/4050325

Dr. Walter Mentzel
E-Mail: walter.mentzel@meduniwien.ac.at
Web: https://waltermentzel.wordpress.com/

[1] Exemplarisch: Wiener Klinische Wochenschrift. 6.7.1899. S. 735.

[2] Internationale klinische Rundschau. Nr. 47. 1901. S. 898.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [109]: Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte und die darin enthaltenen Büchersammlungen sowie dessen Mitglieder von der Vereinsgründung 1861 bis 1889 (Teil 1)

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [109]:
Die Bibliothek des Vereines österreichischer Zahnärzte und die darin enthaltenen Büchersammlungen sowie dessen Mitglieder von der Vereinsgründung 1861 bis 1889 (Teil 1)

Text: Dr. Walter Mentzel, Dr. Johannes Kirchner

An der Zweigbibliothek für Zahnmedizin/UBMed-360 der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien befindet sich die Bibliothek des Vereins Österreichischer Zahnärzte (VÖZ), der auf eine fast 160 jährige Geschichte verweisen kann. Diese schon seit dem Gründungsjahr des Vereines 1861 aufgebaute Bibliothek ist heute die einzige in ihrem vollen Umfang und als eigenständiger Bestand erhalten gebliebene medizinische Vereinsbibliothek aus der Zeit der „Ersten und Zweiten medizinischen Schule“ im 19. Jahrhundert, in der zahlreiche medizinische Fachvereine gegründet worden waren, deren Bibliotheksbestände aber heute nur mehr rudimentär und zersplittert erhalten sind. Die Bibliothek befindet sich nach wie vor im Eigentum des Vereines, ist separat aufgestellt, und wird vertraglich seit 1998 bibliothekarisch von der Zweigbibliothek für Zahnmedizin an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien verwaltet und betreut. Sie enthält heute etwa 2.000 Titel. 1977 erfolgte im Zuge der Neustrukturierung der zahnärztlichen Vereine Österreichs die Umbenennung des Vereins in Österreichische Gesellschaft für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde (ÖGZMK), wobei im Titel „Verein Österreichischer Zahnärzte (gegr. 1861)“ erhalten blieb.

Abb. 1 und 2  Die Bibliothek an ihrem heutigen Standort: Zweigbibliothek für Zahnmedizin.

Bibliothekar: Mag. Gerhard Grosshaupt, MSc. Foto© Dr. Walter Mentzel

Diese Vereinsbibliothek wurde neben gezielten Ankäufen vor allem durch die Übernahme von Nachlässen und Schenkungen der Vereinsmitglieder und deren Führungsorganen aufgebaut. Sie lassen sich durch die in den Büchern enthaltenen ursprünglichen Besitzstempel, Exlibris und Widmungen zuordnen.

Abb. 3    Bibliotheksstempel 1: V 236

Abb. 4    Bibliotheksstempel 2: V 431

Abb. 5    Bibliotheksstempel 3

Der Verein Österreichischer Zahnärzte wurde, nachdem die Genehmigung des Statutenentwurfes durch das Ministerium des Inneren und den Kaiser im April 1861 erteilt worden war, im August desselben Jahres als österreichischer Lokalverein des 1859 im Rahmen des Deutschen Bundes gegründeten Centralvereins Deutscher Zahnärzte ins Leben gerufen und begann die Aufnahme seiner Tätigkeit im November mit der konstituierenden Sitzung.

Heiders Bedeutung für die Zahnheilkunde in Europa kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden:

Als sich am 1. August 1859 26 Zahnärzte aus den Ländern des Deutschen Bundes in Berlin zur Gründung des oben genannten Centralvereines trafen, war Moriz Heider (*21.6.1816 Wien, gest. 29.7.1866 Wien) der einzige Österreicher darunter. Es zeigt, welches Ansehen er bei seinen Kollegen genoss, dass er bei der zwei Tage später stattgefundenen Vorstandswahl zum Vorsitzenden gekürt wurde. Sowohl im Centralverein als auch im VÖZ übte er dieses Amt bis zu seinem Tod aus.

Der Zweck des VÖZ war laut Statuten die „Hebung des Standes der Zahnärzte in wissenschaftlicher, socialer und collegialer Beziehung, sowie Förderung der Forschung auf dem Gebiet der zahnärztlichen Wissenschaft und Anwendung derselben in der Praxis.“ Unter Punkt c.) hieß es als weitere Zielsetzung des Vereines: „Gründung eines zahnärztlichen Lesevereines in Verbindung mit einer zahnärztlichen Bibliothek und derlei Sammlungen.“ Neben der Einrichtung einer Bibliothek war auch deren Betreuung durch die Schriftführer des Vereins vorgesehen und geregelt.[1] Die Anschaffungen von Büchern und Zeitschriften für die Bibliothek speisten sich aus den Mitgliederbeiträgen. Die Bibliothek nahm in den ersten Jahrzehnten eine zentrale Rolle der Vereinstätigkeit ein und sollte vor allem die Aus- und Weiterbildung der Vereinsmitglieder fördern und den Mangel an zugänglicher wissenschaftlicher Literatur und die fehlende universitäre Verankerung an der Universität Wien in diesem Fachgebiet ausgleichen.

Abb. 6    Fotografie: Moriz Heider, ca. 1850, © Dr. Johannes Kirchner

Der Verein publizierte bis 1920 seine Jahresberichte. Sie stellen heute eine Primärquelle für die Forschung zu der Tätigkeit des Vereines dar und befinden sich im Bestand der Vereinsbibliothek an der Zweigbibliothek für Zahnmedizin:

Jahresbericht des Vereins Österreichischer Zahnärzte. Wien: 1862-1920.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 1152]

Moriz Heider war es auch, der die erste Büchersammlung aus dem Nachlass seines in Pest geborenen Lehrers, des Zahnarztes, kaiserlichen Leibzahnarztes und ersten Vortragenden der Zahnheilkunde an der Universität Wien, Georg Carabelli, Edler von Lunkaszprie (1787/88-1842), in die im Entstehen begriffene Vereinsbibliothek übernommen hatte und damit den Grundstock der Vereinsbibliothek schuf. Obwohl diese Bücher aus seiner Provenienz heute nicht mehr zuzuordnen sind, so findet sich ein Buch im Bestand, das durch eine Schenkung an Carabelli, auf dessen Besitz hinweist.

Abb. 7   V 153

Müller, Joseph Oswald: Das Kaltwasser und seine heilkräftigen Beziehungen zu Zahnkrankheiten. Als Anleitung zur begründeten und Zweck gemässen Anwendung dieses Heilmittels, mit besonderer Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des nichtärztlichen Publikums dargestellt durch Krankengeschichten erläutert. Wien: Eigenverlag 1840.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 153]

So wie sein Lehrer, Georg Carabelli, hat Heider nach seinem frühen Tod 1866 dem Verein neben seiner Präparaten-Sammlung auch seine Bibliothek, wie aus 26 handschriftlichen Eigentumsvermerken hervorgeht, noch am Totenbett seinem Freund und Hausarzt H. Med. Rat Dr. Schneller überantwortet, „mit der Bitte […], diese Gegenstände unserem Vereinals ein ewiges Andenken zu übergeben.[2] Im Jahresbericht 1867 des Vereines österreichischer Zahnärzte ist auch erstmals die Größe der Bibliothek mit 157 Signaturen, die neben Bücher auch ausländische Zeitschriften (zwei amerikanische und drei englische) sowie ein Bücherverzeichnis enthielt, überliefert. Das Vereinsmitglied Dr. Theodor Hartmann hatte sich dieser zeitraubenden Arbeit bereitwillig unterzogen, und in Kooperation mit dem Sekretär des Vereines, der für die Bibliothek zuständig war, sowohl von der Bibliothek als auch von der Präparate-Sammlung vollständige Kataloge erfasst. Zu dieser Zeit wurde auch erstmals eine gezielte Ankaufs- und Erwerbungsstrategie entworfen, und zwar sollten durch Vorschlag eines jeden Mitgliedes und eines folgenden Majoritätsbeschlusses die Bücherwerbungen des Vereines finalisiert werden. Insgesamt verwendete der Verein in den ersten Jahren zirka ein Drittel der Vereinsausgaben für den Aufbau der Bibliothek und der Bindung von nicht gebundenen Zeitschriften. 1867 kam es zur Wahl von Philipp Jarisch (*3.7.1804, gest. 9.11.1887, Wien) zum Vereinspräsidenten und der Vicesekretär des Vereines Carl Jarisch übernahm die Betreuung der Bibliothek.

Abb. 8 und 9   Statuten des Vereines. Aus: 30. Jahresbericht des Vereines österreichischer Zahnärzte 1890-1891. Wien 1891.

Von Philipp Jarisch sind auch Bücher in der Vereinsbibliothek erhalten, die durch seine handschriftlichen Besitzvermerke identifizierbar sind.

Abb.   10 V 13

Albrecht, Eduard: Die Krankheiten an der Wurzelhaut der Zähne. Berlin: Verlag von Hermann Peters 1869.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 13]

Philipp Jarisch wurde 1870 durch den ehemaligen Assistenten von Heider, Phillip Steinberger (1829-1903), abgelöst, der bis 1889 das Amt ausübte. Auch Steinberger, der seit der Gründung im Jahr 1861 Mitglied des Vereines war, habilitierte sich 1863 für Zahnheilkunde, und setzte sich wie sein Vorgänger für die Gründung einer eigenen zahnärztlichen Ausbildungsstätte an der Universität Wien ein. Er hinterließ seine Büchersammlung dem Verein – darunter Bücher aus seiner Studentenzeit – die durch die in seinen Büchern erhaltenen Exlibris zuordenbar ist.

Abb. 11   Philipp Steinberger

Steinberger kennzeichnete seine Bibliothek mit einem zweifärbigen in rot oder blau gehaltenen Exlibris.

Abb. 12    V 431

Rokitansky, Carl: Handbuch der pathologischen Anatomie. Bd. 2. Wien: Bei Braumüller & Seidel 1844.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 431]

Abb. 13   V 520

Henle, Jacob: Anatomischer Hand-Atlas zum Gebrauch im Secirsaal. Erstes Heft: Knochen, Bänder und Muskeln. Braunschweig: Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn 1871.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 520]

In die Amtsperiode von Steinberger fällt auch die im Jahr 1885 getroffene Entscheidung, erstmals für die sich zusehends vergrößernde Bibliothek einen eigenen vom Vorstand gewählten Bibliothekar einzusetzen (lt. Statutenänderung vom 19.Februar 1885). Der erste in dieser Funktion war Dr. Emil Martin, der diese Funktion von 1885 bis 1889 Inne hatte. Ihm folgten von 1889 bis 1897 der als Sekretär des Vereines und ab 1894 als Vorstand der zahnärztlichen Abteilung der Allgemeinen Poliklinik in Wien fungierende, Prof. Dr. Josef Ritter von Metnitz (1861-1905), und ab 1897 Dr. Siegfried Ornstein (1869-1928), der auch den historischen Abriss der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Vereines 1921 verfasste. Der Standort der Bibliothek war seit 1861 mit jenem des Vereines ident und befand sich zunächst ab 1861 in Wien 1, Brandstätte 7/Haus 628, in der ehemaligen Ordination von Carabelli, die nach dessen Tod von Moriz Heider übernommen worden war und danach an Philipp Steinberger überging. Dieses Haus wurde 1873 demoliert und so übersiedelte der Vereinssitz samt seiner bis dahin 251 Bücher und 17 Journale umfassende Bibliothek an den Standort „Am Hof Nr. 13“ in Wien, wo Steinberger sowohl seine neue Wohnung als auch seine Arztpraxis gefunden hatte. 1890 übersiedelte die Bibliothek in die Wohnung des Bibliothekars Josef Metnitz (1861-1905), in die unmittelbare Nähe des Vereinssitzes Am Hof Nr. 11. Die Vereinsbibliothek besitzt aus dieser Periode noch weitere Büchersammlungen von den Mitgliedern des Vereines, wie beispielsweise Bücher des Mitarbeiters von Moriz Heider, Adolph Zsigmondy (1816-1880), einem in Pressburg geborenen Zahnarzt und Leibzahnarzt der Kaiserin Elisabeth (1837-1898), der seit der Gründung des Vereines dessen Mitglied war.

Abb. 14   Josef Ritter von Metnitz

Abb. 15   V 347

Nessel, Franz: Handbuch der Zahnheilkunde. Prag: In Commission bei J.G. Calve1840.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: V 347]

Ebenfalls im Bücherbestand integriert befindet sich die Büchersammlung des ehemaligen im Februar 1884 auf einer konstituierenden Versammlung gegründeten „Verein Wiener Zahnärzte“, die vom VÖZ übernommen wurde.

Abb. 16

Abb. 17

Adler, Heinrich: Ein halbes Jahrtausend: Festschrift, anlässlich des 500jährigen Bestandes der Acta facultatismedicaeVindobonensis. Wien: Verlag des Wiener Medicinisches Doctoren-Collegiums 1899.

[Zweigbibliothek für Zahnmedizin, Sign.: G 0005]

Literatur:

Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A 32 – Gelöschte Vereine, Zl. 4667/1923-1938.

  1. Jahresbericht des Vereines österreichischer Zahnärzte 1890-1891. Wien 1891.

Separatabdruck aus der Festschrift des Vereines österreichischer Zahnärzte (Hrsg. vom Verein zur Feier seines 50 jährigen Bestandes). Wien 1911.

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: 150 Jahre Vereinsgeschichte. Historischer Abriss. S. 28-42.

150 Jahre ÖGZMK. In: Österreichische Zeitschrift für Stomatologie (ÖGZMK). Sonderheft 2013 (Suppl. 1). Darin: Geschichte der Vereinsbibliothek. S. 59-63.

Kontakt:

Zweigbibliothek für Zahnmedizin, UBMed-360
Sensengasse 2a BT6
A-1090 Wien
Tel.: 01/40070/2990
Mag. Gerhard Grosshaupt, MSc
E-Mail: gerhard.grosshaupt@meduniwien.ac.at

MR DDr. Johannes Kirchner
Ottakringerstrasse 64
A-1170 Wien
Tel: 01/4050325

Dr. Walter Mentzel
E-Mail: walter.mentzel@meduniwien.ac.at
Web: https://waltermentzel.wordpress.com/

[1]30. Jahresbericht des Vereines österreichischer Zahnärzte 1890-1891. Wien 1891.

[2]Nachruf auf Professor Dr. Heider, vorgetragen von Dr. Jarischsen: 5. Jahresbericht des VÖZ. 14.11.1866. S. 15.