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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [243]: Pollatschek, Arnold – Balneologe und Kurarzt in Karlsbad

Pollatschek, Arnold – Balneologe und Kurarzt in Karlsbad

Autor: Walter Mentzel

Published online: 27. 09. 2023

Keywords: Arnold Pollatschek, Balneologe, Arzt, Medizingeschichte, Wien, Karlsbad

Arnold Pollatschek wurde am 28. Jänner 1846 als Sohn des Landesrabbiners von Caslau, Chrudim und Polna , Philipp Pollatschek (1817-1911), und Agnes (1817-1893), geborene Kraus, der Schwester der beiden Mediziner Leopold Gottlieb Kraus (1824-1901) und Bernhard Kraus (1829-1887), in Polna in Böhmen (heute: Tschechien) geboren. Er war mit Flora Mandl (1854-1929) verheiratet.

Pollatschek studierte an der Universität Wien Medizin und promovierte am 24. Oktober 1870. Während des Studiums gehörte er der medizinisch-naturwissenschaftlichen Sektion des akademischen Lesevereins in Wien an.[1] Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Demonstrator bei dem Chirurgen Karl von Patruban (1816-1880) und danach als Herrschaftsarzt und Comitatsphysikus in Bellatinc in Ungarn (heute: Belatinci/Slowenien), wo er 1873 den Titel eines Oberphysicus erhielt.[2] In dieser Zeit publizierte er „Beobachtungen über Carbunkelkrankheit beim Menschen“[3] und „Ein Fall von motorischer und sensitiver Lähmung der unteren Körperhälfte“.[4] Danach wirkte er bis zum Ersten Weltkrieg als Oberphysikus, praktischer Arzt und Kurarzt in Karlsbad. Hier publizierte er 1886 „Ueber das Vorkommen der Albuminurie bei Diabetes mellitus“ 1887 „Beiträge zur Pathologie und Diätetik der Zuckerruhr nebst Mittheilungen über das Fahlberg´sche Sccharin“ und 1889 „Alkohol in der Diät des Diabetes mellitus“. 1891 publizierte er „Zur Behandlung der chronischen Diarrhöe“.

Pollatschek war Mitglied des Zentralverbandes der Balneologen und gewähltes Ausschussmitglied, seit 1898 korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien,[5] weiters Ehrenmitglied der Academica fisico-chimica in Palermo, von der er 1907 die Medaille für wissenschaftliche und humanitäre Verdienste erhielt,[6] und seit 1889 Herausgeber und Bearbeiter des Jahrbuchs „Die therapeutischen Leistungen des Jahres […]. Ein Jahrbuch für praktische Ärzte“.

1893 nahm er am 12. Kongress für innere Medizin in Wiesbaden teil, wo er ein Referat mit dem Titel „Haben die Karlsbader Wässer ekkoprotische Wirkung?“[7] hielt, das er in der Wiener medizinischen Wochenschrift publizierte.[8] 1896 veröffentlichte er den Aufsatz „Zur Pathologie und Therapie der chronischen Diarrhoeen“,[9] 1899 erschien von ihm der Aufsatz „Die Frühdiagnose der Cholelithiasis“ und 1901 die beiden Aufsätze „Balneologische Erfahrungen“ und „Zur Aetiologie des Diabetes mellitus“. 1912 nahm am Balneologen-Kongress in Meran teil.[10]

Während des Ersten Weltkrieges übersiedelte er nach Wien, wo er zuletzt als praktischer Arzt in Wien 19, Sieveringer Straße 34 lebte.

Arnold Pollatschek verstarb am 1. Juni 1923 in Wien.

Quellen:

UAW, Dekanat, Med. Fak., Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0036, Pollatschek Arnold (Nationalien Datum: 1866/67).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 170-201r, Pollatschek Arnold (Rigorosen Datum: 1879).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 182-680, Pollatschek Arnold (Promotion Datum: 24.10.1870).

Friedhofsdatenbank der Gemeinde Wien: Pollatschek Arnold.

Literatur:

Pollatschek, Arnold: Ueber das Vorkommen der Albuminurie bei Diabetes mellitus. Sonderdruck aus: Zeitschrift für klinische Medicin. Berlin: L. Schuhmacher 1886.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pollatschek, Arnold: Beiträge zur Pathologie und Diätetik der Zuckerruhr nebst Mittheilungen über das Fahlberg’sche Sacharin. Sonderdruck aus: Zeitschrift für klinische Medizin. Wien: Im Selbstverlage des Verfassers: Druck von R. Spies & Co. 1887.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pollatschek, Arnold: Alkohol in der Diät des Diabetes mellitus. Sonderdruck aus: Wiener Medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles 1889.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pollatschek, Arnold: Zur Behandlung der chronischen Diarrhöe. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles 1891.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pollatschek, Arnold: Zur Pathologie und Therapie der chronischen Diarrhoeen. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles 1896.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pollatschek, Arnold: Die Frühdiagnose der Cholelithiasis. Sonderdruck aus: Wiener medicinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles 1899.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pollatschek, Arnold: Balneologische Erfahrungen. Sonderdruck aus: Centralblatt für die gesammte Therapie. Wien: Verlag von Moritz Perles, k. und k. Hof- und Universitätsbuchhandlung 1901.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pollatschek, Arnold: Zur Aetiologie des Diabetes mellitus. Sonderdruck aus: Zeitschrift für klinische Medicin. Berlin: Druck von L. Schumacher 1901.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

[1] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 17.3.1868, S. 95.

[2] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 3.6.1873, S. 351.

[3] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 29.12.1874, S. 448-449.

[4] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 11.6.1872, S. 205.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 13, 1898, Sp. 621.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 17, 1907, Sp. 850.

[7] Internationale klinische Rundschau, 1893, S. 834.

[8] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 30, 1893, Sp. 1290-1291; Nr. 31, 1893, Sp. 1325-1327.

[9] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 20, 1896, Sp. 857-863.

[10] Teplitz-Schönauer Anzeiger, 12.10.1912, S. 6.

Normdaten (Person): Pollatschek, Arnold : BBL: 42002; GND: 1223034712;

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Letzte Aktualisierung: 2023 09 25

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [176]: Jaques Popper – Sekundararzt am Allgemeinen Krankenhaus in Wien, an der Allgemeinen Poliklinik in Wien und Kurarzt in Karlsbad

Jaques Popper – Sekundararzt am Allgemeinen Krankenhaus in Wien, an der Allgemeinen Poliklinik in Wien und Kurarzt in Karlsbad

Text: Dr. Walter Mentzel

Jacques (Jaques, Jakob) Popper, geboren am 6. Jänner 1851 in Bukarest in Rumänien als Sohn von David und Anna Popper, war seit 1879 mit Adele Mintz (*zirka 1861-1916 Wien) verheiratet.

Popper studierte an der Universität Wien Medizin und schloss das Studium 1875 mit seiner Promotion ab. Er arbeitete danach mehrere Jahre als Sekundararzt im Allgemeinen Krankenhaus in Wien und zuletzt an der Allgemeinen Poliklinik in Wien. 1888 verfasste er an der Allgemeinen Poliklinik im Laboratorium des Professors Samuel Basch (1837-1905) die Studie „Ueber die physiologische Wirkung des Strophantin“, die als Sonderdruck in der Zeitschrift für klinische Medizin erschien und sich an der Separata-Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befindet.

Popper war neben seinem ärztlichen Beruf journalistisch für die Wiener medizinische Wochenschrift und die Internationale klinische Rundschau tätig und berichtete u.a. über die medizinischen Leistungen an Kliniken in Rumänien.[1] 1891 publizierte er unter der Rubrik „Briefe aus Rumänien“ einen Reisebericht über „Die medizinische Fakultät und die Spitäler in Bukarest“.[2]

1891 ließ er sich als Kurarzt in Karlsbad (heute: Karlovy Vary/CZ) nieder, wo er in den Sommermonaten als Brunnenarzt tätig war,[3] während er in Wien noch eine Arztpraxis führte. 1894 erschien von ihm in der Braumüller-Bade-Bibliothek die rumänische Ausgabe seiner Monographie „Carlsbad in Boemia“.

Popper war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien,[4] und seit 1878 der österreichisch-ungarischen Freimaurerloge „Humanitas“.[5]

Popper verstarb am 2. April 1898 bei der Durchreise in Berlin.[6] 1906 wurde er in Berlin enterdigt und am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Quellen:

AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0073 (Nationalien Datum 1870/71), Popper Jakob.

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosenprotokoll, Sign. 177-287a (Rigorosum Datum 1874), Popper Jakob.

AUW, Med. Fak., Promotionsprotokoll, Sign. 186-301 (Promotion Datum 3.7.1875), Popper Jakob.

Friedhofsdatenbank Wien, Popper Jacques (Begräbnis 8.4.1906)

Literaturliste:

Popper, Jaques: Ueber die physiologische Wirkung des Strophantin. Aus dem Laboratorium des Prof. v. Basch in Wien. Sonderdruck aus: Zeitschrift für klinische Medizin. Wien: L. Schumacher 1888.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Allgemeine Poliklinik Wien, Jakob Jaques Popper, Karlsbad, Kurarzt, Rumänien, Arzt, Allgemeines Krankenhaus Wien,

[1] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 14. 1896. Sp. 581-582.

[2] Internationale klinische Rundschau. 5.4.1891. Sp. 568-569; 12.4.1891, Sp. 609-612

[3] Internationale klinische Rundschau. 5.4.1891. Sp. 572.

[4] Wiener klinische Wochenschrift. Nr. 16. 1898. S. 399; Neue Freie Presse. 6.4.1898. S. 1; Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 12.4.1898. S. 171.

[5] Das Vaterland. 28.9.1886. S. 4.

[6] Wiener Zeitung. 30.8.1898. S. 296.

Normdaten (Person) Popper, Jaques : BBL: 39138; GND: 1258991543

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [121]: Marcus Abeles – Dozent für innere Medizin und Balneologe – Aus der Separata-Sammlung der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [121]:

Marcus Abeles – Dozent für innere Medizin und Balneologe – Aus der Separata-Sammlung der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin

Text: Dr. Walter Mentzel

Marcus Mordechai Abeles (*8. August 1837 Nedraschitz/Nedrazice in Böhmen (heute: Tachov, Plzeňský kraj, Tschechien) war der Sohn von Samuel Abeles (1805-1888) und Elisabeth (1801-1879), geborene Babett. Aus seiner Ehe mit Auguste (gest. 1916), geborene Grailich, stammten seine beiden Kinder Marianne (gest. 1915) und Rudolf Abeles (1883-1963), der später den Namen Allers annahm, und als Arzt, Psychiater und Schüler von Sigmund Freund und Alfred Adler nach dem „Anschluss“ im März 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt wurde.

Abeles studierte an der Universität Wien Medizin, schloss das Studium 1863 mit dem Doktor der Medizin und 1868 mit dem Doktor der Chirurgie ab, und begann danach im Allgemeinen Krankenhaus in Wien bei Adolph Zsigmondy (1816-1880), Ferdinand von Hebra (1816-1880) und Josef Standhartner (1818-1892) seine Laufbahn als Mediziner. Nach einem längeren Aufenthalt in Ägypten, wo er zunächst in Kairo als Privatarzt sowie als k.k. Konsulararzt und später als österreichischer Delegierter bei der ständigen internationalen Sanitätskommission in Alexandria tätig war, ließ er sich in Karlsbad in Böhmen nieder. Hier führte er eine Arztpraxis in Chodau (heute: Chodov) und nahm die Stellung eines Badearzt im Kurort Karlsbad an, wo er vor allem prominente Kurgäste behandelte.[1] Während der Wintermonate widmete er sich in Wien wissenschaftlichen Studien – unter anderem zum Zuckergehalt des menschlichen Harns und zu Diabetes und Glycogen – am chemischen Laboratorium des Professors für medizinische Chemie Ernst Ludwig (1842-1915), der sich neben der Mineralchemie und forensischen Chemie auch mit der Heilquellen-, und Mineralwässeranalyse befasste. Nach seiner 1884 erfolgten Ernennung zum Privatdozent für innere Medizin,[2] bot er in den Wintersemestern an der Medizinischen Fakultät Wien Kurse zur Balneotherapie an,[3] und hielt zu diesem Thema Vorträge unter anderem 1889 im Wiener medizinischen Doktoren-Kollegium.[4] Er verstarb am 31. Dezember 1894 in Wien.[5] Ernst Ludwig verfasste zum Ableben von Abeles einen Nachruf in der Wiener klinischen Wochenschrift vom 10. Jänner 1895.

Die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin besitzt in ihrer Separata Bibliothek folgende Arbeiten von Markus Abeles:

Abeles, Markus: Ueber Cholelithiasis. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Alfred Hölder 1889.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Abeles, Markus: Ueber den Zuckergehalt des normalen menschlichen Harns. Sonderdruck aus: Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. Wien: gedruckt bei L. Schumacher 1879.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Abeles, Markus und Dr. Hofmann: Ein Fall von simulirtem Diabetes mellitus. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien: Verlag von Urban & Schwarzenberg 1876.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Abeles, Markus: Beitrag zur Lehre von den saccharificirenden Fermenten im thierischen Organismus. Sonderdruck aus: Medizinische Jahrbüchern. Wien: Hölder 1876.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Abeles, Markus: Beiträge zur Kenntnis des Glycogens. Sonderdruck aus: Medizinische Jahrbücher. Wien: 1877.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Abeles, Markus: Ueber Saccharin. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Selbstverlag des Verfassers 1887.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Weitere Arbeiten befinden sich in der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin darunter zur Frage der Zuckerbildung (1887), Beiträge zur Kenntnis des Tabakrauches (o.J.), zum physiologischen Zuckergehalt des Blutes (1875) und zur Harnsäure im Blute (1874) u.a.

Quellen:

AUW, Rektorat, Promotionsprotokoll, Med. Fak., Sign. 181-1126, (Abeles Markus: Promotions- Sponsions-Datum 1863.11.24).

AUW, Dekanat, Med. Fak., Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0001, Abeles Markus. (1862/63).

AUW Rektorat, Rigorosenprotokoll, Med. Fak., Sign. 170-4r Abeles Markus (Rigorosen Datum: 1868)

[1] Neue Freie Presse, 2.1.1895, S. 1.

[2] Wiener Allgemeine Zeitung, 2.5.1884, S. 4

[3] Wiener Zeitung, 25.9.1889, S. 464.

[4] Wiener klinische Wochenschrift, 2-4, 1889, S. 54.

[5] Friedhofsdatenbank der Stadt Wien: Markus Abeles (19.3.2021).

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [81]: Mediziner in der Revolution 1848: Joseph Seegen – Balneologe und Stoffwechselforscher

Mediziner in der Revolution 1848: Joseph Seegen – Balneologe und Stoffwechselforscher

Text: Dr. Walter Mentzel

Joseph Seegen wurde am 20. Mai 1822 als Sohn des jüdischen Kaufmannes Lion Daniel Seegen (1792-1847) und Anna Johanna, geborene Brod, in Polná in Böhmen (heute: Polná/Tschechien) geboren. 1856 heiratete er Hermine Böhm (*1836), die Tochter des Mediziners und Mitglieds der Medizinischen Fakultät Wien, Jakob Böhm (1802-1858). Er begann zunächst in Prag ein Studium der Philosophie und danach der Medizin, das er ab 1841 an der Universität Wien fortsetzte und noch im selben Jahr zum Doktor der Medizin[1] und 1843 zum Doktor der Chirurgie promovierte.[2] Im August 1847 wurde seine Dissertation an der Universität approbiert und befindet sich heute an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin: „[…] De Aquis Soteriis In Ratione Geologico-Chemica, […]. Wien: Typis Caroli Ueberreuter 1847.

Titelblatt: Seegen […] De Aquis sotoriis. Wien: 1847.

Ein Jahr nach seiner Promotion an der Universität Wien nahm Seegen in Wien als Mitglied der „Akademischen Legion“ an der Revolution von 1848 teil. Er gehörte zu den Mitbegründern des „Akademischen Rede- und Lesevereins in Wien“, der sich zum Ziel setzte Personal für die künftige parlamentarische Vertretung in Form einer politischen Bildungsanstalt auszubilden und zu rekrutieren,[3] und war Mitglied des unter dem Vorsitz von Adolf Fischhoff (1816-1893) bestehenden „Ausschuss der Bürger, Nationalgarde und Studenten zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit und für die Wahrung der Volksrechte“.[4]

Von Seegen sind aus dem Jahr 1848 zwei schriftliche Quellen überliefert, die von seinem Engagement berichten und seine Intentionen in der Revolution von 1948 darlegen. 1848 gab er gemeinsam mit Heinrich Kern die an der Wienbibliothek sich befindende Flugschrift „An die Studenten Wiens!“ heraus, die mit den Worten begann: „Brüder! Der Kampf der Märztage war der Kampf der Gesinnung und des kräftig erwachten politischen Bewusstseins gegen das System der Knechtung und Entgeistigung, der Sieg war jener des Geistes […].

Ebenfalls 1848 publizierte er gemeinsam mit dem in Wien 1849 zum Dr. der Medizin promovierten Journalisten und Schriftsteller Max Schlesinger (1822-1881) ein dreibändiges „Populäres Staats-Lexikon“ mit dem Untertitel: „politisches ABC für’s Volk. Ein unentbehrlicher Führer im constitutionellen Staat“. Mit dieser – ursprünglich in Form von Einzelheften publizierten und wöchentlich erscheinenden Schriftenreihe – sollte der Bevölkerung die Grundbegriffe der Demokratie und der republikanischen Regierungsform nähergebracht werden.

Nach der Niederschlagung der Revolution flüchtete er, um einer drohenden Verhaftung zu entgehen, aus Wien nach Paris, wo er an der Sorbonne bei dem französischen Physiologen Claude Bernard (1813-1878) studierte und sein Interesse an der Geologie und der Heilquellenkunde vertiefte. Nach seiner Rückkehr nach Wien im Jahr 1850 unternahm er eine mehrjährige Reisetätigkeit als ärztlicher Reisebegleiter eines Privatpatienten, die ihn nach Italien, Südfrankreich, England und Deutschland führte. Von 1853 bis 1884 lebte und arbeitete er in Karlsbad (Karlovy Vary) in Böhmen als Kurarzt und betrieb daneben seine wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiet der Balneologie weiter. In Karlsbad etablierte sich um ihn ein intellektueller Kreis, dem unter anderem der Schriftsteller Iwan Sergejewitsch Turgenew (1818-1883), der deutsche Historiker Georg Gottfried Gervinus (1805-1871), oder der Publizisten Moritz Hartmann (1821-1872) angehörten.

Joseph Seegen. Aus: Das interessante Blatt. 4/1904. S. 7.

1854 habilitierte sich Seegen an der Wiener Universität bei dem Internisten Johann Oppolzer (1808-1871), im selben Jahr erfolgte seine Berufung zum Privatdozenten für Balneologie. Die 1853 fertiggestellte Habilitationsschrift trug den Titel „Die naturhistorische Bedeutung der Mineralquellen. Eine Skizze vorgelegt dem k.k. Wiener medizinischen Professorenkollegium zum Behufe der Habilitation als Docent der Balneologie“. Mit Oppolzer und dem Dermatologen Carl Ludwig Sigmund (1810-1883) gründete er 1856 den „Verein für Heilquellenkunde in Österreich“ und wandte sich endgültig der Balneologie zu. 1859 erfolgte seine Ernennung zum a.o. Professor für Balneologie an der Universität Wien, womit er der erste Vertreter dieses Fach in Wien wurde.

1857 und 1858 veröffentlichte Seegen sein zweibändiges Werk „Compendium der allgemeinen und speciellen Heilquellenlehre“. Ein weiteres Standartwerk von ihm erschien 1862 unter dem Titel „Handbuch der allgemeinen und speciellen Heilquellenlehre“. Seine Untersuchungen des Karlsbader Heilwassers und dessen physikalische und chemische Eigenschaften führten ihn zu klinischen Studien über den Stoffwechsel und zur Stoffwechselforschung, die in den folgenden Jahren seinen Arbeitsschwerpunkt bildeten. Bekannt wurden dabei seine Studien auf dem Gebiet der physiologischen Zersetzung der Eiweißkörper im tierischen Organismus, die damit zusammenhängende Stickstoffausscheidung und die Zuckerbildung im Tierkörper, insbesondere der Leber. Dazu zählt die 1887 erschienene und 606 Seiten umfassende „Studien über Stoffwechsel im Thierkörper“, oder die 1904 publizierten „Gesammelte Abhandlungen über Zuckerbildung in der Leber“. Seine zahlreichen Aufsätze und Abhandlungen, die seine zwischen 1860 und 1904 erfolgten Forschungen zur Balneologie, zum Stoffwechsel und der Diabetes dokumentieren, sind an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin erhalten.

Seegen engagierte sich darüber hinaus für die Etablierung des Faches Hygiene und befürwortete dafür eine eigene Lehrkanzel an der Universität Wien. Seine Vorstellungen publizierte er 1872 in der „Wiener medizinischen Wochenschrift“.[5] In diesem Kontext befasste er sich mit ernährungsphysiologischen Forschungen und trat für eine ausgewogene Ernährung breiter Bevölkerungsschichten ein, wozu er zur Umsetzung auch den Staat in seiner Pflicht sah. Aufgrund des Fehlens eines eigenen Laboratoriums für seine Experimente und Studien nahm Seegen einige Jahre am Josephinum Aufenthalt, später richtete er ein privates Laboratorium in einer angemieteten Wohnung und in seiner Villa in Bad Aussee ein.

Seegen war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Akademie der Wissenschaft in St. Petersburg und seit 1901 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien.

Seegen verstarb am 14. Jänner 1904 in Wien. 1910 hielt der Chemiker und Mediziner Ernst Ludwig (1842-1915), anlässlich der Errichtung eines Denkmals zur Erinnerung an Seegen an der Universität Wien (heute in den Arkaden der Universität Wien), einen Nachruf, der in der „Wiener medizinischen Wochenschrift“ abgedruckt ist.[6] Ein weiterer – von Rudolf Kolisch (1867-1922) verfasster Nachruf – wurde in der Wiener klinischen Wochenschrift (Nr. 4. 1904. S. 113-114) veröffentlicht.

Quellen:

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosenprotokolle 1821-1871, Sign. 170-226a, Seegen Josef (Rigorosen Datum 1841).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosenprotokolle 1821-1871, Sign. 170-227a, Seegen Josef (Rigorosen Datum 1842).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Promotionsprotokolle, Sign. 176-0093, Seegen Josef (Sponsion Datum 17.7.1842).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Promotionsprotokolle, Sign. 176-126, Seegen Josef (Promotion Datum 6.8.1841).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Promotionsprotokolle, Sign. 176-634, Seegen Josef (Promotion Datum 6.8.1847).

AUW, Sammlungen, Schriften-Sammlung zum Revolutionsjahr 1848, Sign. 148.43, Aufruf zur Gründung eines „Lese- und Redevereins“ (1848).

Trauungsbuch, Rk, Erzdiözese Wien, Bezirk 1, St. Stephan, Trauungsbuch 02-089, Folio 90, Seegen Joseph, Böhm Hermine.

Sterbebuch, Rk, Erzdiözese Wien, Bezirk 1, St. Stephan, Sterbebuch 03-48, Folio 132, Seegen Joseph.

Literaturliste:

Seegen, Joseph: Dissertatio Inauguralis Geologico-Chemica De Aquis Soteriis In Ratione Geologico-Chemica, Quam Consensu Et Auctoritate Illustrissimi Ac Magnifici Domini Praesidis Et Directoris, Perillustris Ac Spectabilis Domini Decani, Nec Non Clarissimorum Ac Celeberrimorum D. D. Professorum pro Doctoris Medicinae Laurea Summisque In Medicina Honoribus Et Privilegiis Rite Et Legitime Obtinendis in antiquissima et celeberrima Universitate Vindobonensi publicae disquisitioni submittit Josephus Seegen, Bohemus Polnaensis. In theses adnexas disputabitur in Universitatis aedibus die […] mensis Augusti 1847. Wien: Typis Caroli Ueberreuter 1847.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/historische Dissertationsbibliothek, Sign.: D-3955]

Seegen, Joseph: Compendium der allgemeinen und speciellen Heilquellenlehre. Erste Abtheilung: Allgemeine Balneologie. Zweite Abtheilung: Specielle Balneologie. Wien: Braumüller 1857-1858.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 28748/1-2]

Seegen, Joseph: Handbuch der allgemeinen und speciellen Heilquellenlehre. Zweite neu bearbeitete Auflage. Wien: Wilhelm Braumüller K.K. Hofbuchhändler 1862.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 26844]

Seegen, Joseph: Studien über Stoffwechsel im Thierkörper. Gesammelte Abhandlungen. Mit 2 lithographirten Tafeln. Berlin: Verlag von August Hirschwald 1887.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 9929]

Seegen, Joseph: Gesammelte Abhandlungen über Zuckerbildung in der Leber. Berlin: Verlag von August Hirschwald 1904.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 53379]

Keywords:

1848, Adolf Fischhoff, Balneologie, Claude Bernard, Diabetes, Dissertation, Ernst Ludwig, Johann Oppolzer, Joseph Seegen, Josephinum, Karlovy Vary, Karlsbad, Max Schlesinger, Physiologie, Revolution, Stoffwechsel, Arzt

[1] Wiener Zeitung. 25.10.1841. S. 1.

[2] Wiener Zeitung. 19.1.1843. S. 1.

[3] Wiener Zuschauer. Zeitschrift für Gebildete. 26.7.1848. S. 8; Wiener Zeitschrift. 21.4.1848. S. 3; Allgemeine österreichische Zeitschrift für den Landwirth, Forstmann und Gärntner. Ein Centralblatt für die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung und praktischer Erfahrung. 10.4.1848. S. 6-8.

[4] Der Humorist. 17.7.1848. S. 1.

[5] Seegen, Joseph: Die Bedeutung der Hygiene und ihre Stellung im medizinischen Unterricht. In: Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 4. 1872. S. 87-91 sowie Nr. 5. 1872. S. 111-115.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 10. 1910. S. 561-568.

Normdaten (Person) Seegen, Joseph : BBL: 31386; GND: 117443379

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