Boxer, Siegfried – Frauenarzt, Leiter des Frauen-Krankeninstituts Charité, Primararzt im Wöchnerinnenheim „Lucina“, NS-Verfolgter
Autor: Dr. Walter Mentzel
Published online: 28.01.2025
Keywords: Frauenarzt, Primararzt, Frauen-Krankeninstitut Charité, Wöchnerinnenheim „Lucina“, NS-Verfolgter, Medizingeschichte, Wien
Siegfried Boxer wurde am 23. August 1877 in Wien als Sohn von Maier Boxer und Jeanette Betthauer geboren. Seit 1906 war er mit Ella Weinberger (1883-?) verheiratet. Aus dieser Ehe gingen die Kinder Oswald (1907), Hans (1916), Herbert Ernst (1920) und Harry (1920) hervor.
Nachdem er das Akademisches Gymnasium abgeschlossen hatte, studierte an der Universität Wien Medizin und promovierte am 16. Mai 1902. Im Anschluss daran absolvierte er seinen Militärdienst und wurde als Reserve-Assistenzarztstellvertreter dem Garnisonsspital Nr. 1 zugeteilt.[1]
Danach war er zunächst Sekundararzt und anschließend als Assistent an der gynäkologischen Abteilung der k.k. Krankenanstalt Rudolfstiftung beschäftigt. Hier veröffentlichte er 1905 „Blutnährboden zur Differenzierung der Streptokokken und Pneumokokken“, 1906 „Ueber das Verhalten von Streptokokken und Diplokokken auf Blutnährböden“ und 1909 „Beitrag zur Kenntnis des Tubenkarzinom“. Danach setzte er seine Tätigkeit als Operateur an der II. Frauenklinik im Allgemeinen Krankenhaus in Wien unter der Leitung von Alfons von Rosthorn (1857-1909) fort, wo er 1910 die Arbeiten „Zur Casuistik der Dermoidcysten und ihrer Metastasen“ und „Experimentelle Untersuchungen über Drainage“ publizierte. Zudem führte er eine Arztpraxis als Facharzt für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe in Wien 1, Salztorgasse 2 und später in Wien 3, Landstraße Hauptstraße Nr. 5.
Im Jahr 1919 engagierte er sich als Vertreter des jüdischen Humanitätsvereines „B’nai B’rit Wien für die österreichischen Kriegsgefangenen in Russland.[2]
Frauenkranken-Institut „Charité“ und Wöchnerinnenheim „Lucina“
Im Jahr 1920 erfolgte seine Bestellung zum Direktor des 1890 vom Verein Charité gegründeten Frauenkranken-Institutes „Charité“.[3] Hier wirkte er auch bis 1938 als Vorstandsmitglied neben Hugo Fasal (1873-1941), Koloman Freuder (1883-1946), oder Klara Liebmann (1896-1994).[4] 1925 erhielt er die Ernennung zum Primararzt des von Hugo Klein (1863-1937) 1896 gegründeten Wöchnerinnenheimes „Lucina“,[5] eine Funktion, die er bis 1937 innehatte. 1931 publizierte er „Der kombinierte Gummi-Thermophor“.[6] Anschließend arbeitete er bis zum „Anschluss“ als Facharzt in seiner Arztpraxis.
Boxer war seit 1904 Mitglied der Gesellschaft für Innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien,[7] weiters der Gesellschaft der Ärzte in Wien sowie der Geburtshilflich-Gynäkologischen Gesellschaft in Wien.
Die Familie Boxer war aufgrund ihrer jüdischen Herkunft der Verfolgung der Nationalsozialisten ausgesetzt. Ihnen gelang im Februar 1939 die Flucht nach England, wo Siegfried Boxer zwischen Oktober 1939 und März 1940 interniert wurde. Nach seiner Freilassung emigrierte er mit seiner Familie im März 1940 an Bord der SS Samaria von Liverpool in die USA. Noch im selben Jahr suchte er um die US-Staatsbürgerschaft an, die ihm 1945 verliehen wurde. Zuletzt war er als medizinischer Direktor des Outpatient Department of Gouverneur Hospital in New York City tätig.[8]
New York, Southern District Naturalization Index
Siegfried Boxer verstarb am 7. Juli 1949 in New York.[9]
Quellen:
Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1877, Boxer Siegfried.
UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0510, Boxer Siegfried (Nationalien Datum 1898/99).
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-018b, Boxer Siegfried (Rigorosum Datum 1898/99).
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 189-0971, Boxer Siegfried (Promotion Datum 16.5.1902).
Auswanderungsabteilung der IKG, Fürsorge-Zentrale, Boxer Siegfried.
New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1958, Entry for Siegfried Boxer, 1940.
New York, Southern District Naturalization Index, 1917-1950, Entry for Siegfried Boxer, from 1917 to 1950.
United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, Boxer Siegfried.
Literatur:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
Referenzen:
[1] Die Zeit, 29.5.1903, S. 4.
[2] Wiener Morgenzeitung, 20.12.1919, S. 4.
[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 48, 1920, Sp. 2046.
[4] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 28.5.1937, S. 32.
[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 47, 1925, Sp. 2617.
[6] Pharmazeutische Rundschau, 25.11.1931, S. 8-9.
[7] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 4, 1904, Sp. 177.
[8] The New York Times, 8.7.1949, S. 18.
[9] Das Journal der American Medical Association, Volume 141, Nr. 5, 1.10.1949, S. 342.
Normdaten (Person): Boxer, Siegfried: BBL: 46593; GND: 1354540530;
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BBL: 46593 (28.01.2025)
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Letzte Aktualisierung: 28.01.2025