Engländer, Martin – Facharzt für Innere Medizin, NS-Verfolgter
Autor: Dr. Walter Mentzel
Published online: 26.02.2025
Keywords: Internist, Medizingeschichte, Wien
Martin Engländer wurde am 20. Dezember 1868 in Rozgony in Ungarn (heute: Rozhanovce/Slowakei) geboren. Er studierte Medizin an der Universität Wien und promovierte am 2. April 1900. Während seiner Studienzeit engagierte er sich als Vorstandsmitglied im Medizinischen Unterstützungsverein[1] und in der jüdisch akademischen Lesehalle, wo er im Juni 1896 über die Naturforscher Gebrüder Humboldt und ihren jüdischen Freundeskreis referierte.[2] Nach seiner Promotion arbeitete als praktischer Arzt in Wien 9, Lazarettgasse 3, und danach bis 1938 als Facharzt für Innere Medizin in Wien 1, Augustinerstraße 2.
Martin Engländer war ein früher Anhänger von Theodor Herzl (1860-1904) und der zionistischen Bewegung. In den ersten Jahren nach seinem Studium widmete er sich der Untersuchung spezifischer Prädispositionen bei Juden für bestimmte Krankheiten. Im Jahr 1902 veröffentlichte er dazu den Aufsatz „Die auffallend häufigen Krankheitsescheinungen der jüdischen Rasse“, in dem er verschiedene Formen nervöser Störungen, eine erhöhte Morbidität und Diabetes diagnostizierte, die er auf die Lebensbedingungen u.a. im Ghetto, bzw. in Städten zurückführte.
Im Jahr 1906 präsentierte er auf dem 23. Kongress für Innere Medizin in München ein Referat mit dem Titel „Diagnostische Bedeutung des Prozentischen Eiweissgehaltes (Minima und Maxima) der Aszitesflüssigkeiten“. Zwei Jahre später, 1908, hielt er einen Vortrag auf der internationalen Tuberkulosekonferenz in Philadelphia, der unter dem Titel „Die subfebrilen Temperaturen in der Diagnostik und Therapie der Lungentuberkulose“ veröffentlicht wurde. 1909 erschien von ihm „Zur klinischen Differenzierung des pritonealen Transsudates“, 1910 „Therapie der Fettleibigkeit“,[3] 1912 „Die Alteration der Blutbeschaffenheit bei Morbus Brighti“, 1914 „Hochgradiger Meteorismus bei einem Falle mit Aortitis luetica“,[4] 1925 „Zur biologischen Bedeutung des Jods im Schilddrüsenhormon. I. Teil“, und 1929 „Über Hypothyreosen und ihre Behandlung mit Mikrojoddosen“. Weiters entwickelte er mit dem Urinthermometer ein Verfahren zur Bestimmung der Körpertemperatur.
Am Ersten Weltkrieg nahm Engländer als landsturmpflichtiger Zivilarzt und Chefarzt des Epidemie-Spitals in Kagran in Wien und danach als Leiter des Kriegsepidemie-Spitals in Baden bei Wien teil.[5]
Engländer war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien und trat 1905 der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien bei.[6] Zudem war er Mitglied der Gesellschaft für Physikalische Medizin und seit 1925 des Vereines Österreichischer Chemiker in Wien.[7] 1932 erhielt er das Offizierskreuz des rumänischen Kronenordens verliehen.[8] Er war Vorstandsmitglied des Mädchen- und Frauenvereins „Bikur-Chaulim“[9] und gehörte der akademischen jüdischen Verbindung J.A.V. Unitas an. Als Vertreter dieser Verbindung nahm er 1908 am Parteitag der westösterreichischen Zionisten in Brünn teil.[10] Engländer war weiters in der Volksbildung aktiv und hielt Vorträge in jüdischen Einrichtungen, darunter im „Jüdischen Bildungsheim“, sowie in den verschiedenen Volksbildungseinrichtungen in Wien.
Engländer war 1938 in Wien 1, Augustinerstraße 2, wohnhaft und wurde nach dem „Anschluss“ im März 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt. Er verstarb am 19. Jänner 1941 im Gerichtsmedizinischen Institut in Wien.
Quellen:
UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0512, Engländer Martin (Nationalien Datum 1898/99).
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-057b, Engländer Martin (Rigorosum Datum 28.3.1900).
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 189-0413, Engländer Martin (Promotion Datum 2.4.1900).
Friedhofsdatenbank der IKG Wien, Engländer Martin.
Literatur:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: SA-4037]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
Referenzen:
[1] Neues Wiener Journal, 20.11.1897, S. 5.
[2] Die Neuzeit, 26.6.1896, S. 271.
[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 2, 1910, Sp. 108.
[4] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 23, 1914, Sp. 1275-1277.
[5] Badener Zeitung, 27.10.1915, S. 3.
[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 2, 1905, Sp. 102.
[7] Österreichische Chemiker-Zeitung, Nr. 24, 1925, Seite 7.
[8] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 2, 1932, S. 70.
[9] Die Neuzeit, 9.10.1903, S. 456.
[10] Jüdische Volksstimme, 1.7.1908, S. 3.
Normdaten (Person): Engländer, Martin: BBL: 46601; GND: 128087099;
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BBL: 46601 (26.02.2025)
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Letzte Aktualisierung: 2025 02 26