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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [153]: Lederer, Thomas – Kinder- und Frauenarzt in Wien

Lederer, Thomas – Kinder- und Frauenarzt in Wien

Text: Walter Mentzel

Thomas Lederer jun. war ein Kinder- und Frauenarzt, der eine umfangreiche private medizinische Bibliothek aufbaute, die von seinem Sohn Camill Lederer erweitert worden war, und sich heute an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin an der Medizinischen Universität Wien befindet. Lederer wurde 1791 in Strakonitz in Böhmen (heute Strakonice/Tschechien) als Sohn von Thomas Lederer sen. (*1750 Luxembourg – damals Teil der österreichischen Niederlande, gest. 8.3.1828 Wien) geboren. Sein Vater war Unteroffizier der österreichischen Armee und späteren k.k. Wasserbau-Direktions-Aufseher. Lederer sen. war mit Anna Lederer verheiratet, mit der er die fünf Söhne und Töchter – Thomas Lederer jun. (Magister der Chirurgie in der Salvator Apotheke), Johann (Chirurg in Wien), Leopold, Marin und Joseph Lederer – hatte.

Thomas Lederer jun. studierte in Wien und Gießen Medizin (1817 Wund- und Geburtsarzt in Wien, Ehrendiplom als Doktor der Universität Gießen) und nahm 1809 als Militärarzt an der Schlacht von Aspern teil. Lederer hatte mit seiner Ehefrau elf Kinder, darunter Sidonie (ca. 1826-1872), verheiratete Maresch, Anna Theresie (*1829), den späteren Vizebürgermeister von Wien Moritz Lederer (1832-1921), Konstanze (ca. 1833-1911), verheiratete Maresch, Hermann Lederer (*1834), Gustav Lederer (1834-?) und Clementine (1842-1873), verheiratete Nielssen und die später mit dem Schriftsteller Ferdinand von Saar (1833-1906) verheiratete Melanie Lederer (1840-1884).

Seine medizinische Laufbahn begann Thomas Lederer jun. als sogenannter Operations-Zögling an der chirurgischen Klinik im Allgemeinen Krankenhaus in Wien, wo 1819 seine Ernennung zum Assistenten an der theoretisch-praktischen Schule der Geburtshilfe für Ärzte und Hebammen bei dem Professor für Geburtenhilfe Johann Lukas Boër (1751-1835 Wien) erfolgte. Seit 1823 wandte er sich der Homöopathie zu.

Abbildung: Exlibris Thomas Lederer jun.

Abbildung: Exlibris Thomas Lederer jun.

1822 veröffentlichte er in Wien das Handbuch der Hebammenkunst und 1826 sein Hauptwerk „Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […]“ für das er 1827 von der Universität Gießen das Diplom zum Dr. der Medizin, Chirurgie und Geburtenhilfe erhielt. Das Werk erschien 1842 in einer zweiten verbesserten Auflage. Danach arbeitete er als Kinderarzt und ab 1837 über viele Jahre als Leibarzt der Fürstin Melanie von Metternich. Er gilt als Modernisierer der Geburtshilfe und der frühkindlichen Förderung.

Abbildung: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […] Wien: Armbruster 1826.

Abbildung: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […] Wien: Armbruster 1826.

In der Arbeit „Mutter und Kind“ entwickelte Lederer ein System eines kindergerechten Kinderzimmers: darunter die von ihm entwickelte und propagierte Gehschule („Gehschrank“), die in seinem Buch durch eine Kupfertafel dargestellt wurde, und die sich erst langsam im Laufe des 19. Jahrhunderts durchsetzte und noch im 20. Jahrhundert zu popularisieren versucht wurde, ebenso wie die von ihm geforderte „Reformkleidung“ für Frauen. So wurde u.a. noch 1910 im „Wiener Tagblatt“ auf das von Thomas 1827 veröffentlichte Buch und die von ihm darin beschriebenen Vorteile der „Gehschule“ verwiesen und sie beworben.[1]

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Abbildung: Die Kinderstube, Tafel II aus: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […]. Wien: Armbruster 1826.

Abbildung: Das Geburtsbett, Tafel I aus: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […]. Wien: Armbruster 1826.

Abbildung: Das Geburtsbett, Tafel I aus: Thomas Lederer: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette […]. Wien: Armbruster 1826.

Die Abbildungen (Kupfertafeln) stammen vom Julius Schnorr von Karlsfeld (*26.3.1794 Leipzig, gest. 24.3.1872 Dresden) in: Wikipedia – Die Freie Enzyklopädie: URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Schnorr_von_Carolsfeld (Stand: 26.01.2022)

Thomas Lederer verstarb am 27. Jänner 1874 in Wien.

Quellen:

Lederer, Thomas: Arzt und Geburtshelfer in Wien. Abschrift aus dem Totenprotokoll. 8.3.1828 Lederer Thomas sen.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: Abschrift. 912]

Lederer, Camill: Einleitung zu einer neuen Auflage von „Mutter und Kind“ von Thomas Lederer. Typoskript erstellt vom Original im Familienarchiv Maresch 1994.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: SA-4315/b]

Local-Anzeiger der „Presse“, 1.2.1874, „Zur Erinnerung an Dr. Lederer“.

Lederer, Thomas: Arzt und Geburtshelfer in Wien. 3 ungez. Bl. o.O. o.J.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: Abschr. 912.]

Literaturliste:

Lederer, Thomas: Mutter und Kind. Oder: Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbette; mit einem aus der Darstellung ihres natürlichen Verlaufs abgeleiteten Unterrichte für Frauen, sich zweckmäßig zu verhalten. Nebst einer auf die Entwicklungsgeschichte des Kindes gegründeten Anleitung, zur naturgemäßen, die bestehenden Vorurtheile und Mißbräuche vermeidenden, Pflege und Erziehung desselben. Mit zwey Kupfertafeln. Wien: In Carl Armbruster’s Verlage 1826.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Josephinische Bibliothek, Sign.: JB 3.838]

[1] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 3.7.1910. S. 8.

Keywords:
Frauenarzt, Kinderarzt, Private Bibliothek, Thomas Lederer, Arzt, Medizingeschichte, Geburtshilfe, Medizinische Bibliothek, Wiener Ärztebibliothek, Private Ärztebibliothek, Privatbibliothek, Homöopathie, Chirurgie, Wien, Frühkindliche Förderung 

Normdaten (Person) Lederer, Thomas: GND: 1240399650; BBL: 38218;

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der MedUni Wien, BBL: 38218 (26.01.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 01 26
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=38218

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [118]: Hugo Klein (1863-1937) – Frauenarzt, Gynäkologe – Frauenrechtsaktivist und Begründer des Mutterschutzes in Österreich

Hugo Klein (1863-1937) – Frauenarzt, Gynäkologe – Frauenrechtsaktivist und Begründer des Mutterschutzes in Österreich

Text: Dr. Walter Mentzel

Hugo Klein initiierte als praktizierender Frauenarzt eine Reihe von Vereinen und Einrichtungen zur Verbesserung der Situation schwangerer und vor allem unehelicher Frauen und deren Kinder. Als Gründer des Österreichischen Bundes für Mutterschutz und des Ottakringer Mütter- und Säuglingsheimes in Wien, wo er in leitenden Positionen tätig war, galt er schon zu seinen Lebzeiten als Vater des Mutterschutzgedankens. Zu seinen engen Wegbegleiter*innen, die ihn auch bei seinen Aktivitäten unterstützten und mit ihm in zahlreichen Vereinigungen zusammen arbeiteten, zählten der Jurist und Abgeordnete zum Reichsrat und 1918/19 Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung Julius Ofner (1845-1924), der Kinderarzt Karl Josef Friedjung (1871-1946) sowie Frauenrechts- und Friedensaktivistinnen wie Rosa Mayreder (1858-1938) und Olga Misar (1876-1950).

Hugo Klein wurde am 19. Juni 1863 als Sohn des aus Budapest stammenden Unternehmers und Inhabers der Firma Ruff & Klein, David Abraham Klein, und Elise, geborene Rosenberg, in Wien geboren. Er studierte an der Universität Wien Medizin und schloss das Studium am 10. April 1886 mit seiner Promotion ab. 1893 heiratet er Marie Kadelburg (*14.7.1871), mit der er gemeinsam die Tochter Maria Anna hatte. Nach dem Studium arbeitete er als Assistent an der Abteilung für Frauenkrankheiten an der Wiener Poliklinik und führte daneben eine Arztpraxis in Wien 2, Stephaniestraße 2 (Stephaniehof) (heute Hollandstraße) und ab 1893 in Wien 1, Vorlaufstraße 5.

Abb. 1    Hugo Klein. In: Die Unzufriedene. 6.2.1932. S. 4

Mutterschutz und Pflegeausbildung – Der Verein „Lucina“

Sein Engagement auf dem Gebiet des Mutterschutzes lässt sich erstmalig im Jahr 1895 nachweisen, als er zur Ausbildung von Wöchnerinnenpflegerinnen und eines Wöchnerinnenasyls Statuten für einen Frauenverein ausarbeitete und Proponenten für die Vereinsgründung zu gewinnen versuchte. Dabei stützte er sich auf die Arbeiten von Johannes Benjamin Brennecke (1849-1931) und nahm Anleihen an dessen 1880 in Magdeburg errichteten Wöchnerinnenasyl und Provinzial-Hebammenlehranstalt. Im Dezember des Jahres 1896 kam es schließlich im Rahmen des Wissenschaftlichen Clubs zur konstituierenden Generalversammlung des „Vereins zur Begründung und Unterhaltung von Wöchnerinnenasylen und zur Heranbildung von Wochenpflegerinnen“ sowie zu seiner Wahl in den Vereinsausschuss. Mitwirkende an diesem Vorhaben waren u.a. der Schriftsteller Heinrich Glücksmann (1863-1943) und die Schriftstellerin und Frauenrechtsaktivistin Rosa Mayreder.[1] Dem Verein, der den Namen „Lucina“ erhielt und seinen Sitz in Wien 1, Oppolzergasse 4 hatte, standen als gewählte Präsidentin Marie Auspitz (1842-1919) und als Vizepräsidentinnen Olga Lewinsky (1853-1935) und Sophie Necker (1861-1919) vor. Seine programmatischen Vorstellungen, die er mit der Vereinsgründung verband stellte er im August 1897 vor der Versammlung des Unterstützungs-Vereines für Hebammen vor.[2] 1899 erhielt der Verein von der Gemeinde Wien in Wien-Favoriten in der Knöllgasse 22-24, inmitten eines ArbeiterInnen- und Elendsviertel, einen Baugrund überlassen, auf dem das erste österreichische Wöchnerinnenheim unter dem Namen „Kaiserin Elisabeth-Wöchnerinnenheim“ errichtet wurde und dessen Leitung Hugo Klein übernahm. Hier konnten gänzlich verarmte Mütter kostenfrei entbinden.[3] Das Heim verfügte um 1908 durch bereits erfolgte Zubauten zirka 40 Betten, zwei Kreißsäle und einen Operationssaal, in dem jährlich bis zu 800 Geburten durchgeführt wurden. Das Heim war auch eine Ausbildungsstätte für Pflegerinnen, wo Schülerinnen nach der Absolvierung einer dreimonatigen theoretischen Ausbildung in der praktischen Arbeit eingeschult wurden. Berichte über diese Anstalt finden sich in der Neuen Freien Presse und dem „Das interessante Blatt“. 1902 trat Klein wegen Zerwürfnissen mit der Vereinsleitung von seiner Funktion als Anstaltsarzt und als Vereinsorgan zurück.

Abb. 2    Kaiserin Elisabeth-Wöchnerinnenheim. In: Das interessante Blatt. 21.2.1901. S.2.

Abb. 3    Einzelzimmer bei der Aufnahme. In: Das interessante Blatt. 21.2.1901. S.2.

Abb. 4    Krankensaal mit Wiegen der neugeborenen Kinder. In: Das interessante Blatt. 21.2.1901. S.2.

Um diese Zeit war er auch Vorstandsmitglied und gemeinsam mit Josef Breuer (1842-1925) im Beirat der von Regine Ulmann (1847-1939) geleiteten „Frauenvereinigung für soziale Hilfstätigkeit“ aktiv, die sich speziell der Kranken- und Armenpflege annahm.[4] Weiters engagierte er sich im Unterstützungs-Verein für Hebammen,[5] im Komitee der 1905 gegründeten „Fürsorgestelle für unbemittelte Kurbedürftige“, im Verein für erweiterte Frauenbildung, in der Österreichischen Liga zur Bekämpfung des Mädchenhandels sowie im Kuratorium des Wohlfahrtsfonds des Akademischen Vereines für Sexualhygiene in Wien[6] und während des Ersten Weltkrieges im „Kuratorium der Kriegspatenschaft für hilfsbedürftige Mütter und Säuglinge in der Kriegszeit“.[7]

„Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung“

1902 gründete Klein gemeinsam mit Elisabeth Semek zur Propagierung einer rationellen und Gesundheitsschäden vermeidenden Reformkleidung den „Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung“, der später in „Verein Frauenkleidung und Frauenkultur“ und zuletzt in „Verein zur Reform der Frauenkleidung“ unbenannt wurde. Dafür entwarf Klein 1903 einen von ihm konstruierten Hüftgürtel, den er in der Wiener geburtshilflich-gynäkologischen Gesellschaft vorstellte.[8]

Klein, Hugo: Ueber Leibbinden. Sonderabdruck aus: Wiener klinische Rundschau. Wien: Verlag der „Wiener klinischen Rundschau“ 1903.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Abb. 5    Titelblatt: Klein: Ueber Leibbinden. […]. Wien: 1903.

Abb. 6    Klein: Ueber Leibbinden […]. Wien: 1903. S. 8.

Am Gründungskonvent hielt der Architekten Adolf Loos (1870-1933) einen Vortrag zur „Psychologie der Frauenkleidung“.[9] In den folgenden Jahren thematisierte Klein die Idee einer Reform der Frauenkleidung („Nieder mit dem Mieder“), die er vor allem durch seine Vortragstätigkeit, wie beispielsweise vor der „Vereinigung der arbeitenden Frauen“,[10] sowie in sozialdemokratischen Frauenversammlungen, zu verbreitern versuchte. Im Verein wirkten u.a. der Galerist Hugo Haberfeld (1875-1946)[11], oder der Schriftsteller Wilhelm Dworaczek (Pseudonym) Wilhelm Paul (1873-1916).[12] Öffentlich wirksam erwies sich seine von ihm arrangierte und vom Verein in Wien 1904 durchgeführte Ausstellung zur Reformkleidung, in der neben einzelnen von Vereinsmitgliedern hergestellten Exponaten auch nach Angaben von Ärzten und Künstlern individuell angefertigte Modeschöpfungen Wiener Modefirmen präsentiert wurden. In einem eigenen Schauraum wurde durch eigens plastisch angefertigte skelettierte Frauenkörper, die durch die traditionelle Frauenbekleidung hervorgerufenen körperlichen Schäden zur Abschreckung drastisch dargestellt.[13]

Nach seinem Ausscheiden aus dem Verein „Lucina“ war Hugo Klein 1903 Mitgründer und Vorstandsmitglied der Auskunftsstelle für Wohlfahrtseinrichtungen, die als eine Anlaufstelle für Hilfesuchende zur Orientierung gedacht war.[14] 1906 initiierte er unter Mitwirkung des Philosophen und Pädagogen Wilhelm Jerusalem (1854-1923), des Politikers Julius Ofner (1845-1924) und des Kinderarztes Karl Josef Friedjung in dem von ihm einberufenen „philanthropischen Komitee“ die Gründung eines „Österreichischen Bundes für Mutterschutz“ für verarmte, hilf- und schutzlose Mütter und deren Kinder.[15] Als Vorbild diente der in Berlin existierende „Bundes für Mutterschutz in Deutschland“. Nachdem der Verein sich im Jänner 1907 konstituiert hatte, kam es zur Wahl von Klein zum Vorsitzenden.[16] Als langjährige Vizepräsidentin fungierte ab 1908 Rosa Feri-Fliegelmann (1878-1942, KZ Theresienstadt). Im Verein, der auch als Mitglied dem „Bund österreichischer Frauenvereine“ angehörte, waren Politiker, Juristen, ÄrztInnen und Pädagogen wie der Gynäkologe Friedrich Schauta (1849-1919), der oben erwähnte Professor für Kinder- und Jugendheilkunde Karl Josef Friedjung, Sigmund Freud, Rosa Mayreder, Julius Ofner oder Marianne Hainisch (1839-1936) tätig.[17] Als Vereinsorgan – unter der Redaktion der Schriftstellerin und Frauen- und Friedensaktivistin Olga Misar – bestanden seit 1911 die „Mitteilungen des Österreichischen Bundes für Mutterschutz“. In den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellte diese Organisation den Beratungsdienst für uneheliche Mütter und deren Kinder, der neben der Klärung juristischer Fragen auch eine ärztliche und soziale Beratung anbot. Dem Grundsatz von Karl Josef Friedjung folgend, das Mutterschutz das bestes Mittel zum Jugendschutz sei, forderte der Bund den gewerblichen Schutz für Mütter, eine obligatorische Krankenversicherung, eine daran anzugliedernde Mutterschutzversicherung und die Gleichstellung unverheirateter Mütter und unehelicher Kinder vor dem Gesetz.[18] In diesem Kontext wandte sich der Bund auch durch Intervention mittels einer Petition an den österreichischen Reichsrat zur Reform der Arbeitsversicherung.[19] Der Bund für Mutterschutz richtete in Wien 16, Maderspergerstraße 2, ein Mütter- und Säuglingsheim ein, dass nach den Vorstellungen von Klein nicht als Wohltätigkeitsinstitution sondern als soziale Einrichtung geführt wurde und demensprechend mit der bisherigen Pflege- und Aufnahmepraxis an Wohlfahrtseinrichtungen brach und gezielt unverheirateten Frauen seine Unterstützung anbot. Laut den zeitgenössischen Statistiken des Vereines beanspruchten überwiegend arbeitslose Frauen, Frauen, die während ihrer Schwangerschaft ihren Arbeitsplatz verloren hatten, sowie Hausgehilfinnen und obdachlose Frauen den Verein oder das Mütterheim. In dieser Einrichtung bekleidete Klein das Amt des Direktors.

Abb. 7    Die Mutter. 16.4.1925, S. 15.

Abb. 8    Die Mutter. 16.4.1925. S. 15.

Zu diesem Mutter- Frauenasyl erschienen ausführliche Berichte: 1923 von Max Winter[20] (1870-1937), 1925 in der Zeitschrift „Die Mutter[21], 1928 in der Zeitung „Der Tag[22] und im selben Jahr ein Artikel von Käthe Leichter[23] (1895-1942, NS-Tötungsanstalt Bernburg) sowie 1932 in der Wiener Medizinischen Wochenschrift anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Vereins,[24] ein weiterer in der Zeitung „Die Unzufriedene“.[25]

Seine Tätigkeit auf dem Gebiet des Mutter- und Jugendschutzes brachte Klein internationales Ansehen ein, das sich auch in seiner Präsenz an internationalen Konferenzen, wie u.a. am I. internationalen Kongress für Mutterschutz und Sexualreform in Dresden 1911 niederschlug, auf dem er über die soziale Lage unehelicher Mütter und ihrer Kinder referierte.[26]

In der Ersten Republik wurde er 1921 mit dem Titel eines Obermedizinalrates ausgezeichnet,[27] und nahm seine Vortragstätigkeit wieder auf u.a. im Rahmen des Sozialdemokratischen Schulvereins Freie Schule und der Kinderfreunde, zu den Themen „Nie wieder Krieg“, Erziehung, Kulturbewegung und der Elternmitbestimmung in den Elternräten.[28] Eine weitere von ihm mitgestaltete Einrichtung zur fachkundigen Beratung, bestand in der von ihm 1926 mitgegründeten „Gemeinschaft für Mutter- und Erziehungsberatung, in der neben ihm ÄrztInnen wie Felix Bauer, Marie Frischauf-Pappenheim (1882-1966), Karl Josef Friedjung, Mina Margulies, Dora Brücke-Teleky (1879-1963) oder Siegfried Weiss ihre Dienste anboten.[29] 1928 finden wir ihn als Unterzeichner einer Petition an den Nationalrat zur Abschaffung des § 144 (straffreier Schwangerschaftsabbruch),[30] und 1929 als Teilnehmer am österreichischen Fürsorgetag, auf dem er Freiwohnungen zur Bekämpfung der Wohnungsnot, Freitische für mittellose Mütter und weitere Unterbringungsstätten für Schwangere und junge Mütter forderte.[31] 1935 bereits 72-jährig – legte er die Präsidentschaft des Vereines Bund für Mutterschutz zurück. Klein verstarb am 26. Mai 1937 in Wien. Nach seinem Tod kam es im November 1937 zur Auflösung des Vereins „Österreichischer Bund für Mutterschutz“ und des Mütterheimes in Wien 16. Der Verein beriet während seiner dreißigjährigen Tätigkeit zirka 10.000 Mütter und nahm im Mutterheim zirka 4.000 Frauen und ihre Kinder auf.[32]

Publikationen:

Klein, Hugo: Wöchnerinnenheim des Vereins „Lucina“. In: Neues Frauenleben. (12/5) 1904.

Klein, Hugo: Ein Fall von ektopischer Schwangerschaft. Bauchschnitt. Genesung. In: Wiener Medizinische Wochenschrift. (44/39) 1895. Sp. 1660-1661.

Quellen:

Archiv der IKG Wien, 1863, Klein Hugo.

UAW, Dekanat, Promotionsprotokoll – 1874-1890, Sign. 186, Zl. 1798, Klein Hugo.

UAW, Dekanat, Rigorosenprotokoll – 1872-1894, Sign. 177, Zl. 192a, Klein Hugo.

[1] Neues Wiener Journal. 6.12.1896. S. 5.

[2] Hebammen-Zeitung. 30.8.1897. S. 1.

[3] Ulmann, Regine: Blatt der Hausfrau. H. 33. 1900. S. 2. Arbeiter Zeitung. 5.1.1899. S. 4. Hebammen-Zeitung. 15.9.1900. S. 3.

[4] Neue Freie Presse. 5.12.1898. S. 3; 22.3.1904. S. 8.

[5] Hebammen-Zeitung. 30.8.1897. S. 1.

[6] Neues Wiener Journal. 12.4.1905. S. 5; Wiener Zeitung. 22.12.1905. S. 4; Bericht der Österreichischen Liga zur Bekämpfung des Mädchenhandels. 1910. S. 26; Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 2.3.1914. S. 4.

[7] Neue Freie Presse. 26.11.1914. S. 11.

[8] Die Zeit. 15.12.1903. S. 14.

[9] Neues Wiener Journal. 22.4.1902. S. 4.

[10] Österreichische Frauenrundschau – Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen. Oktober 1903. S. 1.

[11] Neue Freie Presse. 18.3.1903. S. 7.

[12] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 22.4.1903. S. 8.

[13] Neue Freie Presse. 22.1.1904. S. 8.

[14] Illustriertes Wiener Extrablatt. 17.5.1903. S. 4.

[15] Die Zeit. 30.12.1906. S. 6.

[16] Arbeiter Zeitung. 24.1.1907. S. 7.

[17] Rechenschaftsbericht des Bundes Österreichischer Frauenvereine. 1907, S. 14.

[18] Hruschka, Ella: Verfemte Mütter. In: Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 16.2.1907. S.1-2.

[19] Hebammen-Zeitung. 15.9.1908. S. 9.

[20] Arbeiter Zeitung. 2.12.1923. S. 15.

[21] Die Mutter. 16.4.1925. S. 15.

[22] Der Tag. 15.8.1928. S. 4.

[23] Arbeiter Zeitung. 25.11.1928. S. 2.

[24] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 26. 1932. S. 864-865.

[25] Die Unzufriedene. 6.2.1932. S. 4.

[26] Mitteilungen des Österr. Bundes für Mutterschutz. H. 1. 1911. S. 2.

[27] Neue Freie Presse. 19.7.1921. S. 6.

[28] Arbeiter Zeitung. 12.11.1921. S. 10; 22.7.1922. S. 12; 20.9.1922. S. 9; 27.9.1922. S. 7; 13.10.1922. S. 7.

[29] Die Mutter. 16.6.1926. S. 2.

[30] Die moderne Frau. H. 10. 1928. S. 4.

[31] Wiener Zeitung. 12.5.1929. S. 4; Hebammen Zeitung. 1.6.1929, S. 8.

[32] Der Tag. 24.11.1937. S. 7.

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