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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [279]: Herz, Max – Internist, Kardiologe, NS-Verfolgter

Herz, Max – Internist, Kardiologe, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 10.04.2024

Keywords: Internist, Kardiologe, Physikalische Medizin, NS-Verfolgter, Medizingeschichte, Wien

Max Herz wurde als Sohn von Josef Herz (1826-1911) und Philippine, geborene Schostal (1840-?), am 3. April 1865 in Neutitschein in Mähren (heute: Nový Jičín/Tschechien) geboren. Er war seit 1898 mit der in New York in den USA geborenen Mignon Reno (1880-1930) verheiratet, mit der er die drei Kinder Walter (1900-?), Viola (1901-1995) und Herbert (1903-1980) hatte.

Nach Abschluss des Gymnasiums in Kremsier (heute: Kroměříž/Tschechien) im Jahr 1884 studierte Herz an der Universität Wien Medizin und promovierte am 26. März 1890. Danach war er zunächst als Aspirant an der I. Medizinischen Klinik bei Hermann Nothnagel (1841-1905) tätig, danach arbeitete bis 1893 als Sekundararzt am Allgemeinen Krankenhaus Wien bei Wilhelm Winternitz (1834-1917) und führte als Internist eine Ordination in Wien. 1895 habilitierte er sich als Privatdozent im Fach Innere Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien.[1]

Herz war Autor zahlreicher Studien zum Thema Herz- und Gefäßerkrankungen, diagnostische Verfahren und Therapien (Thermopalpation, Widerstandstherapie, Hydrotherapie u.a.), die er in Zeitschriften wie der Wiener medizinischen Presse, der Wiener klinischen Wochenschrift oder der Medizinischen Klinik veröffentlichte, wie u.a. über „Genussmittel als Heilmittel für Herzkranke“[2] oder 1913 den „Vortragszyklus über Herzkrankheiten“, darunter „Ueber den Einfluss des Geschlechts und der Heredität. Die Herzkrankheit der höheren Altersstufe“,[3] oder „Der Einfluss von Luft, Licht und Wärme auf Herzkranke“.[4] Er publizierte auch eine Reihe von Monografien zu seinen Forschungsschwerpunkten wie 1903 auf der Basis seiner Vorlesungen an der Medizinischen Fakultät das „Lehrbuch der Heilgymnastik in Vorlesungen“, 1907 „Heilgymnastik“, 1911 „Ein Buch für Herzkranke“, und 1912 „Herzkrankheiten. Erfahrungen aus der Sprechstunde“.

Max Herz trat weiters als Konstrukteur einer Reihe von medizinischen Apparaturen hervor, wie u.a. gymnastische Apparaturen für Herzkranke, einen Apparat für Thermopalpation[5] und Widerstandstherapie sowie eines neuen einfacheren Blutdruckmessgeräts, das er gemeinsam mit seinem Bruder, dem Ingenieur Albert Adolf Herz (1862-1947), entwarf und dazu 1911 den Aufsatz „Das neue Modell meines Blutdruckmessers“ publizierte.[6]

Institut für Mechanotherapie (Orthopädie, maschinelle Heilgymnastik und Massage) in Wien

Seit Oktober 1898 teilte er sich mit Anton Bum (1856-1925) die ärztliche Leitung in dem vom Bum erweiterten und neugegründeten Institut. Hier brachte er auch die von ihm entworfenen maschinellen Apparaturen ein.

Wiener medizinische Wochenschrift, Nr.1, 1899, Sp. 47.

Im Institut für Mechanotherapie publizierte er 1899 „Zur heilgymnastischen Behandlung von Circulationsstörungen“. 1890er Jahren spezialisierte sich Herz auf die Erkrankungen des Herzens und ging zu Ausbildungszwecken nach Berlin und Meran, wo er seit 1904 als Kurarzt und Mitleiter des Sanatoriums „Waldpark“ arbeitete.[7] Hier veröffentlichte er 1905 „Eine einfache Methode der pneumatischen Therapie von Erkrankungen der Respirationsorgane[8] und 1907 „Ueber die Verwendung des künstlichen Licht-Luftstrombades bei einigen Erkrankungen des Nervensystems“.[9] 1907 kehrte er nach Wien zurück und eröffnete als Facharzt eine Ordination in Wien 1, Kärntner Ring 3.[10] Herz gründete 1909 das Zentralblatt für Herzkrankheiten und die Krankheiten der Gefäße. Während des Ersten Weltkriegs publizierte er den Aufsatz „Über die Begutachtung des Herzens im Kriege“.[11] Zahlreiche seiner Arbeiten befinden sich als Sonderdrucke in der Separata-Bibliothek der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien.

Diagnostisch-therapeutisches Institut für Herzkranke

Im Jahr seiner Rückkehr gründete er das „Diagnostisch-therapeutisches Institut – Wiener Kuranstalt für Herzkranke“ am Standort seiner Ordination Wien 1, Kärntnerring 3. Hier veröffentlichte er 1908 „Die Beeinträchtigung des Herzens durch Raummangel“ und „Die sexuelle Psychogene Herzneurose“ sowie im selben Jahr den Aufsatz „Die nervösen Krankheiten des Herzens“ in der von Isaak Segel (1870-1913) herausgegebenen Zeitschrift „Die Medizin für Alle“.[12]

Wiener medizinische Club und die Gesellschaft für physikalisch-therapeutische Medizin

1892 gründete Herz zusammen mit Hermann Schlesinger (1866-1934) den Wiener medizinischen Klub, dem er auch als Präsident vorstand, und in dem in einer der ersten Versammlungen Sigmund Freud seinen Vortrag über Hypnose und ihre Anwendung in der Medizin hielt.[13] 1894 war er Gründungsmitglied des Vereins Freier Kassenärzte,[14] sowie 1907 Gründungsmitglied der Gesellschaft für physikalische Medizin, dessen erster und langjähriger Präsident er war, und in dem auch Anton Bum als Vizepräsident und Robert Grünbaum (1874-1954) im Vorstand wirkten. Weiters gehörte er als Mitglied dem Akademischen Verein für medizinische Psychologie, der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien, die aus dem Medizinischen Klub hervorging, sowie als Obmann dem Verein der Ärzte im 9. Bezirk in Wien an. Als Vorstandsmitglied war er noch in der „Frauenvereinigung für soziale Hilfstätigkeit“ tätig.[15]

Eine Klangschrift für Blinde

1916 erfand Herz eine druckfähige Klangschrift für Blinde, die er zunächst im Mai 1916 in der Gesellschaft der Ärzte in Wien vorstellte[16] und dazu in der Wiener klinischen Wochenschrift den Artikel „Eine druckfähige Klangschrift für Schwachsichtige und Blinde“ verfasste. 1917 veröffentlichte er darüber noch einen Aufsatz „Klangschrift und Blinden-Prägedruck“ im Organ des Zentralvereines für das österreichische Blindenwesen, der Zeitschrift für das Österreichische Blindenwesen.[17] Die vom Österreichischen Blindenverein herausgegeben Blindenzeitung wurde nach dem von Max erfundenen Massedruck der Blinden-Punktschrift hergestellt.

Aufgrund dieses Erfolges erhielt er 1920 eine Einladung der amerikanischen Philanthropen-Vereinigung und von Thomas Alva Edison in die USA, wo er die von ihm erfundene Klangschrift für Blinde vorlegte. Nach seiner Rückkehr berichtete er darüber in der Neuen Freien Presse.[18]

Das interessante Blatt, 23.9.1920, S. 2.

Standesvertretung

Herz engagierte sich seit den 1890er Jahren in den ärztlichen Standesvertretungen wie der Ärztekammer Wien, für die er auch kandidierte. Zu Themen des Ärztestandes publizierte u.a. 1896 „Zur Krankenkassenreform in Österreich“.[19] 1899 gehörte er der konstituierenden Generalversammlung und als gewähltes Ausschussmitglied der Vereinigung österreichischer Hochschuldozenten an.[20] 1923 erhielt er den Titel eines Obermedizinalrates.[21]

Volksbildner

Herz war bis in die späten 1930er Jahre als Volksbildner aktiv: Als Referent im Wiener Volksbildungsverein, der „Jüdisch akademischen Lesehalle“ (später: Lese- und Redehalle jüdischer Hochschüler),[22] im Verein „Bereitschaft“, im Volksheim und in sozialdemokratischen Arbeiterbildungsvereinen wie u.a. „Apollo“. In den 1920er bis 1930er Jahren hielt er regelmäßig Vorträge im Radio Wien in der „Stunde der Volksgesundheit“. Daneben verfasste er populärwissenschaftliche Artikel in der Zeitung Die Zeit, der Wiener Hausfrauen-Zeitung „Über Schule und Herz“ nach einem von ihm gehaltenen Vortrag vor der Österreichischen Gesellschaft für Schulhygiene,[23] im „Illustrem Bade-Blatt“ „Über den Missbrauch der Kohlensäurebäder“[24] oder über „Genussmittel als Heilmittel“.[25]

Herz war auch Autor zahlreicher Monografien. 1897 veröffentlichte er „Kritische Psychiatrie. Kantische Studien über die Störungen und den Missbrauch der reinen speculativen Vernunft“, in der er die Pathologie von Geisteskrankheiten auf Kant aufzubauen versuchte und als Freimaurer 1924 die Monografie „Die Freimaurer“. 1927 erschien von ihm die Monografie „Des alten Doktors wundersames Wachsfigurenkabinett“, in dem er seine Erlebnisse aus seinem Berufsleben reflektierte, und die Adolf Kronfeld (1861-1938) in der Wiener medizinische Wochenschrift rezensierte.[26] Eine launige Beschreibung zu seiner Person erschien aus diesem Anlass vom Schriftsteller Ernst Lothar (1890-1974) in der Neuen Freien Presse.[27]

Foto (zirka 1944) aus: California, Northern U.S. District Court Naturalization Index.

Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde ihm wegen seiner jüdischen Herkunft die Lehrbefugnis entzogen. Im März 1939 flüchtete er nach England, von wo er im November 1943 mit der SS Empress of Australia in die USA emigrierte und sich in San Francisco niederließ. 1944 erwarb er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

Max Herz verstarb am 20. Oktober 1956 in San Francisco in Kalifornien.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch 1898, Herz Max Dr., Reno Mignon.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0261, Herz Max (Nationalien Datum: 1886/87).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 177-145a, Herz Max (Rigorosum Datum: 1888).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 186-2808, Herz Max (Promotion Datum: 26.3.1890).

UAW, Rektoratsarchive, Akademischer Senat, Akten-Sonderreihe, Personalblätter, Senat S 304.477 Herz, Max (03.04.1865; Innere Medizin).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 31.86, Herz Max.

California, Northern U.S. District Court Naturalization Index, 1852-1989, Petition no. 091275, Jun. 20, 1949 – Petition no. 091600, Nov. 21, 1949 (= NARA microfilm publication M1744 (Pacific Sierra Region, San Bruno: National Archives and Records Administration, n.d.), Herz Max.

United States, Genealogy Bank Historical Newspaper Obituaries, 1815-2011, Entry for Dr Max Herz and Hery, 21 Oct 1956.

Find a grave: Max Herz Dr.

United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, Entry for Max Herz, 22 Oct 1956.

Literatur:

Herz, Max: Ueber den Einfluß des Geschlechtes auf die Entstehung und Gestaltung von Herzkrankheiten. Aus dem diagnostisch-therapeutischen Institut für Herzkranke in Wien. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wein: Druck von Bruno Bartelt 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Herz, Max: Lehrbuch der Heilgymnastik. Wien, Berlin: Urban & Schwarzenberg 1903.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 10323]

Herz, Max: Heilgymnastik. (=Physikalische Therapie/5). Stuttgart: Enke 1907.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 17918/5]

Herz, Max: Ein Buch für Herzkranke. Was sie tun sollen. 3. vermehrte Auflage. München: Reinhardt 1911.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 56639]

Herz, Max: Herzkrankheiten. Erfahrungen aus der Sprechstunde. Wien, Leipzig: Perles 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 8009]

Herz, Max: Zur heilgymnastischen Behandlung von Circulationsstörungen. Sonderdruck aus: Prager medizinischer Wochenschrift. Prag: Druck von Carl Bellmann 1899.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Herz, Max: Eine druckfähige Klangschrift für Schwachsichtige und Blinde. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Druck von Bruno Bartelt 1916.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Herz, Max: Des alten Doktors wundersames Wachsfigurenkabinett. Wien: Elbemühl-Graph. Industrie 1927.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Gesellschaft der Ärzte Bibliothek, Sign.: GÄ-21901]

Referenzen:

[1] Die Neuzeit, 3.5.1895, S. 192.

[2] Medizinische Klinik, 29.5.1910, S. 865-866.

[3] Medizinische Klinik, 30.11.1913, S. 1965-1968.

[4] Medizinische Klinik, 28.12.1913, S. 2142-2143.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 9, 1897, Sp. 393.

[6] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 37, 1911.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 41, 1904, Sp. 1949.

[8] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 39, 1905, Sp. 1861-1865.

[9] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 15, 1907, Sp. 729-732.

[10] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 35, 1907, Sp. 1698.

[11] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 4, 1916, Sp. 159-161.

[12] Österreichische Illustrierte Zeitung, 15.1.1908, S. 392.

[13] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 17, 1892, Sp. 685.

[14] Wiener Allgemeine Zeitung, 28.10.1894, S. 3.

[15] Illustriertes Wiener Extrablatt, 13.3.1901, S. 8.

[16] Die Zeit, 25.5.1916, S. 4.

[17] Zeitschrift für das Österreichische Blindenwesen, Nr. 3, 1917, S. 695-696.

[18] Neue Freie Presse, 5.9.1920, S. 5-6.

[19] Die Heilkunde. Monatsschrift für praktische Medicin (Wiener Ausgabe), 1896, S. 190-192

[20] Arbeiter Zeitung, 14.3.1899, S. 6.

[21] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 45, 1923, Sp. 2031.

[22] Neuzeit, 24.1.1896, S. 36.

[23] Wiener Hausfrauen-Zeitung, 8.3.1914, S. 119-121; 15.3.1914, S. 136-140.

[24] Allgemeines Bade-Blatt für die Frauen-Welt, 30.4.1909, S. 1-2.

[25] Allgemeines Bade-Blatt für die Frauen-Welt, 20.7.1913, S. 1-2.

[26] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 50, 1927, S. 1708.

[27] Neue Freie Presse, 2.10.1927, S. 1-4

Normdaten (Person): Herz, Max: BBL: 43607; GND: 117523593;

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Letzte Aktualisierung: 2024 04 10

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [278]: Robert Grünbaum – Inhaber des Instituts für physikalische Therapie in Wien, NS-Verfolgter

Robert Grünbaum – Inhaber des Instituts für physikalische Therapie in Wien, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 04.04.2024

Keywords: Physikalische Medizin, Institut für physikalische Medizin, NS-Verfolgter, Medizingeschichte, Wien

Robert Grünbaum wurde als Sohn des aus Leipnik in Böhmen stammenden Josef Grünbaum (1854-?) und Anna, geborene Lanzer (1853-1937) am 22. Februar 1874 in Grudek in Österreichisch-Schlesien (heute: Hrádek nad Olší/Tschechien) geboren. Seit 1917 war er mit Elsa Markstein verheiratet (1883-1975).

Nachdem er am Akademischen Gymnasium in Wien 1891 maturiert hatte,[1] studierte er an der Universität Wien Medizin und promovierte am 16. Juli 1897.

Institut für maschinelle Heilgymnastik (mechanotherapeutische und orthopädische Institut) des Dr. A. Bum in Wien

Seit 1898 arbeitete er in dem im selben Jahr von Anton Bum (1856-1925) und Max Herz (1865-1956) gegründeten „Institut für Mechanotherapie“ in Wien 1, Schottenring/Deutschmeisterplatz 2, wo er ab zirka 1904 neben Anton Bum die Funktion als leitender Arzt ausübte.

Medizinische Klinik, 5.1.1908, S. 19.

Hier publizierte er 1901 „Der Einfluss von Bewegungen auf die Pulsfrequenz“ und „Über traumatische Muskelverknöcherungen“, 1902 „Weitere Beiträge zur Heissluftbehandlung“ und 1903 „Zur Physiologie und Technik der Heissluftbehandlung“, sowie den Aufsatz „Ikonometrie. Eine neue Methode der Skoliosenzeichnung und -Messung“.

Institut für physikalische Therapie des Dr. Robert Grünbaum

Mit dem Statthaltereierlass vom 17.12.1912 eröffnete er in Wien am Schottenring 5/Hessgasse 7 ein eigenes Institut für physikalische Therapie,[2] das eine eigene Kinderabteilung samt spezifischer Therapieangebote für Kinder sowie ein Radium-Laboratorium anbot.[3] Hier entstanden seine Arbeiten „Über Diathermie“, „Die Diathermiebehandlung der Claudicatio intermittens“ und 1923 „Zur Technik und Indikation der Diathermie“.

Während des Ersten Weltkrieges diente er in der chirurgischen Abteilung des Festungsspitals Nr. 3 in Przemysl.[4] Er geriet 1914 in Kriegsgefangenschaft, aus der er im Juli 1917 im Rahmen eines Austauschs von Invaliden freigelassen wurde.[5] Im September 1918 gehörte er dem Arbeitsausschuss des in Wien stattfindenden Kongress der Kriegsbeschädigtenfürsorge an.[6]

Nach dem Ersten Weltkrieg war er neben seiner Beschäftigung an seinem Institut noch als Konsulent für das Institut für Krüppelfürsorge der Stadt Wien tätig[7] und arbeitete in der Heilanlage für ambulante physikalische Behandlung der Wiener Gebietskrankenkasse als Spezialarzt.

Grünbaum war Mitglied der Gesellschaft für Physikalische Medizin, dem Max Herz als Präsident und Anton Bum, Guido Holzknecht (1872-1931) und Alois Strasser als Vizepräsidenten (1867-1945) vorstanden, der neben Max Kahane (1866-1923) als Sekretär auch Beni Buxbaum (1864-1920) als Kassier angehörte.[8] 1912 wurde er neben Viktor Blum (1877-1953), Alfred Jungmann (1872-1914), Eduard Schiff (1849-1913) in den Vorstand gewählt. 1898 trat er dem Verein der Ärzte im 9. Bezirk in Wien bei, der neben dem Obmann Max Herz zum Schriftführer gewählt worden war.[9] Seit 1902 gehörte er als Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien an.[10] Weiters war er Mitglied des Vereins „Die Technik für die Kriegsinvaliden“. 1921 erhielt er den Titel eines Medizinalrates.[11]

Grünbaum und seine Ehefrau wurden wegen ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt. Ihnen gelang die Flucht nach Argentinien. Grünbaum verstarb am 19. November 1954 in Buenos Aires.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch, Grünbaum Robert, Elsa Markstein.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 143-0459, Grünbaum Robert (Nationalien Datum: 1894/95).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-092a, Grünbaum Robert (Rigorosum Datum: 7.7.1897).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 188-914, Grünbaum Robert (Promotion Datum: 16.7.1897).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 34.607, Grünbaum Josef.

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 2.302, Grünbaum Robert.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds, Zl. 3.329, Grünbaum Robert.

WStLA, VEAV, 3.2.119.A41 134, Bezirk: 1, Grünbaum Robert.

WStLA, VEAV, 3.2.119.A41 643, 115, Bezirk: 18, Grünbaum Robert.

WStLA, M.Abt. 213, 1.3.2.213.A4.A/26 – Heilanstalt für elektro-und physikalische Heilmethoden.

WStLA, M.Abt. 212, 1.3.2.212.A26.6/15 – Institut für physikalische Therapie des Dr. Robert Grünbaum.

Autorizaciones de sepultación: Cementerio Británico de Buenos Aires, Grünbaum Robert.

Literatur:

Grünbaum, Robert und A. Amson: Der Einfluss von Bewegungen auf die Pulsfrequenz. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien, Berlin: Urban & Schwarzenberg 1901.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Grünbaum, Robert: Über traumatische Muskelverknöcherungen. Vortrag gehalten in der Sitzung des „Wiener Med. Club“ am 5 December 1900. Aus dem Institute für Mechanotherapie der DDr. A. Bum und M. Herz in Wien. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien, Berlin: Urban & Schwarzenberg 1901.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Grünbaum, Robert: Weitere Beiträge zur Heissluftbehandlung. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien, Berlin: Urban & Schwarzenberg 1902.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Grünbaum, Roberg: Zur Physiologie und Technik der Heissluftbehandlung. Aus dem Institute für Mechanotherapie des Dr. A. Bum in Wien. Sonderdruck aus: Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie. Leipzig: Verlag von Georg Thieme 1903.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Grünbaum, Robert: Ikonometrie. Eine neue Methode der Skoliosenzeichnung und -Messung. Aus dem Institute für Mechanotherapie der Drn. Bum und Herz in Wien. (Mit 4 in den Text gedruckten Abbildungen) Sonderdruck aus: Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. Stuttgart: Enke 1901.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Grünbaum, Robert: Über Diathermie. Aus dem Institute für physikalische Therapie des Dr. R. Grünbaum in Wien. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles 1919.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Grünbaum, Robert: Die Diathermiebehandlung der Claudicatio intermittens. Aus dem Institute für physikalische Therapie des Dr. Robert Grünbaum in Wien. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Wilhelm Braumüller 1920.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Grünbaum, Robert: Zur Technik und Indikation der Diathermie. Aus dem Institute für physikalische Therapie Dr. Grünbaum in Wien. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Rikola Verlag 1923.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Jahresbericht Akademisches Gymnasium Wien, 1892, S. 24.

[2] Die Gemeinde-Verwaltung der k.k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. Wien, 1912, S. 296.

[3] Die Zeit, 10.11.1912, S. 16.

[4] Neue Freie Presse, 3.11.1914, S. 11.

[5] Der Morgen. Wiener Montagblatt, 16.7.1917, S. 4.

[6] Neue Freie Presse, 16.9.1918, S. 5.

[7] Amtsblatt der Stadt Wien, 1926, S. 75.

[8] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 22, 1912, Sp. 1508.

[9] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 3, 1989, Sp. 133.

[10] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 13, 1902, S. 349.

[11] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 31.12.1921, S. 3.

Normdaten (Person): Grünbaum, Robert: BBL: 43605; GND: 1325231584;

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [271]: Robert Hift – Internist, Facharzt für Innere und Herzerkrankungen, NS-Verfolgter

Robert Hift – Internist, Facharzt für Innere und Herzerkrankungen, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 23.02.2024

Keywords: Internist, Facharzt für Herzerkrankungen, Rothschild-Spital, Herzstation Wien, Zentral-Ambulatorium der Ambulatorien der Arbeiter-Krankenversicherungskasse Wien, Medizingeschichte, Wien, Chicago

Robert Hift wurde als Sohn des aus Lemberg in Galizien stammenden Israel Isidor Hift (1851-1917) und Helene, geborene Löwy (1856-1901) als eines von fünf Geschwistern, am 14. April 1884 in Wien geboren. Seit 1918 war er mit der aus Mährisch Neustadt stammenden und seit 1915 promovierten Medizinerin Irma Hermine Schütz (1891-1963) verheiratet, die in den 1920er Jahren als Kinderärztin in Wien am Karolinen-Spital arbeitete.

Hift studierte an der Universität Wien Medizin und promovierte am 10. Mai 1909. Danach arbeitete er an der I. medizinischen Abteilung des Rothschild-Spital unter dem Internisten Dozent Robert Breuer (1869-1936).

Weiters war er an der Chefärztlichen Station des Zentral-Ambulatoriums der Ambulatorien der Arbeiter-Krankenversicherungskasse Wien tätig,[1] und führte daneben als Facharzt für Innere (Herz-) Krankheiten gemeinsam mit seiner Ehefrau Irma in Wien 9, Währinger Gürtel 95 und später Währinger Straße 85 eine Arztpraxis.

Am Ersten Weltkrieg nahm Hift zunächst als Oberarzt und dann als Regimentsarzt teil und geriet in russische Kriegsgefangenschaft, die er in den Kriegsgefangenenlagern Beresowka[2] und in Troizkossawsk in Sibirien verbrachte. Nach seiner Freilassung und Rückkehr nach Wien veröffentlichte er 1917 die Arbeit „Ueber eine endemisch auftretende hämorrhagische Erkrankung des Herzbeutels. (Akute, rekurrierende hämorrbagische Perikarditis). Klinische Studie: aus dem Kriegsgefangenenlager in Troizkossawsk (Sibirien)“ und 1918 „Beobachtungen über Skorbut und Hemeralopie“.

Herzstation

Nach dem Krieg war er an der 1918 vom Verein Herzstation eröffneten Herzstation (Ambulatorium für unbemittelte Herzkranke und Spital) in Wien 9, Pelikangasse 16-18 tätig. 1929 publizierte er hier „Ein Erklärungsversuch für unklare Strychninwirkungen“ und „Ueber die Behandlung der Aortenlues“ und 1932 „Über Verlauf und Prognose der Mesaortitis luetica“.[3]

Weiters hielt er in den 1920er Jahren Sanitätskurse beim sozialdemokratischen Republikanischen Schutzbund ab.[4]

Hift war Mitglied der Gesellschaft für Innere Medizin und Kinderheilkunde und gehörte als Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien an.

Robert Hift und seine Ehefrau Irma waren wegen ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 von der Verfolgung durch die Nationalsozialisten bedroht. Sie flüchteten zunächst nach England, wo Robert Hift zunächst interniert wurde, und nach seiner Freilassung im November 1939 mit der SS President Harding von Southampton nach New York emigrierte. In den USA nahm er 1945 die US-Staatsbürgerschaft an und arbeitete als Klinischer Assistent an der Chicago Medical School, am Weiss Memorial Hospital und am Forkash Memorial Hospital in Chicago.

Robert Hift verstarb am 22. Dezember 1958 in Chicago, seine Ehefrau Irma im Jänner 1963 in Wisconsin.

Quellen:

Geburtsbuch der IKG Wien, 1884, Hift Robert.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0600, Hift Robert (Nationalien Datum: 1906/07).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0217, Hift Robert (Rigorosen Datum: 28.4.1909).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 190-0903, Hift Robert (Promotion Datum: 10.5.1909).

Trauungsbuch der IKG Wien, 8.10.1918, Hift Robert, Schütz Irma Hermine.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt., VA, Zl. 16.664, Hift Robert.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt., VA, Zl. 17.523, Hift Irma.

New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957, vol. 13825-13826, (NARA microfilm publication T715 (Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.), Hift Robert und Irma.

Illinois, Northern District (Eastern Division), Naturalization Index, 1926-1979, Entry for Robert Hift, 1945.

United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, American Medical Association, Chicago., Hift Robert.

Illinois, Cook County Deaths, 1871-1998, Entry for Robert Hift and Isadore Hift, 22 Dec 1958.

Literatur:

Hift, Robert und Leo Brüll: Ueber eine endemisch auftretende hämorrhagische Erkrankung des Herzbeutels. (Akute, rekurrierende hämorrbagische Perikarditis). Klinische Studie aus dem Kriegsgefangenenlager in Troizkossawsk (Sibirien). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Druck von Bruno Bartelt 1917.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hift, Robert: Beobachtungen über Skorbut und Hemeralopie. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1918.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hift, Robert: Ein Erklärungsversuch für unklare Strychninwirkungen. Aus der „Herzstation, gegründet von Prof. R. Kaufmann“ in Wien (Leiter: Hofrat Prof. Hans Horst Meyer und Prof. E. Zak). Sonderdruck aus: Deutsche medizinische Wochenschrift. Leipzig: Druck von J.B. Hirschfeld (Arno Pries) 1929.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Lehmann, Österreichische Anzeigen. Gesellschaft, 1926, S. 65.

[2] Grazer Tagblatt, 14.9.1915, S. 21.

[3] Medizinische Klinik, Nr. 4, 1932, S. 114-118.

[4] Arbeiter Zeitung, 17.11.1926, S. 11.

Normdaten (Person): Hift, Robert : BBL: 43219; GND: 1321348967;

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [257]: Martin Pappenheim – Neurologe am Versorgungsheim der Gemeinde Wien, Gerichtspsychiater, NS-Verfolgter

Martin Pappenheim – Neurologe am Versorgungsheim der Gemeinde Wien, Gerichtspsychiater, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 11.12. 2023

Keywords: Neurologe, Psychiater, Medizingeschichte, Wien, Tel Aviv

Martin (Moriz) Pappenheim wurde am 4. November 1881 als Sohn von Max Miksa Pappenheim (1850-1921) und der aus Lemberg stammenden Regina (1858-1924), geborene Sprecher, in Preßburg in Ungarn (heute: Bratislava/Slowakei) geboren. Nach seiner Ehe mit Edith Goldschmidt (1883-1942) war er in zweiter Ehe mit der Ärztin Amalie Mela Bloch (1890-1930) und zuletzt seit 1932 mit Rose Beatrice Adelheid, geborene Liebrecht (1901-?), verheiratet. Er hatte drei Töchter, Eva (*24.6.1923), Nira Ruth (*1934), und die Neurologin, Schülerin von Sigmund Freud (1856-1939), und spätere Kommunistin Else Pappenheim (22.5.1911 Salzburg, gest. 11.1.2009 New York), die nach ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten gemeinsam mit Else Volk-Friedland (1880- 1953) im mexikanischen Exil den Exilverlag „El Libro Libre“ gründete. Eine seiner Schwestern war die Ärztin und Schriftstellerin Marie Pappenheim (1882-1966), verheiratete Frischauf.

Pappenheim begann 1899 an der Universität Wien mit dem Studium der Medizin und schloss es am 18. Mai 1905 mit der Promotion ab. Im Anschluss daran arbeitete er zunächst als Assistent an der Psychiatrischen Klinik in Prag und ab 1911 an der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg, wo er eine umfassende Broschüre und ein Gutachten zu dem zu dieser Zeit Aufsehen erregenden Kriminalfall um den Betrüger Eduard Wenzel Czapek verfasste.[1] Daneben verfasste er hier die Arbeit „Über die Polynucleose im Liquor cerebrospinalis, insbesondere bei der progressiven Paralyse. (Mit einem Beitrag zur Kasuistik der Strangulationspsychosen)“.

Danach kehrte er nach Wien zurück und wurde an der Psychiatrisch-neurologischen Klinik bei Julius Wagner-Jauregg (1857-1940) tätig, wo er gemeinsam mit Richard Volk (1876-1943) an der „Behandlung von Paralytikern mit Tuberkulin“ arbeitete.[2] Dazu publizierte er 1914 „Untersuchungen des Liquor cerebrospinalis bei der v. Wagnerschen Tuberkulinbehandlung der progressiven Paralyse“ und im selben Jahr gemeinsam mit dem Landesgerichtspsychiater in Wien Karl Grosz (1879-1962) „Die Neurosen und Psychosen des Pubertätsalters (Zwanglose Behandlungen aus den Grenzgebieten der Pädagogik und Medizin)“.

Pappenheim war bereits vor dem Ersten Weltkrieg in der Sozialdemokratischen Partei aktiv. 1912 besuchte Pappenheim erstmals die Wiener Psychoanalytische Gesellschaft, seit 1928 gehörte er der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und dem engeren Kreis um Sigmund Freud an. 1913 trat er als Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien bei,[3] weiters war er Mitglied des Vereins für Psychiatrie und Neurologie, des deutschen Vereins für Psychiatrie, der Österreichischen Kriminalistischen Vereinigung, und der Gesellschaft der Nervenärzte in Wien. Darüber hinaus fungierte er nach dem Ersten Weltkrieg als Präsident des Österreichischen Komitees der Internationalen Liga für psychische Hygiene, und als Vorsitzender des Vereins für angewandte Psychopathologie und Psychologie.[4]

Im September 1915 erfolgte seine Ernennung zum Privatdozenten für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien,[5] und von Oktober 1915 bis Oktober 1916 war Pappenheim als Militärarzt und Gefängnispsychiater der Festungsanstalt Theresienstadt zugeteilt. Hier beschäftigte er sich mit Genehmigung der Festungskommandantur erstmals zu Beginn des Jahres 1916 in vier Gesprächssitzungen mit dem hier untergebrachten Attentäter des Thronfolgers Franz Ferdinand von Österreich (1863-1914), Gavrilo Princip (1894-1918). 1926 publizierte er aus diesen Gesprächsaufzeichnungen die Arbeit „Gavrilo Princips Bekenntnisse. Ein geschichtlicher Beitrag zur Vorgeschichte des Attentats von Sarajewo“. Während seiner weiteren Verwendung als Militärpsychiater in den Garnisonsspitälern in Mähren, darunter ab 1916 in Leitmeritz (heute: Litoměřice/Tschechien), setzte er zur Behandlung kriegsuntauglicher Patienten die sogenannte faradische Therapie (Elektroschocks) ein und publizierte 1916 „Über Neurosen bei Kriegsgefangenen“ und 1917 „Liquorpolynukleose im Status epilepticus“. Zuletzt war er als Regimentsarzt und Leiter der Nervenabteilung im Kriegsspital in Grinzing in Wien bei Professor Julius Wagner-Jauregg (1857-1940) tätig, wo er die in Theresienstadt und Leitmeritz angewandte elektrotherapeutische Behandlungsmethode fortsetzte. In diesem Zusammenhang wurde 1920 gegen Wagner-Jauregg und u.a. gegen ihn Vorwürfe wegen der Anwendung elektrischer Zwangstherapien erhoben und durch die Kommission zur Erhebung militärischer Pflichtverletzungen eine Untersuchung gegen ihn durchgeführt. 1919 veröffentlichte er zu diesem Thema noch „Kriegsneurose und Psychogenie. Bemerkungen zum Aufsatz von Dr. August Richter“.

Gemeinsam mit seiner Ehefrau und Ärztin Amalie Mela Pappenheim reiste er im August 1920 als Mitglied der Repatriierungskommission für österreichische Kriegsgefangene in Russland nach Moskau.[6]

Von 1922 bis 1933 war er als Vorstand der neurologischen Abteilung am städtischen Versorgungsheim der Gemeinde Wien und im selben Zeitraum als Primararzt an der neurologischen Abteilung des Versorgungsheimes der Stadt Wien-Lainz tätig.[7] 1924 erhielt Pappenheim den Titel eines a.o. Professors verliehen.[8] Hier veröffentlichte er u.a. 1922 „Die Lumbalpunktion: Anatomie, Physiologie, Technik, Untersuchungsmethoden, diagnostische und therapeutische Verwertung“, 1923 „Neueres über Lumbalpunktion“, oder 1925 gemeinsam mit Otto Marburg (1874-1948) „Syphilitische Parkinsonismus“. 1926 erschien von ihm „Allgemeine Grundlagen der Reflexologie des Menschen : Leitfaden für das objektive Studium der Persönlichkeit“, und 1930 „Neurosen und Psychosen der weiblichen Generationsphasen

Daneben wirkte Pappenheim als Sachverständiger und als Gerichtspsychiater beim Landesgericht für Strafsachen in Wien, sowie als Referent im Radio Wien, an Wiener Volksbildungsorganisationen und wissenschaftlichen Vereinigungen. 1930 organisierte er in Wien die internationale Tagung für angewandte Seelenkunde im Rahmen der Tagung für Kulturforschung[9] und 1932 sprach er sich vor der Gesellschaft der Ärzte in Wien für eine umfassende Reform und Modernisierungen der psychiatrischen Anstalten in Österreich aus.[10] Zuvor hatte er bereits 1927 seine Vorstellungen dazu im Aufsatz „Über die sogenannte verminderte Zurechnungsfähigkeit im Strafgesetzentwurf“ publiziert. Im selben Jahr gehörte er zu den Unterzeichnern eines Protesttelegramms gegen Misshandlung und Hinrichtungen politischer Gefangener in Ungarn und Bulgarien,[11] und 1929 setzte er sich gemeinsam mit Sigmund Freud u.a. für die Freilassung der politischen Häftlinge in Rumänien ein.[12] Im März 1929 nahm er am Internationalen Antifaschistenkongress in Berlin teil.

Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947, Government of Palestine, Department of Immigration, Pappenheim Martin.

Ende 1933 folgte er einer für ein halbes Jahr anberaumten Berufung nach Tel Aviv zur Gründung einer modernen Nerven-Heilanstalt. Wegen seiner exponierten Stellung innerhalb der österreichischen Sozialdemokratie kehrte er nach den Februarkämpfen 1934 nicht mehr nach Österreich zurück. Er führte in Tel Aviv eine private Arztpraxis, erhielt an der Universität Jerusalem eine Lehrkanzel,[13] und gehörte zu den Mitbegründern der „Vereinigung für psychische Hygiene Palästinas“. 1936 trat er für die eugenische Sterilisation geistig Behinderter ein.

Pappenheim wurde wegen seiner jüdischen Herkunft am 22. April 1938 seines Amtes an der Universität Wien enthoben. 1939 erhielt er die Staatsbürgerschaft Palästinas.

Martin Pappenheim verstarb am 22. November 1943 in Tel Aviv.

Von Martin Pappenheim besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin einen umfangreichen Bestand.

Quellen:

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0573, Pappenheim Martin (Nationalien Datum: 1902/03).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-290a, Pappenheim Moriz (Rigorosen Datum: 9.5.1905).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 190-0210, Pappenheim Martin (Promotion Datum: 18.5.1905).

Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947, Government of Palestine, Department of Immigration, Pappenheim Martin.

Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938: Pappenheim Martin.

Eissler Kurt, Freud und Wagner-Jauregg vor der Kommission zur Erhebung militärischer Pflichtverletzungen, Wien 2006.

Mayer Gregor, Verschwörung in Sarajewo. Triumph und Tod des Attentäters Gavrilo Princip, Wien 1914.

Literatur:

Pappenheim, Martin: Über die Polynucleose im Liquor cerebrospinalis, insbesondere bei der progressiven Paralyse. (Mit einem Beitrag zur Kasuistik der Strangulationspsychosen) Aus der psychiatrischen Klinik in Heidelberg. Sonderdruck aus: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. Berlin: Julius Springer, Leipzig: Johann Ambrosius Barth 1911.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pappenheim, Martin: Untersuchungen des Liquor cerebrospinalis bei der v. Wagnerschen Tuberkulinbehandlung der progressiven Paralyse. Sonderdruck aus: Jahrbücher für Psychiatrie und Neurologiel. Wien: Franz Deuticke 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pappenheim, Martin und Karl Grosz: Die Neurosen und Psychosen des Pubertätsalters. (=Zwanglose Abhandlungen aus den Grenzgebieten der Pädagogik und Medizin/1) Berlin: Springer 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Gesellschaft der Ärzte Bibliothek, Sign.: GÄ-18581/1]

Pappenheim, Martin: Über Neurosen bei Kriegsgefangenen. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles k.u.k. Hofbuchhandlung 1916.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pappenheim, Marti: Liquorpolynukleose im Status epilepticus. Sonderdruck aus: Neurologisches Centralblatt. Leipzig: Veith & Comp. 1917.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pappenheim, Martin: Kriegsneurose und Psychogenie. Bemerkungen zum Aufsatze von Dr. August Richter. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: 1919.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pappenheim, Martin: Die Lumbalpunktion. Anatomie, Physiologie, Technik, Untersuchungsmethoden, diagnostische und therapeutische Verwertung. Wien: Rikola 1922.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 8108]

Pappenheim, Martin: Neueres über Lumbalpunktion. Sonderdruck aus: Jahreskurse für ärztliche Fortbildung. München: J.F. Lehmanns Verlag 1923.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Pappenheim, Martin und Otto Marburg: Syphilitische Parkinsonismus. Aus der Neurologischen Abteilung des Wiener Versorgungskrankenhauses (Vorstand: Prof. Martin Pappenheim) und aus dem Neurologischen Institute der Wiener Universität (Vorstand: Prof. Otto Marburg) (Mit 3 Textabbildungen) Sonderdruck aus: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. Berlin: Verlag von Julius Springer 1925.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Bechterev, Vladimir Michailovič und Martin Pappenheim: Allgemeine Grundlagen der Reflexologie des Menschen. Leitfaden für das objektive Studium der Persönlichkeit. Leipzig, Wien: Deuticke 1926.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 12214]

Pappenheim, Martin: Neurosen und Psychosen der weiblichen Generationsphasen. (= Bücher der ärztlichen Praxis/26) Wien: Springer 1930.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Gesellschaft der Ärzte Bibliothek, Sign.: GÄ-21948/26]

Referenzen:

[1] (Neuigkeits) Weltblatt, 31.5.1910, S. 8.

[2] Neues Wiener Journal, 24.9.1913, S. 3.

[3] Neue Freie Presse, 16.4.1913, S. 9.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 3, 1928, S. 108.

[5] Neue Freie Presse, 23.9.1915, S. 1.

[6] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 22.8.1920, S. 8.

[7] Amtsblatt der Stadt Wien, Wien 1922, S. 710.

[8] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 41, 1924, Sp. 2159.

[9] Der Abend, 3.6.1930, S. 2.

[10] Neues Wiener Journal, 23.1.1932, S. 7.

[11] Die Rote Fahne, 30.3.1927, S. 4.

[12] Wiener Allgemeine Zeitung, 26.1.1929, S. 1.

[13] Neues Wiener Journal, 13.7.1934, S. 5.

Normdaten (Person): Pappenheim, Martin : BBL: 42676; GND: 1025029364;

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [242]: Hugo Schwerdtner – Psychiater, Sportmediziner, Schriftsteller

Hugo Schwerdtner – Psychiater, Sportmediziner, Schriftsteller

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 25.09.2023

Keywords: Hugo Schwerdtner, Psychiater, Sportmediziner, Orthopädie, Schriftsteller, Medizingeschichte, Wien

Hugo Albert Schwerdtner wurde am 7. August 1875 als Sohn des Graveurs, Medailleurs und Mitarbeiters des Militärgeografischen Institutes, Johann Evangelist Schwerdtner (1834-1920), und der Hof- und Damenfriseurin am Burgtheater Albertine, geborene Rössler-Angerer, in Wien geboren. Sein Bruder war der Bildhauer und Medailleur Carl Maria Schwerdtner (1874-1916). 1904 heiratete er die Tochter eines Chirurgen, Lydia Hager (gest. 1973).

Nachdem er das Gymnasium in Krems 1894 absolviert hatte, begann er noch im selben Jahr an der Universität Wien mit dem Studium der Medizin, das er am 25. Juli 1900 mit der Promotion abschloss. Danach machte er eine Facharztausbildung für physikalische Heilmethoden und beschäftigte sich von da an vor allem mit den Beziehungen zwischen Psychotherapie, Kunst, Bewegungstherapien und Sport. Seit 1903 führte er eine eigene Praxis in Wien.

Die Bühne, H. 15, 1925, S. 22.

Kurarzt in Abbazia

Zunächst arbeitete er bis 1907 als Leiter der Wasserheilanstalt Erzherzog Ludwig Viktorbad und als Spezialist für Neurasthenie im Kurort Abbazia (heute Opatija, Kroatien). 1906 verfasste er gemeinsam mit u.a. Julius Cohn, Geza Fodor und Xaver Gorski die Festschrift „Abbazia als Kurort“.[1]

Neben dem sozialdemokratischen Parteiobmann Viktor Adler (1852-1918), mit dem er sich in sozialmedizinischen Themen austauschte, stand er noch in Kontakt zu Ernst Mach (1838-1916) und Sigmund Freud (1856-1939).

Wiener mediko-mechanisches Zander-Institut (für Heilgymnastik und Elektrotherapie)

Seit 1906 arbeitete er zunächst als Mitarbeiter an dem von Maximilian Roth gegründeten mediko-mechanischen „Zander Institut“ – benannt nach Gustav Zander (1835-1920) – in Wien 1, Weihburggasse 4 (ab 1919 in der Dorotheergasse 9), das er 1908 gemeinsam mit dem Mediziner Raimund Hofbauer (1866-1931) samt der orthopädischen Anstalt übernahm[2] und hier die leitende Funktion eines Chefarztes ausübte. 1909 versuchte er das Schloss Cobenzl zur Errichtung einer weiteren orthopädischen Heilanstalt anzumieten, was ihm verwehrt wurde. Am „Zander-Institut“ bot er für Patienten hygienisch-orthopädische Turnkurse für Kinder, diätische Heilgymnastik, Heißluftkuren, Massage, Kohlensäure-, Sauerstoff-elektrische Lichtbäder, Radiumbäder mit Joachimsthaler-Uranpechblende an,[3] daneben hielt er hier Ausbildungskurse für Ärzt:innen in maschineller Mechanotherapie und Elektrogymnastik.[4] Während des Ersten Weltkrieges standen die Räumlichkeiten des Institutes rekonvaleszenten Verwundeten zu deren kostenloser Rehabilitation zur Verfügung. Neben einer Reihe von Gymnastiktherapien erweiterte er später sein Therapie-Programm mit Seminaren für kulinarische Therapien samt Vermittlung von Kocharten und Speiseanordnungen,[5] und beschäftigte sich mit der Beziehung von Musik- und Bewegungstherapien als einen psychotherapeutischen Ansatz.[6] In den frühen 1930er Jahren schloss er dem Institut eine Wasserheilanstalt an.

Illustrierte Zeitung für Reisen und Sport, H. 22, 1913, S. 29.

Illustrierte Zeitung für Reisen und Sport, H. 22, 1913, S. 28.

1926 publizierte er „Die Ausdrucksbewegungen im Dienste der Psychotherapie. Vorläufige Mitteilung über eine neue Behandlungsart der Psychoneurosen“ und „Kunst als Psychotherapie“.

Mitglied der „Mittwochsgesellschaft“

Schwerdtner war Hörer der Vorlesungen von Sigmund Freud und trat zirka 1905/06 der Psychologischen Mittwochsgesellschaft bei, wo er 1907 einen Vortrag zum Thema „Der Schlaf“ hielt und im selben Jahr am 1. Kongress der Psychoanalytiker in Salzburg teilnahm.[7] 1908 erschien von ihm „Zur Ätiologie der Psychoneurosen“.

Sportmediziner und Mitglied der Zentralstelle für körperliche Erziehung

Schwerdtner begann früh sich mit sportmedizinischen Fragen zu beschäftigen. In seiner Funktion als Sportmediziner gehörte er dem Vorstand des Alpen-Skivereins an und nahm 1909 an einer Enquete über körperliche Erziehung an den Schulen Österreichs teil.[8] In der sich im Jänner 1912 konstituierenden Sektion 6 der „Zentralstelle für körperliche Erziehung der Schuljugend in Niederösterreich“ gehörte er, so wie Else Volk Friedland (1880-1953), jenem Fachgremium an, das sich mit der körperlichen Ausbildung der weiblichen Jugend befasste,[9] bzw. die Ausgestaltung von Sportplätzen in Wien, nach den Anregungen und der Kritik des Polizeiarztes und Schulreformers Gustav Adler (1857-1928), forcierte. Mit dem Erziehungsreformer und Herausgeber der Zeitschrift „Körperliche Erziehung“, Dr. Viktor Pimmer (gest. Dezember 1938), organisierte er vor dem Ersten Weltkrieg sogenannte orthopädische Freiluftspiele in Wiener Parks,[10] später, 1928, gehörte er zu den vehementen Befürwortern des zu dieser Zeit umstrittenen Bauprojektes der Gemeinde Wien, dem Praterstadion.

Schriftsteller, populärwissenschaftlicher Volksbildner

Schwerdtner war über viele Jahre als Referent und vor allem als Verfasser von populärwissenschaftlichen Arbeiten in der Öffentlichkeit mit seinen Arbeitsthemen präsent, vor allem aber suchte er damit eine öffentliche Breitenwirkung für sein Institut zu erreichen. Er referierte u.a. 1902 im Sozialwissenschaftlichen Bildungsverein über „Soziale Ursachen und Wirkungen der Tuberkulose“,[11] oder 1909 vor dem akademischen Frauenverein, Wiener Frauenklub, über „Körpereinfluss auf die Psyche“,[12] sowie vor der Österreichischen Gesellschaft für Kinderforschung über „Die Behandlung der kindlichen Faulheit“,[13] 1912 über „Die Verängstigung in der Schule“[14] und 1913 wieder vor dem Wissenschaftlichen Club zu „Der Unfug des Alterns“.[15] 1922 begann er seine Vortragsreihe in der Urania über die „Veredelung der weiblichen Gestalt“,[16] wofür er auch einen Aufsatz[17] verfasste, und bis in die 1930er Jahre eine Veredelungsgymnastik in seinem Programmangebot an seinem Institut führte.

Überaus umfangreich war seine publizistische Tätigkeit in Zeitungen. Dazu zählen exemplarisch seine 1906 erschienene Artikelserie zur „Volks-Wohlfahrt. Verschiedene Kapitel über Alltäglichkeiten“,[18] und sein im selben Jahr publizierter Artikel „Die Flucht vor dem Heufieber“.[19] Im Illustrierten Badeblatt schrieb er über „Skifahren als Mechanotherapie“,[20] und in der Neuen Freien Presse zur „Kunst als Psychotherapie“.[21] Neben Buchrezensionen in der „Wiener-Zeitung“ veröffentlichte er weitere seiner Arbeiten in der Zeitung „Der Tag“, und in der „Bühne“, wie den Artikel „Körperliche Schulungen der Künstler“,[22] oder in der Zeitschrift „Der Weg – Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Kultur“, wo er 1905 den Aufsatz „Hexenprozesse der Gegenwart“ publizierte.[23] Weiters schrieb er noch in der von Isaak Segel (1870-1913) herausgegebenen Zeitschrift „Die Medizin für Alle“,[24] sowie zahlreiche sportmedizinischen Artikel und Aufsätze in Zeitschriften wie „Der Schnee“, darunter u.a. die Artikel „Arzt und Sport“[25] und „Unfälle des Skifahrens“[26], oder in Zeitungen wie „Die Zeit“ den Aufsatz „Der Sport im Dienste der Heilkunde“.[27]

Daneben war Schwerdtner noch als Schriftsteller tätig, bzw. betrieb musikalische Studien und verfasste eine Reihe musikalischer Werke von Opernlibretti bis zu Lustspielen.[28] Dazu gehörte 1901 „Die stumme Seele. Märchen aus der Innenwelt“, oder das 1913 als gedruckte Fassung erschienene Regiebuch „Irrley. Oper in einem Akt“ – Komponist Robert Payr (1875-1933). 1927 veröffentlichte er „Evas Seelenwanderung. Fröhliches Mysterium in 2 Lustspielen und einem Zwischenspiel“ und 1928 unter dem Pseudonym „Mevisteros“ „Die unsterbliche Eva. Mimus mit Musik für Bühne, Film und Radio. Vor dem Dom zu Salzburg“. Weiters stammen von ihm aus dem Jahr 1903 das Liedwerk „Sing mir noch einmal …“ mit der Komponistin Alessandra Esterhazy-Rossi (1844-1919) und 1929 das Lustspiel „Der Zauberer von Wien“.

Schwerdtner war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Sozialogischen Gesellschaft in Wien. Er trat 1906 als Mitglied dem Wiener-Hausfrauen-Verein bei,[29] und gehörte seit 1910 als Mitglied der k.k. Geographischen Gesellschaft an.[30]

Hugo Schwerdtner verstarb am 29. Mai 1936 in Wien.

Quellen:

Geburts- und Taufregister Rk. Erzdiözese Wien, 6. Mariahilf, Taufbuch, Sign. 1-18, Folio 380, Schwerdtner Albert Hugo.

UAW, Sign. 195-365a, Schwerdtner Hugo (Rigorosum Datum: 20.7.1900).

UAW, Sign. 189-0609, Schwerdtner Hugo (Promotion Datum: 25.7.1900).

Friedhofsdatenbank der Gemeinde Wien: Schwerdtner Hugo Dr.

Literatur:

Schwerdtner, Hugo: Die Ausdrucksbewegungen im Dienste der Psychotherapie. Vorläufige Mitteilung über eine neue Behandlungsart der Psychoneurosen. Sonderdruck aus: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. Berlin: 1926.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Schwerdtner, Hugo: Kunst als Psychotherapie. Sonderdruck aus: Schweizerische medizinische Wochenschrift. Basel 1926.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Schwerdtner, Hugo: Zur Ätiologie der Psychoneurosen. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhandlung 1908.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Schwerdtner Hugo, Abbazia als Seebad, in: Abbazia als Kurort. Festschrift zum 60. Geburtstage des Prof. Dr. Julius Glax. Abbazia. Verlag der Kur-Kommission, 1906.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 22, 1908, Sp. 1272.

[3] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 22.10.1914, S. 11.

[4] Neue Freie Presse, 12.9.1914, S. 10.

[5] Neue Freie Presse, 16.10.1932, S. 15.

[6] Neues Wiener Journal, 17.3.1926, S. 5.

[7] Mühlleitner Elke, Biographisches Lexikon der Psychoanalyse: die Mitglieder der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, 1902-1938, Tübingen 1992, S. 297.

[8] Die Zeit, 30.3.1909, S. 7.

[9] Moderne illustrierte Zeitung für Reise und Sport, H. 1, 1912, S. 31.

[10] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 2.5.1910, S. 7.

[11] Neues Wiener Tagblatt, 12.3.1902, S. 5.

[12] Die Zeit, 30.6.1909, S. 12.

[13] Die Zeit, 9.11.1909, S. 5.

[14] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 25.12.1912, S. 87.

[15] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 31.3.1913, S. 8.

[16] Neue Freie Presse, 21.4.1922, S. 9.

[17] Moderne Welt, H. 8, 1923, S. 18.

[18] Neuigkeits-Welt-Blatt, 13.1.1906, S. 8-9; 13.2.1906, S. 8-9; 17.3.1906, S. 9-10; 27.3.1906, S. 9-10; 31.3.1906, S. 1-10; 28.4.1906, S. 9-10; 31.7.1906, S. 7-8; 24.11.1906, S. 8.

[19] Neues Wiener Journal, 20.5.1906, S. 30.

[20] Illustriertes Bade-Blatt, 10.6.1911, S. 1.

[21] Neue Freie Presse, 10.3.1922, S. 3-4.

[22] Die Bühne, H. 72, 1926, S. 56-

[23] Wiener Allgemeine Zeitung, 5.11.1905, S. 3.

[24] Verkehrszeitung, 23.7.1907, S. 7.

[25] Der Schnee, Nr. 7, 1905, S. 2; Nr. 10, 1906, S. 2; Nr. 13, 1906, S. 2.

[26] Der Schnee, 18.11.1911, S. 1.

[27] Die Zeit, 26.8.1903, S. 13.

[28] Signale für die musikalische Welt, 1899, S. 878.

[29] Rechenschaftsbericht erstattet in der 32. Generalsversammlung am 21.März 1907. Wiener Hausfrauen-Verein, 1907, S. 57.

[30] Mittheilungen der kaiserlich-königlichen Geographischen Gesellschaft. 1910, S. 302.

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Letzte Aktualisierung: 2023 09 25

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [206]: Dorian (Isidor) Feigenbaum – Psychiater und Psychoanalytiker: Wien-Jerusalem-New York

Dorian (Isidor) Feigenbaum – Psychiater und Psychoanalytiker: Wien-Jerusalem-New York

Text: Dr. Walter Mentzel

Isidor, geboren am 20. Juni 1887 in Lemberg, war der Sohn des aus Bolechow bei Dolina in Galizien (heute: Bolechiw/Dolina/Ukraine) stammenden Menachem Mendel Feigenbaum (*1855) und der aus Lemberg stammenden Luiza, geborene Brendel (1851-1885). Während des Ersten Weltkrieges änderte Feigenbaum seinen Vornamen von Isidor auf Dorian. Sein Bruder Leopold Aryeh Feigenbaum (19.8.1885 Lemberg, gest. 20.2.1981 Jerusalem/Israel), der 1911 sein Studium an der Medizinischen Fakultät mit seiner Promotion absolviert hatte, emigrierte 1913 nach Palästina und arbeitete als Arzt und Professor für Augenheilkunde.

Isidor Feigenbaum studierte ebenfalls an der Universität Wien Medizin und promovierte am 23. Oktober 1914. Danach setzte er seine Ausbildung in München am Institut für Psychiatrie bei Emil Kraepelin (1856-1926) fort. Zwischen 1915 und 1918 nahm Feigenbaum am Ersten Weltkrieg in der k.u.k. Armee teil. 1916 war er im Feld-Marodenhaus Nr. 1/5 stationiert und erhielt das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille.[1] 1917 erfolgte seine Ernennung zum Landsturm-Oberarzt,[2] und im selben Jahr erschien von ihm aus der Nervenabteilung des k.u.k. Reservespitals I in Lemberg der Aufsatz „Ein Beitrag zur Kenntnis der Rückenmarksblutung beim Skorbut“.

Nach dem Krieg kehrte Feigenbaum nach Wien zurück, ging 1919/20 in die Schweiz und übte hier kurz den Beruf eines Psychiaters aus. Danach emigrierte er nach Palästina, wo er zwischen 1921 und 1923 als Leiter der psychiatrischen Anstalt „Esrath Nashim“ in Jerusalem tätig war und als Gutachter in Kriminalfällen für die Regierung Palästinas arbeitete. Als einziger Vertreter seines Faches in Palästina organisierte er das Institut nach modernen Richtlinien. Ein von einem österreichischen Journalisten mit ihm in Jerusalem geführtes Interview aus dem Jahr 1922 findet sich in der Wiener Morgenzeitung.[3] Im Juni 1924 emigrierte er in die USA und lehrte in New York als Dozent an der Columbia University und hielt Vorlesungen am New Yorker Psychoanalytic Institute. 1931 arbeitete er noch als Assistent an der Vanderbilt Clinic in Nashville/Tennessee. Im selben Jahr hielt er zu Ehren von Sigmund Freuds 75. Geburtstag, mit dem er noch aus seiner Wiener Zeit befreundet und dessen Schüler er war,[4] einen Vortrag vor der Deutschen Medizinischen Gesellschaft der Stadt New York, der sich heute im Archiv der „The Abraham A. Brill-Bibliothek“ des New York Psychoanalitic Society & Institute befindet. Hier findet sich auch eine von Paul Federn (1871-1950), Otto Gross (1877-1920) und ihm im Jahr 1919 in Wien zusammengestellte Artikelserie zum Thema „Vaterlose Gesellschaft“. 1928 veröffentlichte er einen Artikel in der Wiener Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik zu „Psychoanalytische Probleme der Kindheit“.[5] 1927 heiratete er in den USA die in Ciechanow in Polen geborene Yaffa Tirza (*1900). 1929 erhielt er die US-Staatsbürgerschaft.

Feigenbaum gehörte als Mitglied der American Psychoanalytic Association, der American Psychiatric Association und der American Psychopathological Association an.

1932 war er Gründer und Chefredakteur der noch heute in den USA erscheinenden Zeitschrift „The Psychoanalytic quarterly“.

Feigenbaum verstarb am 3. Jänner 1937 in New York.

Quellen:

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0150, Feigenbaum Isidor (Rigorosum Datum: 5.8.1914).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 191-073, Feigenbaum Isidor (Promotion Datum 23.10.1914).

New York Passenger Arrival Lists (Ellis Island), 1892-1924, (Roll 3504, vol 8019-8021, 23 Jun 1924-27 Jun 1924, NARA microfilm publication T715 and M237 (Washington D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.).

New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946, NARA microfilm publication M1972, Southern District of New York Petitions for Naturalization, 1897-1944. Records of District Courts of the United States, 1685-2009, RG 21. National Archives at New York.

New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946, Petitions for naturalization and petition evidence 1929 no 161451-161509, (NARA microfilm publication M1972, Southern District of New York Petitions for Naturalization, 1897-1944. Records of District Courts of the United States, RG 21. National Archives at New York).

Dorian Feigenbaum, 2 Jan 1937; (Death, Manhattan, New York City, New York, United States, New York Municipal Archives, New York; FHL microfilm 2,079,740).

United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, American Medical Association, Chicago.

Literatur:

Feigenbaum, Dorian: Ein Beitrag zur Kenntnis der Rückenmarksblutungen beim Skorbut. Aus der Nervenabteilung des k. u. k. Reservespitales I in Lemberg (Spitalskommandant: Oberstabsarzt Doktor Julius Reich, Abteilungsleiter: Oberarzt Dr. J. Rothfeld). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien und Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1917.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Feigenbaum Dorian, Isidor, Psychiater, Psychoanalyse, Freud Sigmund, Palästina, Columbia University, Medizingeschichte, Arzt, Wien

[1] Wiener Zeitung, 18.11.1916, S. 1.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 38, 1917, Sp. 1689.

[3] Wiener Morgenzeitung, 25.3.1922, S. 3.

[4] The Jewish Record, 3.9.1937, S. 15.

[5] Der Tag, 30.12.1928, S. 9.

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