Schlagwort-Archive: Sportmediziner

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [242]: Hugo Schwerdtner – Psychiater, Sportmediziner, Schriftsteller

Hugo Schwerdtner – Psychiater, Sportmediziner, Schriftsteller

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 25.09.2023

Keywords: Hugo Schwerdtner, Psychiater, Sportmediziner, Orthopädie, Schriftsteller, Medizingeschichte, Wien

Hugo Albert Schwerdtner wurde am 7. August 1875 als Sohn des Graveurs, Medailleurs und Mitarbeiters des Militärgeografischen Institutes, Johann Evangelist Schwerdtner (1834-1920), und der Hof- und Damenfriseurin am Burgtheater Albertine, geborene Rössler-Angerer, in Wien geboren. Sein Bruder war der Bildhauer und Medailleur Carl Maria Schwerdtner (1874-1916). 1904 heiratete er die Tochter eines Chirurgen, Lydia Hager (gest. 1973).

Nachdem er das Gymnasium in Krems 1894 absolviert hatte, begann er noch im selben Jahr an der Universität Wien mit dem Studium der Medizin, das er am 25. Juli 1900 mit der Promotion abschloss. Danach machte er eine Facharztausbildung für physikalische Heilmethoden und beschäftigte sich von da an vor allem mit den Beziehungen zwischen Psychotherapie, Kunst, Bewegungstherapien und Sport. Seit 1903 führte er eine eigene Praxis in Wien.

Die Bühne, H. 15, 1925, S. 22.

Kurarzt in Abbazia

Zunächst arbeitete er bis 1907 als Leiter der Wasserheilanstalt Erzherzog Ludwig Viktorbad und als Spezialist für Neurasthenie im Kurort Abbazia (heute Opatija, Kroatien). 1906 verfasste er gemeinsam mit u.a. Julius Cohn, Geza Fodor und Xaver Gorski die Festschrift „Abbazia als Kurort“.[1]

Neben dem sozialdemokratischen Parteiobmann Viktor Adler (1852-1918), mit dem er sich in sozialmedizinischen Themen austauschte, stand er noch in Kontakt zu Ernst Mach (1838-1916) und Sigmund Freud (1856-1939).

Wiener mediko-mechanisches Zander-Institut (für Heilgymnastik und Elektrotherapie)

Seit 1906 arbeitete er zunächst als Mitarbeiter an dem von Maximilian Roth gegründeten mediko-mechanischen „Zander Institut“ – benannt nach Gustav Zander (1835-1920) – in Wien 1, Weihburggasse 4 (ab 1919 in der Dorotheergasse 9), das er 1908 gemeinsam mit dem Mediziner Raimund Hofbauer (1866-1931) samt der orthopädischen Anstalt übernahm[2] und hier die leitende Funktion eines Chefarztes ausübte. 1909 versuchte er das Schloss Cobenzl zur Errichtung einer weiteren orthopädischen Heilanstalt anzumieten, was ihm verwehrt wurde. Am „Zander-Institut“ bot er für Patienten hygienisch-orthopädische Turnkurse für Kinder, diätische Heilgymnastik, Heißluftkuren, Massage, Kohlensäure-, Sauerstoff-elektrische Lichtbäder, Radiumbäder mit Joachimsthaler-Uranpechblende an,[3] daneben hielt er hier Ausbildungskurse für Ärzt:innen in maschineller Mechanotherapie und Elektrogymnastik.[4] Während des Ersten Weltkrieges standen die Räumlichkeiten des Institutes rekonvaleszenten Verwundeten zu deren kostenloser Rehabilitation zur Verfügung. Neben einer Reihe von Gymnastiktherapien erweiterte er später sein Therapie-Programm mit Seminaren für kulinarische Therapien samt Vermittlung von Kocharten und Speiseanordnungen,[5] und beschäftigte sich mit der Beziehung von Musik- und Bewegungstherapien als einen psychotherapeutischen Ansatz.[6] In den frühen 1930er Jahren schloss er dem Institut eine Wasserheilanstalt an.

Illustrierte Zeitung für Reisen und Sport, H. 22, 1913, S. 29.

Illustrierte Zeitung für Reisen und Sport, H. 22, 1913, S. 28.

1926 publizierte er „Die Ausdrucksbewegungen im Dienste der Psychotherapie. Vorläufige Mitteilung über eine neue Behandlungsart der Psychoneurosen“ und „Kunst als Psychotherapie“.

Mitglied der „Mittwochsgesellschaft“

Schwerdtner war Hörer der Vorlesungen von Sigmund Freud und trat zirka 1905/06 der Psychologischen Mittwochsgesellschaft bei, wo er 1907 einen Vortrag zum Thema „Der Schlaf“ hielt und im selben Jahr am 1. Kongress der Psychoanalytiker in Salzburg teilnahm.[7] 1908 erschien von ihm „Zur Ätiologie der Psychoneurosen“.

Sportmediziner und Mitglied der Zentralstelle für körperliche Erziehung

Schwerdtner begann früh sich mit sportmedizinischen Fragen zu beschäftigen. In seiner Funktion als Sportmediziner gehörte er dem Vorstand des Alpen-Skivereins an und nahm 1909 an einer Enquete über körperliche Erziehung an den Schulen Österreichs teil.[8] In der sich im Jänner 1912 konstituierenden Sektion 6 der „Zentralstelle für körperliche Erziehung der Schuljugend in Niederösterreich“ gehörte er, so wie Else Volk Friedland (1880-1953), jenem Fachgremium an, das sich mit der körperlichen Ausbildung der weiblichen Jugend befasste,[9] bzw. die Ausgestaltung von Sportplätzen in Wien, nach den Anregungen und der Kritik des Polizeiarztes und Schulreformers Gustav Adler (1857-1928), forcierte. Mit dem Erziehungsreformer und Herausgeber der Zeitschrift „Körperliche Erziehung“, Dr. Viktor Pimmer (gest. Dezember 1938), organisierte er vor dem Ersten Weltkrieg sogenannte orthopädische Freiluftspiele in Wiener Parks,[10] später, 1928, gehörte er zu den vehementen Befürwortern des zu dieser Zeit umstrittenen Bauprojektes der Gemeinde Wien, dem Praterstadion.

Schriftsteller, populärwissenschaftlicher Volksbildner

Schwerdtner war über viele Jahre als Referent und vor allem als Verfasser von populärwissenschaftlichen Arbeiten in der Öffentlichkeit mit seinen Arbeitsthemen präsent, vor allem aber suchte er damit eine öffentliche Breitenwirkung für sein Institut zu erreichen. Er referierte u.a. 1902 im Sozialwissenschaftlichen Bildungsverein über „Soziale Ursachen und Wirkungen der Tuberkulose“,[11] oder 1909 vor dem akademischen Frauenverein, Wiener Frauenklub, über „Körpereinfluss auf die Psyche“,[12] sowie vor der Österreichischen Gesellschaft für Kinderforschung über „Die Behandlung der kindlichen Faulheit“,[13] 1912 über „Die Verängstigung in der Schule“[14] und 1913 wieder vor dem Wissenschaftlichen Club zu „Der Unfug des Alterns“.[15] 1922 begann er seine Vortragsreihe in der Urania über die „Veredelung der weiblichen Gestalt“,[16] wofür er auch einen Aufsatz[17] verfasste, und bis in die 1930er Jahre eine Veredelungsgymnastik in seinem Programmangebot an seinem Institut führte.

Überaus umfangreich war seine publizistische Tätigkeit in Zeitungen. Dazu zählen exemplarisch seine 1906 erschienene Artikelserie zur „Volks-Wohlfahrt. Verschiedene Kapitel über Alltäglichkeiten“,[18] und sein im selben Jahr publizierter Artikel „Die Flucht vor dem Heufieber“.[19] Im Illustrierten Badeblatt schrieb er über „Skifahren als Mechanotherapie“,[20] und in der Neuen Freien Presse zur „Kunst als Psychotherapie“.[21] Neben Buchrezensionen in der „Wiener-Zeitung“ veröffentlichte er weitere seiner Arbeiten in der Zeitung „Der Tag“, und in der „Bühne“, wie den Artikel „Körperliche Schulungen der Künstler“,[22] oder in der Zeitschrift „Der Weg – Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Kultur“, wo er 1905 den Aufsatz „Hexenprozesse der Gegenwart“ publizierte.[23] Weiters schrieb er noch in der von Isaak Segel (1870-1913) herausgegebenen Zeitschrift „Die Medizin für Alle“,[24] sowie zahlreiche sportmedizinischen Artikel und Aufsätze in Zeitschriften wie „Der Schnee“, darunter u.a. die Artikel „Arzt und Sport“[25] und „Unfälle des Skifahrens“[26], oder in Zeitungen wie „Die Zeit“ den Aufsatz „Der Sport im Dienste der Heilkunde“.[27]

Daneben war Schwerdtner noch als Schriftsteller tätig, bzw. betrieb musikalische Studien und verfasste eine Reihe musikalischer Werke von Opernlibretti bis zu Lustspielen.[28] Dazu gehörte 1901 „Die stumme Seele. Märchen aus der Innenwelt“, oder das 1913 als gedruckte Fassung erschienene Regiebuch „Irrley. Oper in einem Akt“ – Komponist Robert Payr (1875-1933). 1927 veröffentlichte er „Evas Seelenwanderung. Fröhliches Mysterium in 2 Lustspielen und einem Zwischenspiel“ und 1928 unter dem Pseudonym „Mevisteros“ „Die unsterbliche Eva. Mimus mit Musik für Bühne, Film und Radio. Vor dem Dom zu Salzburg“. Weiters stammen von ihm aus dem Jahr 1903 das Liedwerk „Sing mir noch einmal …“ mit der Komponistin Alessandra Esterhazy-Rossi (1844-1919) und 1929 das Lustspiel „Der Zauberer von Wien“.

Schwerdtner war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Sozialogischen Gesellschaft in Wien. Er trat 1906 als Mitglied dem Wiener-Hausfrauen-Verein bei,[29] und gehörte seit 1910 als Mitglied der k.k. Geographischen Gesellschaft an.[30]

Hugo Schwerdtner verstarb am 29. Mai 1936 in Wien.

Quellen:

Geburts- und Taufregister Rk. Erzdiözese Wien, 6. Mariahilf, Taufbuch, Sign. 1-18, Folio 380, Schwerdtner Albert Hugo.

UAW, Sign. 195-365a, Schwerdtner Hugo (Rigorosum Datum: 20.7.1900).

UAW, Sign. 189-0609, Schwerdtner Hugo (Promotion Datum: 25.7.1900).

Friedhofsdatenbank der Gemeinde Wien: Schwerdtner Hugo Dr.

Literatur:

Schwerdtner, Hugo: Die Ausdrucksbewegungen im Dienste der Psychotherapie. Vorläufige Mitteilung über eine neue Behandlungsart der Psychoneurosen. Sonderdruck aus: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. Berlin: 1926.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Schwerdtner, Hugo: Kunst als Psychotherapie. Sonderdruck aus: Schweizerische medizinische Wochenschrift. Basel 1926.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Schwerdtner, Hugo: Zur Ätiologie der Psychoneurosen. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhandlung 1908.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Schwerdtner Hugo, Abbazia als Seebad, in: Abbazia als Kurort. Festschrift zum 60. Geburtstage des Prof. Dr. Julius Glax. Abbazia. Verlag der Kur-Kommission, 1906.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 22, 1908, Sp. 1272.

[3] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 22.10.1914, S. 11.

[4] Neue Freie Presse, 12.9.1914, S. 10.

[5] Neue Freie Presse, 16.10.1932, S. 15.

[6] Neues Wiener Journal, 17.3.1926, S. 5.

[7] Mühlleitner Elke, Biographisches Lexikon der Psychoanalyse: die Mitglieder der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, 1902-1938, Tübingen 1992, S. 297.

[8] Die Zeit, 30.3.1909, S. 7.

[9] Moderne illustrierte Zeitung für Reise und Sport, H. 1, 1912, S. 31.

[10] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 2.5.1910, S. 7.

[11] Neues Wiener Tagblatt, 12.3.1902, S. 5.

[12] Die Zeit, 30.6.1909, S. 12.

[13] Die Zeit, 9.11.1909, S. 5.

[14] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 25.12.1912, S. 87.

[15] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 31.3.1913, S. 8.

[16] Neue Freie Presse, 21.4.1922, S. 9.

[17] Moderne Welt, H. 8, 1923, S. 18.

[18] Neuigkeits-Welt-Blatt, 13.1.1906, S. 8-9; 13.2.1906, S. 8-9; 17.3.1906, S. 9-10; 27.3.1906, S. 9-10; 31.3.1906, S. 1-10; 28.4.1906, S. 9-10; 31.7.1906, S. 7-8; 24.11.1906, S. 8.

[19] Neues Wiener Journal, 20.5.1906, S. 30.

[20] Illustriertes Bade-Blatt, 10.6.1911, S. 1.

[21] Neue Freie Presse, 10.3.1922, S. 3-4.

[22] Die Bühne, H. 72, 1926, S. 56-

[23] Wiener Allgemeine Zeitung, 5.11.1905, S. 3.

[24] Verkehrszeitung, 23.7.1907, S. 7.

[25] Der Schnee, Nr. 7, 1905, S. 2; Nr. 10, 1906, S. 2; Nr. 13, 1906, S. 2.

[26] Der Schnee, 18.11.1911, S. 1.

[27] Die Zeit, 26.8.1903, S. 13.

[28] Signale für die musikalische Welt, 1899, S. 878.

[29] Rechenschaftsbericht erstattet in der 32. Generalsversammlung am 21.März 1907. Wiener Hausfrauen-Verein, 1907, S. 57.

[30] Mittheilungen der kaiserlich-königlichen Geographischen Gesellschaft. 1910, S. 302.

Normdaten (Person): Schwerdtner, Hugo: BBL: 41953; GND: 117421588;

VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien
BBL: 41953 (25. 09. 2023)
URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=41953

Letzte Aktualisierung: 2023 09 25

Logo Margrit Hartl