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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [247]: Feiler, Karl – Besitzer, Chefarzt der Sanatorien: Wasserheilanstalt Judendorf bei Graz, Purkersdorf (Westend), Parksanatorium Hietzing, Barockschlössel „Berghof“ in Perchtoldsdorf, NS-Verfolgter

Feiler, Karl – Besitzer, Chefarzt der Sanatorien: Wasserheilanstalt Judendorf bei Graz, Purkersdorf (Westend), Parksanatorium Hietzing, Barockschlössel „Berghof“ in Perchtoldsdorf, NS-Verfolgter

Autor: Walter Mentzel

Published online: 02.10.2023

Keywords: Karl Feiler, Wasserheilanstalt Judendorf bei Graz, Westend in Purkersdorf, Parksanatorium Hietzing, Barockschlössel „Berghof“ in Perchtoldsdorf, NS-Verfolgter, Medizingeschichte, Wien

Karl Victor Feiler geboren am 8. Oktober 1874 in Prossnitz in Mähren (heute: Prostějov/Tschechien), studierte seit 1894 an der Universität Wien Medizin und promovierte am 8. November 1901.

Wasserheilanstalt Judendorf bei Graz

Danach trat er in leitender Funktion in das von dem Mediziner Josef Lippa (1865-1934) im Jahr 1900 erworbene und unter dessen Leitung stehende erste Kurhaus und Wasserheilanstalt in Judendorf bei Graz ein, das zuvor 1899 als Seniorenheim errichtet worden war. Ab 1901 führte Lippa die Anstalt gemeinsam mit Karl Feiler. 1902 heiratete Karl die Tochter von Josef Lippa, Etel Adele Lippa (*22.10.1881 Budapest), und führte ab diesem Jahr die Heilanstalt bis 1924 als Alleininhaber. 1910 ließ er das Sanatorium neu errichten und modernisieren,[1] 1914 wurde er zum Präsidenten des neu gegründeten Fremdenverkehrsvereins der Region gewählt.[2] 1905 publizierte er „Ein Plessimeter zur Unterscheidung feinerer Schalldifferenzen“ und 1906 „Über zwei instruktive Fälle von Sympathicusneurose und über ein bei denselben aufgetretenes auffalendes Symptom“.[3]

Während des Ersten Weltkrieges stellte Feiler sein Sanatorium dem Roten Kreuz als Rekonvaleszentenhaus zur Verfügung[4] und wirkte hier als Chefarzt des Roten Kreuzes. In dieser Funktion publizierte er 1915 „Die Vorzüge des Saccharins vor dem Zucker im Kriege“.[5]

Nach dem Krieg führte er das Sanatorium weiter und engagierte sich in der 1923 gegründeten „Bürgerlich-demokratischen Arbeitspartei für Steiermark“,[6] kurz darauf wechselte er zur Christlichsozialen Partei. 1924/25 kaufte die Krankenkasse der österreichischen Bundesbahn das Sanatorium.

Sanatorium Purkersdorf (Westend)

Im Juli 1927 übernahm Feiler gemeinsam mit Max Berliner (1883- ermordet nach 1941) nach dem Tod von Victor Zuckerkandl (1851-1927) – dem Bruder von Emil (1849-1910) und Otto Zuckerkandl (1861-1921) – als Chefarzt die Leitung des von Zuckerkandl 1904/05 errichteten Sanatoriums Purkersdorf in der Wienerstraße 62-90,[7] das nunmehr den Beinamen „Westend“ bekam. Die Geschäftsführung bestand aus drei Personen, darunter Fritz Zuckerkandl (1895-1983). 1938 wurde das sich noch im Besitz der Familie Zuckerkandl befindende Sanatorium „arisiert“.

Inserat: Parksanatorium Westend, Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 5, 1929, S. 154

Parksanatorium Hietzing Dr. Feiler & Co (auch Parksanatorium Hütteldorf-Hacking, vorher Sanatorium und Wasserheilanstalt Bellevue für Nervenkranke)

1930 erwarb Feiler aus der Verlassenschaft von Viktor Zuckerkandl, das 1905 eröffnete und 1913 von Viktor und seiner Frau Paula Zuckerkandl erworbene Parksanatorium Hütteldorf-Hacking, wo bereits seit 1911/1912 der Arzt Max Berliner als Mitgesellschafter und Geschäftsführer wirkte.[8] Seine Ehefrau Adele war Mitgesellschafterin des nunmehrigen Parksanatoriums Hietzing Dr. Feiler & Co. Nachdem das Sanatorium 1932 in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und noch im selben Jahr ein Ausgleich gelang, kam es schließlich 1936 zur Versteigerung des Betriebes. 1933 publizierte Feiler „Ein Fall von jahrelang symptomlos verlaufender Pachymeningitis haemorrhagica interna mit tödlichem Ausgang“.[9]

Neue Freie Presse, 2.9.1933, S. 9.

Im September 1936 eröffnete Feiler eine Arztpraxis für Innere, Stoffwechsel- und Nervenkrankheiten an seinem Wohnort in Wien 6, Rahlgasse 1.[10]

Sanatorium Barockschlössel in Perchtoldsdorf

1937 übernahm Feiler die Position eines Chefarztes im sogenannten Barockschlössel „Berghof in Perchtoldsdorf.[11]

Inserat: Kuranstalt Berghof, Neue Freie Presse, 18.3.1937, S. 6.

Feiler war seit 1909 Mitglied der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien.[12]

Karl und Adele Feiler waren jüdischer Herkunft und wurden nach dem „Anschluss“ von den Nationalsozialisten verfolgt, und am 15. Oktober 1941 von Wien nach Łódź deportiert und ermordet.

Quellen:

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0513, Feiler Karl (Nationalien Datum: 1898/99).

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0452, Feiler Karl (Nationalien Datum: 1894/95).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-078a, Feiler Karl (Rigorosum Datum: 5.11.1901).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 189-0863, Feiler Karl (Promotion Datum: 08.11.1901).

OeStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 43.455, Feiler Karl.

OeStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 27.694, Feiler Adele.

WStLA, Magistratsabteilung 213, Sonderfaszikel, Krankenanstalten, 1.3.2.213.A3.1.1, Mappe 1, Teil 1-3: Nr. 69: Sanatorium Purkersdorf, 14., Wienerstraße.

WStLA, Magistratsabteilung 212, Ausgeschiedene Krankenanstalten, 1.3.2.212.A23.19/4 – Parksanatorium Hietzing, 1934-1951.

Literatur:

Feiler, Karl: Ein Plessimeter zur Unterscheidung feinerer Schalldifferenzen. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1905.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Feiler, Karl: Über zwei instruktive Fälle Sympathicusneurose und über ein bei denselben aufgetretenes auffallendes Symptom. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles k.u.k. Hofbuchhandlung 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Österreichische Monatsschrift für den öffentlichen Baudienst, Nr. 45, 1910, S. 673.

[2] Grazer Volksblatt, 21.1.1914, S. 5.

[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 23, 1906, Sp. 1129-1136.

[4] Grazer Tagblatt, 19.9.1914, S. 18.

[5] Der Militärarzt, Nr. 16, 1915, Sp. 263-266.

[6] Neues Wiener Journal, 28.1.1923, S. 4.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 27, 1927, S. 921.

[8] Neue Freie Presse, 18.5.1930, S. 10.

[9] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 24, 1932, S. 664-666.

[10] Der Tag, 20.9.1936, S. 10.

[11] Österreichische Kunst, H. 5, 1937, S. 37.

[12] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 2, 1909, Sp. 107.

Normdaten (Person): Feiler, Karl: BBL: 42075; GND: 1304700151;

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Letzte Aktualisierung: 2023 10 02

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [245]: Melitta Sperling – Ärztin, Psychoanalytikerin, NS-Verfolgte

Melitta Sperling – Ärztin, Psychoanalytikerin, NS-Verfolgte

Autor: Harald Albrecht, BA M.A.LIS

Published online: 28.09.2023

Keywords: Melitta Sperling, Anna Freud, Asthma, Colitis ulcerosa, George Sperling, Kinderheilkunde, New York Psychoanalytic Society (NYPS), Otto Sperling, Psychoanalyse, Psychosomatik, Transvestismus, Wiener psychoanalytische Gesellschaft

Melitta Sperling (geborene Wojnilower) wurde am 15.10.1899 in Śniatyn/Galizien (Österreich-Ungarn/heute: Snjatyn, Снятин/Ukraine) als Tochter von Hersch Leib Wojnilower und dessen Frau Rachel (geborene Biermann) geboren. Ihr späterer Ehemann beginnt ihren Nachruf mit folgenden Worten über ihre Jugendjahre: „When Melitta was 10 years old, she decided, in identification with an aunt, to become a physician and to fight death and suffering. At the age of 15, during the first World War, she had to flee from the advancing Russian army with her family from Czernowitz in a horse and carriage. Life in Vienna as a refugee was hard, but she succeeded in completing high school with special honors.”[1]

Melitta Sperling, 1958

Nach ihrer 1918 im Gymnasium Wien II (Josef-Gall-Gasse/heute: Danube International School Vienna) erfolgreich abgelegten Matura, begann sie ein Studium der Medizin an der Universität Wien, das sie 1924 mit ihrer Promotion abschloss. Danach spezialisierte sie sich auf Kinderheilkunde, später auf Psychiatrie und arbeitete im Kinderkrankenhaus in Bad Hall und im Allgemeinen Krankenhaus in Wien. In ihrem Turnus lernte sie auf der psychiatrischen Abteilung im Wiener AKH den Psychoanalytiker Otto Sperling (1899-2002) kennen. Die beiden heirateten 1929 und hatten gemeinsam die Kinder George Sperling (*1934, Experimentalpsychologe) und Eva S., verheiratete Cockcroft (*1939, Künstlerin). Ebenfalls 1929 eröffnete Melitta Sperling eine Facharztpraxis für Kinderheilkunde in Wien und begann eine Lehranalyse bei Anna Freud (1895-1982) am Lehrinstitut der Wiener psychoanalytischen Gesellschaft.

Otto und Melitta Sperling wurden aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt. Es gelang ihnen 1938 die Emigration in die USA, wo sie sich in New York City niederließen. Von 1939 bis 1942 nahm Melitta Sperling ihre psychoanalytische Ausbildung am NY Psychoanalytic Institute wieder auf, während sie in der pädiatrischen Abteilung des Brooklyn Jewish Hospital arbeitete. Sie initiierte die Gründung der Kinderpsychiatrischen Klinik am Brooklyn Jewish Hospital und wurde zuerst Mitglied, dann Lehranalytikerin und Supervisorin für Kinder und Erwachsene der New York Psychoanalytic Society (NYPS). Daneben eröffnete sie eine Privatpraxis, unterrichtete über die Entwicklung des Kindes und psychosomatische Krankheiten an der Kings County Medical Society und lehrte von 1949 bis 1970 Psychiatrie an der University of New York.

Melitta Sperling veröffentlichte im Laufe ihrer Karriere 75 wissenschaftliche Papers. Davon finden sich auch einige in den Beständen der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien. 1967 erschien: Analyse eines Knaben mit transvestitischen Tendenzen. Ein Beitrag zur Genese und Dynamik des Transvestitismus. 1969 wurde folgende beiden Texte in deutscher Übersetzung veröffentlicht: Psychotherapeutische Aspekte des kindlichen Bronchialasthmas. Und: Psychotherapeutische Aspekte der Coltis ulcerosa bei Kindern. In: Handbuch der Kinderpsychotherapie.

Titelblatt: Psychotherapeutische Aspekte der Colitis ulcerosa bei Kindern

Melitta Sperling war eine Pionierin auf dem Gebiet der psychosomatischen Erkrankungen im Kindesalter und war eine der ersten Analytiker:innen, die diese als „prägenitale Konversionssymptome“ beschrieben hat. Sie konzentrierte „sich auf die Rolle der prägenitalen Konflikte und die spezielle symbiotische Mutter-Kind-Beziehung psychosomatischer Patient:innen. Im Mittelpunkt ihrer zahlreichen Veröffentlichungen standen u.a. Phobien, Migräne, Depressionen, Transvestismus und Colitis ulcerosa.“[2]

Melitta Sperling verstarb am 28.12.1973 in New York City.

Quellen:

Melitta Sperling geb. Wojnilower (1899-1973). In: Psychoanalytikerinnen. Biografisches Lexikon: https://www.psychoanalytikerinnen.de/oesterreich_biografien.html#Sperling Stand: 13.09.2023.

Sperling Melitta, Malka, geb. Wojnilower […]. In: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Hg.: Ilse Korotin. Bd. 3 P-Z. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2016. S. 3115.

Mühlleitner, Elke: Sperling, Melitta (Malka), geb. Wojnilower […]. In: Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken. Hg.: Brigitta Keinzel und Ilse Korotin. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2002. S. 698-699.

9901 Sperling, Melitta (geb. Melitta Wojnilower) *15.10.1899 Śniatyn/Galizien, Δ 28.12.1973 New York City, New York, USA. In: Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. bis 20. Jahrhundert. Hg.: Österreichische Nationalbibliothek. Band 3 S-/ 8923-11742 Register. München: K.G. Saur 2002. S. 1290.

Sperling, Otto: Dr. Melitta Sperling […]. In: Pirquet bulletin of clinical medicine. (22/4-5) 1974. S. 6.

Literatur:

Sperling, Melitta: Analyse eines Knaben mit transvestitischen Tendenzen. Ein Beitrag zur Genese und Dynamik des Transvestitismus. In: Psyche. (21/7) 1967. S. [520]-541.

[Universitätsbibliothek, AKH/Magazin, Periodika]

Sperling, Melitta: VI. Psychotherapeutische Aspekte des kindlichen Bronchialasthmas. In: Handbuch der Kinderpsychotherapie. Hg.: Gerd Biermann. Band 2. München: Reinhardt 1969. S. 886-896.

[Universitätsbibliothek, AKH/Magazin, Sign.: 1999-03485]

Sperling, Melitta: VIII. Psychotherapeutische Aspekte der Coltis ulcerosa bei Kindern. In: Handbuch der Kinderpsychotherapie. Hg.: Gerd Biermann. Band 2. München: Reinhardt 1969. S. 912-921.

[Universitätsbibliothek, AKH/Magazin, Sign.: 1999-03485]

Referenzen:

[1] Sperling, Otto: Dr. Melitta Sperling […]. In: Pirquet bulletin of clinical medicine. (22/4-5) 1974. S. 6.

[2] https://www.psychoanalytikerinnen.de/oesterreich_biografien.html#Sperling Stand: 13.09.2023.

Normdaten (Person): Sperling, Melitta: BBL: 42065; GND: 142843482;

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Letzte Aktualisierung: 2023 09 28

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [206]: Feigenbaum, Dorian (Isidor) – Psychiater und Psychoanalytiker: Wien-Jerusalem-New York

Feigenbaum, Dorian (Isidor) – Psychiater und Psychoanalytiker: Wien-Jerusalem-New York

Text: Walter Mentzel

Isidor, geboren am 20. Juni 1887 in Lemberg, war der Sohn des aus Bolechow bei Dolina in Galizien (heute: Bolechiw/Dolina/Ukraine) stammenden Menachem Mendel Feigenbaum (*1855) und der aus Lemberg stammenden Luiza, geborene Brendel (1851-1885). Während des Ersten Weltkrieges änderte Feigenbaum seinen Vornamen von Isidor auf Dorian. Sein Bruder Leopold Aryeh Feigenbaum (19.8.1885 Lemberg, gest. 20.2.1981 Jerusalem/Israel), der 1911 sein Studium an der Medizinischen Fakultät mit seiner Promotion absolviert hatte, emigrierte 1913 nach Palästina und arbeitete als Arzt und Professor für Augenheilkunde.

Isidor Feigenbaum studierte ebenfalls an der Universität Wien Medizin und promovierte am 23. Oktober 1914. Danach setzte er seine Ausbildung in München am Institut für Psychiatrie bei Emil Kraepelin (1856-1926) fort. Zwischen 1915 und 1918 nahm Feigenbaum am Ersten Weltkrieg in der k.u.k. Armee teil. 1916 war er im Feld-Marodenhaus Nr. 1/5 stationiert und erhielt das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille.[1] 1917 erfolgte seine Ernennung zum Landsturm-Oberarzt,[2] und im selben Jahr erschien von ihm aus der Nervenabteilung des k.u.k. Reservespitals I in Lemberg der Aufsatz „Ein Beitrag zur Kenntnis der Rückenmarksblutung beim Skorbut“.

Nach dem Krieg kehrte Feigenbaum nach Wien zurück, ging 1919/20 in die Schweiz und übte hier kurz den Beruf eines Psychiaters aus. Danach emigrierte er nach Palästina, wo er zwischen 1921 und 1923 als Leiter der psychiatrischen Anstalt „Esrath Nashim“ in Jerusalem tätig war und als Gutachter in Kriminalfällen für die Regierung Palästinas arbeitete. Als einziger Vertreter seines Faches in Palästina organisierte er das Institut nach modernen Richtlinien. Ein von einem österreichischen Journalisten mit ihm in Jerusalem geführtes Interview aus dem Jahr 1922 findet sich in der Wiener Morgenzeitung.[3] Im Juni 1924 emigrierte er in die USA und lehrte in New York als Dozent an der Columbia University und hielt Vorlesungen am New Yorker Psychoanalytic Institute. 1931 arbeitete er noch als Assistent an der Vanderbilt Clinic in Nashville/Tennessee. Im selben Jahr hielt er zu Ehren von Sigmund Freuds 75. Geburtstag, mit dem er noch aus seiner Wiener Zeit befreundet und dessen Schüler er war,[4] einen Vortrag vor der Deutschen Medizinischen Gesellschaft der Stadt New York, der sich heute im Archiv der „The Abraham A. Brill-Bibliothek“ des New York Psychoanalitic Society & Institute befindet. Hier findet sich auch eine von Paul Federn (1871-1950), Otto Gross (1877-1920) und ihm im Jahr 1919 in Wien zusammengestellte Artikelserie zum Thema „Vaterlose Gesellschaft“. 1928 veröffentlichte er einen Artikel in der Wiener Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik zu „Psychoanalytische Probleme der Kindheit“.[5] 1927 heiratete er in den USA die in Ciechanow in Polen geborene Yaffa Tirza (*1900). 1929 erhielt er die US-Staatsbürgerschaft.

Feigenbaum gehörte als Mitglied der American Psychoanalytic Association, der American Psychiatric Association und der American Psychopathological Association an.

1932 war er Gründer und Chefredakteur der noch heute in den USA erscheinenden Zeitschrift „The Psychoanalytic quarterly“.

Feigenbaum verstarb am 3. Jänner 1937 in New York.

Quellen:

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0150, Feigenbaum Isidor (Rigorosum Datum: 5.8.1914).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 191-073, Feigenbaum Isidor (Promotion Datum 23.10.1914).

New York Passenger Arrival Lists (Ellis Island), 1892-1924, (Roll 3504, vol 8019-8021, 23 Jun 1924-27 Jun 1924, NARA microfilm publication T715 and M237 (Washington D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.).

New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946, NARA microfilm publication M1972, Southern District of New York Petitions for Naturalization, 1897-1944. Records of District Courts of the United States, 1685-2009, RG 21. National Archives at New York.

New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946, Petitions for naturalization and petition evidence 1929 no 161451-161509, (NARA microfilm publication M1972, Southern District of New York Petitions for Naturalization, 1897-1944. Records of District Courts of the United States, RG 21. National Archives at New York).

Dorian Feigenbaum, 2 Jan 1937; (Death, Manhattan, New York City, New York, United States, New York Municipal Archives, New York; FHL microfilm 2,079,740).

United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, American Medical Association, Chicago.

Literatur:

Feigenbaum, Dorian: Ein Beitrag zur Kenntnis der Rückenmarksblutungen beim Skorbut. Aus der Nervenabteilung des k. u. k. Reservespitales I in Lemberg (Spitalskommandant: Oberstabsarzt Doktor Julius Reich, Abteilungsleiter: Oberarzt Dr. J. Rothfeld). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien und Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1917.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords:

Feigenbaum Dorian, Isidor, Psychiater, Psychoanalyse, Freud Sigmund, Palästina, Columbia University, Medizingeschichte, Arzt, Wien

[1] Wiener Zeitung, 18.11.1916, S. 1.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 38, 1917, Sp. 1689.

[3] Wiener Morgenzeitung, 25.3.1922, S. 3.

[4] The Jewish Record, 3.9.1937, S. 15.

[5] Der Tag, 30.12.1928, S. 9.

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Normdaten (Person) Feigenbaum, Dorian: BBL: 40517 ; GND: 1274767881;

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Zum 150. Geburtstag von Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. Grundzüge einer vergleichenden Individualpsychologie und Psychotherapie. 1912.

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [110]:

Zum 150. Geburtstag von:

Adler, Alfred: Über den nervösen Charakter. Grundzüge einer vergleichenden Individualpsychologie und Psychotherapie. Wiesbaden: Verlag von J.F. Bergmann 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 56172]

Text: Harald Albrecht, BA

Abb. 1     Alfred Adler.

Alfred Alder (07.02.1870 Wien, gest. 28.05.1937 Aberdeen/Schottland), dessen Geburtstag sich im Februar 2020 zum 150. Mal jährte, war ein österreichischer Arzt und Psychotherapeut jüdischer Herkunft. Er gilt als Begründer der Individualpsychologie.

Nach dem Besuch des Hernalser Gymnasiums in Wien, wo er 1888 maturierte, begann er sein Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, das er mit seiner Promotion 1895 abschloss. Noch während des Studiums lernte er seine spätere Frau Raissa Epstein (1872-1962), eine russische Studentin, in einer sozialistischen StudentInnengruppe kennen. Die Frauenrechtlerin, die später unter anderen mit Leo Trotzki (1879-1940) aber auch mit Julius Tandler (1869-1936) zusammenarbeiten sollte, und der junge Arzt heirateten 1897 in Russland. Adler arbeitete zunächst als unbesoldeter Hilfsarzt in der Wiener Allgemeinen Poliklinik (Ophthalmologie, Innere Medizin und Neurologie) und begann schon frühzeitig mit eigenen psychologischen Studien. Daneben eröffnete er eine Praxis als Allgemeinmediziner, zuerst im neunten, dann im zweiten Wiener Gemeindebezirk in ärmlichen Gegenden, was ihn in seinen sozialmedizinischen Ansichten stark prägte.

1904 publizierte er die Monografie: Der Arzt als Erzieher. „1907 folgte seine richtungsweisende Monographie, Studie über die Minderwertigkeit von Organen‘. Seit 1902 hatte sich A[dler, Anm.] dem Kreis um Sigmund Freud [(1856-1939), Anm.] angeschlossen, ohne allerdings die von diesem entwickelte Psychoanalyse voll zu übernehmen. Aus diesem Grund kam es 1911 schließlich zum Bruch zwischen Freud und A[dler, Anm.]. In der 1912 vollendeten Studie ,Über den nervösen Charakter‘ legte A[dler, Anm.] die Grundzüge der von ihm begründeten Individualpsychologie fest.“[1]

Abb. 2    Titelblatt: Adler: Über den nervösen Charakter. […] Wiesbaden: 1912.

Mit diesem Buch schaffte die Individualpsychologie den Durchbruch in der Fachwelt als Alternative zur Psychoanalyse. 1912/13 gründete er den Verein für Individualpsychologie und 1914 wurde die (Internationale) Zeitschrift für Individualpsychologie gegründet. „In den Mittelpunkt seiner neuen psychologischen Lehre stelle A[dler, Anm.] das Streben des Gesamtindividuums nach Macht und Ansehen innerhalb eines sozialen Gefüges. Hierin liegt der maßgebliche Unterschied zur psychoanalytischen Schule Freunds, die der Sexualität die zentrale Rolle im menschlichen Triebleben einräumte. Als Ursache für die Entwicklung von neurotischen Verhaltensmustern sah A[dler, Anm.] das Streben des Menschen an, persönlich erlebte Minderwertigkeit – sei sie nun auf der Basis sozialer Konflikte, sei sie durch organisch-körperliche Beeinträchtigung entstanden – zu kompensieren.“[2]

Die Zwischenkriegszeit war eine Blütezeit der Individualpsychologie. Im Rahmen der Wiener Schulreform konnten Adler und seine Mitarbeiter rund 30 Erziehungsberatungsstellen in Wien eröffnen. Die „Elternschulung“ wurde als „Neuroseprophylaxe“ verstanden und es entstanden auch psychoanalytisch orientierte Kindergärten für Arbeiterkinder. 1920 wurde Adler Direktor der ersten Klinik für Kinderpsychologie in Wien und Dozent am Pädagogium der Stadt Wien. Er wollte eine lebensnahe Psychologie schaffen, die es ermöglicht, seine Mitmenschen aus deren individuellen Lebensgeschichte heraus zu verstehen.

Ab 1926 besuchte Alfred Adler häufig die USA, wo seine optimistische Lehre vom Menschen als sozialem Wesen äußerst populär wurde. Schon in den frühen 1930er Jahren zählte er zu den bekanntesten Psychologen der Welt. Angesichts der zusehends bedrohlicheren politischen Lage in Europa emigrierte er 1934 in die USA. Er hatte dort Gastprofessuren an der Columbia University und am Long Island College inne. Alfred Adler verstarb auf einer Vortragsreiste in Aberdeen/Schottland am 28. Mai 1937.

Quellen:

Hannich, Hans-Joachim: Individualpsychologie nach Alfred Adler. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2018.

Alfred Adler – wie wir ihn kannten. Hrsg.: Gerald Mackenthum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015.

Adler, Alexandra: Mein Vater Alfred Adler. In: Vertriebene Vernunft II. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930-1940. Teilband 1. Hrsg.: Friedrich Stadler. (=Emigration – Exil – Kontinuität. Schriften zur zeitgeschichtlichen Kultur- und Wissenschaftsforschung/2) Münster: LIT Verlag 2004. S. 288-292.

Adler, Alfred, Mediziner, Psychologe, *7.2.1870 Penzing (heute zu Wien), +28.5.1937 Aberdeen. In: Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. Hrsg. von Dietrich von Engelhardt. Bd. 1. A-Q. München: K.G. Saur 2002. S. 4-5.

Adler, Alfred, Psychiater und Neurologe. In: Österreichisches biographisches Lexikon 1815-1950. I. Band (A-Glä). Hrsg.: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Graz, Köln: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger 1957. S. 6.

[1] Adler, Alfred, Mediziner, Psychologe, *7.2.1870 Penzing (heute zu Wien), +28.5.1937 Aberdeen. In: Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. Hrsg. von Dietrich von Engelhardt. Bd. 1. A-Q. München: K.G. Saur 2002. S. 4.

[2] Adler, Alfred, Mediziner, Psychologe, *7.2.1870 Penzing (heute zu Wien), +28.5.1937 Aberdeen. In: Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. Hrsg. von Dietrich von Engelhardt. Bd. 1. A-Q. München: K.G. Saur 2002. S. 4.

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