Archiv der Kategorie: Ärztliche Standesvertretungen

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [182]: Laub, Moriz – Em. Abteilungsassistent an der Krankenanstalt Rudolf-Stiftung, Präsident der Kassenärzte der kaufmännischen Angestellten, Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer, NS-Verfolgter

Laub, Moriz – Em. Abteilungsassistent an der Krankenanstalt Rudolf-Stiftung, Präsident der Kassenärzte der kaufmännischen Angestellten, Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer, NS-Verfolgter

Text: Walter Mentzel

Moriz Laub wurde am 19. Februar 1869 als Sohn von Jakob Laub (1841-1916) und Mariam Nussbeck in Sadagora in der Bukowina (heute: Sadhora/Ukraine) geboren. 1900 heiratete er die in Wien geborenen Bertha Marmorek (1876-?), mit der er gemeinsam die beiden Kinder Gertrud Renee (*7.6.1902) und Rudolf (1908-1999) hatte.

Laub studierte in Wien an der Universität Medizin, schloss das Studium im März 1893 mit der Promotion ab, und begann danach als praktischer Arzt und Vertragsarzt bei der Wiener Krankenkasse in Wien Landstraße seine berufliche Laufbahn. Daneben arbeitete er als Abteilungsassistent bis zu seiner Emeritierung an der k.k. Krankenanstalt Rudolf-Stiftung.

Neben seiner Vortragstätigkeit in wissenschaftlichen Vereinen, wie im Wissenschaftlichen Club,[1] in dem er sich vor dem Ersten Weltkrieg auch als Mitglied des Ausschusses engagierte,[2] hielt er Vorträge in der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der er seit 1899 als Mitglied angehörte,[3] und der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde, in der er ebenfalls als Mitglied war. Weiters war er Mitglied der Ophthalmologischen Gesellschaft in Wien. Im Rahmen der „Volkstümlichen Vorträge“ des Wiener Volksbildungs-Vereines hielt er vor dem Ersten Weltkrieg populärwissenschaftlich aufbereitete Vorträge zu medizinischen Themen.[4] Vor allem aber war er als Referent in sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen aktiv.[5] Im Rahmen der Tuberkulosebekämpfung bot er 1911 kostenlos eine Tuberkulinbehandlung bei der Genossenschaft der Wäschewarenerzeuger, Sticker u.a. an.[6]

1915 publizierte er in den von Ludwig Teleky herausgegebenen Zeitschrift „Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin“ eine an der Tuberkulosefürsorgestelle der Gremialkrankenkasse der Wiener Kaufmannschaft durchgeführte Studie zu „Grundlagen und Ergebnisse ambulatorischer Tuberkulinbehandlung. Sie befindet sich an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin. Hier befinden sich auch in der Separata-Bibliothek vier Arbeiten und zwar „Grundlagen und Ergebnisse ambulatorischer Tuberkulinbehandlung“, aus dem Jahr 1906 die Studie „Über die Wirkung einiger dem Adrenalin verwandten Ketonbasen in der rhinologischen Praxis“, aus dem Jahr 1899 die an der II. medizinischen Abteilung der Rudolf-Stiftung erstellte Studie „Ein Fall von Pneumopericardium“, und die 1909 gemeinsam mit J. Novotny am staatlichen serotherapeutischen Institut in Wien entstandene Arbeit „Ueber komplementbindende Substanzen bei Tuberkulose“.

Laub war über viele Jahre in den Interessensvertretungen der Wiener Ärzteschaft und der Wiener Krankenkassen aktiv. 1904 und 1907 – noch als Kandidat der Freisinnigen Ärzteschaft – und 1911 kandidierte er bei den Ärztekammerwahlen in Wien. Im Jahr 1919 wurde er zum Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer gewählt.[7] In der Wiener Ärztekammer vertrat er die Interessen der Kassenärzte. Nach dem Ersten Weltkrieg war er noch Mitglied der Wirtschaftlichen Organisation der Ärzte Wiens,[8] Delegierter der Wiener Ärztekammer im Wiener Landessanitätsrat[9] und Präsident der Kassenärzte der kaufmännischen Angestellten. Seit 1919 war er noch Delegierter der Wiener Ärztekammer im Zentraltuberkuloseambulatorium des Volksgesundheitsamtes.[10]

Daneben engagierte er sich in der „Mensa academica judaica“ als deren Präsident,[11] und unterstützte den zionistischen Keren Kayemeth (Jüdischen Nationalfond).[12] Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte er auch als Mitglied der Bukowinaer Landsmannschaft „Buchenland“ mit Sitz in Wien an, als dessen Präsident Wilhelm Stekel vorstand[13].

Während des Ersten Weltkrieges war er als Chefarzt im Hilfsspital des von Erzherzog Leopold Salvator zur Verfügung gestellten Palais tätig.[14] 1916 erhielt er das Ehrenzeichen zweiter Klasse vom Roten Kreuz mit der Kriegsdekoration und 1917 das Ritterkreuz des Franz Josephs-Ordens verliehen.[15] Im Dezember 1918 gehörte er zu den Unterzeichnern des Aufrufes der Österreichisch-israelitischen Union „Ein Bekenntnis zur Republik Deutschösterreich“.[16] 1920 wurde ihm der Titel eines Medizinalrates verliehen.[17]

Laub war in der Ersten Republik Mitglied der ärztlichen Fachgruppe der Sozialistischen Vereinigung geistiger Arbeiter[18] und in der Vereinigung der sozialdemokratischen Ärzte Wiens aktiv.[19] In dieser Funktion, als auch in jener als Funktionär und Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer, trat er gegen den § 144 (Schwangerschaftsabbruch)[20] und gegen die damit verbundenen Verschärfungen des Strafrechtes sowie der damit einhergehenden Kriminalisierung der Ärzt*innenschaft auf. 1924 erschien von ihm als Artikel in der Wiener medizinischen Wochenschrift der von ihm am 25. Mai 1924 auf der Tagung der Vereinigung der sozialdemokratischen Ärzte gehaltene Vortrag unter dem Titel „Die Berufspflicht und das Berufsrecht des Arztes. Die rechtlichen Bestimmungen über die Unterbrechung der Schwangerschaft“.[21] Im selben Jahr wurde er vom Handelsgericht zum ständigen Sachverständigen für das Fach „Wirtschaftliche Interessen der Ärzte und der Heilanstalten“ bestellt.[22] Nach dem Krieg wirkte er auch noch in der Tuberkulosefürsorgestelle der Handlungsgehilfen.

Moriz Laub und seine Ehefrau Bertha wurden nach dem „Anschluss“ im März 1938 von den Nationalsozialisten wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt. 1939 wurden Laub von den Nationalsozialisten die Pensionsansprüche aberkannt. Ihm gelang es mit seiner Ehefrau Bertha kurz vor ihrer Deportation in das Ghetto Theresienstadt die Flucht nach England, wo er 1944 in Chapel En Le Frith in Derbyshire verstarb. Bertha emigrierte nach seinem Tod in die USA, wo sie verarmt in New York lebte. Ihre beabsichtigte Rückkehr nach Wien scheiterte, da die von ihr beanspruchte Rente und deren Zusicherung als Voraussetzung für ihre Rückkehr durch die Wiener Krankenkasse ignoriert und danach abschlägig behandelt worden war.[23] Darüber berichteten 1949 die Zeitungen Neues Österreich in der Ausgabe vom 30. Jänner 1949, vom 25. Mai 1949 und vom 6. November 1949, sowie die Salzburger Nachrichten am 1. Februar 1949. Bertha Laub lebte zuletzt bei ihrem ebenfalls von den Nationalsozialisten aus Österreich vertriebenen Sohn, dem Mediziner Rudolf Laub, in South Carolina und verstarb am 13. Jänner 1952 in Columbia.

Quellen:

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosenprotokoll 1872-1894, Sign. 177-231a, Laub Moses (Rigorosum Datum 1890).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Promotionsprotokoll 1874-1890, Sign. 187-855, Laub Moriz Moses (Promotion Datum 11.3.1893).

ÖStA, AdR, E-uReang, ÖStA, VA, Zl. 4751, Laub Moritz (19.2.1869)

Moriz und Bertha Laub: https://billiongraves.com/grave/Moriz-Laub/35681419?referrer=myheritage

Death certificates (South Carolina), 1915-1963, Standard Certificate of Death, Laub Bertha.

England and Wales Death Registration Index 1837-2007, Laub Moritz.

Literaturliste:

Laub, Moriz: Grundlagen und Ergebnisse ambulatorischer Tuberkulinbehandlung. Sonderdruck aus: Das Österreichische Sanitätswesen. Wien: Verlag von Alfred Hölder, k.k. Hof u. Universitäts-Buchhändler 1915.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Laub, Moriz: Über die Wirkung einiger dem Adrenalin verwandter Ketonbasen in der rhinologischen Praxis. Aus der I. laryngo-rhinologischen Abteilung des Kaiser Franz Joseph-Ambulatoriums (Vorstand Dr. M. Weil). Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles k.u.k. Hofbuchhandlung 1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Laub, Moriz und J. Novotny: Ueber komplementbindende Substanzen bei Tuberkulose. Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institute in Wien (Vorstand: Hofrat Prof. Paltauf). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien und Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1909.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Laub, Moriz: Ein Fall von Pneumopericardium. Aus der II. medicinischen Abtheilung der k.k. Krankenanstalt Rudolf-Stiftung in Wien (Primararzt Dr. E. Bamberger). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1899.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Keywords: Ärztekammer Wien, Moriz Laub, NS-Verfolgung, Rudolf-Stiftung, Sozialmedizin, Tuberkulose, Arzt, Wien

[1] Neue Freie Presse. 10.3.1898. S. 7.

[2] Die Zeit. 1.2.1909. S. 4.

[3] Wiener klinische Wochenschrift. Nr. 13. 1899. S. 359.

[4] Die Zeit. 12.3.1911. S. 9; Arbeiter Zeitung. 1.3.1911. S. 12.

[5] Arbeiter Zeitung. 5.3.1909. S. 10.

[6] Arbeiter Zeitung. 21.5.1911. S. 8.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 12. 1919. Sp. 609.

[8] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 27. 1926. Sp. 837.

[9] Wiener Kommunal-Kalender und städtisches Jahrbuch. Wien 1922. S. 47.

[10] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 38. 1919. Sp. 1869.

[11] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 12.5.1935. S. 12.

[12] Die Stimme. 9.2.1938. S. 5.

[13] Czernowitzer Tagblatt. 11.1.1910. S. 3

[14] Die Zeit. 30.9.1914. S. 4.

[15] Wiener Zeitung. 17.5.1916. S. 3; Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 27. 1917. Sp. 1211.

[16] Neue Freie Presse. 3.12.1918. S. 4.

[17] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 42. 1920. Sp. 1772.

[18] Arbeiter Zeitung. 2.7.1919. S. 10.

[19] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 22. 1924. Sp. 1143.

[20] Arbeiter Zeitung. 15.4.1923. S. 10.

[21] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 30. 1924. Sp. 1587-1589.

[22] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 46. 1924. Sp. 2434.

[23] Neues Österreich. 25.5.1949. S. 4.

Normdaten (Person) Laub, Moriz Moses : BBL: 39429; GND: 1264961014

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 39429 (04.08.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 08 04
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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [134]: Alfred Bass – Sozialmediziner, Schularzt und Interessensvertreter der Wiener Ärzt*innen

Alfred Bass – Sozialmediziner, Schularzt und Interessensvertreter der Wiener Ärzt*innen

 Text: Dr. Walter Mentzel

Alfred Bass war ein österreichischer Sozialmediziner, Studienmitarbeiter von Ludwig Teleky und Funktionär in den Interessensvertretungen der Wiener Ärzt*innen. Er wurde 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt und im Holocaust ermordet. Von ihm besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien eine Reihe von Arbeiten in ihrer Separata- sowie in der Neuburger-Bibliothek.

Alfred Bass wurde am 1. August 1867 als Sohn von Josef Bass, einem Lehrer aus Pilsen, und Katalin Katharina, geborene Fissler, in Linz geboren. Seine Eltern waren jüdischer Herkunft. Nach seinem Studium der Medizin an der Universität Wien, das er 1892 mit seiner Promotion abschloss, arbeitete er als Militärarzt im Garnisons-Spital Nr. 13 in Theresienstadt beim Infanterieregiment Nr. 100, danach als praktischer Arzt in Zinnwald (heute: Cínovec) und danach in Mariaschein (heute: Bohosudov/Tschechien) in Nordböhmen. Hier beschäftigte er sich vom arbeitsmedizinischen Standpunkt aus mit den Arbeitsverhältnissen in der nordböhmischen Industrie, insbesondere im nordböhmischen Kohlenrevier. 1898 erschien von ihm der Aufsatz „Wir und die Krankencassen“ in der Zeitschrift „Die Heilkunde, Monatsschrift für praktische Medizin, in dem er sich – wie auch später in Wien – für die Interessen der Kassenärzte einsetzte.

Bass, Alfred: Wir und die Krankencassen. Sonderdruck aus: Die Heilkunde. Monatsschrift für praktische Medicin. Teschen: K.u.k. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska 1898.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 25033]

1899 kehre er nach Wien zurück und arbeitete als Assistent an der Wiener Poliklinik sowie als praktischer Arzt im Wien-Mariahilf.[1]

Alfred Bass gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zum engen Kreis an Mitarbeitern von Ludwig Teleky und nahm an dem von Teleky an der Universität Wien errichteten Seminar für soziale Medizin teil. 1905 wirkte er gemeinsam mit Alfred Götzl an der von Ludwig Teleky durchgeführten medizinischen Untersuchung der Perlmutterdrechslergehilfen während ihres Streikes mit, ebenso an der sozialmedizinischen Studie zu den Steinmetzen sowie 1906 wiederum mit Alfred Götzl an der von Ludwig Teleky initiierten Studie zu den Zündholzarbeiter im Böhmerwald. 1910 publizierte er anlässlich eines drohenden Aufstandes der Perlmutterdrechsler rückblickend einen Bericht[2] in der Allgemeinen Wiener medizinische Zeitung über „Die Gesundheitsverhältnisse bei den Perlmutterdrechslern“ und im selben Jahr im ersten Jahrgang der „Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin“ die Ergebnisse der Studie über die 1905 gemeinsam mit Teleky und Götzl unternommene sozialmedizinischen Untersuchung zu den Steinmetzen und Perlmutterdrechslern.[3]

Abb. 1    Titelblatt: Bass: Die Gesundheitsverhältnisse der Wiener Steinmetzen und Perlmutterdrechsler. In: Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin. Wien, Leipzig: 1910. S. 80.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

Bass engagierte sich bis zur Zerstörung der Demokratie 1933/34 in den ärztlichen Interessensorganisationen und in der Österreichischen Sozialdemokratie. Er trat neben der Verbesserung der rechtlichen und materiellen Lage der Kassenärzte für eine massive Ausweitung, Demokratisierung und gesetzlichen Verankerung der Gesundheitsversorgung und für eine staatliche Regelung im Bereich der Krankenversicherung ein. Dazu publizierte er 1930 in der Wiener Medizinischen Wochenschrift den Aufsatz
Die Krankenversicherung im Kampf gegen sozialen Krankheiten“.[4]

1903 kandidierte er bei der Wahlen für die Wiener Ärztekammer,[5] an deren Stelle er die gewerkschaftliche Organisierung der Ärzte propagierte.[6] In dem 1908 von Max Kahane (1866–1923) herausgegeben Medizinischen Handlexikon für praktische Ärzte, publizierte er einige Artikel. Seit 1906 nahm er an den Vortragsabenden und Sitzungen in der von Sigmund Freud ins Leben gerufenen Mittwoch-Gesellschaft, sowie bis zu seinem Austritt im Jahr 1909 an jenen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung teil.

Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete Bass als praktischer Arzt in Wien-Mariahilf, war in der Tuberkulosenfürsorge aktiv, und als städtischer Schularzt tätig. Er wirkte an der von Anton Drasche herausgegebenen „Bibliothek der gesammten medicinischen Wissenschaften für praktische Ärzte und Spezialärzte“ mit.[7] Daneben übte er die Funktion eines Chefarztes der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien aus und engagierte sich weiterhin auf dem Gebiet der Sozialmedizin und in den ärztlichen Interessensorganisationen. Nach der Übersiedelung von Teleky nach Düsseldorf leitete er alleine die „Beratungsstelle für Berufswahl“, eine Organisation, die Jugendliche zum Einstieg ins Berufsleben verhelfen sollte.[8] Er war Mitglied und Unterstützer des Österreichischen Bundes für Mutterschutz, des Vereins „Freie Schule“, und des Vereins „Die Bereitschaft“, der für soziale Arbeit und zur Verbreiterung „sozialer Kenntnisse“ gegründet worden war. Politisch engagierte er sich in den sozialdemokratischen Organisationen, darunter im Abstinentenbund, wo er zu Fragen der sozialen Medizin oder der Sozialversicherung referierte, sowie als Mitglied in der Vereinigung sozialdemokratischer Ärzte, in deren Versammlungen er Themen wie „Schulreform und Volksgesundheit“,[9] den Ausbau der Sozialversicherung, die Krankenkassen, und den Mieterschutz behandelte.[10] In der Wirtschaftlichen Organisation der Ärzte Wiens war er als Funktionär und als Sektionsleiter der Spitalsbezirksgruppe Wien 6 tätig.

Bass war Mitglied der 1934 als Dachorganisation gegründeten Gesellschaft des Grauen Kreuzes, einer Hilfsorganisation für Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland.[11]

Bass und seine Familie waren aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Am 28. Oktober 1941 erfolgte die Deportation von Alfred Bass aus seiner Wohnung in Wien 6, Köstlergasse 10 in das Ghetto Łódź. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. 1947 erfolgte seine Todeserklärung. Seine Ehefrau Martha Bass (20.11.1873 Wien), geborene Weiss, verstarb 1940 in Wien. Sein Sohn Wolfgang Bass überlebte den Holocaust. An Alfred Bass erinnert heute ein Erinnerungsstein, verlegt vom Verein Erinnern für die Zukunft, vor dem Wohnhaus der Familie Bass in Wien 6, Köstlergasse 10.

Abb. 2 Gedenkstein, Foto: Walter Mentzel, 2021

Quellen:

Archiv der IKG Wien, Trauungsbuch 1895, Bass Alfred, Weiss Martha.

AUW, Sign. 134-221 (Nationalien 1886/87) Bass Alfred.

AUW, Sign. 134-354 (Nationalien 1890/91) Bass Alfred.

AUW, Sign. 187-709 (Promotionsdatum: 29.7.1892) Bass Alfred.

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 33.606, Bass Alfred (Geburtsdatum 1867.08.01).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 13.545, Bass Martha (1873.11.20).

[1] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 21.5.1907. S. 1.

[2] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 25.10.1910. S. 470-471.

[3] Bass, Alfred: Die Gesundheitsverhältnisse der Wiener Steinmetzen und Perlmutterdrechsler. In: Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin. Wien, Leipzig: Verlag von Moritz Perles 1910. S. 80-106.

[4] Wiener Medizinischen Wochenschrift, Nr. 52, S. 1685-1686.

[5] Neue Freie Presse, 31.12.1903, S. 8.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 42, Sp. 2069-2071.

[7] Die Heilkunde. Monatsschrift für praktische Ärzte – Wiener Ausgabe. H. 12. September 1900. S. 732.

[8] Arbeiter Zeitung. 17.7.1921. S. 8.

[9] Arbeiter Zeitung. 26.4.1922. S. 9.

[10] Arbeiter Zeitung. 23.6.1923. S. 9.

[11] Gerechtigkeit. 28.5.1936. S. 12.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [127]: Moritz Bauer – Gründer des Kuhpocken-Impf-Institutes in Wien und Mitbegründer des Ärztlichen Vereins der südlichen Bezirke Wiens

Moritz Bauer – Gründer des Kuhpocken-Impf-Institutes in Wien und Mitbegründer des Ärztlichen Vereins der südlichen Bezirke Wiens

Text: Dr. Walter Mentzel

Moritz Elias Bauer wurde am 25. Februar 1844 in Wien auf der Wieden als Sohn des Händlers Aron Bauer und seiner Frau Barbara, geborene Breuer, geboren, und war seit 1874 mit Mathilde Bauer, geborene Trebitsch (6.12.1851 Wien, gest. 6.3.1909 Wien), verheiratet. Bauer studierte an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und schloss das Studium 1869 mit seiner Promotion zum Doktor der gesamten Heilkunde ab. Danach arbeitete als Arzt in Wien Margareten, wo er am Mittersteig seine Arztpraxis führte und bis zu seinem Tod wohnhaft war.

Nach Studienreisen nach Holland und Deutschland gründete er 1885 das vom k.k. Ministerium des Inneren konzessionierte Kuhpocken-Impfinstitut Österreich-Ungarns in Wien 4.

Abb. 1    Allgemeine Wiener medizinische Zeit. 28.5.1895. S. 256.

Zur Propagierung und Information der Impfungen generell hielt er in den 1880er Jahren regelmäßig Vorträge vor dem Unterstützungs-Verein für Hebammen.[1] Bauer war in zahlreichen Standesorganisationen der Wiener Ärzteschaft vertreten. Darunter als Mitbegründer und späterer Präsident[2] des 1874 gegründeten „Ärztlichen Vereins der südlichen Bezirke Wiens“,[3] als Mitglied des Geschäftsrates des Wiener Doctoren-Collegiums[4], als Vorstandsmitglied der Witwen- und Waisensozietät,[5] und als Funktionär und Delegierter der Ärztekammer für Niederösterreich und später für Wien. Weiters war er Präsidiumsmitglied und später Obmann[6] im 1913 gemeinsam vom Wiener medizinischen Doctoren-Collegium mit den wirtschaftlichen Organisationen der Ärzte gegründeten Genossenschaft Ärztliches Zentral-Spar- und Kreditinstitut, sowie seit 1920 Mitglied des neugegründeten Zentralhilfskomitees der Ärzte Österreichs.[7]

Er war weiters Mitarbeiter des von Anton Bum (1856-1925) redigierten „Therapeutischen Lexikon für praktische Ärzte, Leipzig 1891“, der Wiener medizinischen Presse und der Mitteilungen des Wiener medizinischen Doctoren-Collegiums. 1908 wurde ihm der Titel eines kaiserlichen Rates[8] und 1920 vom Präsidenten der Nationalversammlung der Titel eines Obermedizinalrates verliehen.[9]

In der Separata-Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befindet sich eine Arbeit von Moritz Bauer:

Bauer, Moritz: Antiseptik bei der Impfung. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien: Urban & Schwarzenberg 1887.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]

Und eine weitere in der Neuburger Bibliothek an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin:

Moritz Bauer: Die Schutzimpfung und ihre Technik mit besonderer Berücksichtigung der Impfschäden, ihrer Verhütung und Behandlung. Stuttgart: Verlag von Ferdinand Enke 1890.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 28408]

Moritz Bauer verstarb 87-jährig am 7. Oktober 1930 im Sanatorium Fürth in Wien.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1863 (nachträglicher Eintrag), Bauer Moritz.

AUW, Med. Fak, Nationalien/Studienkataloge 1862-1938, Sign. 134, Zl. 16, Bauer Moritz (Nationalien Datum 1866/67).

AUW, Med. Fak, Rigorosenprotokoll 1821-1871, Sign. 170, Zl. 23r, Bauer Moritz (Rigorosum 1869).

Friedhofsdatenbank der IKG Wien: Bauer Mathilde.

Friedhofsdatenbank der IKG Wien: Bauer Moritz.

[1] Hebammen-Zeitung. 30.8.1888. S. 1.

[2] Wiener Zeitung. 16.3.1920. S. 2.

[3] Wiener Medizinische Wochenschrift. 27.3.1920. Sp. 667; Neues Wiener Journal. 8.10.1930. S. 9.

[4] Wiener Medizinische Wochenschrift. 23.3.1889. Sp. 451.

[5] Internationale klinische Rundschau. Nr. 20. 1906. Sp. 393.

[6] Wiener klinische Rundschau. 9.11.1913. S. 803; Wiener Zeitung. 22.4.1914. S. 510; Wiener Medizinische Wochenschrift. 27.3.1920. Sp. 667.

[7] Wiener Medizinische Wochenschrift. 27.3.1920. S. 498; Scholz, Joseph: Fünfundzwanzig Jahre des ärztlichen Vereins der südlichen Bezirke. Wiens: Verlag des ärztlichen Vereins der südlichen Bezirke Wiens 1899.

[8] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 8.12.1908. S. 547.

[9] Wiener Zeitung. 23.9.1920. S. 1.

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