Laub, Moriz – Em. Abteilungsassistent an der Krankenanstalt Rudolf-Stiftung, Präsident der Kassenärzte der kaufmännischen Angestellten, Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer, NS-Verfolgter
Text: Walter Mentzel
Moriz Laub wurde am 19. Februar 1869 als Sohn von Jakob Laub (1841-1916) und Mariam Nussbeck in Sadagora in der Bukowina (heute: Sadhora/Ukraine) geboren. 1900 heiratete er die in Wien geborenen Bertha Marmorek (1876-?), mit der er gemeinsam die beiden Kinder Gertrud Renee (*7.6.1902) und Rudolf (1908-1999) hatte.
Laub studierte in Wien an der Universität Medizin, schloss das Studium im März 1893 mit der Promotion ab, und begann danach als praktischer Arzt und Vertragsarzt bei der Wiener Krankenkasse in Wien Landstraße seine berufliche Laufbahn. Daneben arbeitete er als Abteilungsassistent bis zu seiner Emeritierung an der k.k. Krankenanstalt Rudolf-Stiftung.
Neben seiner Vortragstätigkeit in wissenschaftlichen Vereinen, wie im Wissenschaftlichen Club,[1] in dem er sich vor dem Ersten Weltkrieg auch als Mitglied des Ausschusses engagierte,[2] hielt er Vorträge in der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der er seit 1899 als Mitglied angehörte,[3] und der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde, in der er ebenfalls als Mitglied war. Weiters war er Mitglied der Ophthalmologischen Gesellschaft in Wien. Im Rahmen der „Volkstümlichen Vorträge“ des Wiener Volksbildungs-Vereines hielt er vor dem Ersten Weltkrieg populärwissenschaftlich aufbereitete Vorträge zu medizinischen Themen.[4] Vor allem aber war er als Referent in sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen aktiv.[5] Im Rahmen der Tuberkulosebekämpfung bot er 1911 kostenlos eine Tuberkulinbehandlung bei der Genossenschaft der Wäschewarenerzeuger, Sticker u.a. an.[6]
1915 publizierte er in den von Ludwig Teleky herausgegebenen Zeitschrift „Wiener Arbeiten aus dem Gebiet der Sozialen Medizin“ eine an der Tuberkulosefürsorgestelle der Gremialkrankenkasse der Wiener Kaufmannschaft durchgeführte Studie zu „Grundlagen und Ergebnisse ambulatorischer Tuberkulinbehandlung. Sie befindet sich an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin. Hier befinden sich auch in der Separata-Bibliothek vier Arbeiten und zwar „Grundlagen und Ergebnisse ambulatorischer Tuberkulinbehandlung“, aus dem Jahr 1906 die Studie „Über die Wirkung einiger dem Adrenalin verwandten Ketonbasen in der rhinologischen Praxis“, aus dem Jahr 1899 die an der II. medizinischen Abteilung der Rudolf-Stiftung erstellte Studie „Ein Fall von Pneumopericardium“, und die 1909 gemeinsam mit J. Novotny am staatlichen serotherapeutischen Institut in Wien entstandene Arbeit „Ueber komplementbindende Substanzen bei Tuberkulose“.
Laub war über viele Jahre in den Interessensvertretungen der Wiener Ärzteschaft und der Wiener Krankenkassen aktiv. 1904 und 1907 – noch als Kandidat der Freisinnigen Ärzteschaft – und 1911 kandidierte er bei den Ärztekammerwahlen in Wien. Im Jahr 1919 wurde er zum Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer gewählt.[7] In der Wiener Ärztekammer vertrat er die Interessen der Kassenärzte. Nach dem Ersten Weltkrieg war er noch Mitglied der Wirtschaftlichen Organisation der Ärzte Wiens,[8] Delegierter der Wiener Ärztekammer im Wiener Landessanitätsrat[9] und Präsident der Kassenärzte der kaufmännischen Angestellten. Seit 1919 war er noch Delegierter der Wiener Ärztekammer im Zentraltuberkuloseambulatorium des Volksgesundheitsamtes.[10]
Daneben engagierte er sich in der „Mensa academica judaica“ als deren Präsident,[11] und unterstützte den zionistischen Keren Kayemeth (Jüdischen Nationalfond).[12] Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte er auch als Mitglied der Bukowinaer Landsmannschaft „Buchenland“ mit Sitz in Wien an, als dessen Präsident Wilhelm Stekel vorstand[13].
Während des Ersten Weltkrieges war er als Chefarzt im Hilfsspital des von Erzherzog Leopold Salvator zur Verfügung gestellten Palais tätig.[14] 1916 erhielt er das Ehrenzeichen zweiter Klasse vom Roten Kreuz mit der Kriegsdekoration und 1917 das Ritterkreuz des Franz Josephs-Ordens verliehen.[15] Im Dezember 1918 gehörte er zu den Unterzeichnern des Aufrufes der Österreichisch-israelitischen Union „Ein Bekenntnis zur Republik Deutschösterreich“.[16] 1920 wurde ihm der Titel eines Medizinalrates verliehen.[17]
Laub war in der Ersten Republik Mitglied der ärztlichen Fachgruppe der Sozialistischen Vereinigung geistiger Arbeiter[18] und in der Vereinigung der sozialdemokratischen Ärzte Wiens aktiv.[19] In dieser Funktion, als auch in jener als Funktionär und Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer, trat er gegen den § 144 (Schwangerschaftsabbruch)[20] und gegen die damit verbundenen Verschärfungen des Strafrechtes sowie der damit einhergehenden Kriminalisierung der Ärzt*innenschaft auf. 1924 erschien von ihm als Artikel in der Wiener medizinischen Wochenschrift der von ihm am 25. Mai 1924 auf der Tagung der Vereinigung der sozialdemokratischen Ärzte gehaltene Vortrag unter dem Titel „Die Berufspflicht und das Berufsrecht des Arztes. Die rechtlichen Bestimmungen über die Unterbrechung der Schwangerschaft“.[21] Im selben Jahr wurde er vom Handelsgericht zum ständigen Sachverständigen für das Fach „Wirtschaftliche Interessen der Ärzte und der Heilanstalten“ bestellt.[22] Nach dem Krieg wirkte er auch noch in der Tuberkulosefürsorgestelle der Handlungsgehilfen.
Moriz Laub und seine Ehefrau Bertha wurden nach dem „Anschluss“ im März 1938 von den Nationalsozialisten wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt. 1939 wurden Laub von den Nationalsozialisten die Pensionsansprüche aberkannt. Ihm gelang es mit seiner Ehefrau Bertha kurz vor ihrer Deportation in das Ghetto Theresienstadt die Flucht nach England, wo er 1944 in Chapel En Le Frith in Derbyshire verstarb. Bertha emigrierte nach seinem Tod in die USA, wo sie verarmt in New York lebte. Ihre beabsichtigte Rückkehr nach Wien scheiterte, da die von ihr beanspruchte Rente und deren Zusicherung als Voraussetzung für ihre Rückkehr durch die Wiener Krankenkasse ignoriert und danach abschlägig behandelt worden war.[23] Darüber berichteten 1949 die Zeitungen Neues Österreich in der Ausgabe vom 30. Jänner 1949, vom 25. Mai 1949 und vom 6. November 1949, sowie die Salzburger Nachrichten am 1. Februar 1949. Bertha Laub lebte zuletzt bei ihrem ebenfalls von den Nationalsozialisten aus Österreich vertriebenen Sohn, dem Mediziner Rudolf Laub, in South Carolina und verstarb am 13. Jänner 1952 in Columbia.
Quellen:
AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosenprotokoll 1872-1894, Sign. 177-231a, Laub Moses (Rigorosum Datum 1890).
AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Promotionsprotokoll 1874-1890, Sign. 187-855, Laub Moriz Moses (Promotion Datum 11.3.1893).
ÖStA, AdR, E-uReang, ÖStA, VA, Zl. 4751, Laub Moritz (19.2.1869)
Moriz und Bertha Laub: https://billiongraves.com/grave/Moriz-Laub/35681419?referrer=myheritage
Death certificates (South Carolina), 1915-1963, Standard Certificate of Death, Laub Bertha.
England and Wales Death Registration Index 1837-2007, Laub Moritz.
Literaturliste:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
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Keywords: Ärztekammer Wien, Moriz Laub, NS-Verfolgung, Rudolf-Stiftung, Sozialmedizin, Tuberkulose, Arzt, Wien
[1] Neue Freie Presse. 10.3.1898. S. 7.
[2] Die Zeit. 1.2.1909. S. 4.
[3] Wiener klinische Wochenschrift. Nr. 13. 1899. S. 359.
[4] Die Zeit. 12.3.1911. S. 9; Arbeiter Zeitung. 1.3.1911. S. 12.
[5] Arbeiter Zeitung. 5.3.1909. S. 10.
[6] Arbeiter Zeitung. 21.5.1911. S. 8.
[7] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 12. 1919. Sp. 609.
[8] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 27. 1926. Sp. 837.
[9] Wiener Kommunal-Kalender und städtisches Jahrbuch. Wien 1922. S. 47.
[10] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 38. 1919. Sp. 1869.
[11] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 12.5.1935. S. 12.
[12] Die Stimme. 9.2.1938. S. 5.
[13] Czernowitzer Tagblatt. 11.1.1910. S. 3
[14] Die Zeit. 30.9.1914. S. 4.
[15] Wiener Zeitung. 17.5.1916. S. 3; Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 27. 1917. Sp. 1211.
[16] Neue Freie Presse. 3.12.1918. S. 4.
[17] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 42. 1920. Sp. 1772.
[18] Arbeiter Zeitung. 2.7.1919. S. 10.
[19] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 22. 1924. Sp. 1143.
[20] Arbeiter Zeitung. 15.4.1923. S. 10.
[21] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 30. 1924. Sp. 1587-1589.
[22] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 46. 1924. Sp. 2434.
[23] Neues Österreich. 25.5.1949. S. 4.
Normdaten (Person) Laub, Moriz Moses : BBL: 39429; GND: 1264961014
Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 39429 (04.08.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 08 04
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