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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [117]: Brosch Anton – Professor für pathologische Anatomie und Militärarzt (1869-1938)

Brosch Anton – Professor für pathologische Anatomie und Militärarzt (1869-1938)

Text: Dr. Walter Mentzel

Anton Brosch wurde am 21. Juni 1869 in Mühlbach in Tirol[1] als Sohn des k.u.k. Hauptmann in Reserve,[2] Besitzer der Kriegsmedaille und Inspektor bei der k.k. priv. Südbahn-Gesellschaft, Anton Brosch (gest. am 30.11.1898 Graz),[3] und Anna Brosch (*zirka 1845, gest. Juni 1935 Wien),[4] geboren. Seit 1899[5] war er mit Eugenia (16.11.1876 Wien, gest. zirka 1952 Wien), geborene Mickl,[6] verheiratet, mit der er gemeinsam die beiden Kinder Frieda und Robert (*24.2.1906, gest. zirka 1945 Wien)[7] hatte.[8]

Brosch besuchte das Untergymnasium am Theresianum in Wien und danach das Obergymnasium am Staatsgymnasium in Graz. Nach der Matura begann er in Graz an der Karl-Franzens-Universität mit dem Studium der Medizin, das er am 13. März 1893 als Doktor der gesamten Heilkunde mit der Promotion abschloss.

Nachdem er vom 1. Oktober 1892 bis 30. September 1894 als Assistent an der Lehrkanzel für pathologische Anatomie in Graz gearbeitet hatte, wechselte er im Februar 1895 als Prosektor an das k.u.k. Garnisonspital Nr. 1 nach Wien, wo er am „Militär-Leichenhof“ tätig war. Hier entwickelte er zirka 1902 ein neues Leichen-Konservierungsverfahren, für deren Weitergabe und Durchführung er Ausübungsrechte im Lizenzwege erteilte.[9] Seit Oktober 1900 unterrichtete er als Lehrer an der k.u.k. militärärztlichen Applikationsschule in Wien und hielt pathologisch-anatomische und gerichtsärztliche Sektionsübungen. Am 17. April 1905 habilitierte er sich an der Medizinischen Fakultät im Fach pathologische Anatomie,[10] worauf durch das Ministerium für Kultus und Unterricht die Bestätigung des Beschlusses des Professorenkollegiums der Universität Wien zu seiner Zulassung als Privatdozenten für pathologische Anatomie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien erfolgte.[11]

Militärarzt:

Seine Karriere als Militärarzt begann in Graz mit seiner Ernennung am 1. Dezember 1893[12] zum Assistenzarzt im Garnisonsspital Nr. 7. Im Jänner 1895 erfolgte seine Beförderung zum Oberarzt im Präsenzstand der k.u.k. Armee,[13] im April 1897 wurde er zum Regimentsarzt zweiter Klasse,[14] im Mai 1900 zum Regimentsarzt 1. Klasse,[15] 1910 zum Stabsarzt[16] und im September 1915 zum Oberstabsarzt 2. Klasse[17] und zuletzt 1. Klasse im militär-ärztlichen Offizierskorps, befördert. Seit spätestens 1899[18] war er Mitglied und in ausübenden Funktionen – u.a. als Ausschussmitglied – im Unterstützungsverein für Witwen und Waisen der ehemaligen k.u.k. Militärärzte in Wien tätig.[19]

Vom 31. Juli 1914 bis 4. März 1917 leitete er als Kommandant das Festungsspitals Nr. 1 in Risano im Kriegshafen Cattaro (heute: Kotor/Montenegro). Im Juli 1917 wurde ihm von Kaiser Franz Josef der Adelsstand „Edler“ verliehen.[20] Mit Erlass der Abteilung 14 im k.u.k. Kriegsministerium wurde er 1917 dem Militärsanitätskomitee zur Organisierung der Sammlung des Materials für die kriegspathologische Sammlung zugeteilt. Dazu publizierte er schon vor dem Krieg zur Militärmedizin.

Brosch, Anton: Ein Heros der Befreiungskriege. Vortrag, gehalten unter dem Titel: „Über einen historischen Fall von ungewöhnlich schweren und zahlreichen Waffenverletzungen mit Wiederherstellung der Waffenfähigkeit“. Mit 8 Abbildungen. Sonderabdruck aus: Militärmedizin und ärztliche Kriegswissenschaft. Wien und Leipzig: Verlag von Josef Šafář 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Abb. 1    Titelblatt: Brosch: Ein Heros der Befreiungskriege. Wien: 1914.

Nach dem Kriegsende kehrte er mit Verordnung des liquidierenden Militärkommandos Wien vom 24. November 1918 wieder an die Prosektur des Garnisonspitals Nr. 1 in Wien zurück. Am 31. Dezember 1918 wurde er vom deutschösterreichischen Staatsamt für Volksgesundheit als ständiges Mitglied des Militärsanitätskomitees und Kustos der militärärztlichen Bibliothek eingeteilt, und am 1. Oktober 1919 kam es mit Erlass des Amtes für Volksgesundheit zu seiner Enthebung vom Dienst und seiner Verwahrung bei der provisorischen deutschösterreichischen Personalevidenz. 1922/23 verzichtete er freiwillig auf seine venia docendi.[21]

Er gilt als Erfinder des Darmbades,[22] für das er 1927 (Tragvorrichtung für Subaquale Darmspülungsapparate)[23] und 1936 (Darmrohr für Spülungen) Patente beim Patentgericht in Wien anmeldete.[24] Seit 1917 besaß und betrieb er als Geschäftsführer und späterer Mitgesellschafter in Wien 9, Borschkegasse 8, eine Kur-Anstalt für ambulatorische Enterocleaner-Behandlung,[25] die bis Februar 1932 bestand.[26]

Brosch, Anton: Der Eneterocleaner. Separatabdruck aus: Das subaquale Innenbad. Leipzig und Wien: Franz Deuticke 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Abb. 2    Titelblatt: Brosch: Der Enterocleaner. Leipzig und Wien: 1912.

Abb. 3    Der Enterocleaner. In:

Brosch, Anton: Das subaquale Innenband. 2., verm. Aufl. Leipzig und Wien: Deuticke 1912.

[Universitätsbibliothek MedUni Wien/Magazin, Sign.: 2018-03301]

Neben dem Garnisonspital 1 kam diese Methode in weiterer Folge im Garnisonsspital 2, in der städtischen Kuranstalt in Baden bei Wien sowie in der Wiener Fango- und Wasserheilanstalt zum Einsatz.[27] Weiters sind von ihm Vorträge bekannt wie jener im Februar 1925 vor der Gesellschaft für wissenschaftliche Astrologie in Wien[28] und zuletzt im Jänner 1938 vor der metaphysischen Gesellschaft[29] und März 1938, wo er einen Vortrag zum Thema „Die elektrische Natur des Menschen“ hielt.[30] Er lebte zuletzt in Wien 4, Resselgasse 3 und verstarb am 7. Oktober 1938.[31]

Auszeichnungen:

Zahlreiche militärische Auszeichnungen darunter das Offiziersehrenkreuz (31. August 1917).

Päpstliches Ehrenkreuz „Pro ecclesia et Pontifice“.

Mitgliedschaften:

Mitglied des k.u.k. Militär-Sanitäts-Komitee, der Gesellschaft der Ärzte in Wien, des wissenschaftlichen Vereines der Militärärzte der Wiener Garnison, und der deutschen pathologischen Gesellschaft.

Archivquellen:

UAW, Med. Fakultät, PA 59, Brosch Anton.

UAW, Med. Fakultät, Personalblatt, Senat S. 304.114, Brosch Anton.

__________________________________________________

[1] UAW, Med. Fakultät, PA 59, Brosch Anton.

[2] Trat im Februar 1899 in den Ruhestand. Danzers Armee-Zeitung. 2.2.1899. S. 9.

[3] Grazer Tagblatt. 2.12.1898. S. 12.

[4] Friedhofsdatenbank der Gemeinde Wien.

[5] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 4.8.1899. S. 5.

[6] Index der katholischen Taufen, Wien und Umgebung 1585-1914. St. Stephan, Buch Nr. 12. Folio 420.

[7] Friedhofsdatenbank der Gemeinde Wien.

[8] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 18.1.1909. S. 18.

[9] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 7. 1902. S. 309-310 und Nr. 9. Sp. 435.

[10] UAW, Med. Fakultät, Personalblatt, Senat S. 304.114, Brosch Anton.

[11] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 18.5.1905. S. 3. Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 21. 1905. Sp. 1067.

[12] Wiener Zeitung. 7.12.1893. S. 1.

[13] Wiener Zeitung. 8.1.1895. S. 2; Neue Freie Presse. 12.1.1895. S. 3.

[14] Grazer Tagblatt. 29.4.1897. S. 8.

[15] Grazer Tagblatt. 11.5.1900. S. 5.

[16] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 26.10.1910. S. 7.

[17] Reichspost. 26.8.1915. S. 9.

[18] Der Militärarzt. 23.6.1899. Sp. 103.

[19] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 3. 1918. Sp. 159 und Nr. 18; 1919. Sp. 911-912,

[20] Grazer Tagblatt. 2.7.1917. S. 2.

[21] UAW, Med. Fakultät, Personalblatt, Senat S. 304.114, Brosch Anton.

[22] Neue Freie Presse. 12.4.1931. S. 18.

[23] Drogisten Zeitung. 15.2.1928. S. 51.

[24] Pharmaceutische Presse. 24.7.1937. S. 228.

[25] Wiener Zeitung. 20.11.1922. S. 857.

[26] Wiener Zeitung. 9.3.1932.

[27] Anton Brosch, Zur Kenntnis der Dickdarmkapazität, in: Wiener Medizinische Wochenschrift, Nr. 36, 1912, Sp. 2358.

[28] Der Tag. 13.2.1925. S. 6.

[29] Der Tag. 11.1.1938. S. 7.

[30] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 15.3.1938. S. 6.

[31] Neues Wiener Tagblatt. 15.10.1938. S. 12. Friedhofsdatenbank der Gemeinde Wien (Brosch Anton: Wiener Zentralfriedhof – Gruppe 126. Reihe 18. Nr. 23).

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [87]: Mediziner in der Revolution 1848: Nikodem Betkowski

Mediziner in der Revolution 1848: Nikodem Betkowski (1812-1864)

Text: Dr. Walter Mentzel

Nikodem Felicjan Betkowski wurde als Sohn von Johann Betkowski und Franziska Baranowska am 27. September 1812 in Lisia Góra bei Tarnów/Galizien (heute: Polen) geboren. Seine Familie zählte zu den ältesten polnischen Adelsgeschlechtern. Er studierte nach dem Besuch des Gymnasiums in Bochnia/Galizien ab 1832 in Wien Philosophie und Medizin bei Joseph Berres (1796-1844), Joseph von Wattmann (1789-1866), Anton von Rosas (1791-1855) und Carl von Rokitansky (1804-1878) und schloss sich der polnischen Studentenorganisation „Zwiazek pamiatkowo-narodowy“, der 1837 in Galizien gegründeten Untergrundorganisationen „Młoda Sarmacja“ (Junges Sarmatien) und „Stowarzyszenie Polskiej Demokracji“ (Verein der Polnischen Demokraten) an. Wegen seines politischen Engagements wurde er 1836 für vier Monate und danach für weitere fünf Monate inhaftiert.

Während seines Studiums beteiligte er sich als Übersetzer einzelner Artikel in die polnische Sprache für die von Antal Masch (1809-1884) publizierten Arbeit:

Masch, Antal: Polyglotton Medicum, eine Anleitung zur Verständigung des Arztes mit dem Kranken in sechs Sprachen, mit Rücksicht auf die Hauptsprache der Völker des österreichischen Kaiserstaates, Deutsch, Böhmisch, Polnisch, Ungarisch, Italienisch, Französisch, enthaltend: eine systematische Zusammenstellung von Fragen, Antworten und anderen kurzen Aeußerungen nach den Forderungen der Diagnose, Prognose und Therapie. Wien: Druck und Verlag J. P. Sollinger 1839.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Josephinische Bibliothek, Sign.: JB-5539]

Abb. 1    Titelblatt: Masch: Polyglotton Medicum […]. Wien: 1839.

Das Studium an der Universität Wien schloss er schließlich 1841 mit der Promotion (25.5.1841)[1] zum Doktor der Medizin und Chirurgie und danach mit dem Magister der Geburtshilfe ab. Thema und Titel seiner Dissertation war:

Betkowski, Nikodem: Historia Medicinae In Inclytis Poloniae Terris, Ab Antiques Temporibus Usque Ad Annum 1622. Dissertatio Inauguralis. Vindobonae: Typis Caroli Ueberreuter 1841.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Historische Dissertations-Bibliothek, Sign.: D-2086]

Das Exemplar in der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin enthält auf der Frontispizseite eine Widmung an Dr. Ernest Joseph Schneller: „Collegae aestumatissimo suo/Dri. Schneller, Ernesto Josepho/in perennem sui memoriam/offert Auctor.“ – Joseph von Schneller (1814-1885) war ein Studienkollege von Betkowski. Er promovierte 1840 zum Doktor der Medizin und 1841 zum Doktor der Chirurgie. Ab 1841 war er Mitglied des Wiener Doctoren Collegiums. Von Schneller wurde 1870 in den Obersten Sanitätsrat berufen und gilt als Wegbereiter für den Ausbau eines modernen öffentlichen Gesundheits- bzw. Sanitätswesens.

Abb. 2    Titelblatt: Betkowski: Historia Medicinae In Inclytis Poloniae Terris […]. Wien: 1841.

Nach dem Abschluss seines Studiums kehrte er nach Bochnia zurück, praktizierte zunächst als Arzt und wurde wegen der Verwicklung in einen Hochverratsprozess drei Jahre als politischer Gefangener in Untersuchungshaft festgehalten. Nach seiner Entlassung 1845 übersiedelte er nach Wieliczka/Galizien und arbeitete ab 1846 als Gerichtsmediziner.

Im Revolutionsjahr 1848 war er Mitglied und Abgeordneter des ersten konstituierenden österreichischen Reichstages in Wien und Kremsier,[2] wo er zur Partei der polnischen Föderalisten zählte. Nach der Niederschlagung der Revolution kam es gegen ihn zur Einleitung eines Strafverfahrens, das erst 1853 eingestellt wurde.

Zwischen 1852 und 1853 veröffentlichte er ein Lehrbuch in zwei Teilen über pathologische Anatomie (Patalogiczna Anatomia, Krakau 1852, 1853), die erste in polnischer Sprache verfasste Arbeit in diesem Fach, und übersetze medizinische Texte aus dem Deutschen ins Polnische.

Der Antrag der Medizinischen Fakultät Krakau zur Berufung Betkowski auf den 1850 gegründeten Lehrstuhl der pathologischen Anatomie wurde seitens des Ministeriums in Wien wegen seiner Beteiligung an der Unabhängigkeitsbewegung abgelehnt. Seit 1855 lebte Betkowski in Wieliczka, wo er als Kreisarzt arbeitete.

Betkowski publizierte in der Wiener medizinischen Wochenschrift 1860 und 1862 eine Artikelserie unter dem Titel „Flüchtige medizinische Skizzen aus Galizien“.

Betkowski, Nikodem: Flüchtige medizinische Skizzen aus Galizien: In: Wiener medizinische Wochenschrift. (10 und 12) 1860 und 1862. Sp. 539-540, 644-645, 661-662, 692-694, 756-758,774 und Sp. 187-188, 203-206, 220-222, 237-238.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: Z-10002/10 und 12]

http://webapp.uibk.ac.at/alo/cat/card.jsp?id=8545052

http://webapp.uibk.ac.at/alo/cat/card.jsp?id=8545053

Abb. 3    Betkowski: Flüchtige medizinische Skizzen aus Galizien. In: Wiener Medizinische Wochenschrift. (10) 1860. Sp. 539-549.

Betkowski war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Warschau, des Doctoren-Kollegiums in Warschau, der gelehrten Gesellschaft in Krakau und der kaiserlichen Gesellschaft der Ärzte in Wilna.[3]

1861 wurde Betkowski für den Wahlkreis Wieliczka zum Abgeordneten für den Galizischen Landtag gewählt, von dem er für das Kronland Galizien zum zweiten Mal in das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrates delegiert wurde und dem er bis zu seinem Tode als Mitglied angehörte. Betkowski verstarb am 19. Oktober 1864 in Wieliczka in Galizien.

Quellen:

Archiv der Universität Wien, Med. Fak., Dekanat, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Nr. 176-62 (Nikodem Betkowski).

Der Reichsrath. Biographische Skizzen der Mitglieder des Herren- und Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes. (2 Bd.) Wien: 1861-1862.

Slavische Blätter. Illustrierte Zeitschrift für die Gesammtinteressen des Slaventhums (Hrsg. von Abel Luksic). Wien: 1865. S. 30-32

[1] Archiv der Universität Wien, Med. Fak., Dekanat, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Nr. 176-62 (Nikodem Betkowski).

[2] Wiener Zeitung, 20.10.1848, S. 2.

[3] Der Reichsrath. Biographische Skizzen der Mitglieder des Herren- und Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes. (2 Bd.) Wien: 1861-1862.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [36]: Rokitansky, Carl von: Dissertatio inauguralis medica de Varioloide Vaccinica.

Rokitansky, Carl von: Dissertatio inauguralis medica de Varioloide Vaccinica. Qaum Consensu et Auctoritate Excellentissimi Ac Illustrissimi Domini Praesidis Et Directoris, Perillustris Ac Spectabilis Domini Decani, nec non Clarissimorum D.D. Professorum pro Doctoris Medicinae Laurea Rite Obtinenda in antiquissima ac celeberrima Universitate Vindobonensi publicae disquisitioni submittit Carolus Rokitansky, Bohemus Reginaehradecensis ad C.R. Musaeum pathologicum Practicans non stipendiatus. In Theses adnexas disputabitur in Universitatis aedibus die 1. Martii Anni MDCCCXXVIII. Wien: Typis Congregationis Mechitaristicae 1828.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Historische Dissertations-Bibliothek, Sign.: D3749]

http://search.obvsg.at/primo_library/libweb

Abb. 1    Carl von Rokitansky

Carl von Rokitansky (*19.02.1804 Königgrätz/(heute Tschechien), gest. 23.07.1878 Wien) gilt neben Joseph Skoda und Ferdinand von Hebra als Begründer der II. Wiener Medizinischen Schule im 19. Jahrhundert. Er stammte aus Königgrätz/Böhmen, wo er seine fünfjährige Gymnasialzeit absolvierte. 1818 begann er in Prag mit dem dreijährigen Philosophiestudium, das damals zur Vorbereitung für ein weiterführendes Studium vorgeschrieben war. Schon während seines Medizinstudiums (1821-1824) in Prag, interessierte er sich vor allem für das Fach Anatomie. Im Herbst 1824 setzte er sein Medizinstudium an der Universität in Wien fort und arbeitete ab 1. November 1827 als unbesoldeter Praktikant in der Pathologisch-Anatomischen Lehranstalt. Rokitansky promovierte nach dem Abschluss seiner Dissertation Dissertatio inauguralis medica de Varioloide Vaccinica […] am 6. März 1828 zum Doktor der Medizin.

Abb. 2    Titelblatt: Rokitansky: Dissertatio inauguralis medica de Varioloide Vaccinica […]. Wien: 1828.

1830 wurde Rokitansky Assistent an der Pathologisch-Anatomischen Anstalt, wo er zwei Jahre später zum supplierenden ao. Professor und 1834 zum außerordentlichen Professor und Kustos des Pathologisch-Anatomischen Museums ernannt wurde. Im gleichen Jahr heiratete er Maria Anna Weiss, eine von Antonio Salieri (1750-1825) ausgebildeten Sängerin, mit der er vier Kinder hatte: Hans von Rokitansky (1835-1909) bekannter Sänger an der Wiener Hofoper; Viktor von Rokitansky (1836-1896) Opernsänger und Musikpädagoge; Karl von Rokitansky (1839-1898) Prof. für Gynäkologie an der Universität Graz; Prokop von Rokitanksy (1842-1928) Prof. für Innere Medizin an der Universität Innsbruck.

Carl von Rokitansky erkannte, dass die vor ihm wenig beachtete Disziplin der pathologischen Anatomie, den Ärzten am Krankenbett neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten eröffnen würde und löste damit eine wissenschaftliche Revolution aus. Gemeinsam mit dem Internisten Joseph Skoda und dem Dermatologen Ferdinand von Hebra leitete er damit einen Paradigmenwechsel von der noch weitgehend naturphilosophisch orientierten Medizin des 18. und frühen 19. Jahrhunderts hin zu einer modernen, naturwissenschaftlich orientierten Medizin ein. In seiner „Selbstbiographie“, die 1960 – gemeinsam mit seiner Antrittsrede – von Erna Lesky (1911-1986) ediert und mit Erläuterungen versehen wurde, schrieb Rokitansky: „Ich trat mein Amt mit der schon früher gewonnen Überzeugung an, dass die Leichensektionen eine Fundgrube von neuen oder doch vom diagnosticirenden Arzte am Krankenbette völlig unbeachteten Thatsachen sein müßten. Indem als palpable anatomische Veränderungen der Organe und Gewebe augenscheinlich die Ergebnisse von Processen vorlagen, so musste doch eine eingehende Kenntnis dieser Ergebnisse für die Gewinnung einer Einsicht in die Natur jener Processe unerlässlich und zugleich für die klinische Medicin von dem grössten Werthe seyn. Es stellten sich demnach zwey Aufgaben; erstens die Aufgabe, die Thatsachen vom rein anatomischen Standpunkte wissenschaftlich zu ordnen und dabey eine ihre Sonderungen und Zusammenfassungen fachgemäss rechtfertigende allgemeine path. Anatomie zu schaffen; zweytens, die Aufgabe zu zeigen, dass und wie die Thatsachen für die Diagnose am Lebenden zu verwehrten seyen, dass eine fortschrittliche Nosologie die anatomische Basis nicht entbehren könne.“[1]

Zu seinen Hauptwerken zählt:

Rokitansky, Carl von: Handbuch der pathologischen Anatomie. 3 Bde. Wien: Bei Braumüller und Seidel 1842-1846.

http://search.obvsg.at/primo_library/libweb/action/search.do?&vid=UMW&vl%28freeText0%29=AC00685909&fn=search&vl(D48333145UI5)=addsrcrid

Abb. 3    Titelblatt: Rokitansky: Handbuch der pathologischen Anatomie. Wien: 1842-1846.

Carl von Rokitansky zählte zu den Vertretern des „bürgerlichen Liberalismus“ in Österreich und trug wesentlich zu Reformen an der Universität sowie zur Verbesserung des Gesundheitswesens bei. Er war mehrmals Dekan der medizinischen Fakultät und 1852 Rektor der Universität Wien. Ab 1850 bis zu seinem Tod war er Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien. Er war ebenfalls Präsident des Obersten Santitätsrates. 1863 ernannte ihn Staatsminister Anton von Schmerling (1805-1893) zum medizinischen Studienreferenten im Innenministerium und am 25. November 1867 wurde er von Kaiser Franz Joseph (1830-1916) ins Herrenhaus des Reichsrats berufen. 1874 erhob der Kaiser Rokitansky in den Freiherrenstand.

Quellen:

Rumpler, Helmut und Helmut Denk: Carl Freiherr von Rokitansky (1804-1878). Pathologe – Politiker – Philosoph. Gründer der Wiener Medizinischen Schule des 19. Jahrhunderts. Gedenkschrift zum 200. Geburtstag. Wien: Böhlau 2005.

Schmidt-Wyklicky, Gabriela: Rokitansky als Pato-Philosoph. In: Sudhoffs Archiv. (89/2) 2005. S. [170]-195.

Stefan, Hvězdoslav, Procházková, Olaga und Ivo Šteiner: Karel Rokitanský. Hrádec Králové: Vydala Lékařská fakulta UK 2005.

Sedivy, Roland: Carl Freiherr von Rokitansky. Wegbereiter der pathologischen Anatomie. Wien: Maudrich 2001.

Lesky, Erna: Carl von Rokitansky. Selbstbiographie und Antrittsrede. (= Beiträge zur Geschichte der Universität Wien/3). (= Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts/4). (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Sitzungsberichte/234, Bd.3). Wien: Böhlau 1960.

[1] Lesky, Erna: Carl von Rokitansky. Selbstbiographie und Antrittsrede. (= Beiträge zur Geschichte der Universität Wien/3). (= Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts/4). (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Sitzungsberichte/234, Bd.3). Wien: Böhlau 1960. S. 53-54.

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Rokitansky, Carl von, 1804-1878: De varioloide vaccinica
Skoda, Joseph, 1805-1881: Dissertatio inaug. medica de morborum divisione
Hebra Ferdinand Ritter von: Dissertatio inauguralis medico-chirurgica historiam trepanationis cranii