Archiv der Kategorie: Medizingeschichte

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [70]: Nihell, Elizabeth: La Cause De L’Humanité, Référée Au Tribunal du bon sens & de la raison: Ou Traité Sur Accouchemens Par Les Femmes. 1771.

Nihell, Elizabeth: La Cause De L’Humanité, Référée Au Tribunal du bon sens & de la raison: Ou Traité Sur Accouchemens Par Les Femmes. Ouvrage très-utile aux Sages-Femmes, & très-intéressant pour les Familles. Traduit de l’Anglois. London, Paris: Chez Antoine Boudet, Imprimeur du Roi 1771.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Josephinische Bibliothek, Sign.: JB3874]

https://ubsearch.meduniwien.ac.at/

Text: Harald Albrecht, BA

Abb. 1    Elizabeth Nihell (1723-1776)

Elizabeth Nihell (1723-1776) war eine der bekanntesten und streitbarsten englischen Hebammen ihrer Zeit. Sie wurde 1723 in England geboren und stammte aus einer französisch-katholischen Familie. 1740 zog sie nach Paris wo sie den Mediziner und Apotheker Edmund (oder Edward) Nihell heiratete. Dieser kam aus einer bekannten irischen Familie, die zahlreiche Kaufleute, Mediziner, Priester und Autoren hervorgebracht hatte. Das Paar hatte zumindest ein gemeinsames Kind. 1747 begann Elizabeth Nihell ihre Ausbildung im Pariser Hôtel-Dieu, das von Louis duc d’Orléans (1703-1752) gefördert wurde. Eine ihrer Ausbildnerinnen war die berühmte französische Hebamme Angélique Marguerite Le Boursier Du Coudray (1712-1794). Während ihrer zweijährigen Zeit im Hôtel-Dieu fanden dort etwa 2.000 Geburten statt. Nihell konnte, was für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich war – die meisten Hebammen waren nur sehr rudimentär oder gar nicht ausgebildet – in dieser Institution einen reichen Schatz an Erfahrungen sammeln.

1754 übersiedelte Elizabeth Nihell mit ihrem Mann zurück nach London, wo sie mindestens bis 1772 als Hebamme praktizierte. Schon in Paris beobachtete sie das Aufkommen immer mehr chirurgisch ausgebildeter männlicher Geburtshelfer mit großer Skepsis und Argwohn. Die Situation in England stellte sich ähnlich dar. Während die männlichen Geburtshelfer stetig zunahmen und immer höhere Preise für ihre Dienste verlangen konnten, wurden die Hebammen immer mehr zurückgedrängt und mussten sich mit immer geringeren Honoraren zufriedengeben. Nihell versuchte sich gegen diese Marginalisierung ihrer Berufsgruppe zu wehren und attackierte ihre männliche Kollegenschaft öffentlich. Nihell throws herself with great gusto into the very frontline of the battle between the two sexes over who should provide antenatal care and attend women in labour: female midwives with their inborn aptitude, empathetic approach and nature-friendly practice, or male practicioners keen to intervene to show their ‘superiority’ over women through crude attempts at early intervention and the use of forceps.“[1] Besonders die Geburtszangen, die ihre männlichen Kollegen verwendeten waren ihr ein Dorn im Auge, da sie ihrer Ansicht nach wesentlich mehr Schaden als Nutzen bringen würden. Eines ihrer Lieblingsziele ihrer öffentlichen Angriffe war William Smellie (1697-1793), einer der ersten und bekanntesten männlichen Geburtshelfer Englands. Many of her strongest attacks were dedicated at William Smellie who, through his classes for both male and female midwives, had increasing influence. She belittled his physique, alluding to his large hands, ‘the delicate fist of a great-horse-godmother of a he-midwife’.“[2]

1760 publizierte Elizabeth Nihell ihr Hauptwerk unter dem Titel: Nihell, Elizabeth: A Treatise On The Art Of Midwifery. Setting Forth Various Abuses therein, Especially as so the Practice with Instruments: The Whole Serving to put all Rational Inquirers in a fair Way of very safely forming their own Judgment upon the Question; Which it is best to employ, In Cases of Pregnancy an Lying-In, A Man-Midwife; Or A Midwife. London: Printed for A. Morley, at Gay’s-Head, near Beaufort Buildings, in the Strand 1760.

Die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin besitzt eine französische Übersetzung dieses Buches aus dem Jahr 1771: Nihell: La Cause De L’Humanité […]. London, Paris: 1771. Nihells Werk versteht sich nicht nur als Lehrbuch für Hebammen sondern auch als Streitschrift für ihre Sache, in der sie auch für ihre Positionen eintrat.

Abb. 2    Titelblatt: Nihell: La Cause De L’Humanité […]. London, Paris: 1771.

Elizabeth Nihell konnte jedoch die Entwicklungen ihrer Zeit nicht aufhalten. Es kann angenommen werden, dass sie ca. 1771 von ihrem Mann verlassen worden war. Unter den fortschreitend erschwerten Bedingungen für Hebammen musste sie nun ohne jede finanzielle Unterstützung für sich selbst aufkommen. Ab 1775 blieb ihr nichts anderes übrig als in ein Armen-Arbeitshaus zu ziehen wo sie ein Jahr später, 1776, starb.

Quellen:

Beal, Jane: Elizabeth Nihell. A feisty English midwife (1723-1776). In: Midwifery today. (114) 2015. S. 56-57.

Bosanquet, Anna: Inspiration from the past (3). Elizabeth Nihell, the ‘anti-obstetric’ midwife. In: The practising midwife. (12/10) 2009. S. 46-48.

Nihell, Elizabeth (b. 1723). In: On the shoulders of giants: eponyms and names in obstetrics and gynaecology. Von Thomas F. Basket. London: RCOG Press 1996. S. 160-161.

Nihell, Elizabeth (1723-?). In: The history of obstetrics and gynaecology. Von Michael J. O’Dowd und Elliot E. Philipp. Carnforth/Lancashire: Parthenon Publishing Group 1994. S. 638-639.

[1] Bosanquet, Anna: Inspiration from the past (3). Elizabeth Nihell, the ‘anti-obstetric’ midwife. In: The practising midwife. (12/10) 2009. S. 46.

[2] Nihell, Elizabeth (b. 1723). In: On the shoulders of giants: eponyms and names in obstetrics and gynaecology. Von Thomas F. Basket. London: RCOG Press 1996. S. 161.

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Heinrich LEHNDORFF (1877-1965): Vertrieben 1938 [66]

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Heinrich LEHNDORFF (1877-1965)

    1. * 26.05.1877 Wien
    1. + 17.09.1965 New York City, New York (USA)
    1938 im Lehrkörper der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, Fach: Kinderheilkunde

Biographische Informationen zu Heinrich LEHNDORFF (PDF) im Repositorium der Ub Med Uni Wien. – Auszug aus: Judith Bauer-Merinsky: Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die medizinische Fakultät der Universität Wien im Jahre 1938:Biographien entlassener Professoren und Dozenten. Wien: Diss., 1980, S. 136-137.
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Richard LEDERER (1885-): Vertrieben 1938 [65]

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Richard LEDERER (1885-)

    1. * 11.06.1885 Karlsbad, Böhmen
    1938 im Lehrkörper der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, Fach: Kinderheilkunde

Biographische Informationen zu Richard LEDERER (PDF) im Repositorium der Ub Med Uni Wien. – Auszug aus: Judith Bauer-Merinsky: Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die medizinische Fakultät der Universität Wien im Jahre 1938:Biographien entlassener Professoren und Dozenten. Wien: Diss., 1980, S. 134-135.
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Hans KÖNIGSTEIN (1878-1960): Vertrieben 1938 [64]

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Hans KÖNIGSTEIN (1878-1960)

    1. * 02.09.1878 Wien
    1. + 1960 Tel Aviv (Israel)
    1938 im Lehrkörper der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, Fach: Hautkrankheiten und Syphilis

Biographische Informationen zu Hans KÖNIGSTEIN (PDF) im Repositorium der Ub Med Uni Wien. – Auszug aus: Judith Bauer-Merinsky: Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die medizinische Fakultät der Universität Wien im Jahre 1938:Biographien entlassener Professoren und Dozenten. Wien: Diss., 1980, S. 133.
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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [69]: Fischer August: Militärarzt, Schriftsteller, Theaterkritiker

Fischer August: Militärarzt, Schriftsteller, Theaterkritiker

Text: Dr. Walter Mentzel

August Fischer wurde am 15. Februar 1821 in Poysbrunn in Niederösterreich geboren. Er wuchs als neuntgeborenes Kind in einer kinderreichen Familie als Sohn von Anton Adolf Fischer (1791-1877), einem Verwalter der Herrschaft Enzersdorf im Thale, und seiner Mutter Anna (1801-1883) geborene Colbrie, auf. Nach dem Besuch der Gymnasien in Horn und Budweis, trat er zum Studium der Medizin in das chirurgisch-militärärztliche Josephinum ein. Am 28. Oktober 1845 schloss er das Studium mit dem Titel des Doktors der Medizin und Chirurgie und eines Magisters der Augenheilkunde und Geburtshilfe ab.

Titelblatt: Fischer, August: […] De exercitiis gymnasticis […]. Wien: 1845

Fischer, August: Dissertatio Inauguralis Medica Physiologico-Diaetetica De Exercitiis Gymnasticis, Quam Consensu Atque Auctoritate Illustrissimi Ac Magnifici Domini Praesidis Et Directoris, Clarissimorum Atque Celeberrimorum D. D. Professorum Pro Doctoris Medicinae Et Chirurgiae Laurea Rite Obtinenda In Celeberrima C. R. Academia Josephina Publicae Disquisitioni. Theses adnexae defendentur in aedibus Academiae Josephinae die … mensis Octobris 1845. Wien: Typis Congregationis Mechitaristicae 1845.

Nach seinem Studium begann er seine medizinische Laufbahn als Militärarzt bei der Armee, wo er als Oberarzt dem k.k. Kürassier-Regiment (Nr. 4) von Carl Freiherr von Mengen (1774-1851) zugeteilt wurde.

Daneben setzte er seine bereits während seines Studiums begonnene Arbeit als Schriftsteller fort, schrieb Theaterkritiken und Rezensionen für Zeitungen wie „Sonntagsblätter“, „Wanderer“, „Österreichisches Morgenblatt“ und „Wiener Zuschauer. Zeitschrift für Gebildete“ (Der Österreichische Zuschauer, Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft). Hier publizierte er auch seine Gedichte.

Ab April 1848 nahm er in Italien als Militärarzt an der Niederschlagung des ersten italienischen Unabhängigkeitskrieges durch die österreichische Armee und deren Oberkommandierenden Graf Johann Joseph Wenzel von Radetzky (1766-1858) teil. In diesen Wochen bis zu seinem Tod berichtete er als Kolumnist für die „Wiener Abendzeitung“ über seine Eindrücke und Erlebnisse am Kriegsschauplatz in der Lombardei[1], die er im Stil eines Kriegsberichterstatters verfasste.[2]

August Fischer verstarb am 11. Juli 1848 in einem österreichischen Feldspital in Verona an Typhus[3] und wurde in Enzersdorf im Thale in Niederösterreich bestattet.

Quellen:

Erzdiözese Wien. Niederösterreich, Poysdorf, Taufbuch 01-04, 1788-1836, Folio 119, Fischer August.

Literaturliste:

Fischer, August: Dissertatio Inauguralis Medica Physiologico-Diaetetica De Exercitiis Gymnasticis, Quam Consensu Atque Auctoritate Illustrissimi Ac Magnifici Domini Praesidis Et Directoris, Clarissimorum Atque Celeberrimorum D. D. Professorum Pro Doctoris Medicinae Et Chirurgiae Laurea Rite Obtinenda In Celeberrima C. R. Academia Josephina Publicae Disquisitioni. Theses adnexae defendentur in aedibus Academiae Josephinae die … mensis Octobris 1845. Wien: Typis Congregationis Mechitaristicae 1845.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/historische Dissertations-Bibliothek, Sign.: D-1845/8]

Keywords:

1848, August Fischer, Carl Freiherr von Mengen, Italien, Johann Joseph Wenzel von Radetzky, Josephinum, Militärarzt, Arzt, Wien, Medizingeschichte

[1] Wiener Abendzeitung, 2.8.1848, S. 4.

[2] Wiener Abendzeitung, 15.5.1848, S. 1.

[3] Der österreichische Zuschauer (Wiener Zuschauer. Zeitschrift für Gebildete). Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und geistiges Leben, 28.7.1848, S. 951.

Normdaten (Person) Fischer, August: BBL: 30460; GND: 1266890408

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 30460 (28.06.2018); Letzte Aktualisierung: 2022 08 25
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=30460

Van Swieten Blog Logo Margrit Hartl

Bruno KLEIN (1879-1954): Vertrieben 1938 [61]

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Bruno KLEIN (1879-1954)

    1. * 11.11.1879 Rajcza, Galizien
    1. + 1954 Wien
    1938 im Lehrkörper der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, Fach: Zahnheilkunde

Biographische Informationen zu Bruno KLEIN.pdf im Repositorium der Ub Med Uni Wien. – Auszug aus: Judith Bauer-Merinsky: Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die medizinische Fakultät der Universität Wien im Jahre 1938:Biographien entlassener Professoren und Dozenten. Wien: Diss., 1980, S. 127-128.
Bruno KLEIN (1879-1954): Vertrieben 1938 [61] weiterlesen

Erich KNAFFL-LENZ (1880-1962): Vertrieben 1938 [62]

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Erich KNAFFL-LENZ (1880-1962)

* 14.09.1880 Graz, + 19.11.1962 Wien
1938 im Lehrkörper der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, Fach: Pharmakologie

Biographische Informationen zu Erich KNAFFL-LENZ (PDF) im Repositorium der Ub Med Uni Wien. – Auszug aus: Judith Bauer-Merinsky: Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die medizinische Fakultät der Universität Wien im Jahre 1938:Biographien entlassener Professoren und Dozenten. Wien: Diss., 1980, S. 129-130.
Erich KNAFFL-LENZ (1880-1962): Vertrieben 1938 [62] weiterlesen

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [68]: Le Boursier Du Coudray, Angélique Marguerite: Abrégé De L’Art Des Accouchemens…Ouvrage très-utile aux jeunes Sages-femmes, & généralement à tous les Éleves en cet Art, qui desirent de s’y rendre habiles. 1785

 Le Boursier Du Coudray, Angélique Marguerite: Abrégé De L’Art Des Accouchemens, Dans lequel on donne les préceptes néceffaires pour le mettre heureusement en pratique, & auquel on a joint plusiers Observations intéressantes sur des cas singuliers: Ouvrage très-utile aux jeunes Sages-femmes, & généralement à tous les Éleves en cet Art, qui desirent de s’y rendre habiles. Sixieme Édition Avec Figures en couleurs. Paris: Chez Théophile Barrois le jeune. 1785.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Josephinische Bibliothek, Sign.: JB3904]

https://ubsearch.meduniwien.ac.at/

Text: Harald Albrecht, BA

Abb. 1    Frontispiz mit Autorinnenportrait und Titelblatt: Le Boursier Du Coudray, Angélique Marguerite: Abrégé De L’Art Des Accouchemens […]. Paris: 1785.

Angélique Marguerite Le Boursier Du Coudray (*1712 Clermont-Ferrand, gest. 17.04.1794 Bordeaux) war eine französische Hebamme, die einen wesentlichen Anteil an der Einführung einer systematischen Ausbildung von Hebammen und Geburtshelfern hatte. Sie stammte aus einer französischen Ärztefamilie. 1740 schloss sie ihre dreijährige Ausbildung zur Hebamme, die sie bei Anne Bairsin dame Philibert Mangin genossen hatte, mit einer Prüfung an der Ecolé de Chirurgie in Paris ab.

„Mme Angélique Marguerite Le Boursier du Coudray was unique, for she was a political midwife, a public figure.“[1] Nachdem sie und ihre Mitstreiterinnen sich mithilfe einer Petition erfolgreich gegen eine Abwertung der Hebammen gegenüber Chirurgen und Geburtshelfern, die aus ihrer Sicht die weitere Ausbildung von Hebammen in Bedrängnis gebracht hätte, zur Wehr gesetzt hatten, wurde sie 1743 zur leitenden accoucheuse (Hebamme) des Hôtel-Dieu in Paris ernannt.

She has also invented a machine, an obstetrical model of a mother’s pelvis, with a foetus inside that can be extracted from every conceivable position, and upon which midwifery students can practice manoeuvres allowing them to deliver in even the most difficult circumstances.“[2]

Abb. 2    „La Machine de Madame Du Coudray“. Musée de l’Homme. Paris, Palais de Chaillot.

Diese sogenannte Machine bestand aus Stoff, Leder und Füllmaterial, formte den Torso einer gebärenden Frau und hatte auch einen Fötus in der Gebärmutter. Um den Geburtsvorgang zu demonstrieren wurde die Dehnung des Geburtskanals mit Seilen simuliert. Der Kopf der Säuglingspuppe hatte einen geöffneten Mund mit Zunge, in den zwei Finger bis zu fünf Zentimeter gesteckt werden konnten. Im Falle einer Geburt in Beckenendlage war dieses Detail wichtig, da die Hebamme, ihre Finger in den Kopf der Puppe stecken konnte und so die Passage durch den Geburtskanal erleichterte. Die Machine eignete sich hervorragend um das Raumverständnis und das Ertasten der Hebammen zu schulen. Die Machine kann heute noch in Paris im Musée de l’Homme im Palais de Chaillot besichtigt werden.

 Angélique du Coudray’s scientific contributions resulted in an overall decrease in the period’s infant mortality rate. At the suggestion of Louis XV [(1710-1774) Anm.], she began educating midwives in rural France in 1759.“[3] In den 1760er Jahren führten sie ausgedehnte Ausbildungsreisen in über 40 Gemeinden in Frankreich in denen sie Kurse für junge Hebammen abhielt. Ihr Unterricht legte auch erstmals einen Fokus auf die Versorgung von wenig lebensfähigen Neugeborenen. Diese Kleinkinder wurden meist von den Müttern getrennt und sich selbst überlassen während sich die Hebammen hauptsächlich um die Mütter kümmerten. Durch die intensivere Pflege dieser Neugeborenen mit geringeren Überlebenschancen konnte deren Mortalität ebenfalls stark gesenkt werden.

Du Coudrays, erstmals 1759 erschienenes Buch, Abrégé De L’Art Des Accouchemens […], das in der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin der Universitätsbibliothek der MedUni Wien in seiner sechsten Auflage aus dem Jahr 1785 vorliegt, beinhaltet ihre Vorlesungen in der Reihenfolge, wie sie auch ihren Unterricht aufbaute; beginnend mit den weiblichen Geschlechtsorganen und dem Prozess der Fortpflanzung. Danach geht das Buch auf angemessene pränatale Fürsorge ein bevor schließlich der Geburtsvorgang sowie schwierige Geburten, Zwillingsgeburten, Steißlagen und Totgeburten diskutiert werden. Das Werk geht auch auf eine Reihe seltener Fälle ein, die während der Geburten vorkommen können, die Du Coudray als ihre „les observations“ bezeichnete. Trotz seiner bedeutenden Beiträge zum Feld der Geburtshilfe, wurde Du Coudrays Abrégé De L’Art Des Accouchemens […] anfangs nicht sehr ernst genommen. Erst nach und nach setzte es sich durch und entwickelte sich incl. zahlreicher Neuauflagen zu einem der einflussreichsten Werke der Geburtshilfe im 18. Jahrhundert. Dem Text sind 26 kolorierte Kupfertafeln zur Anatomie und Chirurgie beigefügt.

Abb. 3    Tafel aus: Le Boursier Du Coudray, Angélique Marguerite: Abrégé De L’Art Des Accouchemens […]. Paris: 1785.

Quellen:

Hayrapetian, Artineh, Oakes, Peter u.a.: Female anatomists and their biographical sketches. In: International journal of history and philosophy of medicine. (5) 2015.

du Coudray, Angelique Marguerite 1714/5-1794. In: Women in medicine: an encyclopedia. Santa Barbara/Cal.: ABC-CLIO 2002. S. 66-67.

Gelbart, Nina: Midwife to a nation. Mme du Coudray serves France. In: The art of midwifery. Early modern midwives in Europe. Hrsg. von Hilary Marland. (= The Wellcome Institue series in the history of medicine/24). London, New York: Routledge 1994. S. 131-151.

Ritter, Gerhard: Madame Angélique Marguerite Le Boursier du Coudray. Die französische Geburtshilfe des 18. Jahrhunderts. Sonderabdruck aus: Deutsches Ärzteblatt – ärztliche Mitteilungen (62/38). Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 1965.

[1] Gelbart, Nina: Midwife to a nation. Mme du Coudray serves France. In: The art of midwifery. Early modern midwives in Europe. Hrsg. von Hilary Marland. (= The Wellcome Institue series in the history of medicine/24). London, New York: Routledge 1994. S. 131.

[2] Gelbart, Nina: Midwife to a nation. Mme du Coudray serves France. In: The art of midwifery. Early modern midwives in Europe. Hrsg. von Hilary Marland. (= The Wellcome Institue series in the history of medicine/24). London, New York: Routledge 1994. S. 132.

[3] Hayrapetian, Artineh, Oakes, Peter u.a.: Female anatomists and their biographical sketches. In: International journal of history and philosophy of medicine. (5) 2015. S. 3.

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Emanuel KLAFTEN (1892-1971): Vertrieben 1938 [60]

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Emanuel KLAFTEN (1892-1971)

    1. * 10.07.1892 Brody, Galizien

 

    1. + 01.04.1971 Larchmont, New York (USA)

 

    1938 im Lehrkörper der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, Fach: Gebursthilfe und Gynäkologie

Biographische Informationen zu Emanuel KLAFTEN (PDF) im Repositorium der Ub Med Uni Wien. – Auszug aus: Judith Bauer-Merinsky: Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die medizinische Fakultät der Universität Wien im Jahre 1938:Biographien entlassener Professoren und Dozenten. Wien: Diss., 1980, S. 124-126.
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Robert KIENBÖCK (1871-1953): Vertrieben 1938 [59]

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Robert KIENBÖCK (1871-1953)

    1. * 11.01.1871 Wien

 

    1. + 07.09.1953 Wien

 

    1. Vater: Karl Kienböck

 

    1. Mutter: Adele Sandor

 

    1938 im Lehrkörper der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, Fach: Radiologie

Biographische Informationen zu Robert KIENBÖCK (PDF) im Repositorium der Ub Med Uni Wien. – Auszug aus: Judith Bauer-Merinsky: Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die medizinische Fakultät der Universität Wien im Jahre 1938: Biographien entlassener Professoren und Dozenten. Wien: Diss., 1980, S. 122-123.
Robert KIENBÖCK (1871-1953): Vertrieben 1938 [59] weiterlesen