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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [106]: Vertriebene Mediziner: Friedrich Necker (1877-1948): Die Fehldeutung der Ausscheidungssperre und andere Irrtümer…1940

Vertriebene Mediziner: Friedrich Necker (1877-1948)

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien:

Necker, Friedrich und Wolfgang Wieser: Die Fehldeutung der Ausscheidungssperre und andere Irrtümer bei der intravenösen Pyelographie, sowie Bemerkungen zur Indikationsstellung und Untersuchungstechnik. Sonderabdruck aus: Radiologia clinica (Vol. IX). Basel und New York: S. Karger 1940.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek, Sign.: Separata-Necker-001]

Text: Dr. Walter Mentzel

Friedrich Necker war Urologe, Schüler von Otto Zuckerkandl (1861-1921) und zuletzt Arzt am Rothschild-Spital. Er flüchtete 1939 wegen seiner jüdischen Herkunft vor den Nationalsozialisten aus Wien.

Necker wurde als Sohn von Ignatz (Ignaz) Necheles und Amalia, geborene Schönwald, am 2. Februar 1877 in Wien geboren.[1] Nach der Matura 1895 studierte er an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und schloss das Studium 1901 mit der Promotion ab.[2] 1921 heiratete[3] er die 1916 ebenfalls an der Medizinischen Fakultät promovierte Medizinerin Maria Rachel Flecker (*Lemberg/Galizien).[4] Necker begann seine medizinische Laufbahn als Demonstrator bei Prof. Richard Paltauf (1858-1924) am Rudolfsspital, von wo er an das pathologisch-chemische Laboratorium der k.k. Krankenanstalt Rudolfsstiftung zu Prof. Ernst Freund (1876-1942) wechselte und dessen erster Assistent wurde. Kurze Zeit (bis 1904) war er als Assistent bei dem Urologen und Mitbegründer der „Deutschen Urologischen Gesellschaft“, Prof. Leopold Casper (1859-1959), an der „Dr. Max Josephs Poliklinik für Hautkrankheiten in Berlin“ tätig. Nach seiner Rückkehr nach Wien begann er 1904 als Assistent an der chirurgischen Abteilung bei Prof. Otto Zuckerkandl im Rothschild-Spital, wo er nach dem Tod von Zuckerkandl im Jahr 1921 kurze Zeit die Leitung der Abteilung übernahm. Daneben führte er seit spätestens 1905 eine Privatordination für Urologie an seinem Wohnort in Wien 9, Kolingasse. Während des Ersten Weltkrieges diente er als Militärarzt zunächst im Reservespital Nr. 8 (Rothschild-Spital) sowie im Spital 2/16 und ab 1915 an der Südwestfront in einem Feldspital in Görz als Oberarzt der chirurgischen Abteilung.[5]

Abb. 1; Wiener Bilder. Illustriertes Familienblatt. 31.1.1915. S. 7 (Handschriftlich markierte Nummerierungen: Nr. 1 – Otto Zuckerkandl, Nr. 3 – Friedrich Necker).

1924 übernahm der als Vorstand die Leitung des urologischen Ambulatoriums im Rudolfinerhaus, die er bis März 1938 Inne hatte. Necker publizierte gemeinsam mit dem ebenfalls von den Nationalsozialisten vertriebenen Wiener Urologen Viktor Blum (1877-1954) zwischen 1928 und 1932 die Fachzeitschrift „Ikonographia urologica“. Er war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Österreichischen und der Wiener urologischen Gesellschaft und wurde 1932 zum korrespondierenden Mitglied der Deutschen urologischen Gesellschaft ernannt.[6] Ebenso war er Mitglied in der französischen und italienischen urologischen Gesellschaft. In die Internationale urologische Gesellschaft wurde er 1935 als Delegierter für Österreich gewählt.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland wurde er im Rudolfinerhaus entlassen und arbeitete bis zu seiner Flucht aus Österreich – wie die ebenfalls von den Nationalsozialisten verfolgten Mediziner Richard Glas (29.4.1890) und Oskar Stricker-Barolin (1886-1972) – als Arzt am Rotschild-Spital.[7] Es gelang ihm und seiner Ehefrau am 9. Mai 1939 die Ausreise aus Österreich nach Großbritannien, wo er sich in London niederließ und auf dem Gebiet der Hämatologie am South London Blood Transfusion Depot Sutton arbeitete. 1940 publizierte er mit dem ebenfalls von den Nationalsozialisten wegen seiner politischen Funktionen im Austrofaschismus vertriebenen Angehörigen der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, dem Radiologen Wolfgang Wieser (1887-1945), einen Aufsatz in der in der Schweiz herausgegebenen Zeitschrift „Radiologia clinica“ über „Die Fehldeutung der Ausscheidungssperre und andere Irrtümer bei der intravenösen Pyelographie, sowie Bemerkungen zur Indikationsstellung und Untersuchungstechnik“.

Abb. 2: Titelblatt: Necker und Wieser: Die Fehldeutung der Ausscheidungssperre […]. Basel, New York: 1940.

Die Zweigbibliothek der Geschichte der Medizin besitzt von Friedrich Necker in der Separata Bibliothek eine Reihe von dessen Arbeiten, die er in den Jahren 1905 und 1938 publizierte.

1947 wurde Necker von der Gesellschaft der Ärzte in Wien zum korrespondierenden Mitglied gewählt. Friedrich Neckar verstarb am 8. März 1948 in London in Folge eines Straßenunfalles. Einen Nachruf verfasste Joseph Victor Mandel im Juli 1948 in der Zeitschrift Wiener klinische Wochenschrift.[8]

Quellen:

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 40.338, Necker Friedrich.

ÖStA, AdR, E-uReang, FLD, Zl. 6.425, Necker Friedrich.

AUW, Med. Fak., Dekanat, Sign. 195, Rigorosenprotokoll – 1894-1910, Zl. 263a, Neckar Fridrich (Rigorosen Datum 1901.3.14).

AUW, Med. Fak., Dekanat, Sign. 189, Promotionsprotokoll – 1898-1904, Zl. 726, Necker Friedrich (Promotion/Sponsion: 1901.3.27).

AUW, Med. Fak., Dekanat, Sign. 191, Promotionsprotokoll – 1912-1919, Zl. 1030, Flecker Maria Rachel (Promotion/Sponsion: 1916.2.29).

Matriken der IKG-Wien.

Literatur:

Hubenstorf, Michael: Urology and national socialism in Austria. In: Schultheiss, Dirk und Moll Friedrich H. (Hg.): Urology under the swastika. S. 18-49.

Wiener klinische Wochenschrift. 30.7.1948. S. 489.

[1] Matriken der IKG-Wien, Geburtsbuch 1877, Necheles (Necker) Friedrich.

[2] AUW, Med. Fak., Dekanat, Sign. 195, Rigorosenprotokoll – 1894-1910, Zl. 263a, Neckar Fridrich (Rigorosen Datum 1901.3.14).

AUW, Med. Fak., Dekanat, Sign. 189, Promotionsprotokoll – 1898-1904, Zl. 726, Necker Friedrich (Promotion/Sponsion: 1901.3.27).

[3] Matriken der IKG-Wien, Trauungsbücher 1921, Necker Friedrich, Dr., Flecker Marya R., Dr.

[4] AUW, Med. Fak., Dekanat, Sign. 191, Promotionsprotokoll – 1912-1919, Zl. 1030, Flecker Maria Rachel (Promotion/Sponsion: 1916.2.29).

[5] Neue Freie Presse. 26.11.1915. S. 9.

[6] Neue Freie Presse. 17.4.1932. S. 10.

[7] Bestallungsentzug der jüdischen Ärzte und Zahnärzte. In: Ärzteblatt für die deutsche Ostmark I. 1938. S. 229.

[8] Wiener klinische Wochenschrift. 30.7.1948. S. 489.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [80]: Mona Spiegel-Adolf (Anna Spiegel): Die Globuline. Mit 68 Abbildungen und 300 Tabellen. 1930.

Mona Spiegel-Adolf (Anna Spiegel): Die Globuline. Mit 68 Abbildungen und 300 Tabellen. (= Handbuch der Kolloidwissenschaften in Einzeldarstellungen/4). Dresden und Leipzig: Verlag von Theodor Steinkopff 1930

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 341/4]

Text: Harald Albrecht, BA

Abb. 1    Portrait: Mona (Anna Simona) Spiegel-Adolf

Mona (Anna Simona) Spiegel-Adolf (*23.02.1893 Wien, gest. 1983 Chicago/Illinois) wurde als Tochter des Juristen Jaques Adolf und dessen Frau Hedwig (geb. Spitzer) in Wien geboren. Sie war mit dem österreichischen Neurologen jüdischer Herkunft Ernst Adolf Spiegel (1895-1985) verheiratet. Nachdem sie 1913 die Matura abgelegt hatte, studierte sie ab dem Wintersemester 1913 an der Wiener Medizinischen Fakultät. Sie arbeitete während ihrer Studienzeit drei Jahre am Institut für Histologie und Bakteriologie, davon zwei Jahre als Demonstratorin. Auch am Institut für medizinische Chemie arbeitete sie noch während ihrer Studienzeit halbtägig – aus dieser Zeit stammt auch ihre erste wissenschaftliche Publikation. Am 23. Dezember 1918 wurde Mona (Anna Simona) Spiegel-Adolf zur Doktorin der gesamten Heilkunde an der Universität Wien promoviert.

Im Anschluss an ihre Promotion arbeitete sie erst bei Richard Paltauf (1858-1924) in der Prosektur der Wiener Rudolfstiftung, danach am Neurologischen Institut bei Otto Marburg (1874-1948). Parallel dazu absolvierte sie am Institut für Chemie Praktika. Ab 1919 war sie am Universitätslaboratorium für physikalisch-chemische Biologie tätig, dem sie ab 1923 als unbesoldete Assistentin angehörte. „In den folgenden Jahren beteiligte sie sich durch Abhaltung von Kursen auch am Unterrichtsbetrieb des Institutes und ab 1927 arbeitete sie auch im Laboratorium für Lichtbiologie und Lichtpathologie unter Hausmann [Walter Hausmann (1877-1938), Anm.] am physiologischen Institut der Universität Wien, um die Anwendungsmöglichkeiten der physikalischen Chemie und Kolloidchemie auf medizinische Fragestellungen hin zu studieren.“[1] Darüber hinaus war sie für zwei Jahre bei Rudolf Kraus (1868-1932) am serotherapeutischen Institut für die Moorkommission des Volksgesundheitsamtes tätig. 1930 unternahm sie eine dreimonatige Vortragsreise nach Nordamerika. Zwischen 1917 und 1930 publizierte Mona (Anna Simona) Spiegel-Adolf 43 wissenschaftliche Arbeiten. „Dementsprechend eindeutig fiel auch das Votum der letzten Sitzung des Professorenkollegiums auf ihr Ansuchen um Verleihung der Venia legendi hin aus: 22 Ja- standen 2 Nein-Stimmen gegenüber, so dass sie mit 4 Juli 1931 zum Privatdozenten für angewandte medizinische Chemie mit besonderer Berücksichtigung der biologisch-physikalischen Chemie und medizinischen Kolloidchemie ernannt wurde.“[2] Sie war die zweite Frau, die sich an der Universität Wien im Fach Medizin habilitierte.

1931 wurde Mona (Anna Simona) Spiegel-Adolf als Professorin an die Temple-University in Philadelphia berufen, wo sie das Fach physikalische und Kolloidchemie einrichtete und auch Vorständin des neu errichteten Instituts wurde. „Um ihre Assistentenstelle in Wien behalten zu können, musste sie sich immer wieder von ihren Vorlesungsverpflichtungen beurlauben lassen […]. Zuletzt suchte sich am 3. September 1936 mit der Begründung an, dass sie in Wien derzeit keine Erwerbsmöglichkeit sähe. Sie bot jedoch an, ihrer Vorlesungsverpflichtung in Form von mehrwöchigen Kursen nachzukommen. Obwohl sich Prof. Pauli [Wolfgang Pauli (1869-1955), Anm.] für sie einsetzte mit dem Hinweis, ihre in Amerika gemachten Studien seine von allgemeinem Interesse für die Fakultät, wurde ihr Ansuchen abgelehnt.“[3] Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde ihr aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ihre Venia legendi – ihre Lehrbefugnis – entzogen. Da sie jedoch seit 1934 auch die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß, blieb sie in den USA und leitete bis 1966 an der Temple-University in Philadelphia das Institut für physikalische und Kolloidchemie. Mona (Anna Simona) Spiegel-Adolf starb 1983 in Chicago.

Im Juni 2010 wurde das neu errichtete Anna Spiegel Forschungsgebäude der Medizinischen Universität Wien nach ihr benannt.

Abb. 2    Titelblatt: Spiegel-Adolf: Die Globuline. Dresden […]: 1930.

Quellen:

9915 Spiegel-Adolf, Anna Simona (Mona Spiegel-Adolf). In: Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. Bis 20. Jahrhundert. Hrsg: Österreichische Nationalbibliothek. Band 3. S-Z. 8923-11742. Register. München: K. G. Saur 2002.

Horn, Sonia: Spiegel-Adolf, Anna Simona. In: Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben-Werk-Wirken. Hrsg.: Brigitta Keintzel und Ilse Korotin. Wien, Köln und Weimar: Böhlau Verlag 2002. S. 699-701.

Horn, Sonia und Gabriele Dorffner: „… männliches Geschlecht ist für die Habilitation nicht vorgesehen“. Die ersten an der medizinischen Fakultät der Universität Wien habilitierten Frauen. In: Töchter des Hippokrates. 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich. Hrsg.: Birgit Bolognese-Leuchtenmüller und Sonia Horn. Wien: Verlag der Österreichischen Ärztekammer 2000. S. 117-138.

Spiegel-Adolf, Mona (Anna Simona; 1893-). In: Encyclopedia Judaica. Volume 5. C-DH. Jerusalem: Keter Publishing House Jerusalem Ltd. 1972. S. 397.

[1] Horn, Sonia und Gabriele Dorffner: „… männliches Geschlecht ist für die Habilitation nicht vorgesehen“. Die ersten an der medizinischen Fakultät der Universität Wien habilitierten Frauen. In: Töchter des Hippokrates. 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich. Hrsg.: Birgit Bolognese-Leuchtenmüller und Sonia Horn. Wien: Verlag der Österreichischen Ärztekammer 2000. S. 132.

[2] Horn, Sonia: Spiegel-Adolf, Anna Simona. In: Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben-Werk-Wirken. Hrsg.: Brigitta Keintzel und Ilse Korotin. Wien, Köln und Weimar: Böhlau Verlag 2002. S. 700.

[3] Horn, Sonia: Spiegel-Adolf, Anna Simona. In: Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben-Werk-Wirken. Hrsg.: Brigitta Keintzel und Ilse Korotin. Wien, Köln und Weimar: Böhlau Verlag 2002. S. 700.

Normdaten (Person): Spiegel-Adolf, Mona: BBL: 31332; GND: 127944494;

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [42]: Sternberg, Carl: Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie. Leipzig, 1928

Sternberg, Carl: Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie. Leipzig: Verlag von F.C.W. Vogel 1928.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Gesellschaft der Ärzte Bibliothek, Sign.: GÄ-21941]

http://search.obvsg.at/primo_library/libweb/action/search.do?fn=search&ct=search&initialSearch=true&mode=Basic&tab=default_tab&indx=1&dum=true&srt=rank&vid=UMW&frbg=570723513&fctN=facet_frbrgroupid&fctV=570723513&tb=t&vl%28freeText0%29=Sternberg+Ribbert+1928&scp.scps=scope%3A%28ACC_acc05_M900%29%2Cscope%3A%28UMW_aleph_acc%29%2Cscope%3A%28UMW_O_SFX%29

Abb. 1    Carl Sternberg. Bildersammlung Josephinum, Medizinische Universität Wien, MUW-FO-IR-003940-0001-00

Carl Sternberg (*20.11.1872 Wien, gest. 15.08.1935 Annenheim/Kärnten) war ein österreichischer Pathologe und Histologe. Er stammte aus einer Wiener Beamtenfamilie und studierte ab 1890 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Schon während seines Studiums war er im Wiener AKH und an der Krankenanstalt Rudolfstiftung wissenschaftlich tätig. Sternberg schloss sein Studium 1896 mit der Promotion zum Dr.med. ab. Von 1898 an arbeitete er an der Rudolfstiftung unter dem Pathologen Richard Paltauf (1858-1924) als Prosektoradjunkt. In seinem ersten Jahr an der Rudolfstiftung beschrieb er erstmals die nach ihm und der amerikanischen Kinderärztin Dorothy Reed Mendenhall (1874-1965) benannte Sternberg-Reed-Zelle, die durch die Fusion mehrerer Hodgkin-Zellen entsteht. Das Vorhandensein dieser Zellen ist notwendig für die Diagnose der Lymphogranulomatose, den Morbus Hodgkin – benannt nach dem englischen Arzt Thomas Hodgkin (1798-1866), der die Krankheit 1832 erstmals beschrieb.

Carl Sternberg habilitierte sich 1902 an der Universität Wien für pathologische Anatomie. Von 1906 bis 1920 war er Prosektor am Mährischen Landeskrankenhaus in Brünn (heute Brno, CZ) und Dozent für Mykologie an der Deutschen Technischen Hochschule Brünn. Gleichzeitig konnte er seine akademische Laufbahn an der Universität Wien fortsetzen, er wurde 1908 zum Titular Professor und 1914 zum außerordentlichen Professor ernannt. Sternberg nahm am Ersten Weltkrieg als Militärarzt teil und erhielt hohe militärische Auszeichnungen.

1920 kehrte Carl Sternberg endgültig nach Wien zurück, wo er die Prosekturen des Erzherzherzog Rainer-Krankenhauses (heute: Hanusch-Krankenhaus) und des Wiedner Krankenhauses übernahm. Zusätzlich leitete er noch das pathologisch-anatomische Institut der Wiener allgemeinen Poliklinik. 1922 wurde er zum Professor ordinarius publicus ernannt und 1925 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Darüber hinaus genoss er auch großes Ansehen in der Wiener Ärzteschaft – er war von 1924 bis 1926 2. Sekretär und von 1926 bis zu seinem Tod 1935 1. Sekretär der Gesellschaft der Ärzte in Wien. Nach seinem Tod 1935 übernahm die Gesellschaft der Ärzte die umfangreiche private medizinische Bibliothek von Carl Sternberg als Nachlass. Diese Bücher, identifizierbar an Sternbergs Exlibris befinden sich heute in der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin im Josephinum.

Abb. 2    Exlibris Carl Sternberg [Neuburger Bibliothek, Sign.: 64154/1]

Carl Sternbergs zentrale Forschungsgebiete waren Hämatologie, Infektionskrankheiten und Krebsforschung. Er galt als eine der größten Kapazitäten der pathologischen Anatomie, auf deren Gebiet er vielbeachtete Ergebnisse veröffentlichte. Besonders seine pathologisch-diagnostischen Fähigkeiten, die er sich in über 40.000 Obduktionen aneignete waren international gefragt. Sternberg verfasste wichtige Beiträge zum Handbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie des Kindesalters sowie zum Handbuch der mikrobiologischen Technik und überarbeitete Moritz Wilhelm Hugo Ribberts (1855-1920) Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie, das er 1928 neu herausgab.

Abb. 3    Titelblatt. Sternberg: Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie. Leipzig: 1928.

Carl Sternberg war jüdischer Herkunft. Sein Vater David Sternberg (1838-1917) verheiratet mit Jeanette Rebecca Sternberg (1848-1929) war Beamter in Wien. Über das Schicksal seines älteren Bruders, Dr. Julian Sternberg, geboren 1868, ist nichts bekannt. Sein jüngerer Bruder, Dr. Moriz Sternberg, geboren 1874, starb gemeinsam mit seiner Ehefrau Louise Sternberg, geboren 1884 am 29. April 1938 – wahrscheinlich durch Selbstmord. Seine Nichte Liselotte Erna Hauser, geborene Sternberg (1907) starb 1976 in Washington, D.C.

Text: Harald Albrecht

Quellen:

Tragl, Karl Heinz: Geschichte der Gesellschaft der Ärzte in Wien seit 1838 als Geschichte der Medizin in Wien. Wien, Köln und Weimar: Böhlau Verlag 2011.

Schmidt-Wyklicky, Gabriela: Sternberg Carl. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950. 60. Lieferung, Staudigl Oskar-Stich Ignaz. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2008. S. 234-235.

Sternberg, Carl. In: Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. Bd. 2, R-Z, Register. München: K.G. Saur 2002. S. 603.

Schmidt-Wyklicky, Gabriela: Zur Kenntnis des österreichischen Pathologen Carl Sternberg (1872-1935). Versuch einer historischen Darstellung der Anschauungen über Lymphogranulomatose. In: Der Pathologe. (13) 1992. S. 296-300.

Sternberg, Carl. In: Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Zugleich Fortsetzung des Biographischen Lexikons der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. Zweiter Band, Kon-Zweig, Nachträge und Berichtigungen, mit 80 Bildnissen. 2. und 3. unveränd. Aufl. München und Berlin: Verlag von Urban & Schwarzenberg 1962. S. 1505-1506.

Wagner-Jauregg, Julius: Professor Dr. Carl Sternberg. In: Wiener klinische Wochenschrift. (48/36) 1935. S. 1122-1123.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [29]: Restitution: Prof. Carl Julius Rothberger

Restitution: Prof. Carl Julius Rothberger

Im Februar 2017 konnte die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien im Rahmen der NS-Provenienzforschung aus den Beständen der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin ein Buch aus der Provenienz, Prof. Carl Julius Rothberger, an die in New Jersey lebende Erbin und Tochter von C. J. Rothberger, restituieren. Damit erfolgte ein drittes Mal eine Restitution in diesem Fall, nachdem bereits am 30. September 2010 der Tochter des ehemals an der Medizinischen Fakultät Wien tätigen Univ.-Prof. Carl Julius Rothberger im Rahmen eines Restitutionsaktes 39 Bücher aus der Hand des damaligen Rektors der Medizinischen Universität Wien, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schütz, im historischen Lesesaal des Josephinums und im Juli 2011 in New Jersey ein weiteres Buch übergeben werden konnten.

https://ub.meduniwien.ac.at/ueber-uns/provenienzforschung/durchgefuehrte-restitutionen/prof-carl-julius-rothberger-1871-1945-mediziner-an-der-medizinischen-fakultaet/

https://www.youtube.com/watch?v=nIP684L9Yrs

Bei dem nunmehr restituierten Buch handelte es sich um ein medizinisches Lehrbuch:

Budge Julius: Lehrbuch der speciellen Physiologie des Menschen. Für Vorlesungen und zum Selbststudium. 8. umgearb. Aufl. Leipzig: Voigt & Günther 1862.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: (803) Restitution 2017,02]

http://search.obvsg.at/primo_library/libweb/action/search.do?fn=search&ct=search&initialSearch=true&mode=Basic&tab=default_tab&indx=1&dum=true&srt=rank&vid=UMW&frbg=&tb=t&vl%28freeText0%29=Budge+Lehrbuch+der+speciellen+Physiologie+&scp.scps=scope%3A%28ACC_acc05_M900%29%2Cscope%3A%28UMW_aleph_acc%29%2Cscope%3A%28UMW_O_SFX%29

Das Buch enthält eine handschriftliche Signierung von Rothberger, die die Provenienz „Rothberger“ stichhaltig belegt.

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Abbildung 1 Autograf: Carl Julius Rothberger

Weiters kann aus der handschriftlichen Anmerkung entnommen werden, dass das Buch im November 1886 von Rothberger, der zu diesem Zeitpunkt ein 15-jähriger Gymnasiast war, in Besitz genommen wurde.

Carl Julius Rothberger wurde am 14. Oktober 1871 in Wien geboren und stammte aus einer bekannten Wiener jüdischen Familie. Er begann 1891 in Wien mit dem Studium der Medizin. Nach seiner Promotion 1897 arbeitete er im Bakteriologischen Laboratorium des k.k. Militär-Sanitäts-Comités, danach im Bakteriologischen Laboratorium der Krankenanstalt Rudolfsstiftung unter dem damaligen Vorstand Richard Paltauf (1858-1924) und 1898 an der I. Medizinischen Universitätsklinik bei Hermann Nothnagel (1841-1905). Am 1. Oktober 1899 trat er in das Institut für allgemeine und experimentelle Pathologie ein, das damals noch unter der Leitung von Philipp Knoll (1841-1900) stand.

Hier arbeitete er zunächst als Demonstrator und ab 1901 als unbesoldeter Assistent. 1904 habilitierte er sich für allgemeine und experimentelle Pathologie. Vom Jahre 1908 an stand für Rothberger die Elektrokardiographie im Mittelpunkt seiner Forschungen. Im April 1912 wurde Rothberger zum ao. Prof. für allgemeine und experimentelle Pathologie ernannt. Nach dem Tod Paltaufs 1924 ging die Leitung des Institutes auf Rothberger über, ohne, dass er jemals zum Vorstand ernannt wurde.

Im Jahr 1936 wurde Rothberger im Alter von 65 Jahren frühzeitig pensioniert und das Extraordinariat aus dem Dienstpostenplan der Universität Wien ausgeschieden. Als Grund für seine Pensionierung führte das zuständige Bundesministerium für Unterricht Sparzwänge an. Auf seinen Wunsch hin erlaubte ihm das Ministerium bis 1941 (sein gesetzlich vorgesehener Pensionsantrittstermin) unentgeltlich als Honorar Professor am Institut weiter zu arbeiten.

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Abbildung 2 C.J. Rothberger, 1916; Pathologie, Verwundeten-Spital der Universität Wien. Mit eigenhändiger Unterschrift (Archiv der Universität Wien).

Carl Julius Rothberger wurde am 13. März 1938 wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verhaftet, interniert und über Intervention des damaligen Dekans der Medizinischen Fakultät Eduard Pernkopf (188-1955) wieder frei gelassen. Laut seiner am 30. Juni 1938 vorgenommenen Vermögensanmeldung bei der Vermögensverkehrsstelle beim Ministerium für Arbeit und Wirtschaft, die die Zwangsenteignungen („Arisierungen“) des jüdischen Privatvermögens organisierte, war er im Besitz einer medizinischen Bibliothek, die sich nach seinen Angaben an seinem früheren Arbeitsplatz am „Universitätsinstitut“ befand. In seinem nach dem November 1938 angegebenen Nachtrag an die Vermögenverkehrsstelle über die Veränderungen zu seiner am 30. Juni 1938 abgegebenen Vermögensanmeldung präzisierte Carl Julis Rothberger: „Der Vollständigkeit halber gebe ich noch bekannt, dass meine oben ad III c) angegebenen Bücher im Wert von RM 1.000.- sich noch im Universitätsinstitut befinden und mir tatsächlich nicht zur Verfügung stehen …“.

Carl Julius Rothberger starb zusammen mit seiner Frau bei einem der letzten Bombenangriffe auf die Wiener Innenstadt am 13. März 1945 im Philipphof.

Nunmehr konnte das Buch 133 Jahre, nachdem Rothberger in den Besitz des Buches kam und 79 Jahre nach seiner Beraubung durch die Nationalsozialisten, seiner Tochter restituiert werden.

Text: Walter Mentzel

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