Wittelshöfer, Richard – Chirurg, Redakteur der Wiener medizinischen Wochenschrift, Übersetzer
Text: Dr. Walter Mentzel
Richard Wittelshöfer wurde am 21. April 1853 als Sohn des vom Judentum zum katholischen Glauben konvertierten Mediziners und Gründers, Herausgebers und Redakteurs der „Wiener medizinischen Wochenschrift“, Leopold Wittelshöfer (1818-1889), und Bertha, geborene Landau, in Wien geboren. Sein Bruder war der Bahndirektor, Nationalökonom und Gründer der Wiener Fabier-Gesellschaft Otto Wittelshöfer (1855-1901).
Wittelshöfer studierte in Heidelberg und Wien Medizin, wo er am 25. Juni 1877 das Studium mit seiner Promotion abschloss. Während des Studiums aber auch noch danach als Arzt engagierte er sich im Asylverein für hilfsbedürftige Studenten der Universität Wien in dem er auch die Funktion des Vizepräsidenten einnahm.[1] 1877 erfolgte seine Zuweisung als militärärztlicher Eleve in der Reserve zum Garnisonsspital Nr. 1 in Wien.[2] Nach dem Studium begann er mit seiner Ausbildung im Fach Chirurgie zum Operateur an der II. chirurgischen Klinik bei Theodor Billroth (1829-1894), danach arbeitete er als Sekundararzt an der chirurgischen Abteilung von Leopold Dittel (1815-1898) im Allgemeinen Krankenhaus Wien.
Als Operateur an der Universitätsklinik bei Billroth publizierte er 1879 „Schussverletzungen an der Aussenseite des linken Oberschenkels. Entfernung des Projektils vier Monate später aus der Harnblase“[3] sowie im Langenbecks‘ Archiv „Anus praeternaturalis. Enterorrhapie. Heilung“[4] und „Ueber angeborenen Riesenwuchs der oberen und unteren Extremitäten“.[5] 1881 veröffentlichte er an der Klinik von Billroth „Operation am Darm“.[6] Darauf folgte seine – mittlerweile zum Regimentsarzt in der Reserve ernannt – Arbeit „Ein Vorschlag zu den Krankentransporten in der Herzegovina, mit besonderer Rücksicht auf die Divisions-sanitäts-Anstalten“, die er in einem Sanitätslager in Avtovac bei Gacko (heute: Republika Srpska in Bosnien und Herzegovina) im Mai 1882 verfasste hatte.[7] Im selben Jahr publizierte er als Sekundararzt an der Klinik von Dittel den Aufsatz „Ein Instrument zur Operation der Phimose“[8] und einen Bericht „Von der Elektrizitäts-Ausstellung“ in München.[9]
1884 habilitierte er sich an der Universität Wien zum Dozenten der Chirurgie. Im selben Jahr erschien von ihm die Arbeit „Die Tumoren der Harnblase mit Rücksicht auf Diagnostik und Therapie“ nach einem von ihm gehaltenen Vortrag vor dem Wiener medizinischen Doktoren-Kollegium.[10] 1885 wurde er vom Ministerium des Äußeren gemeinsam mit Anton Bum (1856-1925) zur Unterstützung der medizinischen Versorgung der im Zuge des serbisch-bulgarischen Krieg verwundeten Wehrangehörigen nach Sofia entsandt.[11] Darüber berichtete er in dem Artikel „Nachrichten aus Bulgarien und Serbien. Kriegschirurgische Erfahrungen in Bulgarien“[12] sowie einem Vortrag vor der Gesellschaft der Ärzte in Wien im Jänner 1886.[13] Nach einer mehrjährigen Reisetätigkeit durch Europa (Deutschland, Paris, London) war er als Ordinarius am Sofien-Spital in Wien tätig und unterhielt eine private chirurgische Praxis. 1887 veröffentlichte er den Artikel „Ueber Vorkommen, Bedeutung und Behandlung der Phimose bei Kindern“.[14] Seit 1880 gehörte Wittelshöfer als Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien an.[15]
Wiener medizinische Wochenschrift
Schon seit 1877 arbeitete er in der Wiener medizinischen Wochenschrift und war zeitweise anstelle seines Vaters Leopold alleinig für die Redaktion verantwortlich. Mit Jahresbeginn 1883 trat er auch endgültig als Redakteur in die Zeitschrift seines Vater der „Wiener medizinischen Wochenschrift“ ein, und begann seine journalistische Tätigkeit mit der Rubrik „Aerztliche Reisebriefe“, in denen er aus seinen zahlreichen Reisen nach Deutschland und aus Paris berichtete.[16] 1888 trat er als Redakteur krankheitsbeding zurück und übergab Heinrich Adler (1849-1909) die redaktionelle Führung der Wiener medizinischen Wochenschrift.[17]
Übersetzer
Wittelshöfer trat auch als Übersetzer medizinischer Monografien hervor, wie jene „Die Osteotomie mit Rücksicht auf Aetiologie und Pathologie von genu valgum, genu varum und anderen Knochenverkrümmungen an den unteren Extremitäten“ von William Macewen (1848-1924),[18] oder 1884 „Die Tumore der Harnblase mit Rücksicht auf Wesen, Symptome und Behandlung derselben“ von Henry Thompson (1820-1904).[19]
Richard Wittelshöfer starb am 20. März 1889 in Graz.
Wittelshöfer Richard, Todesanzeige, in: Neues Wiener Tagblatt (Tages Ausgabe), 22.3.1889, S.11.
Quellen:
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 177-430a, Wittelshöfer Richard (Rigorosum Datum: 1874).
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 186-621, Wittelshöfer Richard (Promotion Datum: 26.6.1877).
ÖStA, AVA, Unterricht UM allg. Akten, 633.49, Wittelshöfer, Richard, Professorenakt, 1884.
Rk Erzdiözese Wien, Sterbebuch, 01. St. Peter, Sign. 03-05, Folio 114, Wittelshöfer Richard.
Literatur:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 29144]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 57247]
Keywords:
Wittelshöfer Richard, Militärarzt, Chirurgie, Journalist, Wiener medizinische Wochenschrift, Arzt, Medizingeschichte, Wien
[1] Illustriertes Wiener Extrablatt, 15.4.1874, S. 5; Fremden-Blatt, 21.11.1876, S. 12.
[2] Wiener Zeitung, 29.7.1877, S. 1.
[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 4, 1879, Sp. 76-78.
[4] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 50, 1879, Sp. 1316.
[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 27, 1879, Sp. 744-745.
[6] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 3, 1880, Sp. 63-66; Nr. 5, Sp. 116-120; Nr. 7, Sp. 185-188.
[7] Der Militärarzt, Nr. 13, 1882, S. 97-99.
[8] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 1, 1882, Sp. 12-13.
[9] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 41, 1882, Sp. 1228-1229.
[10] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 34, 1885, Sp. 1033-1036: Nr. 35, Sp. 1060-1064; Nr. 36, Sp. 1091-1094.
[11] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 49, 1885, Sp. 1516.
[12] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 2, 1886, Sp. 55-58.
[13] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 5, 1886, Sp. 143-145.
[14] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 6, 1887, Sp. 153-156.
[15] Neue Freie Presse, 23.3.1880, S. 1.
[16] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 10, 1883, Sp. 289-292; Nr. 16, Sp. 487-492; Nr. 17, Sp. 521-524.
[17] Internationale klinische Rundschau, Nr. 52, 1888, Sp. 2089.
[18] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 30, 1881, Sp. 881.
[19] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 51, 1884, Sp. 1535-1536.
Normdaten (Person) Wittelshöfer, Richard: BBL: 41104; GND: 1255178957;
Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 41104 (23.05.2023); Letzte Aktualisierung: 2023 05 23
Online unter der URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=41104