Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [228]: Ada Hirsch – Kinder- und Jugendärztin am Jugendamt der Gemeinde Wien, NS-Verfolgte

Ada Hirsch – Kinder- und Jugendärztin am Jugendamt der Gemeinde Wien, NS-Verfolgte

Autor: Walter Mentzel

Affiliation: Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich

Published online: 20.07.2023

Keywords:  Ada Hirsch, Ada Hirsch-Elias, Kinderärztin, Jugendamt der Gemeinde Wien, NS-Verfolgte, Ärztin, Wien, Medizingeschichte

Ada Hirsch wurde am 28.4.1885 in Wien als Tochter des aus Proßnitz bei Olmütz in Mähren stammenden Buchhalters und späteren Vizepräsidenten und leitenden Verwaltungsrates der Prager Papierfabrik A.G., Emil Hirsch (geb. 10.8.1850 in Prostějov, Olomouc/Tschechien, gest. 8.3.1919 in Prag) und der Wienerin Katharina, geborene Eckstein (geb. 1.3.1862 in Wien, gest. 28.1.1924 in Wien), geboren.

Ada begann 1904 ihr Studium der Medizin an der Universität Prag und führte es an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien bis zu ihrer Promotion fort. Schon vor ihrer Promotion, am 25.11.1910, war sie als Hospitantin an der II. Medizinischen Universitätsklinik tätig, wo sie die mit dem Assistenzarzt Richard Bauer (1879-1959) gemeinsam durchgeführten Untersuchungen 1912 im Aufsatz „Beitrag zum Wesen der Wassermannschen Reaktion“ publizierte. 1913 nahm sie als Referentin an der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Wien teil.[1] Im selben Jahr veröffentlichte sie, die an der Kinderklinik von Professor Clemens von Pirquet (1874-1929) und an der I. Frauenklinik bei Friedrich Schauta (1849-1919) am Allgemeinen Krankenhaus Wien durchgeführte Studie „Die physiologische Ikterusbereitschaft des Neugeborenen“.

Ab zirka 1915 arbeitete sie am Karolinen-Kinderspital und betrieb daneben in Wien 9, Spitalgasse 27 eine Ordination als Kinderfachärztin. Sie war Mitglied der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien.

Erster Weltkrieg

Ada Hirsch nahm am Ersten Weltkrieg als freiwillige Ärztin nordöstlich von Lemberg im Epidemiespital in Beresteczko (heute: Berestetschko/Ukraine) teil, wofür sie im Juli 1916 als erste von zwei Frauen das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens mit der Kriegsdekoration verliehen bekam.[2] Weiters war sie während des Krieges unterstützendes Mitglied der Gesellschaft zur Fürsorge für Kriegsinvalide.[3]

Kinder- und Jugendärztin am Jugendamt der Gemeinde Wien

Nach dem Krieg gehörte sie 1919 zu den Mitgründerinnen der Organisation der Ärztinnen Wiens, und nahm neben der Vorsitzenden Dora Brücke-Teleky (1879-1963) und Alfreda Seidl (verh. Widerhofer, geb. 1887) sowie Pauline Feldmann (1884-1986) die Funktion einer Schriftführerin ein.[4] Ebenfalls 1919 erhielt sie mit Beschluss des Gemeinderats-Ausschusses der Stadt Wien das Heimat- und Bürgerrecht der Stadt verliehen.[5] Seit spätestens 1925 war sie am Bezirksamt Leopoldstadt neben Professor August Reuss (1879-1954) im Jugendamt II als Leiterin und für die ärztliche Beratung für Säuglinge und Kleinkinder tätig.[6] Daneben arbeitete sie als Fachärztin der Krankenfürsorgeanstalt der Gemeinde Wien und veranstaltete an der Allgemeinen Poliklinik Säuglingspflegekurse.[7] Ab Mitte der 1920er Jahre übernahm sie noch den schulärztlichen Dienst am Mädchen-Realgymnasium in Wien.[8] 1926 publizierte sie an der I. medizinischen Klinik der Deutschen Universität in Prag „Die Wirkung der parenteralen Einverleibung von Proteinkörpern auf das neutrophile Kernbild“.[9]

1936 heiratete sie den Internisten und Professor an der Medizinischen Fakultät in Wien, Herbert Elias (1885-1975), und verlegte ihre Arztpraxis nach Wien 1, Rathausstraße 15.

Ada und ihr Ehemann Herbert Elias, die beide wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, flüchteten nach dem „Anschluss“ über Antwerpen nach Frankreich, von wo sie im Februar 1939 mit der SS Washington in die USA emigrierten und sich in New York niederließen.

New York, U.S. District Court Naturalization Records, 1824-1991, Petitions for naturalization and petition evidence 1944

Sie unterstütze während des Zweiten Weltkrieges u.a. den Pressefonds und die Organisation der österreichischen Sozialisten in den USA, das Austrian Labor Committee.[10]

Ada Elias-Hirsch verstarb am 7. April 1975 in New York.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1885, Hirsch Ada.

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0225, Hirsch Ada (Rigorosum Datum: 23.11.1910).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 190-1159, Hirsch Ada (Promotion Datum: 25.11.1910).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 10.615, Elias Ada.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds, Zl. 10.614, Elias Ada Dr.

ÖStA, AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Sammelstellen A und B SSt, Zl. 6.758, Elias Ada Dr.

WStLA, VEAV, MA. 1.3.2.119.A41 I-67, Bezirk: 5, Elias Ada Dr.

New York, U.S. District Court Naturalization Records, 1824-1991, Petitions for naturalization and petition evidence 1944 box 905, no 478651-478850; NARA microfilm publication M1972, Southern District of New York Petitions for Naturalization, 1897-1944. Records of District Courts of the United States, 1685 – 2009, RG 21. National Archives at New York, Elias Ada.

Sterbe-Verzeichnis der Sozialversicherung (SSDI), Elias Ada.

Literatur:

Bauer, Richard und Ada Hirsch: Beitrag zum Wesen der Wassermannschen Reaktion. Aus der II. medizinischen Universitätsklinik in Wien (Vorstand: Hofrat Prof. E. v. Neusser). Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hirsch, Ada: Die physiologische Ikterusbereitschaft des Neugeborenen. Aus der Neugeborenenstation der Kinderklinik (Prof. v. Priquet) an der I. Frauenklinik (Hofrat Prof. Schauta) in Wien. Sonderdruck aus: Zeitschrift für Kinderheilkunde. Leipzig: Druck der Spamerschen Buchdruckerei 1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Medizinische Klinik, 7.9.1913, S. 2049.

[2] Prager Abendblatt, 27.7.1916, S. 4; Teplitz-Schönauer Anzeiger, 29.7.1916, S. 3.

[3] Neue Freie Presse, 11.8.1915, S. 11.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 14, 1919, Sp. 714-715.

[5] Amtsblatt der Stadt Wien, Wien 1919, S. 2438.

[6] Lehmann, Adressbuch, Wien, 1925, Gewerbebehörden, 1925, S. 35.

[7] Die Mutter Halbmonatsschrift für alle Fragen der Schwangerschaft, 1.12.1925, S. 6.

[8] Jahresbericht des Vereines für realgymnasialen Mädchenunterricht Wien 8, Albertgasse, Wien 1927, S. 6

[9] Wiener Archiv für innere Medizin, Hauptteil Teil 1, 1926, S. 453-468.

[10] Austrian Labor Information, H. 7, 1942, S. 11.

Normdaten (Person): Hirsch, Ada: BBL: 41524; GND: 1296850315;

VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien
BBL: 41524 (20.07.2023)
URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=41524

Letzte Aktualisierung: 2023 07 31

Logo Margrit Hartl

Schreibe einen Kommentar