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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [236]: Heinrich Kahane – Neurologe, Psychologe, Journalist, Übersetzer

Heinrich Kahane – Neurologe, Psychologe, Journalist, Übersetzer

Autor: Dr. Walter Mentzel

Affiliation: Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich

Published online: 21. 08. 2023

Keywords: Heinrich Kahane, Psychologe, Psychotherapeut, Medizin-Journalist, Arzt, Wien, Medizingeschichte

Heinrich Hersch Wolf Kahane war der Bruder des Psychoanalytikers Max Kahane. Er wurde am 20. Juli 1862 als Sohn des Kaufmannes Philipp Pinkus Kahane (zirka 1843-1920) und Henriette, geborene Rosenheck (zirka 1839-1926) in Sereth in der Bukowina (heute: Sereth/Rumänien) geboren. 1888 heiratete er Sofie Seif.

Nachdem Kahane das k.k. Staats-Gymnasium in Wien Leopoldstadt absolviert hatte, studierte er an der Universität Wien Medizin und promovierte am 19. Juli 1886. 1887 erfolgte seine Ernennung im landwehrärztlichen Offizierskorps zum Assistenzarzt beim schlesischen Infanterie-Bataillon Nr. 10,[1] und 1890 zum Regimentsarzt des Landwehrbataillons Mährisch-Trübau Nr. 19.[2] Im November 1889 eröffnete er eine private Arztpraxis in Wien Neulerchenfeld in Ottakring.[3]

Kahane beschäftigte sich mit der Elektro-Diagnostik und der Elektro-Therapie sowie vermehrt mit psychotherapeutischen Themen. Darüber hinaus war er Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und populärwissenschaftlicher Artikel. 1901 trat er als Mitglied in den Wiener Journalisten- und Schriftstellerverein Concordia ein.[4]

Dubois‘sche psychotherapeutische Verfahren:

Kahane praktizierte und unterrichtete die vom Schweizer Psychiater und Psychotherapeuten Paul Charles Dubois (1848-1918) entwickelte Persuasionstherapie. 1913 bereitete er in einem von ihm geleiteten Komitee die Gründung eines eigenen Vereins zur Unterrichtung dieser Methode unter Kolleg:innen vor.[5]

1911 publizierte er die achtzigseitige Monografie „Der defekte Mensch. (Zwang und Drang in der psychischen Mechanik)“, 1912 die Arbeit „Grundzüge der Psychomechanik, 1: Die Autonomie der Seele“, den Aufsatz „Das psychagogische Heilverfahren“ und „Handbuch der therapeutischen Praxis in Einzeldarstellungen. Therapie der Nervenkrankenheiten, Band 1“, sowie 1913 über „Angstzustände“[6] und kurz vor dem Ersten Weltkrieg erschien von ihm noch die Monografie „Grundzüge der Psychologie für Mediziner“,[7] und der Aufsatz „Zwangsvorstellungen und ihre psychische Therapie“.[8]

Während des Ersten Weltkrieges erhielt er das Ehrenzeichen zweiter Klasse des Roten Kreuzes mit der Kriegsdekoration verliehen.[9] Zu seinen während des Krieges verfassten Arbeiten zählen die 1914 im Selbstverlag herausgegebene Schrift „Kriegsvormundschaft“, der Aufsatz „Über psychische Depressionen“,[10] der in der Neuen Freien Presse erschienene Artikel „Kriegshygiene“,[11] oder der 1915 publizierte Aufsatz im Neuen Wiener Journal über „Epidemieschutz“.[12]

1919 veröffentlichte er in der Wiener medizinischen Wochenschrift den Aufsatz „Über telepathische Therapie der Neurosen“,[13] und in der Zeitung Die Zeit den Artikel „Die Telepathie und ihre Anwendung“,[14] und 1923 in der Neuen Freien Presse den Artikel „Charaktertherapie“.[15]

Heinrich Kahane verstarb am 18. August 1924 in Baden bei Wien. Seine Ehefrau Sofie wurde wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt, und nach ihrer Überstellung aus dem Ghetto Theresienstadt in das KZ Auschwitz am 9. Mai 1944 ermordet.

Quellen:

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0171, Kahane Heinrich (Nationalien Datum: 1882/83).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 177-191a, Kahane Heinrich (Rigorosum Datum: 1884).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 186-1865, Kahane Heinrich (Promotion Datum: 19.7.1886).

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Kahane Sofie (17.2.1867).

Literatur:

Kahane, Heinrich: Der defekte Mensch. (Zwang und Drang in der psychischen Mechanik) Wien: Szelinski 1911.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 68943]

Kahane, Heinrich: Das psychagogische Heilverfahren. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Kahane, Heinrich: Die Zwangsvorstellungen und ihre psychische Therapie. Sonderdruck aus: Wiener klinische Wochenschrift. Wien, Leipzig: Braumüller 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 15300]

Referenzen:

[1] Internationale klinische Rundschau, 27.11.1887, Sp. 1563.

[2] Internationale klinische Rundschau, 30.11.1890, Sp. 2007.

[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 49, 1889, Sp. 1987.

[4] Wiener Journalisten- und Schriftsteller-Verein „Concordia“. Rechenschafts-Bericht und Rechnungs-Abschlüsse für die Verwaltungs-Periode 1901, Wien 1902, S. 16.

[5] Wiener klinische Rundschau, Nr. 6, 1913, S. 94.

[6] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 13, 1913, S. 495-498.

[7] Neue Freie Presse, 17.5.1914, S. 38.

[8] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 14, 1914.

[9] Neue Freie Presse, 3.3.1916, S. 1.

[10] Wiener klinische Wochenschrift, Nr. 46, 1913, S. 1881-1885.

[11] Neue Freie Presse, 7.8.1914, S. 19.

[12] Neues Wiener Journal, 9.1.1915, S. 4-5.

[13] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 26, 1919, Sp. 1289-1292.

[14] Die Zeit, 19.6.1919, S. 4.

[15] Neue Freie Presse, 14.9.1923, S. 11.

Normdaten (Person): Kahane, Heinrich: BBL: 41692; GND: 125782411;

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BBL: 41692 (21. 08. 2023)
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Letzte Aktualisierung: 2023 08 21

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