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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [37]: Josef Preindlsb(p)erger (Chirurg, Militärarzt und Vorstand des AKH in Sarajewo) und Milena Preindlsberger-Mrazović (Schriftstellerin und Rot-Kreuz-Mitarbeiterin).

Josef Preindlsb(p)erger (Chirurg, Militärarzt und Vorstand des AKH in Sarajewo) und Milena Preindlsberger-Mrazović (Schriftstellerin und Rot-Kreuz-Mitarbeiterin). Wien – Sarajewo

Von der Schriftstellerin und Journalistin Milena Preindlsberger-Mrazović erschien 1904 in der Zeitschrift „Die Zeit“ ein bis heute weitgehend unbekannt gebliebener Artikel unter dem Titel „Der weibliche Arzt in Bosnien und Herzegowina“.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: SA 3016]

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Darin thematisiert sie die Schwierigkeiten, die mit der Durchsetzung der medizinischen Verwaltung Bosnien-Herzegowinas nach der Okkupation 1878 und im speziellen jene der weiblichen Ärzteschaft gegenüber der muslimischen Bevölkerung auftraten. Dabei kam den k.k. Amtsärztinnen eine bedeutende Rolle zu, die – auch im europäischen Vergleich – eine einzigartige institutionalisierte Stellung innerhalb der k.k. Sanitätsverwaltung in Bosnien-Herzegowina einnahmen. Der Grund für die Stärkung der Funktion von Amtsärztinnen in Bosnien-Herzegowina, lag in der ihnen zugewiesenen spezifischen Aufgabe die Gesundheitssituation der weiblichen muslimischen Bevölkerung zu verbessern, ihren Zugang zum Gesundheitssystem durchzusetzen und sie darin zu integrieren. Dazu wurden zwischen 1892 und 1918 insgesamt sieben österreichisch-ungarische Amtsärztinnen in die mehrheitlich von Muslimen bewohnten Gebiete berufen.

Milena Preindlsberger-Mrazović

Milena Preindlsberger-Mrazović war Journalistin, Schriftstellerin und Verlegerin (die erste in Bosnien-Herzegowina) und mit dem Wiener Chirurgen und Militärarzt Josef Preindlsberger verheiratet. Bis heute bekannt ist sie durch ihre seit den 1880er Jahren in deutscher Sprache publizierten Reiseberichte, Tagebücher und Romane, in denen sie sich mit dem sozialen und kulturellen Leben der Bevölkerung und der Landeskunde von Bosnien-Herzegowina befasste. Über ihr Geburtsdatum gibt es divergierende Angaben (zwischen 1863 und 1866) ebenso zu ihrem Geburtsort (Wien bzw. einem kroatischen Dorf im Nordwesten Bosniens). Gesichert ist, dass ihr Vater ein bosnischer Landesbeamte war und sie ihre Schulausbildung zunächst in Budapest erhielt. Nachdem ihr Vater nach der Okkupation Bosnien-Herzegowinas 1878 nach Sarajewo versetzt wurde, schloss sie hier ihren Schulbesuch ab. Milena begann ihre schriftstellerische Karriere 1884 als Mitarbeiterin der gerade in Sarajewo gegründeten einzigen deutschsprachigen Zeitung Bosniens, der „Bosnischen Post“, wo sie nach wenigen Jahren zur Chef-Redakteurin und schließlich 1889, nachdem ihr von der Regierung die Zeitung samt Druckerei übertragen worden war, zur Herausgeberin aufstieg. Daneben arbeitete sie als Sprachlehrerin für Französisch an einer Schule. Nach ihrer Heirat 1896 verkaufte sie das Verlagsunternehmen und widmete sich ausschließlich ihrer journalistischen Arbeit. Sie publizierte in zahlreichen deutschsprachigen Zeitschriften und Zeitungen, in denen sie den Lesern das multiethnische, vor allem aber das multikonfessionelle Bosnien-Herzegowina aus ethnografischer und anthropologischer Sicht näher zu bringen versuchte. Daneben hielt sie unter anderem Vorträge wie in Wien, wo sie auch durch ihre zahlreichen Artikeln in der Reichspost und der Neuen Freien Presse einen hohen Bekanntheitsgrad genoss und 1889 zum ersten weiblichen Mitglied der „Anthropologischen Gesellschaft in Wien“ ernannt wurde. Unter anderem verfasste sie auch einen Beitrag zu Bosnien-Herzegowina für das von Kronprinz Rudolf konzipierte Werk „Österreich-Ungarn in Wort und Bild“ (1899). Aus dieser Zeit resultierten Arbeiten wie „Selam, Skizzen und Novellen aus dem bosnischen Volksleben“, die 1893 (Berlin: Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft) erschien und frühe Texte von Milena enthält. Preindlsberger-Mrazović wurde durch eine Reihe weiterer Monografien im deutschsprachigen Raum bekannt. Dazu zählten: „Bosnische Volksmärchen“ (Innsbruck: Edlinger 1905), der Roman „Das Grabenfenster. Eine Sarajevoer Geschichte aus dem Beginn der Okkupation“ (Innsbruck: Edlinger 1906), der Reiseführer „Die bosnische Ostbahn. Illustrierter Führer auf den bosnisch-herzegowinischen Staatsbahnlinien Sarajevo-Uvac und Megjegje-Vardiste“ (Wien: Hartleben 1908), sowie die Tagebuchaufzeichnungen „Bosnisches Skizzenbuch, Landschafts- und Kulturbilder aus Bosnien und der Herzegowina“ (Dresden, Leipzig: E. Pierson’s Verlag 1900). In diesen Arbeiten deklarierte sie sich als Befürworterin der Okkupation Bosnien-Herzegowinas und zu den von Österreich-Ungarn getroffenen Verwaltungsmaßnahmen, von denen sie sich eine Modernisierung, vor allem aber eine friedliche Entwicklung des Landes erwartete.

Seit 1896 war Milena Preindlsberger-Mrazović mit dem Wiener Chirurgen, Militärarzt und Landessanitätsrat in Bosnien-Herzegowina Josef Preindlsberger verheiratet, der am Allgemeinen Krankenhaus in Sarajewo die chirurgische Abteilung leitete.

Josef Preindlsberger

Joseph Preindlsberger wurde am 6. März 1863 in Wien als Sohn eines Kaufmannes geboren. 1881 begann er an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien mit dem Studium der Medizin, das er 1887 mit der Promotion abschloss. Im Jahr seiner Promotion trat er den Dienst als Militärarzt im Garnisons-Spital Nr. 1 in Wien an[1] und erhielt seine weitere Ausbildung bei Carl von Braun-Fernwald (1822-1891) an der gynäkologischen Klinik. Bis 1893 arbeitete er als Assistent von Prof. Josef Weinlechner (*3.3.1829 Altheim/Oberösterreich, gest. 30.9.1906 Bruck an der Leitha) an der I. chirurgischen und gynäkologischen Abteilung im Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Im Herbst 1893 kam es zur Eröffnung des „Allgemeinen Krankenhauses in Sarajewo“ und zu einer Reihe von Besetzungen ärztlicher Funktionen durch Wiener Mediziner – darunter Josef Preindlsberger, der zum Vorstand und Primarius der chirurgischen Abteilung ernannt wurde.[2] Über seine Tätigkeit in den ersten Jahren im Allgemeinen Krankenhaus in Sarajewo finden sich Hinweise in den: Mitteilungen aus der chirurgischen Abteilung des Bosnisch-Herzegovinischen Landespitals in Sarajevo für die Jahre 1894-1896, 1897-1900. Wien: Verlag Josef Safar 1898 und Sarajevo 1898/1903.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 8766]

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Weiters: Weiss Otto: Mittheilungen aus der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung des Bosnisch-Hercegovinischen Landesspitals in Sarajevo für die Jahre 1897-1900. Geordnet und ergänzt von Josef Preindlsberger. Sarajevo: ÖLandesdruckrei 1903.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 8669]

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1894 publizierte er: Die Behandlung der Gelenkstuberculose und ihre Endresultate aus der Klinik Albert. Mit einem Vorwort von Prof. E. Albert. Wien: Safar 1894.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 5763]

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Seine Arbeiten, die sich an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befinden, veröffentlichte er vor allem in medizinischen Fachzeitschriften wie „Internationale klinische Rundschau“, „Wiener medizinischen Wochenschrift“, „Wiener klinischen Wochenschrift“, „Wiener medizinischen Presse“ und in der „Wiener klinischen Rundschau“. Von Preindlsberger, der auch zum Landessanitätsrat von Bosnien-Herzegowina ernannt wurde, stammt auch eine Abhandlung zur „Volksmedizin“ Bosniens-Herzegovinas, die unter dem Titel Beiträge zur Volksmedizin in Bosnien, in: Wissenschaftliche Mittelungen aus Bosnien und der Herzegowina, H. 8, 1902, S. 215-229, erschien.

Josef Preindlsberger und Milena Preindlsberger-Mrazović im Ersten Weltkrieg

Am Ersten Weltkrieg nahm Josef Preindlsberger als Militärarzt teil. Im November 1914 wurde er zum Oberstabsarzt ernannt[3] und leitete in dieser Funktion ein chirurgisches Operationsteam an der Balkanfront in Serbien, Montenegro, Mazedonien und in Albanien, wo er das gesamte Sanitätswesen an der Front leitete, sowie ab 1916 an der Isonzofront in Italien. Seine Frau Milena Preindlsberger-Mrazović, die als Rot-Kreuz-Helferin ebenfalls an der Front zum Einsatz kam, wurde der Chirurgengruppe ihres Mannes zugeteilt[4] und 1916 erst als dritte Sanitäterin für ihren Einsatz in einer mobilen Chirurgengruppe mit der „Tapferkeitsmedaille“ ausgezeichnet.[5]

1919 kehrten beide, nachdem sie vom neuen SHS-Staat (Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) aus Bosnien abgeschoben worden waren, nach Wien zurück, wo Josef Preindlsberger als Facharzt für Chirurgie zu arbeiten begann und in den 1920er Jahren als Vorsitzender des „Wiener medizinischen Doktorenkollegiums“ fungierte. Preindlsberger war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien.

Milena Preindlsberger-Mrazović verstarb am 20. Jänner 1927 in Wien. Ihre Ehemann Josef Preindlsberger starb am 13. Dezember 1938 in Wien. Sein Nachlass befindet sich heute im Österreichischen Staatsarchiv, Abteilung Kriegsarchiv.

Literatur:

Dzambo, Jozo: Milena Preindlsberger-Mrazović – eine Publizistin zwischen Folklore und Modernität, in: Tutavac Vesela, Korotin Ilse (Hg.), „Wir wollen der Gerechtigkeit und Menschenliebe dienen …“. Frauenbildung und Emanzipation in der Habsburgermonarchie – der südslawische Raum und seine Wechselwirkung mit Wien, Prag und Budapest. Wien: 2016. S. 173-214.

Fuchs, Brigitte: „Ärztinnen für Frauen“. Eine feministische Kampagne zwischen Wien, Prag und Sarajewo, in: Tutavac Vesela, Korotin Ilse (Hg.): „Wir wollen der Gerechtigkeit und Menschenliebe dienen …“. Frauenbildung und Emanzipation in der Habsburgermonarchie – der südslawische Raum und seine Wechselwirkung mit Wien, Prag und Budapest. Wien: 2016. S. 94-127.

Lindemann, Kristina: Explaining Bosnia – Milena Preindlsberger-Mrazović, and Austria’s own ‘Orient’, in: Zimmermann Tanja, Jakir Aleksandar (Hg.): Europe and the Balkans. Decades of „Europeanization“? Würzburg: 2015. S. 161-170.

Text: Walter Mentzel

[1] Neue Freie Presse, 7.5.1887, S. 3.

[2] Internationale klinische Rundschau, 6.8.1893, S. 1220.

[3] Der Militärarzt, 13.11.1914, S. 518.

[4] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 2.12.1914, S. 11.

[5] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 31.3.1916, S. 12. Österreichische Volks-Zeitung, 29.10.1916, S. 7.

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