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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [291]: Hock, August – Kinderarzt im Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstitut

Hock, August – Kinderarzt im Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstitut

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 18.07.2024

Keywords: Kinderarzt, Hock, August – Erstes Öffentliches Kinder-Krankeninstitut, Medizingeschichte, Wien

August Hock wurde am 19. Jänner 1865 als Sohn des Kaufmannes Simon Hock (1817-1892) und Emma Emilia (1840-1920), geborene Biach, in Wien geboren.

Hock besuchte, wie auch sein Zwillingsbruder Viktor, das Akademische Gymnasium in Wien,[1] und studierte danach an der Universität Wien Medizin. Noch vor seiner Promotion am 10. März 1888, trat er als Hospitant in das Erste Öffentliche Kinder-Krankeninstitut in Wien ein, dem zu dieser Zeit sein Vetter Max Kassowitz (1842-1913) als Direktor des Institutes vorstand. Nach seiner Promotion arbeitete er hier als Aspirant. Daneben führte er eine private Arztpraxis zunächst in Wien 9, Spitalgasse 25 danach in der Alserstraße 4, Wien 1, Tuchlauben 24 und Wien 9, Garnisonsgasse 6 und zuletzt in Wien 1, Steindelgasse 2. 1893 wurde er zum Vorstand der inneren Abteilung des Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstitutes ernannt, 1926 erfolgte seine Ernennung zum stellvertretenden Direktor von Carl Hochsinger (1860-1942).

Hock befasste sich mit den Fragen der Hämatologie des Kindesalters, und publizierte gemeinsam mit Hermann Schlesinger (1866-1934) 1891 „Blutuntersuchungen bei Kindern“ und 1892 „Hämatologische Studien von August Hock und Hermann Schlesinger“. Weitere von ihm am Institut verfasste Arbeiten waren die 1892 veröffentlichte Studie „Ueber chirurgische Anwendung des Thiophendijodid“ und 1896 die Arbeit „Die Kreosotbehandlung im Kindesalter“. 1930 publizierte er „Erfahrungen mit Tonikum „Roche“ in der Kinderpraxis“.[2]

Hock war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien und der Gesellschaft für Innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien. 1921 erhielt er den Titel eines Medizinalrates verliehen.[3]

August Hock verstarb am 2. April 1932 in Wien. Seinen Nachruf verfasste der Nachfolger von Kassowitz, Carl Hochsinger, in der Wiener medizinischen Wochenschrift.[4]

Hock, August: Todesanzeige, Neue Freie Presse, 5.4.1932, S. 16.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Taufbuch 1865, Hock August.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0263, Hock August, (Nationalien Datum 1776/87).

Hochsinger, Carl: Die Geschichte des Ersten Öffentlichen Kinder-Kranken-Institutes in Wien während seines 150jährigen Bestandes 1788-1938. Wien: Verlag des Kinder-Kranken-Institutes 1938.

Literatur:

Hock, August: Blutuntersuchungen bei Kindern. (Vorläufige Mittheilung) aus dem I. öffentlichen Kinderkrankeninstitut in Wien (Direktor: Prof. Kassowitz). Sonderdruck aus: Centralblatt für klinische Medicin. Leipzig: Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1891.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hock, August: Hämatologische Studien von August Bock und Hermann Schlesinger. (=Beiträge zur Kinderheilkunde/N.F. 2). Leipzig, Wien: Deuticke 1892.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 29079/N.F.2]

Hock, August: Ueber chirurgische Anwendung des Thiophendijodid. Sonderdruck aus: Therapeutische Monatshefte. Berlin: Verlag von Julius Springer 1892.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hock, August: Die Kreosotbehandlung im Kindesalter. Aus dem I. öffentl. Kinder-Krankeninstitut des Prof. Kassowitz in Wien. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Blätter. Wien: Druck von L. Bergmann & Comp. 1896.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Jahresbericht über das k.k. Akademische Gymnasium, Wien 1882, S. 9.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 5, 1930, S. 185-186.

[3] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 31.12.1921, S. 3.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 16, 1932, S. 514.

Normdaten (Person): Hock, August: BBL: 43977; GND: 1055427023;

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Letzte Aktualisierung: 2024 07 18

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [284]: Hochsinger, Carl – Kinderarzt, Leiter des Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstituts, NS-Verfolgter

Hochsinger, Carl – Kinderarzt, Leiter des Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstitut, NS-Verfolgter

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 03.06.2024

Keywords: Kinderarzt, Erstes Öffentliches Kinder-Krankeninstitut, Medizingeschichte, Wien, NS-Verfolgter

Carl (Karl) Hochsinger wurde als Sohn des Hermann Hochsinger (zirka 1830-1910, Kaufmann aus Pressburg) und der Henriette, geborene Frankl (zirka 1839-1863) am 12. Juli 1860 in Wien geboren. Seit 1888 war er mit Rosa Sternlicht verheiratet.

Nachdem Hochsinger 1877 die Matura am Schottengymnasium in Wien absolvierte hatte, begann er im Wintersemester 1879/80 mit dem Studium der Medizin an der Universität Wien, das er am 17. Februar 1883 mit seiner Promotion abschloss. Danach arbeitete er bis 1888 als Sekundararzt an der chirurgischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien. Schon zuvor trat er 1883 als Assistent von Max Kassowitz (1842-1913) in das Erste Öffentliche Kinder-Krankeninstitut in Wien ein. Hier stieg er 1889 erst zum Abteilungsleiter und dann zum stellvertretenden Direktor auf. 1906 übernahm Hochsinger die Leitung[1] und 1913 die Funktion des Direktors des Institutes, die er sie bis zum „Anschluss“ im März 1938 behielt. Unter seiner Führung kam es zur Errichtung von einer Reihe medizinischer Spezialabteilungen und zur Ausgestaltung des Institutes zu einer Poliklinik, sowie zur Gründung eines Unterstützungsvereines „Verein zur Förderung des Ersten Öffentlichen Kinder-Kranken-Institutes“, um die Finanzierbarkeit des Institutes zu gewährleisten. Seit 1888 besaß er eine Arztpraxis in Wien 1, Börseplatz Nr. 6, 1906 habilitierte er sich an der Universität Wien im Fach Kinderheilkunde zum Privatdozenten.[2]

1913 gehörte Hochsinger dem Ehrenpräsidium des Vereins Augustineum in Wien an, der sich der Fürsorge verarmter körperbehinderter Kinder annahm.[3] 1914 rief er u.a. gemeinsam mit dem Schriftsteller Arthur Schnitzler (1862-1931) zur Gründung und dem Bau einer Waldschule für verarmte und schwächliche Kinder auf.[4]

Bild: Hochsinger, Carl: Die Geschichte des Ersten Öffentlichen Kinder-Kranken-Institutes in Wien während seines 150jährigen Bestandes 1788-1938. Wien Verlag des Kinder-Kranken-Institutes 1938.

Seit der Gründung des „Klubs der motorisierten Ärzte Österreichs“ im Jahr 1907 (seit 1921 „Ärztliche Kraftfahrvereinigung“) fungierte Hochsinger als dessen Präsident.

Allgemeine Automobil-Zeitung, 20.8.1911, S. 3.

Während des Ersten Weltkrieges war Hochsinger als Spitalskommandant dem Reservespital Nr. 2 in Wien zugeteilt, daneben organisierte er federführend die Durchführung der Verschickung verarmter Wiener Kinder in das neutrale Ausland, darunter vor allem die von ihm ins Leben gerufene Aktion „Österreichische Kinder nach Holland“. Nach dem Ersten Weltkrieg engagierte er sich bei der Umsetzung verschiedener Kinderhilfsaktionen.

Nachdem es im Jahr 1919 wieder zur Aufnahme des Vollbetriebes des Krankeninstituts gekommen war, , wurde Hochsinger neuerlich zum Direktor gewählt .[5] Unter seiner Leitung wurde das Institut bis 1938 gemäß den Satzungen als Wohlfahrtseinrichtung weitergeführt, um Kindern aus mittellosen Familien eine unentgeltliche medizinische Behandlung anzubieten. Wie schon vor 1918 rekrutierte sich das durch den Weltkrieg und der Nachkriegsinflation stark verminderte Vermögen aus der Spendenbereitschaft verschiedenster privater Personen und Organisationen sowie öffentlicher Einrichtungen.

Hochsinger war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien und der Gesellschaft für Kinderheilkunde in Wien. 1918 wurde ihm der Titel eines Regierungsrates verliehen.[6]

Neben zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten zur Kinderheilkunde, insbesondere des Herzens und Herzerkrankungen des Kindes sowie der syphilitischen Infektion, darunter „Zwanzigjährige Dauerbeobachtung eines Falles von angeborener Syphilis (Paroxysmale Hämoglobinurie Aortitis – Infantilismus – Tabes)“, „Die Prognose der angeborenen Syphilis“ oder „Über Diagnostik angeborener Herzfehler bei Kindern: nebst Bemerkungen über Transposition der arteriellen Herzostien“ publizierte er 1896 die bis in die 1930er Jahre in mehreren Auflagen immer wieder erschienene Monografie „Die Gesundheitspflege des Kindes im Elternhaus“.

Weitere Arbeiten von Hochsinger sind „Die Phosphorbehandlung der Rachitis im Jahre 1884“, „Sterilisierte Milch und deren Anwendungsweise zur Säuglingsernährung“, „Eine neue Wärmekammer für lebensschwache Frühgeburten“. Darüber hinaus schrieb er populärwissenschaftliche Artikel in Zeitschriften wie der „Modernen Welt“ „Kinder, die nicht essen wollen“.[7] Seine letzte Arbeit „Über das Zyanose-Problem bei den angeborenen Herzfehlern der Frühkindheit“ veröffentlichte er anlässlich des bevorstehenden Jubiläums zur Feier des 150jährigen Bestandes des Institutes in der von ihm herausgegebenen 48-seitige Festschrift, die im März 1938 unter dem Titel „Die Geschichte des Ersten Öffentlichen Kinder-Kranken-Institutes in Wien während seines 150jährigen Bestandes 1788-1938“ erschien. Zum Zeitpunkt der Fertiggestellung des Buchprojektes im März 1938 hatten die Nationalsozialisten das Institut bereits geschlossen, die jüdischen Mitarbeiter:innen vertrieben und mit der Liquidierung dieser Institution begonnen.

Carl Hochsinger, der wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt, von seinen Funktionen am Institut enthoben und vertrieben worden war, wurde gemeinsam mit seiner Ehefrau am 9. Oktober 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, und am 28. Oktober 1942 ermordet.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1860, Hochsinger Karl.

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0126, Hochsinger Karl (Nationalien Datum 1878/79).

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0169, Hochsinger Karl (Nationalien Datum 1882/83).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 177-137a, Hochsinger Karl (Rigorosum Datum 1880).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 186-1406, Hochsinger Karl (Promotion Datum 17.2.1883).

UAW, Rektoratsarchive, Akademischer Senat, Akten-Sonderreihe, Senat S 304.502, Hochsinger Karl (12.07.1860-1942; Kinderheilkunde).

WStLA, Hauptregistratur, A 47 – Department 1 – Stiftungen, Versorgungshäuser, Anstalten, L 21 340.520/1881.

WStLA, M.Abt. 212 A23, Ausgeschiedene Krankenanstalten 17/13, Kinder-Kranken-Institut (Statuten).

ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 21.164, Hochsinger Carl.

Nationalarchiv Prag, Opferdatenbank, Ghetto Theresienstadt, Todesfallanzeige, Hochsinger Karl.

Literatur:

Hochsinger, Carl: Die Geschichte des Ersten Öffentlichen Kinder-Kranken-Institutes in Wien während seines 150jährigen Bestandes 1788-1938. Wien: Verlag des Kinder-Kranken-Institutes 1938.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 10087]

Hochsinger, Carl: Zwanzigjährige Dauerbeobachtung eines Falles von angeborener Syphilis (Paroxysmale Hämoglobinurie Aortitis – Infantilismus – Tabes). Aus dem I. öffentlichen Kinder-Krankeninstitute in Wien. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien: Druck von Gottlieb Gistel & Cie 1905.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hochsinger, Carl: Die Prognose der angeborenen Syphilis. Sonderdruck aus: Ergebnisse der Inneren Medizin und Kinderheilkunde. Berlin: Verlag von Julius Springer 1910.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hochsinger, Carl: Über Diagnostik angeborener Herzfehler bei Kindern, nebst Bemerkungen über Transposition der arteriellen Herzostien. Sonderdruck aus: Wiener Klinik. Wien: Urban & Schwarzenberg 1891.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hochsinger, Carl: Gesundheitspflege des Kindes im Elternause. Leipzig, Wien: Deuticke 1896.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 53736]

Hochsinger, Carl: Die Phosphorbehandlung der Rachitis im Jahre 1884 (hierzu 1 Tafel). Aus dem ersten öffentlichen Kinder-Kranken-Institute. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Blätter. Wien: Wilhelm Braumüller k.u.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1885.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hochsinger, Carl: Sterilisierte Milch und deren Anwendungsweise zur Säuglingsernährung. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien: Druck von Gottlieb Gistel & Comp. 1889.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hochsinger, Carl: Eine neue Wärmekammer für lebensschwache Frühgeburten. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien: Druck von Gottlieb Gistel & Comp. 1894.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Hochsinger, Carl: Über das Zyanose-Problem bei den angeborenen Herzfehlern der Frühkindheit. Aus dem ersten öffentlichen Kinderkranken-Institute in Wien aus Anlasß seines 150jahrigen Bestandes gewidmet. Sonderdruck. Wien: Gesellschaftsbuchdruckerei Brüder Holinek 1938.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Referenzen:

[1] Neues Wiener Journal, 9.7.1906, S. 2.

[2] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 31.7.1896, S. 359.

[3] Die Zeit, 8.8.1913, S. 6.

[4] Die Zeit, 14.6.1914, S. 8.

[5] Wiener Zeitung, 15.2.1919, S. 5.

[6] Neues Wiener Journal, 2.1.10918, S. 6.

[7] Moderne Welt, Juni 1922, S. 16.

Normdaten (Person):  Hochsinger, Carl: BBL:43823; GND: 126500177;

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Letzte Aktualisierung: 2024 06 03

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [283]: Kassowitz, Max – Kinderarzt, Leiter des Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstituts in Wien

Kassowitz, Max – Kinderarzt, Leiter des Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstituts in Wien

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 29.05.2024

Keywords: Kinderarzt, Erstes Öffentliches Kinder-Krankeninstitut, Medizingeschichte, Wien

Max Kassowitz wurde als Sohn von Ignaz Kassowitz (1817-1875) und Katherina (1829-1878), geborene Pollak, am 14. August 1842 in Pressburg in Ungarn (heute: Bratislava/Slowakei) geboren. Seit 1876 war er mit Emilie Rosenthal (1854-1938) verheiratet, die als Frauenrechtsaktivistin und Schriftstellerin den Verein abstinenter Frauen gegründet hatte und der Antialkohol-Kommission des Bundes Österreichischer Frauenvereine angehörte. Unter den gemeinsamen fünf Kindern war sein Sohn Karl Kassowitz (1886-1978), der bis 1938 als Kinderarzt in Wien arbeitete, und seine Tochter Julie, verheiratete Schall (1882-1924), eine Biologin, die sich wie ihre Eltern in der Antialkoholbewegung und im Bund Österreichischer Frauenvereine einsetzte.

Nachdem Kassowitz in Pressburg das Gymnasium absolviert hatte, studierte er an der Universität Wien Medizin und promovierte am 11. November 1863 und am 24. Mai 1864 im Fach Chirurgie. Danach arbeitete er als Aspirant und Sekundararzt an verschiedenen Abteilungen des Allgemeinen Krankenhauses in Wien.

Erstes Öffentliches Kinder-Krankeninstitut

1869 trat Kassowitz als Sekundararzt in das Erste Öffentliche Kinder-Krankeninstitut in Wien ein, und übernahm 1882 als Nachfolger von Leopold Maximilian Politzer (1814-1888) die Leitung des Institutes. Kassowitz entwarf eine Instruktionsverordnung für die Direktion des Institutes, mit er die Aufgabengebiete des Institutes regelte, sowie 1904 das „Statut für das Erste Öffentliche Kinder-Krankeninstitut in Wien“. Unter seiner Direktion erfuhr das Institut eine massive Steigerung der Zahl an Patient:innen und eine räumliche Erweiterung und Spezialisierung, die sich in der Einrichtung verschiedener medizinischer Abteilungen niederschlug. Zu seinen Schülern am Institut gehörte neben Sigmund Freud (1856-1939), sein späterer Nachfolger Carl Hochsinger (1860-1942), Leopold Königstein (1850-1924) und Julius Drey (1858-1939).

Kassowitz als Wissenschaftler und Schriftsteller

1886 habilitierte sich Kassowitz an der Universität Wien im Fach Kinderheilkunde zum Privatdozenten, 1891 erfolgte seine Ernennung zum a.o. Professor.[1]

Neben seiner Tätigkeit am Institut, wo er auch die institutseigene Zeitschrift „Beiträge zur Kinderheilkunde aus dem Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstitutin Wien“ herausgab, beschäftigte er sich u.a. mit der Erforschung der hereditären Syphilis und der Pathophysiologie der Rachitis und entwickelte eine Phosphorbehandlung mit Lebertran bei Kindern mit Rachitis. Dazu publizierte er 1881 „Syphilis und Rachitis“, 1883 „Die Phosphorbehandlung der Rachitis“, 1889 „Zur Theorie und Behandlung der Rachitis“ und 1901 „Über Phosphorlebertran“. Ein weiteres Forschungsfeld lag auf der Behandlung der Diphterie, zu der er u.a. 1895 „Wie steht es mit der Serumbehandlung der Diphterie“, 1900 in der Wiener medizinischen Wochenschrift die Artikelserie „Kritisches über Diphteriebacillen und Heilserum“ publizierte.[2]

Zu seinen Hauptwerken zählen neben der 1876 veröffentlichen Arbeit „Vererbung der Syphilis“, und „Die Phosphorbehandlung der Rachitis“, die 1910 erschienene Publikation „Praktische Kinderheilkunde in 36 Vorlesungen für Studierende und Ärzte“. Zahlreiche seiner wissenschaftlichen Aufsätze befinden sich in der Separata-Bibliothek an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien und an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin.

Bild aus: Hochsinger: Die Geschichte des Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstitutes […]. Wien: Verlag 1938.

Biologie und Naturphilosophie

Neben seinen medizinischen Forschungen beschäftigte sich Kassowitz mit Fragen der Biologie, die er u.a. unter dem Titel „Biologische Probleme“ in mehrere Arbeiten zur organischen Stoffumwandlung,  erschienen von ihm vier Bände „Allgemeine Biologie“, deren ersten Band er 1898 im Wiener physiologischen Klub vorstellte und dessen Vortrag in der Wiener medizinischen Wochenschrift unter dem Titel „Die Einheit der Lebenserscheinungen“ abgedruckt wurde.[3] Beide Reihen befinden sich in der Separata-Bibliothek. 1908 veröffentlichte er in der Zeitschrift für Psychologie und Neurologie den Aufsatz „Körper und Seele[4] und im selben Jahr seine naturphilosophisch angelegte Monografie „Welt, Leben, Seele. Ein System der Naturphilosophie in gemeinfasslicher Darstellung“.

Zivilgesellschaftliche Aktivitäten: Antialkoholkampagne, Schule, Frauenrechte

Neben seiner ärztlichen und wissenschaftlichen Arbeit waren Kassowitz und seine Familie in zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen aktiv, was sich auch in seiner regelmäßigen und über viele Jahre erfolgten Referententätigkeit an den Wiener Volksbildungseinrichtungen wie dem Volksheim, der Urania, oder dem Wiener Volksbildungsverein niederschlug. Er engagierte sich gemeinsam mit seiner Ehefrau Emilie und seine Tochter Julie in der Antialkoholbewegung, wozu er neben seinen Vorträgen zu diesem Thema auch zahlreiche Artikel verfasste. Darunter in Zeitungen wie 1901 in den sozialdemokratischen Publikationsorganen „Arbeiterwille“[5] und der „Arbeiterinnen Zeitung“ („Gebt den Kindern keinen Alkohol“)[6] und in Fachzeitschriften, wie im „Jahrbuch für Kinderheilkunde und physische Erziehung“ mit dem Aufsatz „Alkoholismus im Kindesalter“,[7] der auf seinem 1900 gehaltenen Vortrag am 8. Internationalen Kongress gegen Alkoholismus in Wien, beruhte. 1904 erschien von ihm der Artikel „Der Arzt und der Alkohol“.[8]

Weiters unterstützte er den Verein „Ferienheim. Verein für israelitische Ferienkolonien“,[9] der Kindern aus verarmten jüdischen Familien einen Ferienaufenthalt organisierte, oder seit seiner Gründung 1905 den Verein „Freie Schule“. Kassowitz gehörte auch zu jener Gruppe von Mitstreitern, die aus medizinischen Gründen eine Reform der Frauenkleidung anstrebten, wozu er die Sozialarbeiterin und Frauenrechtlerin Marie Lang (1858-1934) durch ein Gutachten für deren von ihr herausgegebenen Zeitschrift Dokumente der Frauen“,[10] sowie den vom Gynäkologen Hugo Klein (1863-1937) gegründeten „Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung“ unterstützte. 1904 beurteilte er in der von der Frauenrechtsaktivistin Auguste Fickert (1855-1910) herausgegeben Zeitschrift „Neues Frauenleben“ die seit 1897 schrittweise Zulassung von Frauen zum Studium als positiv und sprach sich gegen jegliche weitere Beschränkung aus.[11]

Kassowitz war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Gesellschaft für Innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien, Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und der Russischen Gesellschaft für Kinderheilkunde in St. Petersburg.

Zu seinem 70. Geburtstag erschien 1912 eine von Benjamin Gomperz (1861-1935) und Carl Hochsinger und Rudolf Neurath herausgegebene Festschrift.

Kassowitz verstarb am 23. Juni 1913 in Wien.

1914 gab seine Tochter Julie Kassowitz-Schall (1882-1924) die „Gesammelten Abhandlungen von Max Kassowitz: mit einem vollständigen Verzeichnis der Arbeiten des Verfassers“ heraus.

1914 erschien von ihm noch posthum „Die Gesundheit des Kindes. Belehrung für junge Eltern“.

Max Kassowitz, Todesanzeige, Neue Freie Presse, 23.6.1913, S. 13

Quellen:

UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-006, Kassowitz Max (Nationalien Datum: 1862/63).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 170-131a, Kassowitz Max (Rigorosum Datum: 1863).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 181-1124, Kassowitz Max (Promotion Datum: 24.11.1863).

UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 181-624, Kassowitz Max (Promotion Datum: 24.5.1864).

UAW, Rektoratsarchive, Akademischer Senat, Akten-Sonderreihe, S. 304 Personalblätter, Senat S 304.585 Kassowitz Max (14.08.1842-23.06.1913; Kinderheilkunde).

Literatur:

Kassowitz, Max und Carl Hochsinger: Statut für das Erste Öffentliche Kinder-Krankeninstitut in Wien. (Xerokopie). Wien: typ. Engel 1904.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: SA-522]

Kassowitz, Max: Syphilis und Rachitis. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Blätter. Wien: Verlag von L. Bergmann & Comp. 1881.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Kassowitz, Max: Die Phosphorbehandlung der Rachitis. Sonderdruck aus: Zeitschrift für klinische Medizin. Wien: 1883.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 51083]

Kassowitz, Max: Zur Theorie und Behandlung der Rachitis. Aus dem I. Öffentlichen Kinder-Krankeninstitute in Wien. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Verlag von Moritz Perles, Buchhandlung 1889.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Kassowitz, Max: Über Phosphorlebertran. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Presse. Wien: 1901.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 25915]

Kassowitz, Max: Wie steht es mit der Serumbehandlung der Diphtherie? Vortrag. Sonderdruck aus: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: 1895.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: Abschr.48]

Kassowitz, Max: Die Vererbung der Syphilis. Sonderdruck aus: Medizinische Jahrbücher. Wien: Braumüller 1876.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 4328]

Kassowitz, Max: Praktische Kinderheilkunde in 36 Vorlesungen für Studierende und Ärzte. Berlin: Springer 1910.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61367]

Hochsinger, Carl: Die Geschichte des Ersten Öffentlichen Kinder-Krankeninstitutes in Wien, während seines 150jährigen Bestandes 1788-1938. Wien: Verlag des Kinder-Krankeninstitutes 1938.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 10087]

Kassowitz, Max: Allgemeine Biologie. 4 Bände. Wien: Perles 1899-1906.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 30161]

Kassowitz, Max: Welt – Leben – Seele. Ein System der Naturphilosophie in gemeinfasslicher Darstellung. Wien: Perles 1908.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 56373]

Max Kassowitz zur Feier seines siebzigsten Geburtstages von Schülern, Freunden und Verehrern gewidmete Festschrift. Hrsg.: Benjamin Gomperz, Carl Hochsinger und Rudolf Neurath. Berlin: Springer 1912.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 62274]

Kassowitz, Max: Gesammelte Abhandlungen von Max Kassowitz. Mit einem vollständigen Verzeichnis der Arbeiten des Verfassers, einem Portrait und 2 Figuren im Text. Hrsg.: Julie Kassowitz-Schall und August Büttner. Berlin: Springer 1914.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 1930]

Referenzen:

[1] Wiener Zeitung, 22.5.1891, S. 1.

[2] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 38, 1899, Sp. 1737-1739; Nr. 49, Sp. 2265-2268 und 1900; Nr. 8, Sp. 361-365; Nr. 9, 1900, Sp. 418-422

[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 48, 1898, Sp. 2265-2270; Nr. 49, Sp. 2325-2332; Nr. 50, Sp. 2368-2373; Nr. 51

[4] Zeitschrift für Psychologie und Neurologie, H 1/2, 1908, S. 82-95.

[5] Arbeiterwille, 22.12.1901, S. 5.

[6] Arbeiterinnen-Zeitung, Nr. 12, 1901, S. 5-6.

[7] Jahrbuch für Kinderheilkunde und physische Erziehung, 1901, Alkoholismus im Kindesalter, S. 512-541.

[8] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 3, 1904, Sp. 101-107; Nr. 4, Sp. 166-171; Nr. 5, Sp. 225-231; Nr. 6, Sp. 273-279; Nr. 7, Sp. 301-307; Nr. 8, Sp. 349-352.

[9] Die Presse, 30.4.1896, S. 3.

[10] Dokumente der Frauen, Bd. 6, Nr. 22, S. 671.

[11] Neues Frauenleben, März 1904, S. 6.

Normdaten (Person): Kassowitz, Max: BBL: 43821; GND: 116119675;

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BBL:  43821 (29.05..2024)
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Letzte Aktualisierung: 2024 05 29

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