Julius Berdach – Werksarzt, Leiter der Radium-Heilanstalt St. Pölten, NS-Verfolgter
Text: Dr. Walter Mentzel
Julius Berdach wurde am 11. November 1864 in Tyrnau in Ungarn (heute: Trnava/Slowakei) als Sohn von Adam Zadik Berdach und Julie Jittel (1841-1895), geborene Sidon, geboren, und war der Cousin des Mediziners Carl Berdach. Berdach studierte an der Universität Wien Medizin und arbeitete nach der Promotion im Jahr 1891 als Kassenarzt in Wien 2.[1] Von 1895 bis 1910 war er als Gerichtsarzt und Werksarzt im Bergrevier in Trifail (heute: Terbovlje) sowie im Bruderladespital in Trifail als Primararzt und daneben ehrenamtlich als Schularzt tätig. 1908 erschien von ihm ein Artikel zur Schularztfrage in der Steiermark.[2] 1900 erschien von ihm eine Arbeit über die 1898 in Trifail auftretende Meningitis-Epidemie,[3] 1901 seine Studie zu „Zwei Fälle von Stromeyer’sche Verrenkungsbrüche“[4] und 1902 ein Aufsatz „Ein Fall von traumatischer, isolierter Luxation des Metacarpus indicis“.[5] 1904 publizierte er die beiden Arbeiten „Beitrag zur Kenntnis der traumatischen Lucation der Handgelenke“[6] und „Beitrag zur Kasuistik der Interphalanealluxation“.[7]
In der Separata-Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befinden sich fünf Arbeiten von ihm:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]
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Zu Beginn des Ersten Weltkrieges leitete er zunächst das Militärspital in Stockerau, wohin er auch seine private Arztpraxis verlegte. Danach war er ab 1916 als Chefarzt im Flecktyphusspital in Gröding und zuletzt im Kriegsspital in St. Pölten im Einsatz. Hier arbeitete er ab 1916 auch als Kassenarzt.[8] 1925 wurde er mit der Leitung des im selben Jahr eröffneten Radium-Heilanstalt in St. Pölten betraut.[9] In den frühen 1930er Jahren hielt er Radiovorträge im Rahmen der Sendereihe „Stunde der Kammer für Arbeiter und Angestellte“.[10] 1935 erhielt er den Titel eines Medizinalrates.[11]
Julius Berdach und seine Familie waren jüdischer Herkunft und wurden im Juni 1938 von St. Pölten nach Wien zwangsumgesiedelt, wo er mit seiner Ehefrau Olga (1865-1942) und seinem Cousin Carl Berdach in einer Sammelwohnung in Wien 1, Neutorgasse 15/7 lebte und von wo sie gemeinsam am 14. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurden. Julius Berdach wurde am 16.3.1943, seine Ehefrau Olga am 15.11.1942 ermordet. Seine Tochter Michaela Ellyson (Edelstein) (*17.1.1893) sowie deren Tochter Daisy Agnes (*16.3.1920 Wien), die zuletzt ebenfalls in einer Sammelwohnung in Wien 1, Neutorgasse 15 lebten, wurden am 17. Juli 1942 in das KZ Auschwitz deportiert und ermordet.
Quellen:
AUW, Med. Fak, Nationalien/Studienkataloge (1862-1938), Sign. 134, Zl. 223 Berdach Julius (Nationalien Datum 1886/87).
AUW, Med. Fak, Promotionsprotokoll (1890-1894), Sign. 187, Zl. 456, Berdach Julius (Promotion 23.12.1891)
ÖStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA, Zl. 8.903, Berdach Julius (11.11.1864).
Olga, geborene Reiner. Geb. 12.2.1865 Wien.
Memorbuch: Juden in St. Pölten.
Arolsen-Archiv, Inhaftierungsdokumente, Deportationen und Transporte, Deportationen aus dem Gestapobereich Wien (1939-1945), Transport 31: Deportation von Wien nach Theresienstadt, 14.07.1942 (Berdach Julius und Olga).
Opferdatenbank: Ghetto Theresienstadt: Berdach Julius.
[1] Wiener Medizinische Wochenschrift. 20.2.1892. Sp. 329.
[2] Grazer Tagblatt. 2.9.1908. S. 4.
[3] Internationale klinische Rundschau. Nr. 8. 1901. S. 133.
[4] Wiener Klinische Wochenschrift. 19.9.1901. S. 892-894.
[5] Wiener Klinische Wochenschrift. 11.9.1902. S. 940-942.
[6] Wiener Klinische Wochenschrift. 25.2.1904. S. 215-218.
[7] Wiener Klinische Wochenschrift. 29.9.1904. S. 1033-1034.
[8] St. Pöltner Bote. 6.7.1916. S. 5.
[9] St. Pöltner Bote. 16.7.1925. S. 4.
[10] Radio Wien. 30.1.2.1932. S. 48.
[11] Wiener Medizinische Wochenschrift. 6.4.1935. Sp. 423.