Silberstern, Ernst – Assistent an der II. Medizinischen Klinik im AKH Wien, Polizeiarzt in Wien, NS-Verfolgter
Autor: Dr. Walter Mentzel
Published online: 20.06.2024
Keywords: II. Medizinische Klinik im AKH Wien, Polizeiarzt, Polizeispital, NS-Verfolgter, Medizingeschichte, Wien
Ernst Silberstern war der Sohn des aus Goltsch bei Jenkau in Böhmen stammenden Polizeiarztes in Wien Philipp Silberstern (1863-1942), und der aus Prag stammenden Olga (-1942), geborene Schlosser, und wurde am 28. Juli 1898 in Wien geboren. 1933 heiratete er Helene Modry (1916-1958).
Silberstern studierte seit dem Wintersemester 1918/19 an der Universität Wien Medizin und promovierte am 23. Dezember 1922. Danach arbeitete er als Assistent an der II. Medizinischen Universitätsklinik im Allgemeinen Krankenhaus in Wien bei Professor Norbert Ortner (1865-1935), bei dem er schon 1921 gemeinsam mit Alfred Luger (1886-1938) den Aufsatz „Das Krankheitsbild der experimentellen herpetischen Allgemeininfektion des Kaninchens“ publizierte. 1925 veröffentlichte er mit S. Singer „Ueber tumorartiges Aussehen der Tuberkulose im Röntgenbilde“ und mit Ernst Lauda (1892-1963) „Zur Frage der serologischen Beziehungen zwischen Zoster und Varizellen“, und im selben Jahr mit Fritz Erdstein (1898-?) noch den Aufsatz „Zur Kongorubinreaktion im Serum“.[1] 1926 publizierte er an der II. Medizinischen Universitätsklinik die Arbeit „Zur Histologie des spontanen Maussarkoms mit einem Beitrag zur Frage der oxychromatischen Degeneration der Zellkerne“ und 1927 wieder gemeinsam mit Luger der Aufsatz „Die Untersuchung des menschlichen Stuhles im polarisierten Lichte“.
Polizeiarzt
Im Jänner 1928 trat er als Beamtenanwärter und provisorischer Polizei-Sanitäts-Kommissär in den ärztlichen Dienst der Polizeidirektion Wien ein. Nach Ablegung seiner Physikatsprüfung im Jänner 1930 wurde er in ein Beamtenverhältnis aufgenommen, und nachdem er an verschiedenen Bezirkskommissariaten seinen Dienst verrichtet hatte, in das Wiener Polizeispital übernommen, wo er bis 13. März 1938 als Polizei-Sanitäts-Kommissär dem polizeiärztlichen Dienst angehörte.
Hier an der medizinischen Abteilung des Polizeispitals Wien unter der Leitung von Gustav Felsenreich (1888-1949) veröffentlichte er 1929 „Über einen Fall von akuter Enteritis mit protozoärer Mischfauna und Vorherrschen von Limaxamöben im Stuhlbilde“ und am Polizeispital zusammen mit der II. Medizinischen Universitäts-Klinik „Studien zur Frage der Darmspirochäten“.
Im selben Jahr erschien von ihm gemeinsam mit Victor Kollert (1887-1933), Alfred Luger, Carl Paschkis (1896-1961) und Ph. Rezel die Arbeit „Klinische Epikrisen zugleich Beiträge zur Differentialdiagnose. I. Abdominelle Krankheitszustände“ in den Abhandlungen aus dem Gebiet der Medizin. 1932 publizierte er „Untersuchungen über die Fehlergröße bei der Differentialzählung der Leukozyten im gefärbten Ausstrich und deren in der Verteilung derselben gelegenen Ursachen“, 1934 gemeinsam mit Lydia N. Pechterewa an der II. medizinischen Klinik „Ein Beitrag zur Frage der lymphatischen Reaktion (lymphatisches Blutbild bei einem Fall von Mastdarmkrebs)“,[2] 1935 „Die rechtlichen Grundlagen zur Internierung Suchtkranker“,[3] und 1936 in der Zeitschrift „Öffentliche Sicherheit Artikel „Schutz und erste Hilfe bei Gasvergiftungen“.[4]
In den 1930er Jahren war er noch als Arzt am Knabenwaisenhaus in Wien 19 tätig, hier erschien von ihm 1937 der Aufsatz „Zur Unterstützung des Ernährungszustandes bei Kinder“.[5] Silberstern gehörte als Mitglied der Gesellschaft für Innere Medizin in Wien und der Gesellschaft der Ärzte in Wien an.
Nach dem „Anschluss“ im März 1938 waren Silberstein und seine Familie wegen ihrer jüdischen Herkunft der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Silberstern wurde von der Gestapo inhaftiert und verpflichtet sich, nach seiner Haftentlassung am 12.11.1938, das Land zu verlassen. Im März 1939 kam es mit Verfügung des Reichsstatthalters in Wien vom 23.2.1939 gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums (GBL. f. Österreich, Nr. 160/1938) unter Ausschluss jeder Rechtsmittel zu seiner Versetzung in den dauernden Ruhestand. Im Mai 1939 gelang Silberstern mit seiner Ehefrau die Flucht aus Österreich nach Australien, wo er im März 1945 die britische Staatsbürgerschaft annahm. Er arbeitete in Australien am Westwood Memorial Hospital und Sanatorium und später als leitender Arzt an der Rockhampton Hospital Chest Clinic in Queensland. 1941 verlor er aufgrund des Reichsbürgergesetztes von 25.11.1941 seine österreichische Staatsangehörigkeit.
Ab 1950 machte Silberstein gegenüber der Republik Österreich aufgrund der 1938/39 erfolgten dienstrechtlichen Maßregelungen Ansprüche geltend. Zuletzt suchte Silberstern 1954 beim Bundesministerium für soziale Verwaltung entsprechend der Berufsbeamtenverordnung gemaßregelter Beamter zur Wiederherstellung des österreichischen Berufsbeamtentums (Beamten-Überleitungsgesetz, StGBl. 134/1945) an. Es ging um seine Rehabilitierung seiner Berufstätigkeit und die Gewährung seiner dienstrechtlichen Ansprüche (Ruhestandsbezüge, Zuerkennung von Beförderungen u.a.) und bereits fällig gewordener Ruhestandsbezüge aus seiner Tätigkeit bei der Polizeidirektion Wien bis 1938. Sein Antrag blieb ihm aufgrund seiner britischen Staatsbürgerschaft zunächst versagt, schließlich erhielt er eine Entschädigung nach dem Beamtenentschädigungsgesetz.
Ernst Silberstern verstarb am 5. April 1960 in Queensland.
Quellen:
Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1898, Silberstern Ernst.
Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch 1933, Silberstern Ernst, Modry Helene.
UAW, UAW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0844, Silberstern Ernst (Nationalien Datum: 1918/19).
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 196-0731, Silberstern Ernst (Rigorosum Datum: 21.12.1922).
UAW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 192-1402, Silberstern Ernst (Promotion Datum: 23.12.1922).
ÖStA, BMsV, AV, Zl. 16.813-25/1954, Silberstern Ernst.
Literatur:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
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[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Gesellschaft der Ärzte Bibliothek, Sign.: GÄ-21161]
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]
Referenzen:
[1] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 32, 1925, Sp. 1858-1862.
[2] Wiener Archiv für innere Medizin, Teil 3, 1929, S. 47-66.
[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 3, 1935, S. 73-74.
[4] Öffentliche Sicherheit, Nr. 2, 1936, S. 4.
[5] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 30, 1937, S. 806.
Normdaten (Person): Silberstern, Ernst: BBL: 43967 ; GND: 1331711045;
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Letzte Aktualisierung: 2024 06 20