Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [136]: Max Jerusalem: Chirurg und Primarius am chirurgischen Ambulatorium der Wiener Bezirkskrankenkasse

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [136]:

Max Jerusalem: Chirurg und Primarius am chirurgischen Ambulatorium der Wiener Bezirkskrankenkasse

Text: Dr. Walter Mentzel

Max Jerusalem war Chirurg und Primarius am chirurgischen Ambulatorium der Wiener Bezirkskrankenkasse in Wien 9 und widmete sich insbesondere der Behandlung der Tuberkulose. Er war vor dem Ersten Weltkrieg Studienautor von Ludwig Teleky im Rahmen des Seminars Soziale Medizin.

Max Jerusalem wurde am 22. Jänner 1873 in Treunitz in Böhmen (heute: Dřenice/Tschechien) als Sohn von Bernhard Jerusalem und Bozena Bär geboren. Jerusalem studierte an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien Medizin und schloss das Studium 1897 mit seiner Promotion ab. Während seines Studiums engagierte er sich in der jüdisch-akademischen Verbindung „Unitas“,[1] gründete 1899 den jüdisch-akademischen Turnverein und war Funktionär im Ersten Wiener jüdischen Turnverein Makkabi 9.[2]

Nach dem Studium arbeitete er als Aspirant im k.k. Franz-Josefs-Spital. Hier publizierte er 1901 „Ein Fall von verästigter Knochenbildung in der Lunge,[3] und 1902 „Über die Beziehungen zwischen Menstruation und Erysipel“.[4] Nach seinem Wechsel in das chirurgische Ambulatorium der Wiener Bezirkskrankenkasse veröffentlichte er 1906 den Artikel zu der „Biersche Stau und Saugbehandlung in der Kassenpraxis,[5] 1908 seine Arbeit „Ein Fall von Fistula oesophago-cervicalis,[6] 1909 „Ein Fall von totaler Epispadie der Urethra,[7] 1910 „Die Behandlung der Appendizitis vor und nach der Operation“[8] und 1912 „Technisches zur Beckschen Wismutbehandlung tuberkulöser Fisteln und Abszesse“.[9]

Als Teilnehmer des Seminars von Ludwig Teleky und Studienautor publizierte er 1910 eine Studie, die er am chirurgischen Ambulatorium der Wiener Bezirkskrankenkassen durchführte:

Jerusalem, Max: Über einige typische traumatische Erkrankungen der Bau- und Industriearbeiter. In: Wiener Arbeiten aus dem Gebiete der sozialen Medizin. H. 1. 1910.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]

Jerusalem widmete sich besonders der Bekämpfung der Tuberkulose, u.a. bemühte er sich um die Finanzierung zum Aufbau einer Sonnenheilstätte für die Sonnenlichtbehandlung der chirurgischen Tuberkulose, wozu er 1914 in der Allgemeinen Wiener medizinischen Zeitung eine Artikelserie zu „Die Sonnenbehandlung der chirurgischen Tuberkulose im Kindes- und jugendlichen Alter (Nr. 34, 25.8.1914), (Nr. 35, 1.9.1914), (Nr. 36, 9.9.1914)“ veröffentlichte. 1917 publizierte er seine Arbeit „Das Schicksal der Kopfverletzten im Kriege“ anlässlich seines Referates in der Militärgarnison in Jaroslau in Galizien, wo er nach seiner Tätigkeit als Vorstand der chirurgischen Abteilung des Reservespitals Nr. 3 in Wien als Militär- und Regimentsarzt stationiert war.[10]

Nach dem Krieg nahm er wieder seine Tätigkeit in seiner Ordination in Wien 9, Mariannengasse 15 und im Ambulatorium der Krankenkasse Wien auf und publizierte weiterhin in medizinischen Fachzeitschriften, darunter 1921 zu „Neue Richtlinien in der Therapie der chirurgischen Tuberkulose“,[11] 1925 zu „Erfahrungen mit Tutocain in der Krankenkassen-Chirurgie,[12] oder 1935 zur „Die ,soziale Indikation‘ in der Therapie der Knochen- und Gelenkstuberkulose.“[13] 1922 nahm er am vierten und 1924 am sechsten österreichischen Tuberkulosetag teil.[14] Jerusalem war Mitglied des jüdischen Nationalfonds (Keren Kajemeth) und des „Ring der Alt-Herren-Verbände der zionistischen Verbindungen“.[15] In den 1920er und 1930er Jahren hielt er populärwissenschaftliche Vorträge zur Gesundheitspflege an den Wiener Volksbildungsstätten sowie in jüdischen Organisationen.

Max Jerusalem arbeitete nach dem „Anschluss“ im März 1938 im Spital der Israelitischen Kultusgemeinde, dem Rothschild-Spital. Nach seiner Entlassung aus dem Personalstand des Spitals aufgrund der von den Nationalsozialisten erfolgten Weisung beging Max Jerusalem kurz vor seiner bevorstehenden Deportation in das Ghetto Theresienstadt am 13. September 1942 in seiner Wohnung in Wien 9, Mariannengasse 15 Suizid. Seine Ehefrau Julie, geborene Fürth, beging drei Tage später am 16. September 1942 Suizid. An die Familie Jerusalem erinnert heute ein Stolperstein in der Mariannengasse 15.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch 1902, Jerusalem Max, Fürth Julie.

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosenprotokoll, Sign. 195-151a, Jerusalem Max (Rigorosum 29.1.1897).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 188-762, Jerusalem Max (Promotion 10.2.1897).

DÖW, Datenbank österreichischer Shoah-Opfer und Todesopfer politischer Verfolgung 1938 bis 1945 sowie von der GESTAPO Wien erkennungsdienstlich erfasster Männer und Frauen: Max und Julie Jerusalem.

[1] Die Neuzeit. 20.3.1896. S. 2.

[2] http://juedische-sportfunktionaere.vga.at/jso/view/1018

[3] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung. 29.5.1901. S. 246-247 und 4.6.1901. S. 256-257.

[4] Wiener klinische Rundschau. 16.11.1902. S. 881-883.

[5] Wiener klinische Rundschau. 10.6.1906. S. 433-436.

[6] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 31. 1908. Sp. 1737-1738.

[7] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 16. 1909. Sp. 867-870.

[8] Wiener klinische Rundschau. 20.11.1910. S. 735-738.

[9] Wiener klinische Rundschau. 24.11.1912. S. 787-740.

[10] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 24. 1917. Sp. 1053-1058.

[11] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 23. 1921. S. 1008-1011; Nr. 25. 1921. Sp. 1120-1121.

[12] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 27. 1925. S. 1607-1608.

[13] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 29/30. 1935. S. 807-809.

[14] Neue Freie Presse. 11.5.1922. S. 23; Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 19. 1924. S. 985.

[15] Gerechtigkeit. 26.12.1935. S. 2.

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