Segel, Isaak Eisig – Gründer der medizinischen Zeitschriften „Medizin für Alle“ und „Ars Medici“ sowie der Sauerstoff-Behandlungsstätte „Ozonion“ in Wien
Text: Walter Mentzel
Isaak Eisig Segel wurde am 24. März 1870 in Lopuszna bei Rohatyn in Galizien (heute: Lopushnya, Iwano-Frankiwsk/Ukraine) geboren. Sein Bruder war der Journalist, Schriftsteller und Ethnologe Binjamin Segel (1866-1931), der 1924 mit seinem Buch „Die Protokolle der Weisen von Zion kritisch beleuchtet. Eine Erledigung“, diese als antisemitische Fälschungen aufdeckte. Das 1890/91 begonnene Studium der Medizin an der Universität Wien schloss Segel im März 1898 mit seiner Promotion ab. Danach arbeitete er im Allgemeinen Krankenhaus und war daneben in Wien als praktischer Arzt tätig. Später trat er als Assistent von Moriz Benedikt (1835-1920) in die Wiener Allgemeinen Poliklinik ein. Schon unmittelbar nach seinem Studienabschluss beschäftigte er sich mit der Elektro- und Hydrotherapie.
Sauerstoff-Inhalationsstätte „Ozonion“
1909 gründete er an seinem Wohnort Wien 9, Spitalgasse 1a die Sauerstoff-Inhalationsstätte „Ozonion“, in der er u.a. nach seinen Vorbildern Ernst Viktor von Leyden (1832-1910), Norbert Ortner (1865-1935) und Eduard Hagenbach-Burckhardt (1840-1916) eine Sauerstoff-Therapie anbot und dazu auch eine eigene Kinderabteilung einrichtete. Im Rahmen dieser Tätigkeit gab er auch die „Mitteilungen“ der Anstalt heraus.[1]
Segel als Redakteur und Herausgeber von Fachzeitschriften
Seit 1903 (bis 1910) erschien die von dem Universitätsdozenten Alexander Pilcz (1871-1954) und dem damaligen Assistenten der I. psychiatrischen Universitätsklinik in Wien, Erwin Stransky (1877-1962) im Verlag der Genossenschafts-Buchdruckerei herausgegebene „Österreichische Krankenpflege-Zeitung. Organ für die Gesamt-Interessen des Krankenpflegeberufes“ bei der Isaak Segel von 1903 bis 1910 die Redaktion inne hatte. Sie erschien zunächst zwischen 1905 und 1907 als Beilage zum „Medizinisch-chirurgischen Zentralblatt, Organ der praktischen Ärzte“ und zwischen 1909 und 1910 auch als Beilage zu „Medicinische Blätter, Wochenschrift für die gesamte Heilkunde“. Auch für diese Zeitschriften hatte Segel einige Jahre die Redaktion inne.
„Die Medizin für alle“
Ab Jänner 1906 war er Herausgeber und Redakteur der von ihm gegründeten Zeitschrift „Die Medizin für Alle“. Sie erschien monatlich und wandte sich im Stil einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift mit einem weiten Spektrum an medizinischen Themen in leicht verständlicher Form eines Ratgebers an breite Bevölkerungsgruppen und versuchte gleichzeitig dem weitverbreiteten pseudo-medizinischen Halbwissen durch Aufklärungsarbeit und Information entgegenzutreten. Neben Ärzt*innen und Mediziner*innen publizierten hier Personen, die in verwandten Berufsfeldern tätig waren, aber auch Schriftsteller*innen u.a. Die Zeitschrift galt durch ihren thematischen Mix und der Breite der Autor*innenschaft als einzigartig. Sie behandelte sozialreformerische Themen, vor allem aber jene zu dieser Zeit noch an den Randgebieten der Medizin sich befindenden Arbeitsfeldern, wie beispielsweise die Ernährungswissenschaft und Nahrungsmittelkunde. Dafür stehen u.a. der Artikel vom Mitarbeiter der Allgemeinen Untersuchungsanstalt des hygienischen Institutes und des späteren Leiters der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Bertram Hiemesch, sowie der Kücheninspektorin und Sachverständigen für Lebens- und Genussmittel Marianne Stern. Größeren Platz nahmen Abhandlung zur Hygiene, der Krankenpflege, der Sporthygiene und der Sportmedizin ein, oder Hilfestellungen wie für Brillenträger und der Behandlung von Fieber. Als Autoren waren Mediziner der Wiener medizinischen Schule wie Moriz Benedikt (1835-1920), Salomon Ehrmann (1854-1926), Abraham Josef Eitelberg (1848-1919), Karl Ullmann (1860-1940) Wilhelm Winternitz (1834-1917), Theodor Escherich (1857-1911), Ernst Finger (1856-1939), Siegmund Exner-Erwarten (1846-1926) vertreten, wie auch international renommierte Mediziner wie der Dermatologe Jean Alfred Fournier (1832-1914) oder der Immunologe und Serologe Emil von Behring (1854-1917). Daneben finden sich Artikel zur Sozial- und Sexualreform von Grete Meisel-Heß (1879-1922), des Sexualforschers Ellis Havelock (1859-1939), des Psychiaters, Sozialreformers und Gehirnforschers Auguste Forel (1848-1931) oder des Psychiaters, Schriftstellers und Mitgliedes der „Psychologischen Mittwochgesellschaft“ Hugo Schwerdtner (1975-1936). Ebenso waren Themen der Jugendfürsorge und der Pädagogik prominent vertreten, wie durch den Leiter des im Schlössel im Kahlenbergerdorf untergebrachten Kinderasyl „Humanitas“, des Pädagogen Viktor Zwilling (1861-1931), oder durch die in der Jugendfürsorge wirkende Frauenrechtsaktivistin Henriette Herzfelder (1865-1927). Hinzu kamen Autoren wie der italienische Gerichtsmediziner Cesare Lombroso (1835-1909), oder der Schriftsteller Henryk Sienkiewicz (1846-1916) und der Gründer der Interparlamentarischen Union und Friedensaktivisten Frederic Passy (1822-1912), der 1910 in der Zeitschrift einen Artikel zu „Ehe und Bevölkerung“ publizierte.
Nach dem Tod von Isaak Segel wurde die Zeitschrift von einem Verlag erworben. Die Redaktion übernahm der Mediziner Ferdinand Steiner; er war Mitglied der Wiener Ortsgruppe des Bundes für Mutterschutz, dessen Präsident Hugo Klein (1863-1937) war. Steiner führte die neue Zeitschrift nunmehr unter dem Titel „Die Medizin für Alle. Wiener populär-medizinische Monatsschrift. Organ für medizinische Volksaufklärung“ weiter.[2]
Impfstation
Im September 1907 errichtete Segel in der Redaktion der Zeitschrift eine Impfstation, wo er unentgeltlich diverse Impfkampagnen wie jene gegen die Blattern-Epidemie im September 1907 anbot.[3]
„Ars Medici“
Segel war der Gründer, der ab Jänner 1911 erscheinenden medizinischen Zeitschrift „Ars medici. Das Organ des praktischen Arztes“. Ziel dieser Zeitschrift war es praktischen Ärzt*innen für ihre spezifischen Arbeitsgebiete aktuelle Informationen und Hilfestellungen zu geben und deren Fragen zu reflektieren. Segel selbst publizierte 1911 in der Ars Medici als Sonderdruck die Arbeit „Sauerstoffklysmen bei Diarrhoe. Aus Dr. Segels Sauerstoff-Behandlungsstätte, „Ozonion“ in Wien“. Diese Publikation befindet sich heute in der Separata Bibliothek der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin.
Titelblatt der ersten Nummer der Zeitschrift „Ars medici“
Isaak Segel verstarb am 28. September 1913 in Wien, Spitalsgasse 1a. Sein Bruder Binjamin Segel publizierte 1915 ein Buch mit dem Titel „Morija und Golgotha. Zum Andenken meines Bruders Dr. med. Isaak Segel“.
Sowohl seine Sauerstoff-Inhalationsstätte am Standort Spitalgasse 1a, als auch die an diesem Standort herausgegebene Zeitschrift „Ars medici“ wurden nach dem Ableben von Segel vom Mediziner Max Ostermann bis 1938 in Österreich und nach dessen Flucht vor den Nationalsozialisten in der Schweiz weitergeführt.
Quellen:
AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0423, Segel Isak Eisig (Nationalien Datum 1890/91).
AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0492, Segel Isak (Nationalien Datum 1894/95).
AUW, Med. Fak., Promotionsprotokoll, Sign. 188-1124, Segel Isaac Eisig (Rigorosum Datum 29.3.1898).
AUW, Med. Fak., Promotionsprotokoll, Sign. 188-1124, Segel Isak (Promotion Datum 31.3.1898).
Friedhofsdatenbank der IKG Wien, Segel Isak.
Literaturliste:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Seprata Bibliothek]
Keywords:
Ars medici, Medizin für alle, Herausgeber, Isak/Isaak Eisig Segel, Publizist, Redakteur, Sauerstofftherapie, Arzt, Wien
[1] Neue Freie Presse. 5.12.1909. S. 11; Die Zeit. 29.12.1909. S. 49.
[2] Mitteilungen des Österreichischen Bundes für Mutterschutz. H. 3. 1914. S. 4.
[3] Arbeiter-Zeitung. 8.9.1907. S. 6.
Normdaten (Person) Segel, Isak Eisig: BBL: 39223; GND: 1033584185;
Bitte zitieren als VAN SWIETEN BLOG der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, BBL: 39223 (20.06.2022); Letzte Aktualisierung: 2022 06 20
Online unter der URL: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=39223