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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [79]: Mediziner in der Revolution 1848: Kapper, Siegfried: Dissertatio Inauguralis Medico-Practica…In Theses adnexas disputabitur in aedibus Universitatis die 2. Mensis Januarii 1847

Mediziner in der Revolution 1848 – Siegfried Kapper

Text: Dr. Walter Mentzel

Siegfried Salomon Kapper gehörte zu den aktivsten und engagiertesten Medizinern während der 1848er Revolution in Wien. Er nahm am 13. März 1848 an der Versammlung im niederösterreichischen Landhaus teil, auf der Adolf Fischhof (1816-1893) seine Rede zur Pressefreiheit hielt und wurde in jene Delegation gewählt, die als Deputation vor den Ständen im Landhaus die Forderungen der Revolutionäre vertreten sollte. Er war Mitglied der Nationalgarde, in den Führungsorganen der Akademischen Legion tätig, und verfasste als Journalist zahlreiche Artikel mit der er die Revolution zu unterstützen und mit seinen Gedichten („Voran“, „Chorgesang der Wiener Studentenlegion“, „Auferstehung“, „Das Schmelzer Grab“, „Befreite Lieder“, „Dem jungen Österreich“) voranzutreiben versuchte. Kapper veranstaltete 1848 am „Theater an der Wien“ ein Feierkonzert mit, aus dessen Reinerlös die Errichtung des Denkmales für die „Märzgefallenen“ finanziert werden sollte. Im Juni 1848 kandidierte er für die erste Volksvertretung Österreichs, den konstituierenden Reichstag.[1] Ebenso nahm er als Mediziner im ärztlichen Dienst in einem Notspital im Wiener Augarten an den Oktoberkämpfen um Wien teil. Danach arbeitete er für Zeitungen in denen er über die weitere Entwicklung und über die Niederschlagung der Revolution berichtete. Seine zeitgenössischen Darstellungen und Berichte zählen heute noch zu den detailliertesten und durch ihre Informationsdichte sich auszeichnenden Arbeiten zu den Ereignissen von 1848.

Siegfried Kapper. Lithographie von Eduard Kaiser. 1848.

Siegfried (Isaac Salomon) Kapper wurde am 21. März 1820 als eines von neun Kindern des jüdischen Lehrers Joseph Hermann Kapper (1775-1845) und der Sara Franziska, geborene Rosenball, in Smíchov in Prag geboren. Er war mit Anna Hartmann, der Schwester seines Studienkollegen und Freundes Moritz Hartmann (1821-1872), der ebenfalls an der Revolution von 1848 in Wien teilnahm und als dessen Chronist gilt, verheiratet. Nachdem er zunächst zwischen 1836 und 1839 an der Prager Universität Philosophie studiert und danach ein Jahr lang in Russland als Hauslehrer gearbeitet hatte, begann er 1841 an der Universität Wien mit dem Studium der Medizin, das er 1847 mit der Promotion u.a. bei Carl von Rokitansky (1804-1878), Josef Skoda (1805-1881) und Ernst von Feuchtersleben (1806-1849) abschloss. Bereits während seines Studiums war er schriftstellerisch tätig und veröffentlichte in einer Reihe von Zeitungen (Österreichisches Morgenblatt[2], Sonntags-Blätter[3], Bohemia, Constitutionelles Blatt, Wiener Zeitung u.a.), schrieb Libretti für Opern und begann sich mit der tschechischen und südslawischen Literatur und deren Übersetzung zu beschäftigten. Daneben schrieb für jüdische Zeitschriften (Kalender und Jahrbuch für Israeliten/1845, 1847) und publizierte sogenannte jüdische Ghettoliteratur. Er gilt als ein prominenter Vertreter des deutsch-tschechischen Judentums.[4]

Von ihm besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin seine 28 Seiten umfassende, im Jahr 1847 an der Universität Wien approbierte Dissertation, die er dem Wiener Arzt Dr. Johann Joseph Tedesco (1803-1870) widmete und in der er sich mit der Wirkung der Heilquelle im Kurort Gleichenberg befasste.

Kapper, Siegfried: […] De Fonte Constantino Gleichenbergensi, […]. Wien: Typis Carolii Ueberreuter 1847.


Titelblatt: Kapper: […] De Fonte Constantina Gleichenbergensi, […]. Wien: 1847.

Im Jahr seiner Promotion übersiedelte Kapper von Wien in das heutige Kroatien, wo er sich in Karlstadt (heute: Karlovac) niederließ und eine Arztpraxis eröffnete. Im Februar 1848 kam er zunächst auf einer Durchreise nach Wien und nahm angezogen von den Ereignissen an der Freiheitsbewegung teil. Trotz seines maßgebenden Engagements wurde er nach der Niederschlagung der Revolution am 9. November 1848 in die Medizinische Fakultät aufgenommen und konnte weiterhin als Arzt in Karlstadt seine Arbeit verrichten. Von hier aus unternahm er in den folgenden Jahren mehrere ausgedehnte Reisen durch das südliche Ungarn und die slawischen Gebiete des Osmanischen Reichs (Bosnien, Herzegowina, Montenegro und Serbien), die sich in zahlreichen ethnografischen, kultur- und literaturhistorischen Werken und Reiseberichten niederschlugen. Daneben belegte er 1849 an der Medizinischen Fakultät einen praktischen Kurs zur Geburtshilfe, den er 1850 abschloss, und erhielt 1851 sein Zeugnis über das Rigorosum im Fach Chirurgie, das er bei Johann Dumreicher (1815-1880) absolviert hatte. 1854 übersiedelte Kapper nach Böhmen und ließ sich in Dobris in der Nähe von Prag nieder. Nachdem er 1859 am österreichisch-italienischen Krieg als Feldarzt in einem Militärspital in Verona teilgenommen hatte, arbeitete er ab 1860 wieder als Arzt in Jungbunzlau und ab 1867 in Prag. Neben seinem Beruf als Arzt war er stets schriftstellerisch tätig. Seine Werke werden heute „wiederentdeckt“ und neu aufgelegt. Kappers Verdienst als Schriftsteller war u.a. die südslawische Literatur in die deutsche Sprache zu übersetzen und sie im deutschsprachigen Raum zu etablieren. Er verstarb am 7. Juni 1879 während eines Kuraufenthaltes in Pisa in Italien, wo er auch beerdigt wurde.

Quellen:

AUW, Med. Fak., Dekanat, Rigorosenprotokolle (1821-1871), Sign. 170-121a, Kapper Siegfried (Rigorosum Datum 1846).

AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Promotionsprotokoll 1840-1854, Sign. 176-589, Kapper Siegfried (Promotion Datum 26.1.1847).

AUW, Med. Fak., Dekanat, Rigorosenprotokolle (1821-1871), Sign. 170-123r, Kapper Siegfried (Rigorosen Datum 1851).

Donath, Oskar: Siegfried Kapper als Ghettodichter. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums. H. 9/10 (September/Oktober). 1912. S. 513-545.

Kapper, Siegfried. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. (Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica, Band 13:). München 2005, S. 257–266.

Literaturliste:

Kapper, Siegfried: Dissertatio Inauguralis Medico-Practica De Fonte Constantino Gleichenbergensi, Quam Consensu Et Auctoritate Illustrissimi Ac Magnifici Domini Præesidis Ac Directoris, Perillustris Ac Spectabilis Domini Decani nec non Clarissimorum Ac Celeberrimorum D. D. Professorum pro Doctoratus Medicinae Laurea rite obtinenda in antiquissima ac celeberrima Universitate Vindobonensi publicae disquisitioni submittit Segofredus Kapper, e Smichow in Bohemia. In Theses adnexas disputabitur in aedibus Universitatis die 2. Mensis Januarii 1847. Wien: Typis Carolii Ueberreuter 1847.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/historische Dissertationsbibliothek, Sign.: D-2937]

Keywords:

1848, Adolf Fischhof, Carl von Rokitansky, Dissertation, Ernst von Feuchtersleben, Johann Dumreicher, Jospeh Skoda, Mediziner, Revolution, Schriftsteller, Siegfried Kapper, Wien, Arzt

[1] Wiener Zeitung. 28.6.1848. S. 2.

[2] Österreichisches Morgenblatt. 27.2.1841. S. 1.

[3] Sonntags-Blätter für heimathliche Interessen. 10.4.1842. S. 1.

[4] Donath, Oskar: Siegfried Kapper als Ghettodichter. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums. H. 9/10 (September/Oktober). 1912. S. 513-545.

Normdaten (Person) Kapper, Siegfried : BBL: 31287; GND116053755

Bio-bibliografisches Lexikon (BBL)/Liste aller Beiträge der VS-Blog-Serie: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [73]: Revolution 1848: Der Revolutionär und Mediziner Adolf Fischhof im Revolutionsjahr 1848 und seine 1845 am Josephinum vorgelegte Dissertation: Fischhof, Adolf

Revolution 1848: Der Revolutionär und Mediziner Adolf Fischhof im Revolutionsjahr 1848 und seine 1845 am Josephinum vorgelegte Dissertation: Fischhof, Adolf: Dissertatio Inauguralis Medica De Pilorum Defluvio, Quam Consensu Et Auctoritate Illustrissimi Ac Magnifici Domini Praesidis Ac Directoris, Perillustris Ac Spectabilis Domini Decani, Nec Non Clarissimorum Ac Celeberrimorum D.D. Professorum Pro Doctoris Medicinae Laurea Nummisque In Arte Medica Honoribus Et Privilegiis Rite Obtinendis In Antiquissima Ac Celeberrima Universitate Vindobonensi Publicae Eruditorum Disquisitioni Submittit Adolphus Fischhof, Hungarus Pestinensis. In theses adnexas disputabitur in aedibus Universitatis die […] mensis […] 1845. Wien: Typis Josephi de Hirschfeld 1845.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/ Medizinhistorische Dissertations-Bibliothek, Sign.: D2464]

http://webapp.uibk.ac.at/alo/cat/card.jsp?id=8417362&pos=0&phys=

Text: Dr. Walter Mentzel

Ärzte und Studenten an der Medizinischen Fakultät und am Josephinum waren in Wien an der Revolution von 1848 der Größe ihrer Berufs- und Standesgruppe nach überproportional vertreten. Sie nahmen für ihr Engagement politische und soziale Veränderungen herbeizuführen und ihrem Eintreten für Reformen der Universitätsausbildung und der Wissenschaftsorganisation ihre berufliche und bürgerliche Existenz in Kauf. Manche mussten aus Österreich fliehen, wurden in Abwesenheit zum Tode verurteilt, oder verloren ihre staatsbürgerlichen Rechte, die sei meist erst 20 Jahre später – zu Beginn der „liberalen Ära“ – mit dem im Staatsgrundgesetz von 1867 („Dezemberverfassung“) enthaltenen Grundrechtskatalogen wiedererlangten.

Abb.: 1 Adolf Fischhof

Einer von ihnen war der bis in die Märztage 1848 weitgehend unbekannte Sekundararzt am Wiener Allgemeinen Krankenhaus, Adolf Fischhof (*8.12.1816 Ofen (Budapest), gest. 23.3.1893 Emmersdorf/Klagenfurt). Fischhof, der aus einer armen jüdischen Familie stammte und zwischen 1836 und 1844 in Wien an der Medizinischen Fakultät studierte, formulierte in einer öffentlichen Ansprache am 13. März 1848 im niederösterreichischen Landhaus vor einer Versammlung von Demonstranten das Programm der Revolution: Pressefreiheit, Geschworenengerichte, Freiheit der Lehre und das Zusammenwirken aller Nationen Österreichs. Mit seiner Rede erreichte er nicht nur eine immense öffentliche Bekanntheit, sondern wurde in den folgenden Monaten zu einer der führenden Persönlichkeiten der Revolution von 1848. Der Medizinhistoriker Isidor Fischer (1868-1943) schrieb 1935 in seiner Arbeit zu „Wiens Mediziner und die Freiheitsbewegung des Jahres 1848“ dazu: „Es war das erste freie Wort, das in Österreich gesprochen worden ist“ und zitierte Fischhof auf dieser Versammlung mit den Worten: „Ich habe es gewagt, ich bin Dr. Fischhof.“

Adolf Fischhof nahm während der Revolution eine führende Position in der Akademischen Legion – einer bewaffneten Studentenschaft – ein, in der er als Kommandant des Mediziner-Corps die stärkste Gruppe der Akademiker und Studenten führte, die sich neben Hörern der Medizinischen Fakultät auch aus Schülern der medizinisch-chirurgischen Josephs-Akademie rekrutierte. Ihr gehörten Professoren wie Ferdinand von Hebra (1816-1880), Carl von Rokitansky (1804-1878)und Joseph Skoda (1805-1881) an. Er war in dem im Mai 1848 geschaffenen „politischen Zentralkomitee“ sowie im Studentenkomitee tätig und nahm als Präsident des Sicherheitsausschusses der Stadt Wien eine weitere Schlüsselrolle in einem während der Revolution geschaffenen zentralen Organ ein. Im Juni 1848 kandidierte er neben einer Reihe von Medizinern auf der Liste der Abgeordneten zum konstituierenden österreichischen Reichstag und kam neben dem Mediziner Joseph Goldmark (1818-1881), der nach der Niederschlagung der Revolution „in Abwesenheit“ zum Tode verurteilt wurde und nach Amerika flüchtete, in einem Auswahlverfahren in den engeren Kandidatenkreis.[1] Nachdem er zum Reichstagsabgeordneten im konstituierenden Reichstag gewählt worden war, erfolgte am 18. Juli 1848 seine Ernennung zum Ministerialrat im Ministerium des Inneren, wo er dem Sanitätsreferat vorstand und diese Stellung bis Oktober 1848 behielt.

Nach der Niederschlagung der Revolution verlor Fischhof seine staatsbürgerlichen Rechte, wurde inhaftiert und nach einer neunmonatigen Haft im Dezember 1849 entlassen.[2] Erst 1864 beantragte das Medizinische Doctoren-Collegium auf den Weg eines Gnadengesuches seine Rehabilitierung und die Wiederherstellung seiner „politischen Rechte“.[3] Gleichzeitig wurde er weiterhin von Konservativen als „Agitator von 1848“ angefeindet.[4] Im Jänner 1867 wurde er schließlich von Kaiser Franz Joseph (1830-1916) amnestiert und rehabilitiert.[5] Danach engagierte er sich neben seiner Arbeit in seiner ärztlichen Praxis politisch – auch in Publikationen – weiter in Verfassungsfragen und des Ausgleichs mit Ungarn und trat wie schon im März 1848 weiterhin für eine Zusammenarbeit aller Nationen der Habsburgermonarchie auf der Basis einer liberalen Staatsordnung ein.

Von Adolf Fischhof besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin seine 1845 approbierte Dissertation.

Abb.: 2 Fischhof: Dissertatio Inauguralis […]. Wien: 1845.

Fischhof, Adolf: Dissertatio Inauguralis Medica De Pilorum Defluvio, Quam Consensu Et Auctoritate Illustrissimi Ac Magnifici Domini Praesidis Ac Directoris, Perillustris Ac Spectabilis Domini Decani, Nec Non Clarissimorum Ac Celeberrimorum D.D. Professorum Pro Doctoris Medicinae Laurea Nummisque In Arte Medica Honoribus Et Privilegiis Rite Obtinendis In Antiquissima Ac Celeberrima Universitate Vindobonensi Publicae Eruditorum Disquisitioni Submittit Adolphus Fischhof, Hungarus Pestinensis. In theses adnexas disputabitur in aedibus Universitatis die […] mensis […] 1845. Wien: Typis Josephi de Hirschfeld 1845.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/ Medizinhistorische Dissertations-Bibliothek, Sign.: D2464]

http://webapp.uibk.ac.at/alo/cat/card.jsp?id=8417362&pos=0&phys=

Quellen:

Fischer, Isidor: Wiens Mediziner und die Freiheitsbewegung des Jahres 1848. (= Wiener medizingeschichtliche Beiträge 1) Wien: 1935.

Häusle, Wolfgang: Die Revolution von 1848 und die Wiener Mediziner. In: Österreichische Ärztezeitung. (15/16) 1973. S. 883-885

[1] Wiener Zeitung, 23.6.1848, S. 3.

[2] Die Presse, 4.12.1849, S. 2.

[3] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 26.4.1864, S. 5-6

[4] Das Vaterland, 24.1.1866, S. 2.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift, 1867, S. 95.

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