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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [73]: Revolution 1848: Der Revolutionär und Mediziner Adolf Fischhof im Revolutionsjahr 1848 und seine 1845 am Josephinum vorgelegte Dissertation: Fischhof, Adolf

Revolution 1848: Der Revolutionär und Mediziner Adolf Fischhof im Revolutionsjahr 1848 und seine 1845 am Josephinum vorgelegte Dissertation: Fischhof, Adolf: Dissertatio Inauguralis Medica De Pilorum Defluvio, Quam Consensu Et Auctoritate Illustrissimi Ac Magnifici Domini Praesidis Ac Directoris, Perillustris Ac Spectabilis Domini Decani, Nec Non Clarissimorum Ac Celeberrimorum D.D. Professorum Pro Doctoris Medicinae Laurea Nummisque In Arte Medica Honoribus Et Privilegiis Rite Obtinendis In Antiquissima Ac Celeberrima Universitate Vindobonensi Publicae Eruditorum Disquisitioni Submittit Adolphus Fischhof, Hungarus Pestinensis. In theses adnexas disputabitur in aedibus Universitatis die […] mensis […] 1845. Wien: Typis Josephi de Hirschfeld 1845.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/ Medizinhistorische Dissertations-Bibliothek, Sign.: D2464]

http://webapp.uibk.ac.at/alo/cat/card.jsp?id=8417362&pos=0&phys=

Text: Dr. Walter Mentzel

Ärzte und Studenten an der Medizinischen Fakultät und am Josephinum waren in Wien an der Revolution von 1848 der Größe ihrer Berufs- und Standesgruppe nach überproportional vertreten. Sie nahmen für ihr Engagement politische und soziale Veränderungen herbeizuführen und ihrem Eintreten für Reformen der Universitätsausbildung und der Wissenschaftsorganisation ihre berufliche und bürgerliche Existenz in Kauf. Manche mussten aus Österreich fliehen, wurden in Abwesenheit zum Tode verurteilt, oder verloren ihre staatsbürgerlichen Rechte, die sei meist erst 20 Jahre später – zu Beginn der „liberalen Ära“ – mit dem im Staatsgrundgesetz von 1867 („Dezemberverfassung“) enthaltenen Grundrechtskatalogen wiedererlangten.

Abb.: 1 Adolf Fischhof

Einer von ihnen war der bis in die Märztage 1848 weitgehend unbekannte Sekundararzt am Wiener Allgemeinen Krankenhaus, Adolf Fischhof (*8.12.1816 Ofen (Budapest), gest. 23.3.1893 Emmersdorf/Klagenfurt). Fischhof, der aus einer armen jüdischen Familie stammte und zwischen 1836 und 1844 in Wien an der Medizinischen Fakultät studierte, formulierte in einer öffentlichen Ansprache am 13. März 1848 im niederösterreichischen Landhaus vor einer Versammlung von Demonstranten das Programm der Revolution: Pressefreiheit, Geschworenengerichte, Freiheit der Lehre und das Zusammenwirken aller Nationen Österreichs. Mit seiner Rede erreichte er nicht nur eine immense öffentliche Bekanntheit, sondern wurde in den folgenden Monaten zu einer der führenden Persönlichkeiten der Revolution von 1848. Der Medizinhistoriker Isidor Fischer (1868-1943) schrieb 1935 in seiner Arbeit zu „Wiens Mediziner und die Freiheitsbewegung des Jahres 1848“ dazu: „Es war das erste freie Wort, das in Österreich gesprochen worden ist“ und zitierte Fischhof auf dieser Versammlung mit den Worten: „Ich habe es gewagt, ich bin Dr. Fischhof.“

Adolf Fischhof nahm während der Revolution eine führende Position in der Akademischen Legion – einer bewaffneten Studentenschaft – ein, in der er als Kommandant des Mediziner-Corps die stärkste Gruppe der Akademiker und Studenten führte, die sich neben Hörern der Medizinischen Fakultät auch aus Schülern der medizinisch-chirurgischen Josephs-Akademie rekrutierte. Ihr gehörten Professoren wie Ferdinand von Hebra (1816-1880), Carl von Rokitansky (1804-1878)und Joseph Skoda (1805-1881) an. Er war in dem im Mai 1848 geschaffenen „politischen Zentralkomitee“ sowie im Studentenkomitee tätig und nahm als Präsident des Sicherheitsausschusses der Stadt Wien eine weitere Schlüsselrolle in einem während der Revolution geschaffenen zentralen Organ ein. Im Juni 1848 kandidierte er neben einer Reihe von Medizinern auf der Liste der Abgeordneten zum konstituierenden österreichischen Reichstag und kam neben dem Mediziner Joseph Goldmark (1818-1881), der nach der Niederschlagung der Revolution „in Abwesenheit“ zum Tode verurteilt wurde und nach Amerika flüchtete, in einem Auswahlverfahren in den engeren Kandidatenkreis.[1] Nachdem er zum Reichstagsabgeordneten im konstituierenden Reichstag gewählt worden war, erfolgte am 18. Juli 1848 seine Ernennung zum Ministerialrat im Ministerium des Inneren, wo er dem Sanitätsreferat vorstand und diese Stellung bis Oktober 1848 behielt.

Nach der Niederschlagung der Revolution verlor Fischhof seine staatsbürgerlichen Rechte, wurde inhaftiert und nach einer neunmonatigen Haft im Dezember 1849 entlassen.[2] Erst 1864 beantragte das Medizinische Doctoren-Collegium auf den Weg eines Gnadengesuches seine Rehabilitierung und die Wiederherstellung seiner „politischen Rechte“.[3] Gleichzeitig wurde er weiterhin von Konservativen als „Agitator von 1848“ angefeindet.[4] Im Jänner 1867 wurde er schließlich von Kaiser Franz Joseph (1830-1916) amnestiert und rehabilitiert.[5] Danach engagierte er sich neben seiner Arbeit in seiner ärztlichen Praxis politisch – auch in Publikationen – weiter in Verfassungsfragen und des Ausgleichs mit Ungarn und trat wie schon im März 1848 weiterhin für eine Zusammenarbeit aller Nationen der Habsburgermonarchie auf der Basis einer liberalen Staatsordnung ein.

Von Adolf Fischhof besitzt die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin seine 1845 approbierte Dissertation.

Abb.: 2 Fischhof: Dissertatio Inauguralis […]. Wien: 1845.

Fischhof, Adolf: Dissertatio Inauguralis Medica De Pilorum Defluvio, Quam Consensu Et Auctoritate Illustrissimi Ac Magnifici Domini Praesidis Ac Directoris, Perillustris Ac Spectabilis Domini Decani, Nec Non Clarissimorum Ac Celeberrimorum D.D. Professorum Pro Doctoris Medicinae Laurea Nummisque In Arte Medica Honoribus Et Privilegiis Rite Obtinendis In Antiquissima Ac Celeberrima Universitate Vindobonensi Publicae Eruditorum Disquisitioni Submittit Adolphus Fischhof, Hungarus Pestinensis. In theses adnexas disputabitur in aedibus Universitatis die […] mensis […] 1845. Wien: Typis Josephi de Hirschfeld 1845.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/ Medizinhistorische Dissertations-Bibliothek, Sign.: D2464]

http://webapp.uibk.ac.at/alo/cat/card.jsp?id=8417362&pos=0&phys=

Quellen:

Fischer, Isidor: Wiens Mediziner und die Freiheitsbewegung des Jahres 1848. (= Wiener medizingeschichtliche Beiträge 1) Wien: 1935.

Häusle, Wolfgang: Die Revolution von 1848 und die Wiener Mediziner. In: Österreichische Ärztezeitung. (15/16) 1973. S. 883-885

[1] Wiener Zeitung, 23.6.1848, S. 3.

[2] Die Presse, 4.12.1849, S. 2.

[3] Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 26.4.1864, S. 5-6

[4] Das Vaterland, 24.1.1866, S. 2.

[5] Wiener medizinische Wochenschrift, 1867, S. 95.

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