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Zum Internationalen Frauentag am 8. März: Vertriebene 1934/1938: Jenny Adler-Herzmark: Arbeits- und Sozialmedizinerin, Publizistin und politische Aktivistin

Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [111]:

Vertriebene 1934/1938: Jenny Adler-Herzmark: Arbeits- und Sozialmedizinerin, Publizistin und politische Aktivistin

Text: Dr. Walter Mentzel

Jenny Adler-Herzmark war in der Ersten Republik eine über Österreich hinaus bekannte Arbeitsmedizinerin und die erste und einzige weibliche tätige Ärztin der Gewerbeinspektion bzw. Chefärztin des Gewerbeinspektorats in Österreich. Sie gehörte neben Ludwig Teleky (1872-1957), Sigismund Peller, Julius Tandler und Josef Karl Friedjung (1871-1946) zu den bedeutendsten SozialmedizinerInnen vor 1938. Adler verband ihre beruflichen Schwerpunkte mit ihrer politischen Arbeit in der österreichischen Sozialdemokratie und ihrer Tätigkeit in der Volksbildung, die sie nach der Etablierung des „Austrofaschismus“ 1933/34 beenden musste. Nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich im März 1938 wurden sie und ihre Familie wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt.

Abb. 1    Jenny Adler-Herzmark. Aus: Das Wort der Frau. 1.1931. S. 29.

Abb. 2 Jenny Adler-Herzmark. Foto: Zur Verfügung gestellt von John Jacques L. Marshall – Herzmark Album.

Geboren am 19. Mai 1877 in Riga in Russland als Scheim Blume des Jossel Herzmark (1851-1941) und der Hassa Debora, geborene Berelovna (*1856) studierte sie bis 1899 an der Universitäten Zürich und zwischen 1901 und 1903 in Wien Medizin, wo sie bereits neben ihrem Studium an der medizinischen Klinik arbeitete. Am 16. April 1904 promovierte sie mit ihrer Dissertation „Zur Kasuistik der Nebenverletzungen bei Laporotomien“ an der Universität Zürich und begann ihre Laufbahn als Ärztin nach ihrer Rückkehr nach Wien 1905 als Hospitantin am Maria Theresia-Frauen-Hospital.[1] Nachdem im April 1910 ihr Studienabschluss durch die Universität Wien nostrifiziert wurde führte sie seit spätestens 1912 eine Arztpraxis als Frauen- und Kinderärztin in Wien 8. Josefstädterstraße 9.[2]

Abb. 3    Quelle: Archiv der Universität Wien – Medizinische Fakultät. Promotionsprotokoll. Sign. 190 – 1904-1912. Zl. 1055. Scheim Blume gen. Jenny.

Abb. 4    Quelle: Archiv der Universität Wien – Medizinische Fakultät. Rigorosenprotokolle. Sign. 196 – 1903-1930. Zl. 222. Herzmark Jenny (Rigorosen Datum: 1910.04.21).

1909 heiratete sie den sozialdemokratischen Politiker und austromarxistischen Theoretiker Max Adler (1873-1937), mit dem sie gemeinsam die beiden Kinder Leonore (1910-1988) und Robert (1913-2007) hatte.

Übersetzerin aus dem Russischen

Adler-Herzmark widmete sich neben ihrer medizinischen Arbeit auch als Übersetzerin russischer Literatur, vornehmlich zur ersten russische Revolution von 1905. Sie übersetzte das Buch von A. P. Berezovskij (Pseudonym Kirill) „Die Odyssee des ‚Knjas Potemkin'“, das 1906 im Verlag der Wiener Volksbuchhandlung herausgegeben wurde, in den 1920er Jahren weitere Werke von Aleksandr Kuprin (Der Moloch und andere Novellen, 1907) und von Fedor Rešetnikov (Die Leute von Podlipnaja, 1907) und beschäftigte sich mit dem Thema „Die Frau in Tolstois Werken“, worüber sie 1911 im Neuen Frauenclub ein Referat hielt.[3]

Erster Weltkrieg

Während des Ersten Weltkrieges war Adler ab 1915 im Verein zur Errichtung von Volksküchen in Wien aktiv[4] und arbeitete im Reservespital Nr. 6 in Wien[5] als Chefärztin der Isolierabteilung. Aus dieser Zeit stammt von ihr ein Aufsatz über „Fleckfieberfälle und Entlausungsmethoden, der in der Zeitschrift „Der Militärarzt“ im Juli 1915 veröffentlicht wurde.[6]

Nach dem Ersten Weltkrieg engagierte sie sich bei den Kinderfreunden, unterrichtete Gesundheitslehre an der Kinderfreunde-Schule in Schönbrunn, hielt Vorträge im Arbeiterverein Kinderfreunde in der Josefstadt zum Thema „Kindererziehung“[7] und bot in ihrem Wohnbezirk der Josefstadt wöchentlich eine unentgeltliche Mütterberatung an.[8] Die Situation von Frauen Anbetracht deren zunehmenden Integration in das Wirtschaftsleben und deren Möglichkeiten der politischen Partizipation durch die Erlangung des Wahlrechtes 1919 sowie die Reform der Kindererziehung waren nach dem Ersten Weltkrieg ein immer wiederkehrendes Thema in ihren Schriften und Vorträgen, wie beispielsweise ihr im Dezember 1918 veröffentlichter Artikel zur „Soziale Erziehung“[9] und der im November 1924 erschienene Beitrag mit dem Titel „Ein neuer Erziehungsversuch“.[10]

Wissenschafterin, Arbeitsmedizinerin und Volksbildnerin

Abb. 5 Jenny Adler-Herzmark, Arbeitsraum. Foto: Zur Verfügung gestellt von John Jacques L. Marshall – Herzmark Album.

Adler-Herzmark arbeitete bereits vor dem Ersten Weltkrieg und noch in den frühen 1920er Jahren als Mitarbeiterin von Prof. Otto Fürth (1867-1938) an der Chemischen Abteilung des physiologischen Institutes der Wiener Universität und publizierte in der Biochemischen Zeitschrift einen Aufsatz:

Adler, Jenny: Über die Einwirkung des Wasserstoffsuperoxyds auf das Hippomelanin. Sonderabdruck aus: Biochemische Zeitschrift. Berlin: Verlag von Julius Springer 1913.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Abb. 6    Titelblatt: Adler: Über die Einwirkung des Wasserstoffsuperoxyds auf das Hippomelanin. Sonderabdruck aus: Biochemische Zeitschrift. Berlin: 1913.

Ihre Karriere als ärztliche Gewerbeinspektorin begann mit ihrer im April 1919 unter dem Minister für soziale Verwaltung Ferdinand Hanusch (1866-1923) erfolgten Zuteilung in das Gewerbeinspektion, wo sie zunächst als Ärztin des Arbeitsinspektorats und darauf als Chefärztin des Gewerbeinspektorates in Wien bis 1938 wirkte. Hier leistete sie als Schülerin von Ludwig Teleky Pionierarbeit, zumal es für den gewerbeärztlichen Dienst keine gesetzliche Regelung und Verankerung gab und sie auf verwaltungstechnischen Neuland stehend, Strukturen der ärztlichen Mitwirkung im Gewerbeinspektorat und als Gewerbeaufsicht erst forcieren und einrichten musste. Ihr praktisches Arbeitsfeld umfasste die Mitwirkung und Einflussnahme bei der Gewerbeinspektion vor Ort, die Formulierung von Anträgen an das Gewerbeinspektorat und in der Beratung der zuständigen technischen Gewerbeinspektoren. Daneben unternahm sie wissenschaftlicher Studien zur Arbeitsmedizin, auch hier bewegte sie sich auf den Arbeitsfeldern des Sozial- und Arbeitsmediziners Ludwig Teleky. Dazu zählte ihre 1925 gemeinsam mit Alfred Selinger (1900-1978) erschienene Arbeit über „Bleivergiftungen“,[11] die 1929 wiederum mit Selinger durchgeführte periodische Forschungsarbeit über die „Auswirkungen von benzol- touol- und xylolhältigen Materialien auf die Mitarbeiter in der Industrie“, die 1930 im Archiv für Gewerbepathologie und Gewerbehygiene erschien,[12] oder jene 1932 mit Erwin Klein und dem Radiologen Geza Kopstein (1900-1979) durchgeführte „Lungenuntersuchung bei Gußputzern und Arbeitern aus anderen staubgefährdeten Betrieben“.[13]

Adler arbeitete dazu eng mit dem Mediziner Max Sternberg und dessen Assistenten im Wiedner Krankenhaus zusammen. Neben ihren im Archiv für Gewerbepathologie erschienen Arbeiten publizierte sie regelmäßig Aufsätze in der Wiener Medizinischen Wochenschrift, wie 1923 zur „Gewerblichen Vergiftung in Wien“, [14] 1925 „Aus dem Bericht des Gewerbearztes“,[15] 1929 der Bericht zu „Gewerbehygienisches aus Deutschland“[16], 1930 über „Über Benzolvergiftung[17] und über „Die Berufskrankheiten und die Ärzte[18], sowie 1934 eine Rückschau über ihre Arbeit als Gewerbeärztin unter dem Titel „15 Jahre österreichischer Gewerbearzt“.[19]

Adler-Herzmark versuchte vor allem ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem arbeitsmedizinischen Gebiet durch Vorträge und durch Veröffentlichungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie zu sensibilisieren, um die von ihr erhobenen gesundheitspolitischen Maßnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen. Ihre arbeits- und sozialmedizinische Expertise verband Adler mit ihrem politischen und gewerkschaftlichen Engagement, dem sie seit ihrem zirka 1911 in der Leopoldstadt vollzogenen Beitritt in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreich (SdAPÖ) nachkam.[20] Sie nutzte deren Organisationsstrukturen als auch jene der Betriebsratsorganisationen und der Freien Gewerkschaften und nicht zuletzt deren Presse für ihre Aufklärungs- und Informationsarbeit und zur Formulierung ihre gesundheitspolitischen, arbeitsmedizinischen und arbeitsrechtlichen Forderungen. Ihre ersten Artikel publizierte sie schon vor dem Ersten Weltkrieg in der Arbeiterinnenzeitung zum Thema „Die Impfung“,[21] oder in der Arbeiter Zeitung zum Thema „Frauenfrage und Menschenökonomie“.[22] In der Zeitschrift „Der Betriebsrat“ publizierte sie zum Thema „Schutztechnik in der Papierindustrie[23], „Über die Gefahren bei der Ausführung von Bauarbeiten[24], „Schutztechnik in der Holzindustrie“[25] und in der Zeitschrift Feuerwehr-Signal 1930 einen Artikel zur „Kohlenvergiftung und erste Hilfe“.[26] In der Zeitschrift „Arbeit und Wirtschaft“ veröffentlichte Adler 1925 zwei Artikel über „Die Kulturbedeutung des Achtstundentages“[27] und über Berufskrankheiten, Unfallheilkunde, Gewerbehygiene[28] und 1929 über die Gewerbehygiene in Deutschland.[29] In der Funktionärsschule des Bundes der Freien Gewerkschaften referierte sie über Gewerbehygiene[30], vor dem Bund der Industrieangestellten über „Wohlfahrtseinrichtungen im Betrieb vom gewerbeärztlichen Standpunkt“[31], im Verband sozialistischer Studenten im November 1925 zu „Erste Hilfe bei chemischen Unfällen“[32], 1928 im Vertrauensmännerkurs der Wiener Holzarbeiter über „Unfallverhütung“[33] und 1932 in der Vereinigung der sozialdemokratischen Ärzte, dessen Mitglied sie war, über „Gewerbehygiene“.[34] Ab April 1920 wirkte sie als eine von mehreren KursleiterInnen[35] und Referentin in der Betriebsräteschule in Wien, wo sie zum Thema Gewerbehygiene[36], oder „Körper- und Gesundheitslehre der Frau“[37] die Schulungs- und Bildungsarbeit mitgestaltete.

Ihr schon vor dem Ersten Weltkrieg herangereiftes Interesse für Frauenfragen verknüpfte sie durch ihre Schwerpunktsetzung als Arbeitsmedizinerin im Gewerbeinspektorat, indem sie die Implementierung spezifischer Schutzmaßnahmen für Frauen einforderte. Sie bestimmte aber auch in den 1920er Jahren ihre Aktivitäten als Referentin im Wiener Volksbildungsverein, wo sie zu Themen wie „Berufskrankheiten“ (1923/24), „Die Frau im Beruf (betrachtet vom ärztlichen Standpunkt aus)“ (1924/25), „Geschlechtskrankheiten der Frauen“ (1915/16), „Einiges zur Frage der Verdauung“ (1915/16) und über „Die körperliche Eignung der Frau zum Beruf“ (1923/24) sprach.[38] In den sozialdemokratischen Frauenorganisationen referierte sie im Juni 1914 in Währing über „Frauenhygiene“,[39] in der Josefstadt im April 1914 zu „Der Gebärstreik“[40] und 1931 in der Vereinigung der arbeitenden Frauen über die „Hygiene des Kindes“.[41] Regelmäßig trat Adler als Vortragende in den sozialdemokratischen Sektionen in Wien auf, wie im Jänner 1911 in der Leopoldstadt[42] zum Thema „Das Recht auf Gesundheit“, in Mariahilf und Margareten „Zur Frage des Geburtenrückganges“,[43] oder 1915 und 1916 in Mariahilf und der Landstraße zum Thema „Geschlechtskrankheiten und die Frauen“.[44] Weitere Vorträge in den Bezirksorganisationen hielt sie 1920 in Hernals und der Josefstadt zum Thema „Die Gesundheit der Frau“,[45] zur „Körper- und Gesundheitslehre der Frau“[46] und zum „Seelenleben der Frau“.[47] In der Leopoldstadt referierte sie 1922 über „Kinderkrankheiten und Kinderpflege“[48] und 1923 über „Hygiene und Ernährung im Haushalt“,[49] in Favoriten 1923 über „Weibliche Körper- und Gesundheitspflege“,[50] sowie in Okttakring 1924 über „Hygiene und Ernährung im Haushalt“ und „Gesundheitspflege der Frau“[51]. Vor dem Wiener Frauenkomitee der SdAPÖ referierte sie im Jänner 1923 über „Die Erfahrungen eines Gewerbearztes“,[52] in der Bezirksorganisation Hernals, wo Adler auch Kursleiterin im Unterrichtsverband war, sprach sie 1927 über „Wissenswertes von der Frauenhygiene“,[53] im Jahr 1929 zweimal in der Landstraße über „Berufskrankheiten“[54] und 1930 in der Bezirksorganisation Alsergrund „Über Benzolvergiftungen und ihre Lehren“.[55] Ende der 1920er Jahre versuchte sie auch das zu dieser Zeit sich etablierende neue Medium Radio zu nutzen und hielt Vorträge im Radio Wien im Rahmen der „Stunde der Kammer für Arbeiter und Angestellte“, beispielsweise im Februar 1929 „Über Berufskrankheiten“.[56]

Internationalisierung – Kongresse

Adler-Herzmark war bestrebt die Arbeitsmedizin in Österreich und das Gewerbeinspektorat in Wien zu internationalisieren, vor allem aber war sie bemüht internationale Standards auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und der Sozialmedizin herzustellen. Dazu knüpfte sie Kontakte im Ausland und nahm an internationalen Kongressen, wie an jenem für Unfallheilkunde und Berufskrankheiten in Budapest im Jahr 1928[57] und an dem in Wien 1931 tagenden 6. Internationalen Kongress der Ärztinnen teil, wo sie zum Arbeiterinnenschutz referierte,[58] und ihr Vortrag als Publikation vom Referat für Frauenarbeit des Österreichischen Arbeiterkammertages und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes vorgelegt wurde.[59] 1921 veröffentlichte sie den Aufsatz „Allgemeine Gewerbehygiene für Arbeiter“ für die Zentralgewerkschaftskommission des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Tschechoslowakei, der als Lehrbehelfe für Betriebsräteschulen herausgegeben wurde, und 1925 gemeinsam mit Hans Mekiska den Aufsatz „Hygiene der Frau“ für die Zentralstelle für das Bildungswesen der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei.

Ihren Bezug zum Judentum belegte Adler 1922 als Gründungsmitglied des Jüdischen Frauenbundes für Deutsch-Österreich, als dessen Vizepräsidentin sie in den 1920er Jahren fungierte. Auch in dieser Funktion engagierte sie sich in gesundheitspolitischen Fragen, wie beispielsweise durch einen gemeinsam mit den Präsidiumsmitgliedern Regine Ulmann (1847-1939), Hermine Kaddisch und Recha Theodor veröffentlichten Aufruf um Spenden zur Bekämpfung der Tuberkulose unter Kindern.[60]

Mit der Zerstörung der Demokratie in den Jahren 1933/34, der Errichtung der austrofaschistischen Diktatur und dem Verbot und der Verfolgung der sozialdemokratischen Organisationen, Gewerkschaften sowie der Ausschaltung der Betriebsräte, kam ihre Vortrags- und Publikationstätigkeit nahezu völlig zum Erliegen. Nur eine Studie, die sie wieder gemeinsam mit Geza Kopstein veröffentlichte, erschien 1937 in der Wiener medizinischen Wochenschrift zum Thema „Weitere Untersuchungen über Silikose in Österreich“.[61] Zuletzt lebte Jenny Adler 1937 in Wien 8, Josefstädterstraße 43-45. Nach dem „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutsche Reich wurde Jenny Adler wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nazis ihrer Funktion enthoben und sie und ihre Kinder verfolgt. Zunächst gelang ihr am 1. Juli 1939 die Flucht nach Frankreich und von hier 1942 die Flucht in die USA. Jenny Adler verstarb am 25. Jänner 1950 in Chicago, nachdem sie ihren Beruf als Ärztin wieder aufgenommen hatte. Ihre Tochter Leonore, die mit Wilhelm Suschitzky (1904-1978) – dem Sohn des Wiener Buchhändlers und Antiquar Philipp Suschitzky (1875, ermordet 1942 KZ Auschwitz) verheiratet war – lebte nach ihrer Flucht in London. Ihr Sohn Robert flüchtete in die USA, wo er sich als renommierter Physiker auf dem Feld der Fernsehtechnik etablierte, die Mitgliedschaft der National Academy of Engineering erwarb und mit dem Emmy Award ausgezeichnet wurde. Ihr Vater, Jossel Herzmark, wurde 1941 in Riga ermordet. Viele ihrer Kollegen mit denen Adler in Wien in den 1920er und 1930er Jahren auf dem Gebiet der Sozial- und Arbeitsmedizin zusammengearbeitet hat, mussten aufgrund der NS-Verfolgung aus Österreich flüchten, darunter Geza Kopstein und Alfred Selinger.

Quellen:

Jenny Adler-Herzmark, Elf Jahre gewerbebehördliche Praxis, in: Handbuch der Frauenarbeit in Österreich 1930, (Hrsg. Von der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien).

Archiv der Universität Wien – Medizinische Fakultät, Rigorosenprotokolle, Sign. 196 –1903-1930, Zl. 222, Herzmark Jenny (Rigorosen Datum: 1910.04.21).

Archiv der Universität Wien – Medizinische Fakultät, Promotionsprotokoll, Sign. 190 –1904-1912, Zl. 1055, Scheim Blume gen. Jenny.

[1] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 50. 10.12.1932. Sp. 153.

[2] Neues Frauenleben. Oktober 1913. S. 3. Lehmann 1913.

[3] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 23.1.1911. S. 12.

[4] Neue Freie Presse, 22.5.1915, S. 25.

[5] Wiener Zeitung. 22.8.1915. S. 6.

[6] Der Militärarzt. 10.7.1915. S. 1.

[7] Arbeiter Zeitung. 6.11.1919. S. 7.

[8] Arbeiter Zeitung. 2.8.1919. S. 7.

[9] Arbeiter Zeitung. 28.12.1918. S. 6.

[10] Arbeiter Zeitung. 1.11.1924. S. 10.

[11] Wiener Medizinische Wochenschrift, Nr. 24,1926.

[12] Wiener Medizinische Wochenschrift, Nr. 20, 1932, S. 527; Der Tag, 19.10.1932, S. 10.

[13] Wiener Medizinische Wochenschrift, Nr. 44, 28.10.1933, Sp. 1222-1225.

[14] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 10, 3.3.1923. Sp. 483-484.

[15] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 21, 23.5.1925. Sp. 1218-1219.

[16] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 44, 26.10.1929. Sp. 1397.

[17] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 11, 8.3.1930. S. 368-371.

[18] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 10, 1.3.1930. S. 340.

[19] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 36, 1.9.1934. S. 358-359.

[20] Arbeiter Zeitung. 8.1.1911. S. 11.

[21] Arbeiterinnen Zeitung. Nr. 12. 1913. S. 4.

[22] Arbeiter Zeitung. 3.6.1914. S. 7.

[23] Arbeiter Zeitung. 13.5.1921. S. 7.

[24] Arbeiter Zeitung. 5.7.1922. S. 9.

[25] Arbeiter Zeitung. 23.9.1922. S. 7.

[26] Feuerwehr-Signal. 5.11.1930. S. 7.

[27] Arbeiter Zeitung. 9.5.1925. S. 8.

[28] Arbeit und Wirtschaft. Nr. 23. 1925. S. 1005-1008.

[29] Arbeit und Wirtschaft. Nr. 23. 1927. S. 989-992.

[30] Arbeiter Zeitung. 19.10.1929. S. 9.

[31] Arbeiter Zeitung. 4.12.1929. S. 10.

[32] Arbeiter Zeitung. 29.11.1925. S. 15.

[33] Arbeiter Zeitung. 10.10.1928. S. 7.

[34] Tagblatt. 8.11.19932. S. 14.

[35] Arbeiter Zeitung. 23.4.1920. S. 5.

[36] Arbeiter Zeitung. 25.3.1920. S. 7; AZ. 27.5.1924. S. 11.

[37] Arbeiter Zeitung. 1.1.1921. S. 11.

[38] Österreichisches Volkshochschularchiv.

[39] Arbeiterinnenzeitung. 9.6.1914. S. 11.

[40] AZ. 26.4.1914. S. 14.

[41] Österreichische Frauenrundschau – Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen. H. 2. 1931. S. 1 und H. 8. 1931. S. 3.

[42] Arbeiter Zeitung. 15.1.1911. S. 12.

[43] Arbeiter Zeitung. 8.3.1914. S. 13; 10.5.1914. S. 13.

[44] Arbeiter Zeitung. 25.11.1915. S. 7; 12.2.1916. S. 7.

[45] Arbeiter Zeitung. 11.4.1920. S. 10; 4.5.1920. S. 7.

[46] Arbeiter Zeitung. 21.11.1920. S. 11.

[47] Arbeiter Zeitung. 12.12.1920.

[48] Arbeiter Zeitung. 29.11.1922. S. 9.

[49] Arbeiter Zeitung. 16.1.1923. S. 9.

[50] Arbeiter Zeitung. 4.3.1923. S. 11.

[51] Arbeiter Zeitung. 15.11.1924. S. 13; 23.11.1924. S. 13.

[52] Arbeiter Zeitung. 21.1.1923. S. 11.

[53] Arbeiter Zeitung. 1.1.1927. S. 16.

[54] Arbeiter Zeitung. 17.2.1929. S. 13; 21.6.1929. S. 9.

[55] Arbeiter Zeitung. 18.5.1930. S. 15.

[56] Arbeiter Zeitung. 31.1.1929.

[57] Arbeiter Zeitung. 31.8.1928. S. 5.

[58] Der Tag. 19.9.1931. S. 6.

[59] Frauenarbeit. Monatsbeilage zur „Arbeit und Wirtschaft“. Organ des Bundes Freier Gewerkschaften der Arbeiterkammer und der Betriebsräte Österreichs. Nr. 19. 1931. S. 788-791.

[60] Der Tag. 11.6.1924. S. 11.

[61] Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 16. 17.4.1937. S. 433.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [57]: 1938: Fritz Lejeune – NS-Mediziner und Leiter des ehemaligen Institutes für Geschichte der Medizin. Sammlung „Fritz Lejeune – NS-Mediziner“ an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin

1938: Fritz Lejeune – NS-Mediziner und Leiter des ehemaligen Institutes für Geschichte der Medizin. Sammlung „Fritz Lejeune – NS-Mediziner“ an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin

Text: Dr. Walter Mentzel

Fritz Lejeune wurde am 1. Juli 1892 in Köln geboren und war zwischen 1939 (offizieller Amtsantritt Jänner 1940) und April 1945 Leiter des ehemaligen Institutes für Geschichte der Medizin. Während dieser Zeit brachte er aus seiner Privatbibliothek Bücher in die Bibliothek des Institutes ein, die heute als „Sammlung Fritz Lejeune“ Bestandteil der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin ist, überwiegend aus antiquarischen Büchern aus dem 19. Jahrhundert besteht und Zeugnis über das Wirken des NS-Medizinhistorikers Fritz Lejeune und dessen Interessens- und Forschungsgebiete gibt.

Abb. 1: Exlibris Fritz Lejeune. Aus Sign. JB5525a

Fritz Lejeune studierte Medizin, Zahnheilkunde und vergleichende Sprachwissenschaften an den Universitäten Bonn und Greifswald. 1922 habilitierte er sich im Fach Medizingeschichte und wurde im selben Jahr zum Privatdozent für Geschichte der Medizin an der Universität Greifswald ernannt. Bereits unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges engagierte er sich innerhalb nationalsozialistischer und völkischer Verbände (Rheinlandbewegung 1919, Deutscher Schutzbund 1920 u.a.) und trat laut seiner Angabe bereits 1923 (Mitgliedsnummer 3.964, der gesicherte Beitritt erfolgte am 11.5.1925) der NSDAP bei.

Abb. 2: Fritz Lejeune

1925 erhielt er einen Lehrauftrag für Geschichte der Medizin an der Universität Köln, wo er 1928 zum a.o. Professor ernannt wurde, führte daneben eine Arztpraxis und war als Mitgründer (1925) und Vorsitzender der „Reichsnotgemeinschaft Deutscher Ärzte“ in einer der einflussreichsten ärztlichen Standesorganisation Deutschlands aktiv. 1923 gründete er die „deutsch-nordische Gesellschaft für Geschichte der Medizin, der Zahnheilkunde und der Naturwissenschaften“. Seine Einbindung in das Netzwerk der NS-Medizinbürokratie und vor allem seine Stellung in internationalen medizinhistorischen Gremien[1] machte ihn zu einem Proponenten des NS-Außenpolitik und des Propagandaministeriums. Dies förderte seine weiteren Karriereschritte, die durch seine am 1.8.1939 erfolgte Ernennung zum Leiter des Institutes für Geschichte der Medizin in Wien ihren Höhepunkt fand. Hier fungierte er seit seinem Amtsantritt am 22.1.1940 bis April 1945 als Nachfolger seines von den Nationalsozialisten vertriebenen Vorgängers Max Neuburger. Lejeune war während des Krieges darüber hinaus Leiter des Heeresstandortlazarettes in Hütteldorf/Wien.

Während der Amtszeit von Lejeune kam es zu einer beträchtlichen Erweiterung des Bibliotheksbestandes an der heutigen Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin. Diese Zuwächse resultierten sowohl aus der üppigen finanziellen Förderung, die das Institut ab 1940 durch das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten erfuhr und eine großzügige Einkaufspolitik ermöglichte, als auch durch die Form der Erwerbungspolitik. Lejeune präferierte Wiener Antiquariate, die im NS-Bücherraub („Arisierungen“) involviert waren.

Neben seiner Tätigkeit am Institut engagierte sich Lejeune zwischen 1940 und 1944, entsprechend der ideologischen Aufwertung der NS-Medizingeschichte, als Berater, Vermittler und Lieferant medizinhistorischer Bücher und beim Aufbau von medizinhistorischen Bibliotheken, wofür er seine Kontakte zu Wiener NS-Antiquariaten anbot. Seit spätestens Ende 1940 vermittelte er historische Inkunabeln für den Aufbau der medizinhistorischen Bibliothek (mit dem Schwerpunkt Pflanzenheilkunde und historisch-pharmazeutische Literatur) an den Pharmakonzern Boehringer & Sohn in Ingelheim am Rhein. Ebenso vermittelte er medizinhistorische Literatur an den Direktor des Physiologischen Instituts der Universität Heidelberg und Professor Johann Daniel Achelis (1898-1963), wo ab 1942 eine medizinhistorische Bibliothek mit dem Schwerpunkt „alte Drucke aus dem 15. und 16. Jahrhundert“ aufgebaut wurde. Besonders intensiv arbeitete Lejeune mit der Kärntner NS-Führung, insbesondere mit dem Gauleiter Friedrich Rainer (1903-1947) und dessen wissenschaftlichen Berater Walter Medweth (1902-1972) im Rahmen der vom NS-Regime pompös begangenen Paracelsus-Gedenken-Feiern anlässlich des 400. Todestages Paracelsus im September/Oktober 1941 in Villach zusammen. Dort sollte ein „Paracelsus-Gedenkort“ entstehen, womit eine NS-affine Paracelsus-Tradition begann, die bis in die Zweite Republik hineinreichte. In diesem Kontext kam es ab 1943 unter Mithilfe von Lejeune in Villach zum Aufbau eines Paracelsus-Museums/Bibliothek, als Kern eines künftigen medizinhistorischen Forschungsinstituts. Dieses Vorhaben stand in Beziehung zu der von der Kärntner NS-Prominenz seit 1941 verfolgten Politik, Kärnten als Wissenschaftsstandort zur ideologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Durchdringung im Anschluss an die geplante „Germanisierung“ und Neuordnung des Alpen-Adria-Raumes und Südosteuropas zu etablieren.

Nach seiner überstürzten Flucht aus Wien in der Nacht vom 2. auf dem 3.4.1945 nach Mitterndorf erfolgte am 10.5.1945 seine Suspendierung durch das Dekanat der Medizinischen Fakultät Wien. Am 2.6.1945 wurde er vom Staatsamt für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten seiner Stellung enthoben. Nach seiner Festnahme durch das US-Militär wurde er bis Ende 1946 im Internierungslager Glasenbach/Salzburg interniert und nach seiner Freilassung nach Deutschland abgeschoben. Nach seinen erfolglos gebliebenen Bemühungen in Deutschland im universitären Betrieb wieder Fuß zu fassen, widmete er sich ab 1953 als Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender des „Deutschen Kinderschutzes“ (DSKB), wo er populäre Gesundheitsaufklärung betrieb und vehement gegen die seiner Meinung nach stattfindende „Verwahrlosung“ der Jugend in der Bundesrepublik Deutschland durch die Übernahme US-amerikanischer Lebensformen auftrat. 1952 wurde er Senator der „Deutschen Gesellschaft für Wissenschaft und Forschung“. Daneben war er maßgeblich an der Gründung sowie als Berater der „Deutschen Angestellten-Krankenkasse“ (DAK) beteiligt. Seit Mitte der 1950er Jahre war er in der frühen Antiatombewegung aktiv. 1965 übersiedelte Lejeune nach Villach, wo er 1966 verstarb.

Literatur:

Mentzel, Walter und Bruno Bauer: Brüche in der Entwicklung medizinischer Bibliotheken in Wien während des NS-Regimes: Anmerkungen zur Geschichte der Vorgängerbibliotheken der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien. In: Brüche Kontinuitäten 1933-1938-1945. Fallstudien zu Verwaltung und Bibliotheken. Hrsg.: Enderle-Burcel, Gertrude/Neubauer-Czettl, Alexandra/Stumpf-Fischer, Edith. (= Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Sonderband 12), Innsbruck: 2013. S. 287-314.

Mentzel Walter und Bruno Bauer: Stumme Zeitzeugen. Medizinische und medizinhistorische Bibliotheken an der Medizinischen Universität Wien während der NS-Zeit. In: Bibliotheken in der NS-Zeit. Provenienzforschung und Bibliotheksgeschichte. Hrsg.: Alker, Stefan/Köstner, Christine/Stumpf, Markus. Göttingen: 2008. S. 273-287.

Schmierer, Klaus: Medizingeschichte und Politik. Karrieren des Fritz Lejeune in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus (= Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 96). Husum: 2002.

Quellen:

AUW, Medizinische Fakultät, Personalakte Lejeune.

AUW, Medizinische Fakultät, Dekanat, Zl. 323/1941-42.

AUW, Medizinische Fakultät, Dekanat, Zl. 455/1939-40.

Sammlungen der Medizinischen Universität Wien, Archiv, Ordner Boehringer.

Sammlungen der Medizinischen Universität Wien, Archiv, Ordner Boehringer, Ordner Paracelsus-Ausstellung.

Sammlungen der Medizinischen Universität Wien, Archiv, Handschriften, Kt. 2.254

[1] Portugiesisch-brasilianisches Institut an der Universität Köln, portugiesische Akademie für Geschichte, Medizinische Akademie zu Saragossa, Akademie der Wissenschaft in Lissabon, „Pro Arte“ in Rio de Janeiro, historischen Gesellschaft in Coimbra, Colegio de los Doctores de Madrid, deutsch-iberoamerikanische Ärzte-Akademie in Berlin

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Vertrieben 1938: Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [56]: Max Neuburger – Vertriebener Leiter des ehemaligen Institutes für Geschichte der Medizin und die Sammlung „Max Neuburger“ an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin

1938: Max Neuburger – Vertriebener Leiter des ehemaligen Institutes für Geschichte der Medizin und die Sammlung „Max Neuburger“ an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin

Text: Dr. Walter Mentzel

Max Neuburger (*08.12.1868/Wien, gest. 15.03.1955/Wien) war Gründer (1914) und langjähriger Leiter (bis 1938) des ehemaligen Institutes für Geschichte der Medizin an der damaligen Medizinischen Fakultät der Universität Wien sowie der von ihm aufgebauten Institutsbibliothek, die heute integrierter und wertvoller Kern der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin ist. Neuburger brachte mehrmals zwischen 1914 sowie nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1952 medizinhistorische Bücher aus seiner Privatbibliothek als Schenkung in die Bibliothek des Institutes ein.

Abb. 1: Max Neuburger

Erstmals trat er in der Phase der Gründung des Institutes zwischen 1906 und 1919 zirka 300 Bücher und 700 Separata aus seiner Privatbibliothek an die Bibliothek des Institutes ab, womit er auch den Kern des heutigen medizinhistorischen Bestandes der Zweigbibliothek aufbaute, und 1930/31 ein zweites Mal als offizielle Schenkung. Der Bücherbestand der Bibliothek umfasste in den späten 1930er Jahren zirka 10.000 Bücher, davon stammte ein Drittel aus seiner Privatbibliothek. Zuletzt kamen nach seiner Rückkehr nach Wien im Jahre 1952 bzw. nach seinem Ableben weitere Bücher aus seiner Privatbibliothek durch seinen Sohn, Fritz Neuburger, in den heutigen Bibliotheksbestand. Diese Bücher bilden heute die Sammlung „Max Neuburger“. Sie erinnert an seine wegen seiner jüdischen Herkunft durch die Nationalsozialisten nach dem „Anschluss“ im März 1938 erzwungene Vertreibung von der Universität Wien und aus Österreich, sie stellt aber auch die Überlieferung einer historisch außerordentlich relevanten Forschungsbibliothek und die das wissenschaftliche Wirken eines der international renommiertesten Medizinhistorikers der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar.

Abb. 2: Exlibris Max Neuburger

Abb. 3: Exlibris Max Neuburger

Max Neuburger wurde am 8. Dezember 1868 in Wien geboren, studiertet an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien Medizin und begann nach der Promotion im Jahr 1893 als Sekundararzt am Rudolfs-Spital sowie als Assistent an der Neurologischen Abteilung der Wiener Allgemeinen Poliklinik als Arzt und Psychiater zu arbeiten. 1898 habilitierte er sich bei Theodor Puschmann (1844-1899) im Fach Geschichte der Medizin.

Auf seine Initiative hin genehmigte das Ministerium für Kultus und Unterricht in einem Erlass vom 23. Juli 1906 die Errichtung eines medizinhistorischen Institutes. Neuburger begann unmittelbar darauf mit der Sammlung medizinischer Objekte und dem Aufbau einer medizinhistorischen Bibliothek (u.a. auch durch Bücherschenkungen der „Gesellschaft der Ärzte in Wien“), die nach der offiziellen Gründung des Institutes 1914 zunächst provisorisch an der I. Medizinischen Klinik untergebracht war. Nach langjährigen Bemühungen wurde schließlich im Winter 1918/19 das Institut für Geschichte der Medizin am Standort der ehemaligen militärärztlichen Akademie dem „Josephinum“ (Wien 9, Währingerstraße 25) eingerichtet und bezogen.

Aufgrund der geringen finanziellen Unterstützung konnte Neuburger auch nach 1918 den Bestand nur durch Eigeninitiative (Schenkungen, Spenden, Schriftentausch,…) und einer unermüdlichen Sammeltätigkeit erweitern. Mit 1. April 1934 wurde er aufgrund der Sparpolitik der damaligen Bundesregierung emeritiert und der Lehrstuhl aufgelöst, womit das Institut zwischen Duldung und Auflösung stand. Nur wegen seines weiterhin erfolgreichen privaten Engagements gelang es ihm das Institut provisorisch – als Honorarprofessor ohne Lehrkanzel – bis März 1938 weiter zu führen und den Bestand zu sichern.

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ im März 1938 musste Neuburger – offiziell mit 22. April 1938 – aufgrund seiner jüdischen Herkunft das Institut verlassen. Im August 1939 flüchtete er mittellos nach England, wo er am „Wellcome Historical Medical Museum“ in London neun Jahre als Medizinhistoriker tätig war. Am 23. Juni 1948 übersiedelte er nach Buffalo im US-Staat New York zu seinem Sohn Fritz Neuburger. Im Jahr 1952 kehrte er nach Wien zurück, wo er am 15. März 1955 verstarb.

Neuburger war Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften (1901), Mitherausgeber zahlreicher medizinhistorischer Schriftenreihen und darüber hinaus seit der Jahrhundertwende ein wesentlicher Vertreter der kultur- und sozialhistorischen Ausrichtung der Medizingeschichte, die vor allem in der internationalen Historiografie (insb. in den USA) rezipiert worden war. Zu seinen wichtigsten Werken zählt:

Neuburger, Max: Geschichte der Medizin. Zwei Bände. Suttgart: Enke 1906-1911.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger  Bibliothek, Sign.: MG002]

https://ubsearch.meduniwien.ac.at/

Literatur:

Hubenstorf, Michael: Eine „Wiener Schule“ der Medizingeschichte? – Max Neuburger und die vergessene deutschsprachige Medizingeschichte. In: Medizingeschichte und Gesellschaftskritik (Festschrift für Gerhard Baader). Hrsg. von Michael Hubenstorf. Husum: 1997. S. 246-289.

Berghoff, Emanuel: Max Neuburger. Werden und Wirken eines österreichischen Gelehrten. (= Wiener Beiträge zur Geschichte der Medizin/3)Wien: 1948. S. 58.

Quellen:

Archiv der Universität Wien, Medizinische Fakultät, Personalakt Max Neuburger.

Archiv der Universität Wien, Medizinische Fakultät, Dekanat, Zl. 560/1930-1931.

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