Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [342]: Flach, Auguste – Mitarbeiterin von Karl Bühler am Psychologischen Institut der Universität Wien, NS-Verfolgte

Autor: Dr. Walter Mentzel

Published online: 29.09.2025

Keywords: Psychologin, Psychologisches Institut, Verein für angewandte Psychopathologie und Psychologie, Medizingeschichte, Wien, NS-Verfolgte

Auguste Flach (geb. Tänzer) wurde am 20. März 1891 als Tochter des aus Miklos in Ungarn stammenden Kaufmanns David Tänzer (1861-1932) und Sofie (1865-1942), geborene Berdach, der Schwester von Carl Berdach (1863-1943), in Wien geboren. Im Jahr 1910 heiratete sie den Ingenieur Artur Flach (1882-1963), mit dem sie zwei Söhne Sohn Georg (1912-?) und Robert (1923-2010) hatte.

Seit 1910 widmete sich Flach den Fächern Psychologie, Psychiatrie und der Biologie. Ab den frühen 1920er Jahren beschäftigte sie sich intensiv mit Ausdrucks- und Bewegungspsychologie und verfasste mehrere wissenschaftliche Arbeiten, die – trotz ihrer ungewöhnlichen akademischen Biografie – rasch internationale Beachtung fanden und bis heute rezipiert werden.[1] Obwohl ihr ein formaler Studienabschluss fehlte, war sie eng in das wissenschaftliche Leben der Universität Wien eingebunden. Sie arbeitete als Schülerin und Mitarbeiterin von Karl Bühler (1879-1963), der seit 1922 als Professor für Psychologie, Philosophie und experimentelle Pädagogik an der Universität Wien das neu gegründete Psychologische Institut leitete und ihre Studie betreute, sowie in enger Kooperation mit Universitätsprofessoren wie Erwin Stransky (1877-1962) und Otto Pötzl (1877-1962).

1925 erschien am Psychologischen Institut der Universität Wien unter der Leitung von Karl Bühler Flachs Studie „Über symbolische Schemata im produktiven Denkprozess“, die im Archiv für die gesamte Psychologie (Bd.52, S. 369-440) veröffentlicht wurde. Jean Paul Sartre (1905-1980) griff bereits 1926 in seiner Examensarbeit dieser Publikation auf. Die Auseinandersetzung mit Flachs Überlegungen zur Einbildungskraft floss auch in seine späteren Studien zur Kunst und Ästhetik ein, wo er ihre Arbeit an zentraler Stelle rezipierte.

1928 folgte ihre Arbeit „Die Psychologie der Ausdrucksbewegung“, die sie 1930 auf der I. Internationalen Tagung für angewandte Psychopathologie und Psychologie in Wien erneut vorstellte.[2] In einer Rezension würdigte Erwin Stransky sie als „hochbegabte Verfasserin“.[3] Flach war zudem aktives Mitglied im Verein für angewandte Psychopathologie und Psychologie in Wien, der bis 1935 von Martin Pappenheim (1881-1943) und anschließend von Stransky geleitet wurde.

Im Sommersemester 1934 initiierte Karl Bühler eine Zusammenarbeit mit der Wiener psychiatrisch-hirnpathologischen Schule unter Otto Pötzl. Daraus entstand an der Psychiatrischen Klinik der Universität Wien eine „Seminaristische Arbeitsgemeinschaft“ unter dem Vorsitz von Erwin Stransky. Neben Flach nahmen daran u.a. Egon Brunswik (1903-1955), Otto Kauders (1893-1949), Paul Federn (1871-1950) sowie Else Frenkel (1908-1958), Mitarbeiterin von Karl und Charlotte Bühler und spätere Ehefrau von Brunswik teil. Über die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft berichteten 1935 Flach und Karl Theodor Dussik (1908-1968) im Auftrag des Vereins in der Wiener medizinischen Wochenschrift.[4] Ebenfalls aus dem Jahr 1934 stammt Flachs Arbeit „Psychomotorische Gestaltbildung im normalen und pathologischen Seelenleben“.

In den folgenden Jahren arbeitete sie eng mit der Psychiaterin und Neurologin Christine Palisa-Mlitz (1910-) zusammen. Gemeinsam veröffentlichten sie 1935 „Zur Psychopathologie des Zeiterlebens im postencephalitischen Blickkrampf“[5], 1936 „Zum Problem der Verarbeitung organischer Symptome bei Schizophrenie“[6] sowie 1938 die Studien „Insulin and the Cirkulation[7] und „Zur Frage der hirnpathologischen Erscheinungen des Insulinshocks“[8]. Parallel dazu war sie zwischen 1934 und 1938 als Mitarbeiterin an der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik tätig. Ebenfalls 1938 erschien – gemeinsam mit dem Psychiater Alfred Auersperg (1899-1968), dem späteren Nationalsozialisten und SS-Arzt – die Publikation „Zur Symptomatologie der Delirien bei occipitoparietalen Herden“.[9]

Auguste Flach und ihr Ehemann Artur waren wegen ihrer jüdischen Herkunft nach dem „Anschluss“ im März 1938 der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Im selben Jahr gelang ihnen die Flucht nach Australien. Dort arbeitete Auguste zunächst in Hobaert, ab 1951 in Launceston und schließlich ab 1958 in Melbourne als Psychologin. Aus dieser Zeit stammt die 1949 “, gemeinsam mit dem Politikwissenschafter W. A. Townsley verfasst Arbeit „On Freedom“.[10]

Auguste Flach verstarb am 15. November 1972 in Caulfield, Victoria, in Australien.

Quellen:

Matriken der IKG Wien, Geburtsbuch 1891, Tänzer Auguste.

Matriken der IKG Wien, Trauungsbuch 1910, Tänzer Auguste, Flach Artur.

In Australien, Victoria Sterbeverzeichnis, 1836-1985.

Australia, Victoria, Index to Probate Registers, 1841-1989, Entry for Auguste Flach, 05 Mar 1973.

Friedrich Jannette, Auguste Flach (1891-1972) – die Entdeckung einer ungewöhnlichen Biographie, in: Psychologische Rundschau, 76(1), 2025, S. 21—22.

Literatur:

Flach, Auguste: Die Psychologie der Ausdrucksbewegung. Sonderdruck aus: Archiv für die gesamte Psychologie. Wien: Gerold & Co. Universitäts-Buchhandlung 1928.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

Flach, Auguste: Psychomotorische Gestaltbildung im normalen und pathologischen Seelenleben. Sonderdruck aus: Archiv für die gesamte Psychologie. Köthen/Anhalt: Großdruckerei Paul Dünnhaupt 1934.

[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata Bibliothek]

[1] Herrmann Theo, Psychologie der kognitiven Ordnung, Berlin 1965. Loquens Manus, Medium der Geste, Gesten der Medien, Köln 2003.

[2] I. Internationale Tagung für angewandte Psychopathologie und Psychologie, Wien 5.-7. Juni 1930, Referate und Vorträge, Hg. von Hartmann H., Pappenheim M., Stransky E., Berlin 1931, S. 202-209.

[3] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 28, 1929, S. 918.

[4] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 9, 1935, S. 234-237.

[5] Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 154, 1935, S. 599-620.

[6] Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 156, 1936, S. 274-286.

[7] Insulin and the Cirkulation, in: The Treatment of Schizophrenia Isulin Shock. Cardiazol sleep Treatment, aus: The American Journal of Psychiatrie, Nr. 94, Mai 1938 (Supplement), S. 96-108.

[8] Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, 108 (5), 1938, S. 633-660.

[9] Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, 107, 1938, S. 616-635.

[10] Townsley W. A., Flach Auguste, On Freedom, in: The Australian

Quarterly, 21 (3), 1949, S. 45-56.

Normdaten (Person): Flach, Auguste: BBL: ; GND:

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BBL: 47075 (29.09.2025)
URL: https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=47075

Letzte Aktualisierung: 2025.09.29

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