Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [143]:
Alfred Götzl – Sozialmediziner und Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien
Text: Dr. Walter Mentzel
Alfred Götzl war langjähriger Mitarbeiter und Studienautor von Ludwig Teleky. Wegen seiner jüdischen Herkunft und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten wurde er als Dozent für Innere Medizin an der Medizinischen Fakultät 1938 von der Universität Wien vertrieben.
Alfred Götzl wurde am 1. Dezember 1873 als Sohn des aus Böhmen stammenden Salomon Götzl und Marie Schüssler in Wien geboren. Nach Abschluss seines Medizinstudium an der Universität Wien mit der Promotion im Jahr 1898[1] arbeitete er bis 1903 als Assistent an der Heilanstalt Alland. Danach eröffnete er eine Arztpraxis in Wien 19, Cottagegasse 86.[2]
Gemeinsam mit Alfred Bass arbeitete er unter der Leitung von Ludwig Teleky 1905 an der sozialmedizinische Studie zu den Perlmutterdrechslergehilfen während ihres Streikes und den Kohlenabladern der k.k. priv. Kaiser Ferdinand-Nordbahngesellschaft mit. Als Schüler von Teleky publizierte er 1910 eine von ihm am Krankenkassen-Ambulatorium für Gewerbekrankheiten durchgeführte Studie:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]
1912 erschien seine ebenfalls am Ambulatorium von Teleky und am chemischen Laboratorium des k.k. serotherapeutischen Institutes von Richard Paltauf (1858-1924) unternommene Studie:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]
1915 erschien seine Arbeit:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Neuburger Bibliothek, Sign.: 61362]
Vom Stadtrat von Wien wurde Götzl im August 1919 zum provisorischen Facharzt für Tuberkulosefürsorge für das Städtische Gesundheitsamt bestellt.[3] Daneben war er als leitender Arzt in der Fürsorgestelle Wien 16, des Vereines „Settlement“ tätig.[4] 1920 wurde er neben Arnold Czech und Ludwig Teleky in den Vollzugsausschuss für die Tuberkulosefürsorge nominiert,[5] und zum Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien ernannt. Götzl zählte neben Julius Tandler zu den Pionieren beim Ausbau der Tuberkulosefürsorgestellen in Wien. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war er Mitglied im „Österreichischen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose“ und schon vor dem Ende des Ersten Weltkrieges nahm Götzl den Aufbau der Tuberkulosefürsorgestellen in Wien gemeinsam mit Teleky in Angriff. 1917 publizierte er dazu in der Zeitschrift Österreichisches Sanitätswesen:
[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Separata-Bibliothek]
1918 gab er in der Arbeiter Zeitung einen Überblick über die „Tuberkulosenbekämpfung in Österreich“ [6]. 1923 zog er über die Entwicklung der Tuberkulosefürsorgestellen, ihren Erfolg und über seine Tätigkeit ein Resümee.[7] In seiner Funktion als Chefarzt der Tuberkulosenfürsorge publizierte er in der Arbeiter Zeitung[8] einen ausführlichen Bericht über die „Behandlung der Lungentuberkulose“ oder zur Bedeutung des staatlichen Sozialversicherungswesen[9] aus der Sicht der Medizin. Darüber hinaus war er auch in der Wiener Volksbildung aktiv, wo er ebenso zur Tuberkulosenbekämpfung[10] Stellung nahm wie im Fortbildungsvortrag der Gesellschaft der Ärzte in Wien[11]. 1926 erfolgte seine Habilitation an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im Fach innere Medizin mit besonderer Berücksichtigung der Tuberkulosefürsorge und seine Ernennung zum Privatdozent.[12]
Götzl, der auch Mitglied der Vereinigung sozialdemokratischer Ärzte war, hielt – nach der Übersiedlung von Teleky nach Düsseldorf und dem Ende des Sozialen Seminars an der Universität Wien – im Rahmen des Verbandes der sozialistischen Studenten in deren Medizinischer Fachgruppe/Sozialmedizinisches Seminar Vorträge zur Sozialmedizin,[13] so wie auch vor Gewerkschaftsversammlungen zu Themen der Berufskrankheiten.
Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt. Er wurde seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Alfred Götzl, seiner Ehefrau Paula (*23.5.1886 Wien, gest. 21.10.1984 San Francisco/USA) und den beiden Kindern Johanna (*23.9.1908, gest. 5.1.2004 Kalifornien) und Franz Rudolf (*28.9.1914 Wien, gest. 1981 Berkeley/Kalifornien), der 1938 an der Medizinischen Fakultät studierte und ebenfalls aus rassistischen Gründen von der Universität Wien vertrieben wurde, gelang die Flucht in die USA. Alfred Götzl unterrichtete in den darauf folgenden Jahren an der University of California School of Medicine in San Francisco. Er verstarb am 21. Jänner 1946 in San Francisco.
Quellen:
Matriken der IKG, Geburtsbuch 1873, Götzl Alfred.
AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-0457, Götzl Alfred (Nationalien Datum: 1894/95).
AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-1150, Götzl Alfred (Nationalien Datum: 1934/35).
AUW, Med. Fakultät, Nationalien/Studienkataloge, Sign. 134-1232, Götzl Alfred (Nationalien Datum: 1937/38).
AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 188-1107, Götzl Alfred (Promotionsdatum: 31.3.1898).
AUW, Rektorat, Med. Fakultät, Rigorosen- und Promotionsprotokolle, Sign. 195-51a, Götzl Alfred (Rigorosum Datum: 23.3.1898).
UAW, Rektoratsarchiv, Akademischer Senat, Personalblätter, Senat S 304.362 Götzl, Alfred.
United States Deceased Physician File (AMA), 1864-1968, Götzl Alfred 1946.
[1] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 2. 1899. Sp. 93.
[2] Neue Freie Presse. 8.11.1903. S. 9.
[3] Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe). 1.9.1919. S. 6.
[4] Wiener klinische Rundschau. Nr. 7/8. 1920. S. 47.
[5] Wiener klinische Rundschau. Nr. 5/6. 1920. S. 29.
[6] Arbeiter Zeitung. 14.8.1918. S. 6.
[7] Arbeiter Zeitung. 23.1.1923. S. 8.
[8] Arbeiter Zeitung. 19.7.1924. S. 11.
[9] Arbeiter Zeitung. 10.7.1925. S. 7.
[10] Arbeiter Zeitung. 14.3.1928. S. 12.
[11] Wiener medizinische Wochenschrift. Nr. 40. 1935. S. 1082.
[12] Wiener medizinische Wochenschrift, Nr. 39. 1926. S. 1164.
[13] Arbeiter Zeitung. 23.11.1926. S. 11.