Ver-rückte Zeit
Autor: Univ.-Prof. Dr. med. Peter Heilig
„Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.“ Erich Kästner
Über tempus – die Zeit – ließe es sich trefflich philosophieren, von Vorsokratikern (πάντα ῥεῖ – panta rhei – Heraklit) „alles fließt“ – über Newton: „sie tickt gleichmäßig..“ bis zu Albert Einstein, der meinte, dass die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur eine hartnäckige Illusion wäre“ – in diesem unserem Raum-Zeit-Kontinuum und der vielzitierten Krümmung. Dazu mischen sich ziemlich verrückte Vorstellungen: „a photon can spend a negative amount of time in an atom cloud“ (Angulo et al 2024) https://arxiv.org/pdf/2409.03680. Zum Stillstand kam ein Photon experimentell schon vor längerer Zeit (Bajcsy M et al (2003) „Stationary pulses of light in an atomic medium“ Nature;426(6967):638-41) und damit stockte vielleicht auch die ‚Zeit‘, die so genannte. Zeitdilatation, Lorentz-Faktor und „bewegte Uhren gehen langsamer“ etc. werden hier nur kurz erwähnt. Auch dass die Zeit still stünde ab dem Erreichen des Ereignishorizonts schwarzer Löcher und in deren Inneren eine von außen nicht erreichbare Zukunft existiere („wir wissen es nicht“ – A. Ghez) sprengt die Vorstellungskraft – wie gewohnt in der wunderlichen Welt der Quantenphysik. (Heilig P (2013) Quantenphysik und Auge: quantum satis est https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=16917)
Dem Otto Normalverbraucher liegt dies stagelgrün auf – es hat keine Bedeutung für ihn. Die ‚Zeit-Umstellung‘, alle Jahre wieder – wider Vernunft – stört jedoch seine Kreise. 1916 wollte das Deutsche Reich Energie sparen – für den Ersten Weltkrieg – und ’stellte die Zeit um‘ – sine effectu. Energie wurde weder damals noch heute gespart – auf diese Weise. Im Jahr 1947 gab es sogar eine Deutsche Doppelte Sommerzeit (zwei Stunden), nur so lange, bis die Allierten diese absurde Regelung abstellten um die in der Nachkriegszeit geschwächte bis ausgemergelte Bevölkerung nicht noch mehr zu belasten.
Das Drehen an der Uhr gelingt beinahe überall, nur nicht im Körper, an der inneren Uhr. Oszillatoren befinden sich im suprachiasmatischen Nucleus (SCN), Bio-Metronome geben den Takt vor, die zirkadianen Rhythmen. Dies manifestiert sich auch im Früh- und Spät-Aufsteher- Typus – genetisch determiniert. Ein Schulfreund wurde immer erst am späten Vormittag endgültig munter, abgesehen von den Weck-Wirkungen nachbarlicher Rempler – inklusive blauer Flecken, welche ihm ein Schulkamerad regelmäßig verpasste – wohlmeinend. Das leidige Problem mit dem Wachwerden begleitete ihn auch während seines gesamten Berufslebens – bloß die Rempler fehlten.
Die Chronotypen unterscheiden sich hinsichtlich Leistungsvermögen, Körpertemperatur, Hormonspiegel und Vigilanz in unterschiedlichen Tageszeiten voneinander. Dieses Faktum lässt sich weder durch Belohnung noch Bestrafung oder gar Überredung der zur Unzeit geweckten Kinder egalisieren – ‚Eulen‘ oder ‚Lerchen‘-Typen bleiben wie in Stein gemeißelt. (Heilig P (2014) Aus dem Takt geraten „unsere Zeit?“ https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=18817
Die Suizidrate (zweithäufigste Todesrate -) Jugendlicher nimmt zu. Chronische Müdigkeit provoziert Dysphorien und Depressionen bis zum ’suicidal behavior‘ (Gagliano A et al (2024) Neurodevelopmental Disorders and Suicide. J Clin Med;13(6):1627). Chronisch gestörte Biorhythmen paedisponieren dazu; dieser Kausalzusammenhang wird jedoch unterschätzt. Stichwort Chronodisruption: Melanopsin-Ganglienzellen (ipRGC) der Netzhaut reagieren auf Licht via SCN – auch zur Unzeit – und stören über viele Stunden die zirkadiane Rhythmen – nicht selten chronisch. (Heilig P (2019) MRGC, eine retinale Schlüssel-Zelle (Conc Ophthalmol 6/2019, 23-24).
Kinder sind die am stärksten gefährdeten Verkehrsteilnehmer – Wo? Ausgerechnet am ‚Schutz’weg, zynischerweise. Seit wann? Besonders seit Licht Am Tag oder Tagfahrlicht (daytime running lights – DRL). Überakzentuierte, grell bläulichweiß strahlende KFZ-Lichter lenken die Aufmerksamkeit auf sich. Nicht überakzentuierte – unbeleuchtete – schwächere Verkehrsteilnehmer, speziell Kinder und Jugendliche, könnten dadurch übersehen oder besser formuliert, nicht wahrgenommen werden (QED): Trotz hoher Konzentration und Aufmerksamkeit können Wahrnehmungstörungen klar und deutlich gesehene verkehrsrelevante Objekte scheinbar verschwinden lassen: potentielle Unfall-Lenker nähern sich einem scheinbar leeren Zebrastreifen (jedoch darauf: ein Kind mit Warnweste am Schulweg) – infolge Ablenkung durch das zunehmende Übermaß heller, bewegter isotroper Lichtstimuli. Fazit: Distraction Blindness – durch Überlastung bzw. overflow der visual short term- und working memories im ZNS. DRL verstoßen gegen Artikel Drei der Menschenrechte.
http://www.lightmare.org/docs/Austrian_Opthalmologic_Society_bans_DRL_duskofdrl.pdf.
http://www.lightmare.org/docs/ReflImprim.pdf
Epilog: Ein Arbiter, ein fiktiv ‚übergeordneter‘ Schiedsrichter, etwa Petronius, ein Mann von Esprit und Stil, schenkte (conj.) der Nacht wieder ihr samtenes Dunkel. Er verbäte sich jegliches Kunstlicht bei ausreichend hellem Tageslicht und die mehr Schaden als Nutzen verursachende ‚Summertime‘ zerzauste er – ‚pure, easy and elegant‘ in einem geistvoll kritischen Satyricon der Moderne.
Die Sonne stünde am Zenith des Himmelsgewölbes – exakt in der Mitte des Tages.
LICHT-AUSSCHALTER (spesenfrei) sind indiziert – in der ‚Talsohle‘ des Anthropozän..
Einstein A: (1972) „The distinction between the past, present and future is only a stubbornly persistent illusion“ NY Times 1972 12 1)
Chronodisruption: Lichtstimuli (Smartphone, Tablet, Gaming etc.) knapp vor – bis weit in die Schlafenszeit hinein haben auf Dauer unerwünschte bis fatale Folgen: chroniwsche Müdigkeit/gestörte Biorhythmen, Dysphorien und Depressionen bis (Prae-)Suizidalität.
Heilig P (2024) Retinales Pigmentepithel https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=45005
Petronius (14-66 (?)): ‚arbiter elegantiarum‘: – „einer der Größten der Weltliteratur“
isotrop: in alle Richtungen abstrahlend
Gender: beyond
Interest: no conflict
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Interessenkonflikt:
Der Autor erklärt, dass bei der Erstellung
des Beitrags kein Interessen –
konflikt im Sinne der Empfehlung des
International Committee of Medical
Journal Editors bestand.
Korrespondenzadresse:
Univ.-Prof. Dr. med. Peter Heilig
Augenheilkunde und Optometrie
peter.heilig@univie.ac.at