Gastautor Univ.-Prof. Dr. med. Peter Heilig: RETINALES PIGMENTEPITHEL (RPE)

RETINALES PIGMENTEPITHEL (RPE)

Autor: Univ.-Prof. Dr. med. Peter Heilig  

„Die faszinierendste Zelle“ der Netzhaut sei „das retinale Pigmentepithel“ meinten Experten (1). Nicht ‚außerhalb‘ der Netzhaut läge das RPE. Nein – integrierender Bestandteil des retinalen Systems wäre die RPE-Zelle, ganz besonders als untrennbare funktionelle Einheit mit peripheren Rezeptoren – via Mikrovilli – mit einem “thick basal cushion of mitochondria“ und der Interfotorezeptormatrix. Sie trennt  nicht – im Gegenteil, sie verbindet, über Ionenkanäle, über den Transport (‚Transportepithel‘) von Nährstoffen und Metaboliten und die Außensegment-Phagozytose. 

Das ’nonsynaptische Interface‘ zwischen RPE und den äußeren Rezeptor-Segmenten, komplex und in optimaler Ausdehnung, wird als das erste Microconnectom des visuellen Systems beschrieben. Basolaterale Einfaltungen vergrößern die Fläche etwa um den Faktor zehn. Verlust dieser Einfaltungen und Ansammlungen extrazellulärer Matrix etc. – an diesen Stellen – sind Anzeichen retinaler Alterungprozesse (2). Das RPE sorgt für eine perfekte Pump-Funktion (Na,K-ATPase) und passt sich an die retinalen Erfordernisse sowie an die der Choriocapillaris an.

Sowohl RPE- als auch Photorezeptor-Zellen sind postmitotisch und müssen daher ein Leben lang fehlerfrei funktionieren. Die Phagozytose der Außensegmentfragmente zum morgendlichen Licht stellt eine außerordentliche Belastung dar: „RPE-Zellen sind der am stärksten phagozytische Zelltyp im Körper“. Der phagozytische Schub, ausgelöst durch eine orchestrierte ‚Signalgebung‘: „Friss mich“ muss rasch beendet und die Rezeptor-Fragmente komplett ‚verdaut‘ werden. Unverdaute Reste, ‚autofluoreszierende Lipofuszingranula‘, wären toxisch. Ionenkanäle regulieren zirkadiane Rhythmen der Phagozytose.

Über Ionenkanäle können bei RPE-Versagen Krankheiten (channelopathies) verursacht werden, zum Beispiel bei Dystrophien und anderen hereditären und immunassoziierten Problemen. „Krebszellen können ihr Wachstum durch ‚Ca2+ getriebene  Wachstumsfaktorsekretion‘ fördern“. Licht bewirkt eine passagere Zunahme extrazellulären retinalen Flüssigkeitsvolumens – ATP Energie betreibt beim transepithelialem Transport Na+  und K+ sowie Clsamt Flüssigkeits-Austausch. Die hochsensible Zell-Flüssigkeit-Volumen-Regulation erfolgt über volumensensitive Cl-Kanäle.

Licht reduziert die subretinale K+ – Konzentration und setzt „eine bislang unbekannte ‚Lichtanstieg‘-Substanz frei, die an einen Rezeptor an der apikalen Membran der RPE bindet“, was zu einer Erhöhung des transepithelialen Cl- Transports und höhere transepitheliale basolaterale negative Potentiale auslöst, welche elektro-okulographisch (EOG) registriebar sind. Eine Vielfalt von diversen Wachstumsfaktoren (VEGF-A z.B.) und Zytokinen wird durch das RPE sezerniert. Interaktionen mit den Photorezeptoren und dem Endothel der Choriocapillaris garantieren Regulation und Stabilität sowie die Integrität der Photorezeptoren samt retinaler Neuronen.

Toll-Like Rezeptoren (TLR) Immun-Erkennungs- (oder Wächter-) Moleküle – erkennen mikrobielle molekulare Pathogen-Muster. TLRs lassen die Bedeutung des RPE bezüglich angeborener Immunität, Immun-Regulation sowie adaptativer okulärer Immunität erkennen. Die RPE-Zelle „kann als Ersthelfer bei Infektionsangriffen fungieren“ und mit „adaptiver Antwort auf eine zweite Antigen Exposition reagieren“ (immunologisches Gedächtnis).

Zytokine: proinflammatorisch, immunsuppressiv; Stimulation mit Zytokinen bewirkt hohe VEGF-Produktion. RPE können zu einer Quelle chemotaktischer Zytokine – Chemokine und Adhaesionsmolekülen werden. In der Folge – Rekrutierung von Leukozyten und lokalen profibrotischen und proangiogenen Prozessen sowie fibrovaskulären Membranen und Kontraktion durch myofibroplastisch differenzierte Müller Zellen. Pigmentepithel abgeleitete Faktoren (PEDF) hemmen unter normalen Bedingungen proliferative Tendenzen. Hyperglykämische sowie  hypoxische Faktoren können allerdings diese PEDF Expression hemmen.

Phototoxische Stimuli können nicht nur Rezeptoren und RPE irreversibel schädigen, sondern auch Mitochondrien fragmentieren: “Mitochondrial dynamics were disrupted with characteristics of fusion-related obstruction after blue-light irradiation“ (3)

Myopie: Das RPE ist mit Synthese und Sekretion von Wachstumsfaktoren, Rezeptor-Expression und Aktivierung von Neurotransmittern, mit Ionaustausch und Flüssigkeits-Bewegung an der Regulation des Augenwachstums maßgeblich beteiligt, besonders durch seine induktive Weichensteller-Position zwischen Retina und Choroidea.

RPE-Zellen: ein ‚Pluraletantum‘; sie fungieren wie eine hochorganisierte einzige – groß(artig)e Zelle..

VEGF: Vascular Endothelial Growth Factor, konstitutiv vom RPE exprimiert; wichtigster angiogener Wachstumfaktor, Erhaltung von RPE, Choriocapillaris etc. Auslöser Hypoxie, oxydativer Stress, Hyper- oder Hypo-Glykämie, Hyperthermie.

Embryonal-Entwicklung: Verlust bloß eines einzelnen VEGF-Allels kann fatale Folgen haben.

Chronodisruption: Lichtschübe zur Unzeit: belasten das System über Gebühr und können unerwünschte Langzeitwirkungen lostreten wie eine falsche Skispur im Lawinenhang.

Epilog: Pfleglich will das RPE behandelt werden. Möge es verschont werden von unphysiologischen (Kunst-) Licht-Torturen. Eines Tages wird  sich die Vernunft durchsetzen – angenehm warmes Licht wird die Augen erfreuen und niemals blenden oder ablenken – das Kontrastsehen verbessern und Phototoxicity vergessen lassen.

„Wir werden’s nicht erleben“ (Kassandra). 

1 Klettner K., Dithmar S. (Hrsg.) (2024) Das Retinale Pigmentepithel – Physiologie und Pathologie. Springer

2 Lindell M et al (2023) Volumetric Reconstruction of a Human Retinal Pigment Epithelial Cell Reveals Specialized Membranes and Polarized Distribution of Organelles. Invest Ophthalmol Vis Sci;64(15):35.

3 Zhang C et al (2024) High correlated color temperature artificial lighting impairs retinal pigment epithelium integrity and chloride ion transport: A potential mechanism for choroidal thinning; Biochem Biophys Res Com 718,150078

Gender: beyond

Interest: no conflict

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Veranstaltung:

Wahrgenommen
15.10.24 um 19.00 h

im Otto-Mauer-Zentrum – KAVÖ
Währinger Str. 2-4  A-1090 Wien

Veranstaltung Wahrgenommen

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Interessenkonflikt:
Der Autor erklärt, dass bei der Erstellung
des Beitrags kein Interessen –
konflikt im Sinne der Empfehlung des
International Committee of Medical
Journal Editors bestand.

Korrespondenzadresse:
Univ.-Prof. Dr. med. Peter Heilig
Augenheilkunde und Optometrie
peter.heilig@univie.ac.at

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