Archiv der Kategorie: Gastbeiträge

Gastbeiträge

Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: A-Symmetrisches

A-Symmetrisches

P Heilig, A. Thaler

Heilig P, Thaler A
(2023) A-Symmetrisches. Concept Opth 2/2023 Sinnesphysiologie 1-2  cpt_202302_med_asymmetrien

 

Kein Auge gleicht dem anderen. Es sei denn..

Die okuläre Dominanz (‚eyedness‘) manifestiert sich nicht nur funktionell, sondern auch morphologisch. J.C. Maxwell veröffentlichte im Jahre 1856 „On the unequal sensitivity of the foramen centrale to light of different colors“. Dieses tritanope Zentralskotom des führenden Auges (‚Maxwell’s spot centroid‘) ist üblicherweise kreisrund und das des Partnerauges etwas größer und unregelmäßig begrenzt, meist annähernd elliptisch konfiguriert. Symmetrische, beidseits gleich große und runde Blau-Skotome können bei klinisch unauffällig ophthalmologischem Status zu Kompetenz-Differenzen (‚Undetermined Dominance, Binocular Imbalance oder – Rivalry‘) führen und sich klinisch als Dyslexie manifestrieren. Bei Blendung (tiefstehende Sonne, KFZ-Blendlaternen etc.) wird nicht, wie üblich, immer dasselbe Auge (Partnerauge) geschlossen („the habit to close one eye in the sun“), sondern abwechselnd, – etwa gleich lange, einmal das rechte und das linke Auge – ‚undetermined‘ ..

Neuronale Pfade und synaptische Verbindungen bilden sich in den kritischen Phasen der Entwicklung im asymmetrischen Modus. Okuläre Dominanz wird vom ZNS ausgewählt, mit allen morphologischen Unterschieden, von der Retina (nervefiber-, macular ganglion cell, inner plexiform layer and macular thickness ), über den Tractus opticus bis zu corticalen strukturellen Asymmetrien. Die Dominanz-Auswahl wird von verschiedenen Faktoren mitbestimmt, wie zum Beispiel Genetik und Refraktion. Das dominierende Auge liefert dem Gehirn präzise primäre sinnesphysiologische Daten begleitet von ’sekundären‘ Zusatzinformationen des Partnerauges, mit dem Ziel störungsfreier binokulärer kognitiver Funktion. Bei fehlender oder zu gering ausgeprägter okulärer Dominanz können sich dyslektische Störungen manifestieren, wie zum Beispiel sogenannte ‚mirror-image letters‘-Verwechslungen, wie etwa zwischen ‚d‘ und ‚b‘. Die Bedeutung okulärer Dominanz darf nicht unterschätzt werden, besonders für refraktive Maßnahmen, einschließlich refraktiv-chirurgischer.

Manche Lern- und Verhaltensstörung Jugendlicher, aber auch so manche gescheiterte berufliche Karriere könnte durch Dyslexie mitverschuldet worden sein. Dies ließ eine auffällige Dyslexie-Häufung bei der Untersuchung jugendlicher Straftäter vermuten (Muñoz-López 2021).

Erworbene Asymmetrien

Am Beispiel von retinalen Lichtschäden: Neben interokulären Asymmetrien finden sich diesbezüglich auch monokuläre Symmetrie’brüche‘. Dies zeigt sich deutlich bei Retinopathia pigmentosa (RP) sectorialis. Pathognomische RP-Pigmentierungen sind geringer ausgeprägt oder fehlen im ‚Schatten‘ von Brauen und Nasenrücken:  „the inferonasal quadrant is most commonly affected in sector RP due to the greater light exposure of the lower retina from an overhead light source“, Coussa 2019). Regelrecht hervorgehoben (‚highlighted‘) werden die phototoxischen Laesionen bei dieser besonderen Form der RP, als Ausdruck extremer Licht-Vulnerabilität retinaler Strukturen.„Monokuläre RP“– Varianten sind eher mancher Phänokopie zuzuordnen oder Ausdruck extremer einseitiger Lichtschädigung des führenden Auges bei später auftretenden klinischen RP.- Manifestationen – denn das führende Auge ist früher und schwerer betroffen („the habit to close one eye in the sun“. Jensen, 1982), dies verdeutlicht das Extrembeispiel Amblyopie. Das ’schwachsichtige‘ Auge erleidet deshalb kaum jemals retinale Lichtschäden. Die bei schwerer Blendung nahezu geschlossene Lidspalte schützt den Bulbus des Partnerauges vor potentiell phototoxischen Licht- und UV-Strahlen. Bei schwach ausgeprägter okulärer Dominanz finden sich geringere Lichtschäden-Unterschiede zwischen beiden Augen.

Scheinbar unvermeidliche iatrogene OP-Mikroskop-Lichtschäden ließen sich reduzieren: „.. light exposure reaching the patient‘s retina during cataract surgery is much lower in the intracameral illumination than in the microscope illumination“ (Kim 2021). RP-Patienten, welche in der ICCE-Ära mit extrem reduzierter retinaler Lichtbelastung operiert werden konnten, erfreuten sich auffallend lange ihres erstaunlich gut erhaltenen Visus centralis („oblique intracameral illumination caused less subjective photostress and was preferred over coaxial microscope illumination“).

Berufliche, meist unterschätzte monokuläre Lichtbelastungen (Endoskopie, Mikroskopie (monokulär) etc. können sich relativ früh störend bemerkbar machen, zuerst als erworbene diskrete Dyschromatopsie und reduziertes Kontrastsehen, schließlich als beeinträchtigter Visus centralis sowie relatives Zentralskotom.

 

„The foveal blue scotoma is most easily observed with a homogenous 450 nm monochromatic background modulated in a square-wave fashion at temporal frequencies of 1–2 Hz.“ (Magnussen S et al (2001) Filling-in of the foveal blue scotoma. Vision Res;41(23):2961-7) – aber auch ohne großen Aufwand durch schlichtes Betrachten einer monochrom blauen Fläche – evtl. intermittierend abdecken.

Okuläre Dominanz variiert interindividuell. Diese große Bandbreite erlaubt daher keine Alles-oder-Nichts-Diagnose. Nahezu symmetrische Maxwell’s spots können – als Ausnahme von der Regel – so gut wie ohne dyslektische Symptomatik vorkommen; im hartnäckigen anamnestischen ‚Verhör‘ tauchen gelegentliche doch Erinnerungs-Reste auf – an „merkwürdig verdrehte“ Buchstaben und Ziffern in frühen Kindheitstagen.

Auf die diversen Definitionen von Legasthenie, phonologischer Legasthenie, Dyskalkulie Early Oral Language Difficulties etc. kann hier nicht eingegangen werden. An der Rechts- oder Links-‚Händigkeit‘ (- handedness) ist das Gen PCSK6 mitbeteiligt. Diese andere Art von Dominanz manifestiert sich zum Beispiel am hypertrophierten Tennisarm mancher Tennisprofis oder an der mächtigen ‚Protz‘-Schere von Winkerkrabben.

Epilog:  Kosmogenetische Symmetrie (Σ M = Σ AM) hätte zu ‚Nichts‘ geführt. Σ M > Σ AM schuf das All und alles. ‚M’= Materie. ‚AM’= Antimaterie. Nur am Rande..

Lit.:

Jensen OL (1982) Pterygium, the dominant eye and the habit of closing one eye in sunlight. Acta Ophthalmol (Copenh);60(4):568-74.

Le Floch A et al (2017) Left–right asymmetry of the Maxwell spot centroids in adults without and with dyslexia. Proc Biol Sci 284(1865): 20171380.

Kasamatsu T et al  (2020) Ocular dominance plasticity: Molecular mechanisms revisited. J Comp Neurol. 528(17):3039-3074.

Liu S et al  (2021) Ocular Dominance and Functional Asymmetry in Visual Attention Networks. Invest Ophthalmol Vis Sci;62(4):9.

Muñoz-López L et al (2021) Writing Abilities in Compulsive Prisoners. Front Psychol; 12: 701941.

Coussa RG et al (2019) Sector retinitis pigmentosa: Report of ten cases and a review of the literature. Mol Vis. Dec 30;25:869-889.

Baudin J et al (2019) S-cone photoreceptors in the primate retina are functionally distinct from L and M cones. Elife;8:e39166.

Thaler A et al (1973) Sectoral retinopathia pigmentosa. Involvement of the retina and pigment epithelium as reflected in bioelectric responses. Docum Ophthalmol Proc Ser II, 237-243

Ramon E et al (2014) Differential light-induced responses in sectorial inherited retinal degeneration. J Biol Chem;289(52):35918-28.

Kim YJ et al (2021) Contrast, visibility, and color balance between the microscope versus intracameral illumination in cataract surgery using a 3D visualization system. Indian J Ophthalmol;69(4):927-931.

Seo H et al (2018) Macular photostress and visual experience between microscope and intracameral illumination during cataract surgery. J Cataract Refract Surg;44(2):190-197.

Hulme C et al (2016) Reading disorders and dyslexia. Curr Opin Pediatr.; 28(6):731-735. 

Heilig P (2017) Maculadegeneration monokulär (?) Concept Ophthalmologie 01 / 2017

https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=27664

Heilig P, Thaler A (2023) A-Symmetrisches. Concept Opth 2/2023 Sinnesphysiologie 1-2  cpt_202302_med_asymmetrien

Robinson KJ et al (2016) The PCSK6 gene is associated with handedness, the autism spectrum, and magical ideation in a non-clinical population. Neuropsychologia;84:205-12.

Gender: beyond
Conflict of Interest: no

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Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: FEHLERNÄHRUNG, BEWEGUNGSMANGEL UND MYOPIE

FEHLERNÄHRUNG, BEWEGUNGSMANGEL UND MYOPIE

P Heilig

Auf der Suche nach Ursache der scheinbar unaufhaltsamen Zunahme von Kurzsichtigkeit in allen Industriestaaten wurden zahllose Faktoren in Erwägung gezogen. Der Einfluss von Bewegungsmangel und Fehlernährung wurde jedoch unterschätzt.

Fehlernährung, sogenanntes ‚Junk Food‘ und Bewegungsmangel verursachen nicht nur Störungen des  Stoffwechsels, wie der Aminosäuren Tyrosin und Phenylalanin sowie ihrer Konversion zu Dopamin. Dieser Neurotransmitter spielt vor allem in der Adoleszenz eine wichtige Rolle – für die Emmetropisierung und kognitive Fähigkeiten: „Physical activity and diet increase dopamine levels by augmenting tyrosine and its conversion to dopamine.“    

Gestörte Dopamin (DA)- und 3,4-Dihydroxyphenylalanine (DOPA) – Homöostasen können das dynamische Gleichgewicht der besorgniserregend außer Kontrolle geratenen Myopie-Inzidenzraten verringern; diese DA und DOPA ‚Ungleichgewichte‘ sind möglicherweise mit neuropsychiatrischen Störungen assoziiert, etwa mit ängstlich-depressiven Dysphorien, Gedächtnis-Störungen, Alkohol- und Drogenabusus, mit dem Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), irregulären Schlafmustern, Bewegungstörungen, Kognitions-Störungen und Schizophrenie (?). ‚Robuste Homöostasen‘ von DA und DOPA wurden mit einem nautischen Terminus verglichen – dem ‚robusten Navigieren‘ (Negativ-Beispiel: Ever-Given Suezkanal-Unfall  – siehe dazu Bernoulli und Venturi).

Fehlernährung kann Cytokine- und Adipokine- Gleichgewicht stören. Die abnorme Homöostase ruft unspezifische Entzündungen hervor, auch im ZNS. Die ‚aktivierte‘ Mikroglia phagozitiert nicht nur abgestorbenes neuronales Gewebe, sondern auch gesunde Elemente – samt Zerstörung neuronaler Netze, ähnlich wie bei den chronisch-entzündlichen Affektionen von Myelinscheiden und Nervenzellen bei der Multiplen Sklerose (MS). Die Mikroglia der Retina sollte in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden werden, denn die Müller’sche Stützzelle hat mit ihrem „..wide range of roles in neural development and function“ entscheidenden Einfluss auf die Prozesse der Emmetropisierung. Die DA- und DOPA- assoziierten Motilitätsstörungen verschlimmern Bewegungsmängel, welche längst durch Smartphone-Abusus und Computerspielsucht etc. von Kindern und Jugendlichen zum ernsten Problem wurden.

Fazit: There was a high prevalence of myopia in college students in China, which increased annually and was associated with reduced physical activity while at college“. Und: „Physical exercise could effectively prevent the occurrence of myopia, improve the visual status of students, and alleviate the decline of vision“

Physische Aktivität kann auch – später – die Gefahr der Entstehung und Progression retinaler Maculadegenerationen verringern.

 Fehlernährung – addendum: Laborratten wählten – mittels Tastendruck – viermal öfter Zuckerwasser als Kokain oder Heroin. Feldhamster (auf der roter Liste) frassen die eigene Brut am Tag der Geburt aufgrund von Mangelernährung durch Monokulturen Mais(*). Nach Vitamin-B 3 Zusatz normalisierte sich dieses verstörend pathologische Verhalten. Fehlernährung ist mit erhöhter Aggressivität bis zur Gewaltbereitschaft assoziiert, verursacht Adipositas und Fettleber, verringert Gedächtnisleistungen und führt zu morphologisch erkennbaren Veränderungen im ZNS, speziell im Hippocampus. Es verändert die Darmflora, erhöht das Risiko metabolischer- , (Typ 2 Diabetes Mellitus (T2DM) und vaskulärer Komplikationen inklusive Hypertonie, abgesehen von den „Adverse effects of phosphate preservatives on human health. Dietary phosphate excess often leads to phosphate toxicity, ultimately potentiating kidney disease development.“

Previc FH. (1999) Dopamine and the origins of human intelligence. Brain Cogn;41(3):299-350.

Kleppe R et al (2021) DOPA Homeostasis by Dopamine: A Control-Theoretic View. Int J Mol;22(23):12862.

Bejarano-Escobar R et al (2017) Müller glia and phagocytosis of cell debris in retinal tissue. J Anat ;231(4):471-483. 

Zhao X et al (2022)  Degree of Myopia and Reduced Physical Activity in 3600 College Students in China. Med Sci Monit Basic Res; 28:e934807

Heilig P (2022) ipRGC und Myopie. Conc Ophthalmologie  9/2022 X16
https://meduniwien.ac.at/blog/?p=39957

Heilig P (2018) Myopie und die Müller’sche Stützzelle   Conc Ophthalmologie 6/2018 30-31
https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=30977

Sinha S et al (2022) Diabetes Mellitus, and Vascular Impediment as Consequences of Excess Processed Food Consumption. Cureus;14(9):e28762.

*https://www.arte.tv/de/videos/082725-000-A/unser-hirn-ist-was-es-isst/

Gender: beyond. Interessenkonflikt: nein

 

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Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: Phänomenologie des Vergessens

Phänomenologie des Vergessens

 „Niemand ist weiter von der Wahrheit entfernt als derjenige, der alle Antworten weiß“.  
Zhuangzi

Das ’normale Vergessen‘ ist physiologisch und kein besorgniserregendes Frühsymptom,  unerlässlich für abstraktes Denken, für das Lösen von Problemen und Unterscheiden des Relevanten vom Irrelevanten sowie von all dem, was sich nicht ändern lässt. Letzteres möge schlicht vergessen werden, heißt heutzutage ‚entsorgt‘. So hätte dieser illusionäre Euphemismus eine Daseinsberechtigung – auf unserem sorglos vermüllten Planeten.

Dynamische Prozesse erfordern dynamische Reaktionen: Sinneseindrücke bleiben kurz  im Gedächtnis – so lange, bis der nächste Eindruck gesehen und wahrgenommen wird. Das Vergessen muss Platz für Neues schaffen. ‚Überakzentuierte‘ Stimuli (Tagfahrlichter, Daytime-Running-Lights, DRL) können das sensible  Aequilibrium empfindlich stören und ein fatales Ungleichgewicht schaffen, somit eine ‚Distraction Blindness‘ verursachen: Der überzählige, scheinbar überflüssige Stimulus findet keinen Platz in dem System: das Boot ist voll. Dieser Reiz wird weder verdrängt noch ‚vergessen‘. Der schwächere Sinnesreiz kommt nicht mehr zur Geltung (‚overflow‘ ). Die scheinbaren ‚Erinnerungslücken‘, welche nicht selten den Unmut hoher Jurisprudenz hervorrufen, haben nichts gemein mit dem Erinnern, auch nicht mit dem Vergessen. Sie sind sozusagen ‚Wahrnehmungslücken‘: Distraction Blindness.

Werbung will gesehen werden, immer und überall, auch im Straßenverkehr. „Participants, who drove a simulated road repeatedly – soon became unaware of changes to signs and other objects placed along the roadside“. Die Erinnerung an Seheindrücke, ‚unvergessen‘  – unverändert  jedoch nur scheinbar, überlagerte die neuen unerwarteten Veränderungen.  Auch die aufdringlichste LED-Werbefläche an der Autobahn wird irgendwann ‚übersehen‘: Change Blindness.

Kinder am ‚Schutz‘weg oder ‚unmöglich‘ zu übersehende Linienzüge am unbeschrankten Bahnübergang wurden nicht wahrgenommen, nicht einmal von diesen Linien-Buslenkern, welche jeden Fahrplan kannten. Kein erweiterter Suizid waren diese tödlichen Unfälle, wie im März 2015 (‚German Wings-Katastrophe‘), wobei quälende Sehstörungen durch extrem trockene Augen (inadäquate Klimaanlage im Cockpit) eine unterschätzte Rolle spielten. Gesehene, aber nicht wahrgenommene Objekte sind in den Prozessen der visuellen Kurzzeitspeicher, der Arbeitsspeicher und vor Allem im Hippocampus nicht existent. Derartige Ausfälle fallen daher nicht in die Sparte ‚Vergessen‘.

Synapsen im Medial Temporal Lobe (MTL), Perirhinal Cortex (PER) und Postrhinal Cortex (POR) sind zuständig – sowohl für Prozesse des Lernens als auch für die des Vergessens, in den “..gateways, where sensory-perceptual information is transformed into mnemonic information before being fed to downstream regions, such as the entorhinal cortex and hippocampus“. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Amygdala (genauer – basolateral complex of the amygdala (BLA)): Durch Interaktionen mit dem Hippocampus moduliert sie die Stärke der verschiedenen Arten von Erinnerung. Emotional bewegende Ereignisse konsolidieren das In-Erinnerung-Behalten beim ‚Emotionalen Lernen‘. Stress und Angst, instrumentalisiert durch diverse Pädagogen-‚Rohrstaberl‘-Methoden – sind Geschichte.

Stress-Reaktionen setzen sich aus kognitiven und physiologischen Verhaltensweisen zusammen; diese entwickelten sich phylogenetisch und epigenetisch aus Überlebens-Strategien. Chronischer Stress beeinträchtigt die „working memory and the operational phases of explicit long-term memories“ dermaßen, dass sogar Depressionen und schwere Störungen des episodischen Gedächtnisses resultieren können: „Such impairments are usually due to biological changes underlying mnemonic processes.“ Emotionale Traumata können Kaskaden von neurobiologischen Veränderungen auslösen, mit lange anhaltenden Folgen – bis hin zu veränderten Gen-Expressionen.

Post-Traumatisches-Belastungs-Syndrom, PTBS (Post-traumatic stress disorder, PTSD)  wurde nicht nur nach dem Vietnamkrieg zum Problem. Alle Arten von psychischen und physischen Problemen samt Depressionen bis hin zu Alkoholismus, Drogen-Missbrauch und Suizidalität sowie vernichtendem ‚Nicht Vergessen Können‘, quälen und verfolgen  ‚Military Veterans‘ und andere bis in ihre Albträume. Unbehandelt breitet sich das PTBS nahezu schrankenlos wachsend aus: „If untreated, post-traumatic stress disorder can impair relationships of those affected and strain their families and society. Wie in Granit gemeißelt bleiben solche Los Desastres de la Guerra ‚mnemonisch‘ eingehämmert in die Langzeitgedächtnisse via Epigenetik, nicht selten bis in nachfolgende Generationen.

Die Therapie des PTBS (PTSD) wirkt umso erfolgreicher, je früher sie einsetzt: “PTSD- treatment should not be delayed“. Einigen militärischen Veteranen, welche bis zu acht Arten verschiedener Traumata ausgesetzt waren, konnte mit zeitgerechter konsequenter Behandlung geholfen werden. Erfolge wurden erstaunlicherweise auch mit Hydrocortison erzielt (relata refero). Induziertes Vergessen ist, entsprechende Motivation vorausgesetzt, durchaus möglich. „Hypnotic techniques may be efficacious for posttraumatic conditions“. Die Prävention hat jedoch immer Vorrang.

Vergeben und Vergessen: Angst, Ärger, Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht lassen sich nicht verdrängen – Dysphorien schlummern weiter in der Tiefe, in dunklen Winkeln und warten auf ihre Chance um sich zu manifestieren, autoaggressiv, psychisch aber auch physisch. Schwere Kränkungen, scheinbar „unverzeihliche“, können Betroffenen eine Märtyrer- oder Opferrolle vorgaukeln. Destruktive Energien lassen sich jedoch sublimieren und umpolen, das heißt umkehren in positives Potential – somit Opferrollen vergessen lassen.

Verblüffendes ‚Verschwinden-Lassen‘ funktioniert nicht nur auf den Bühnen der Magier sondern auch ständig im Alltag und mitten im Straßenverkehr: Der fraglos absolut ‚leere‘ Zebrastreifen ist im entscheidenden Augenblick scheinbare Realität (siehe Neuromagie: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=31003). Keine Fiktion ist die Kunst des Vergessens samt Abwerfen von Ballast. Sobald Bedrückendes und Belastendes wahrhaft vergessen wird, sind ‚Gipfel‘- und Höhen-Erlebnisse wieder möglich (s. Marcel Proust: ‚eine kleine Madeleine‘), vor Allem ein Neubeginn. Sogar das Immunsystem kann profitieren..

K.I.: Kann nicht vergessen – weiß aber alles.

Lit.

Thomas FMF et al (2020) Inattentional blindness and information relevance of variable message signs. Accid Anal;140:105511. Der Begriff ‚Inattentional‘ ist irreführend. Trotz höchster Aufmerksamkeit lassen sich manche Unfälle durch eine Überzahl von Ablenkungen nicht vermeiden, daher trifft die Bezeichnung ‚Distraction Blindness‘ eher zu.

Buzsáki G et al (2022) Neurophysiology of Remembering. Annu Rev Psychol;73:187-215.

Suzuki A et al (2022) A cortical cell ensemble in the posterior parietal cortex controls past experience-dependent memory updating. Nat Commun;13(1):41.

Teeuwen RRM et al (2021) A neuronal basis of iconic memory in macaque primary visual cortex. Curr Biol;31(24):5401-5414.e4.

Roesler R et al (2021) Amygdala-hippocampal interactions in synaptic plasticity and memory formation. Neurobiol Lear07490.

Giotakos O. (2020) Neurobiology of emotional trauma. Psychiatriki 31(2):162-171. Unfavorable early social experiences, such as emotional abuse or institutionalization can affect the structure and function of the prefrontal cortex.

Inoue C et al (2022) Veteran and Military Mental Health Issues. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing.

Back SE et al (2019) Concurrent Treatment of Substance Use Disorders and PTSD using Prolonged Exposure: A Randomized Clinical Trial in Military VeteransAddict Behav; 90: 369–377.

Hennessy VE et al (2022) Accelerated forgetting of a trauma-like event in healthy men and women after a single dose of hydrocortisone. Transl Psychiatry;12(1):354.

Lindbergh CA et al (2022) Hillblom Aging Network. Wisdom and fluid intelligence are dissociable in healthy older adults. Int Psychogeriatr;34(3):229-239.

Liu P et al (2021) Task compliance predicts suppression-induced forgetting in a large sample. Sci Rep; 11(1):20166. K.I 

Vitzthum K et al (2009) Psychotrauma and effective treatment of post-traumatic stress disorder in soldiers and peacekeepers. J Occup Med Toxicol;4:21.

Lynn SJ et al (2012) Post-traumatic stress disorder: cognitive hypnotherapy, mindfulness, and acceptance-based treatment approaches. Am J Clin Hypn;54(4):311-30.

Marcel Proust: À la recherche du temps perdu. (‚Eine kleine Madeleine‘..) Paris Bernard Grasset, 1914  

https://www.spektrum.de/news/gedaechtnis-warum-wir-vergessen/1580324

https://www.dasgehirn.info/denken/gedaechtnis/der-segen-des-vergessens

/plato.stanford.edu/entries/zhuangzi/

Gender: beyond

Interessenskonflikt: nein

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Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: ipRGC und Myopie

ipRGC und Myopie

Heilig P: ipRGC und Myopie. Concept Ophthalmologie
9/2022 X16
   Intrinsisch-photosensitive-Melanopsin-Retinale-Ganglienzellen (ipRGC), physiologisch und morphologisch heterogen, haben erstaunlich viel Einfluss auf: Pupille, Biorhythmus,  Vigilanz, Stimmungslage, Lernen, Körpertemperatur, Migräne, Kontrast-, Farbensehen und ‚Myopiegenese‘. Ihre Projektionen erreichen etwa fünfzig kortikale Regionen.

Die  ipRGCs sind über ON-Pathway-Systeme mit dopaminergen Amacrinen verschaltet und steuern das Bulbus-Längenwachstum. Vermehrtes retinales Dopamin verringert Myopie-Inzidenzraten, reduzierte retinale Dopaminspiegel erhöhen hingegen die Anfälligkeit für (auch experimentelle) Myopien. Dabei wurden in Abhängigkeit von Bulbus-Achsenlängen signifikant veränderte b-Wellen-Amplituden und ‚Implicit-times‘ des Elektroretinogramms (ERG) registriert. Das ERG widerspiegelt ‚On-Pathway – Aktivitäten‘; es kann solche funktionellen Störungen früh dokumentieren. Erhöhte Affinität von Dopamin-Rezeptoren wirkt sich ungünstig auf Bulbus-Achsenlängen und als Störfaktor auf die Chronobiologie aus: „positive association between morning melatonin concentration and the magnitude of myopia, with myopes demonstrating up to three times greater melatonin concentration than non-myopes“ (Chakraborty et al. 2022). In den ipRGCs, den retinalen Schlüssel- und Schaltzellen, laufen die Fäden zusammen,.

Unphysiologisches‘ Kunstlicht beeinflusst ipRGCs als ‚Chronodisruptive Factor‘ und in Folge die Master Clocks der SuprachiasmatischenNuclei (SCN). Deren ‚Zeitgeber‘ senden ihre Impulse weiter an die ‚Molecular Clocks‘ in nahezu allen Geweben und Zellen des Körpers. Experimentelle Schädigung der SCNs results in behavioural and molecular circadian arrhythmicity“ (Kimberley et al 2020). Es wäre aufschlussreich zu erfahren, wie sich dies im Detail auf molekularbiologischer Basis manifestiert, als – potential association between retinal circadian clocks and myopia“ (Chakraborty et al. 2022). Die Myopie-Progression lässt sich möglicherweise verhindern – störungsfreie ipRGCs und intakte dopaminerge Systeme vorausgesetzt. Kurzwelliges Licht rückte als möglicher Faktor zu sehr in den Vordergrund, jedoch: „It is likely that a broad range of ambient light exposure during development, including both dim and bright light, is necessary for healthy ocular growth“ (Landis et al. 2021).

Unphysiologische Kunstlichtbelastungen der Netzhaut erfolgen durch Displays, Monitore, (Smartphone, TV, PC, Tablets etc.) und fehlentwickelte Lichtquellen der KFZ-, E-Scooter-, Rad-Scheinwerfer, Daytime Running Lights (DRL), Sportplatz- und Pistenbeleuchtungen etc. (Liste unvollständig). Spektren, Intensitäten und Wirkdauer vieler Kunstlichtquellen bedürfen der Revision, im Sinne der Augengesundheit, des Kontrast-Sehens, der Straßen-Verkehrsicherheit, der Chronobiologie und nicht zuletzt der Myopie-Prophylaxe. Das zunehmende ‚Myopie-Dilemma‘ ist auch mit ‚Chronodisruptionen‘ verknüpft, mit Hyposomnien, Agnypien und Dysphorien*. Smartphone-Licht bis in die Nacht, PC, TV, Tablets etc. im Dauereinsatz, Lichtbombardements im Straßenverkehr, blendende Tagfahrlichter belasten Rezeptoren, ipRGCs, Interneurone, Mitochondrien, Mikroglia:‚Müller glia-derived PRss56‘ (https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=30977) und Interaktionen mit retinalem Pigmentepithel/Bruchscher Membran.

Die humane Lens Cristallina färbt sich allmählich gelb, eine nahezu ‚teleologische‘ Reaktion in Zeiten aus dem Ruder gelaufener Kunstlicht-Managements. Die evolutionär entstandene retinale Anpassung an Tageslicht- und ‚Incandescent‘-Spektren fordert logischerweise industrielle Anpassung, nicht umgekehrt. Das ‚physiologische blaue Zentralskotom‘, ein besonders überzeugendes Beispiel stellt unreflektiert grell-blaulastige Licht-Inszenierungen in Frage. Blaue Schrift (vor dunklem Hintergrund) führt sich ad absurdum (https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=31486). Gelbe Intraokularlinsen können überdosiert kurzwellige Licht-Einflüsse und Blendungen mitigieren. Das ‚Blau‘ wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit niemals fehlen in unseren Kunstlicht-Spektren und -Szenarios. Dafür garantiert die Beratungsresistenz von Entscheidungsträgern. (QED).

Epilog: Kunstlicht-Installationen ohne Blue-Peak-‚ haben Vorrang, jetzt und in Zukunft. Gelbe Straßenbeleuchtungen und gelbliche KFZ-Scheinwerfer waren kein Irrweg – zum Unterschied von ‚Licht am Tag‘ (DRL). (http://www.lightmare.org/Expert_opinion.htm).

Lit.:

Chakraborty R et al (2022) Melanopsin modulates refractive development and myopia. Exp Eye Res 214:108866.

Liu AL et al (2022) The role of ipRGCs in ocular growth and myopia development. Sci Adv. 2022 Jun 10;8(23):eabm9027.

Aranda ML et al (2021) Diversity of intrinsically photosensitive retinal ganglion cells: circuits and functions. Cell Mol Life Sci. 78(3):889-907.

Schilling T et al (2022) Increase in b-wave amplitude after light stimulation of the blind spot is positively correlated with the axial length of myopic individuals. Sci Rep.21;12(1):4785.

 Kinder L  et al (2022) Intrinsisch photosensitive retinale Ganglienzellen. Ophthalmologe  119(4): 358–366.

Landis EG et al (2021) Ambient Light Regulates Retinal Dopamine Signaling and Myopia Susceptibility Invest Ophthalmol Vis Sci.  62(1): 28.Schilling1,

Prigge CL et al (2016) M1 ipRGCs Influence Visual Function through Retrograde Signaling in the Retina. J Neurosci. 6;36(27):7184-97.

Begemann K et al (2020) Regulation and function of extra-SCN circadian oscillators in the brain. Acta Physiologica 229:e13446.

Núñez-Álvarez C et al  (2019) Blue light negatively affects the survival of ARPE19 cells through an action on their mitochondria and blunted by red light. Acta Ophthalmol. 97(1):e103-e115

Koli S et al (2021) Identification of MFRP and the secreted serine proteases PRSS56 and ADAMTS19 as part of a molecular network involved in ocular growth regulation. PLoS Genet. 17(3):e1009458.

Suizid: zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen“. Einer der mitschuldigen Faktoren ‚falsches Licht zur falschen Zeit‘ läßt sich einfacher korrigieren als manch andere potentiell sowohl Gesundheit als auch Psyche gefährdenden Noxen.   https://www.gesundheit.gv.at/aktuelles/welttag-der-psychischen-gesundheit.

incandescent: glühend-leuchtend (wie Fackeln, Kerzen, Glühbirnen etc.)

isotropes – in alle Richtungen strahlendes Licht

beyond Gender, Interessenkonflikt: nein.

Englische Version: IPRGC and Myopia (en. vers. PDF)

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Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: Die neue/alte ‚Wirklichkeit‘

Die neue/alte ‚Wirklichkeit‘

ψ lebendig + ψ tot“.

 

Ja oder Nein. Richtig oder falsch. Wahr oder unwahr. Real oder irreal. Oder beides? Die aktuelle Realität wurzelt in der Welt der Quanten. In dieser merkwürdigen, schwer bis gar nicht verständlichen Welt gilt nicht mehr das Ja oder Nein, An oder Aus, Null oder Eins. Stattdessen regiert das Und. Errechnet im Quantencomputer: Im Qubit sind die Werte Null/Eins sowie an/aus in überlagerter Form vorhanden, gleichzeitig, als Superposition, im ‚Quantenparallelismus‘. Häufig wird in diesem Zusammenhang Schrödinger zitiert – mit seiner berühmten Katze – Qubit-überlagert und von Giftcocktail bedroht; das Tier wäre demnach gleichzeitig tot und lebendig – in diesem scheinbar unmöglichen Konstrukt.

Schrödinger hatte, inspiriert durch Schopenhauer, seinen Weg in die Einheitslehre der Upanishaden gefunden. Besonders begeisterten ihn transzendierte, dritte Zustände, wie das Sein und Nicht-Sein, „BEYOND the duality of real and irreal“, coincidentia oppositorum“ (Nicholas Cusanus, 1401–1464), Philosophisch Holistisches etc. – andere Gesetze der Physik, erst einmal entdeckt, werden sie zum integralen Bestandteil dieser Wissenschaft..“  (Erwin Schrödinger).

Noch eine ‚Spielwiese‘ zum Üben für die überforderte herkömmliche Logik tat sich auf:

Campana-Interneurone in der Retina. Atypisch, gegen altbewährte Regeln verstoßend, leiten sie sowohl Zapfen- als auch Stäbchen-Signale zu gleichen Teilen weiter; ebenso On- und Off-Potentiale, unsortiert sozusagen – all das an die retinalen Ganglienzellen, welche pflichtschuldig mit scheinbar unklaren Übermittlungen zurecht kommen müssen. Campana, das Handglöckchen-Interneuron, das eigenwillige, etwas kapriziöse ..

Der dritte Zustand, Sein und Nichtsein, Tod und Leben transzendierend – das „beyond“ zieht sich wie eine Kennmelodie durch die Symphonie der ‚Wirklichkeiten‘. Schon in der Aesthetischen Theologie Indischer Geisteswelten charakterisiert es das Wesen von Gottheiten, wie das von Lalita Devi -“transcending, unconveyable by words“ – „ravishing female, a bewitching beauty“, poetisch mit Attributen versehen, wie sie später in ähnlichen  Bildern des Hoheliedes besungen werden. Eine allerhöchste unter Myriaden Göttern, in lebendiger Tradition verehrt. Cosmic power – vor und über allen Zeiten: „A mere sideways glance from her makes millions of universes spring up“ – Kosmogonie des Multiversums und – „becoming dual in form of man and woman (husband and wife) – her true nature being beyond gender“ – it is never clear whether the text is speaking of the Goddess or Brahman. They are non-different. The commentator prefers the term Paradevata: ‚highest deity‘. Condensed happiness and bliss absolute.

Kritisch betrachtet, unterscheidet sich die ’neue‘ nicht von der ‚alten‘ Wirklichkeit. Nur der Blickwinkel hat sich geändert – und die Perspektiven..

 „beyond gender“: ein Vorschlag zur Güte

Lalita: Beauty of the three worlds – abgesehen von ~ tausend Namen . .

Heilig P (2017) Schrödinger, Quantencomputer und „beyond“: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=28579

Cusanus N (1997b) On the vision of God (De visione Dei). In H. L. Bond (Ed) Nicholas of Cusa: Selected spiritual writings. Mahwah: Paulist Press. (Original work published 1453).

Raffaele T, Bäumer B (Ed) (2010) Utpaladeva, Philosopher of Recognition. Indian Institute of Advanced Studies. p16

Wilke A (2005) A New Theology of Bliss, in Das S, Fürlinger E (Ed). Samarasia. Studies in Indian Arts, Philosophy and Interreligious Dialogue. D.K. Printworld

Gender: ‚beyond‘

Conflict of Interest: no

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Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: Der blinde Seher

   Der blinde Seher

 „So bin ich nichts denn andres als nach deinem Sinn ein Tor, jedoch voll Witzes deinen Erzeugern wohl“. Teiresias*

   – Teiresias (Τειρεσίας) habe die Göttin Pallas Athene im Bade erspäht, berichtet die Mythologie. Geblendet wurde er dafür zur Strafe. Auf die Bitten seiner Mutter, der Nymphe Chariklo, machte Athene ihm ein nobles Geschenk: die Vogelschau, das Auspicium. Seither verstand er trotz seiner Blindheit Göttliche Zeichen zu deuten und das ‚Omen zu künden‘. Sogar Odysseus ‚der Listenreiche‚, hatte seine Dienste in Anspruch genommen – im sagenumwobenen Reich der Schatten.

Zur Frau wurde Teiresias transformiert – nach einer anderen mythologischen Sage – und später wieder zurück verwandelt. Auf die Frage von Zeus und Hera, wem der größere Liebesgenuss zufalle, antwortete er: „Neun von zehn Anteilen der Frau“. Hera blendete ihn daraufhin. Doch Zeus verlieh ihm die Gabe der Auguren (‚inner vision‘) und siebenfache Lebenszeit. 

Satire und Humor würzen manch mythologisches Histörchen. ‚Homerisches‘ Gelächter erscholl immer wieder vom Olymp, aber auch Irdische amüsierten sich über ‚klassische‘ Komödianten; die Gastgeber antiker Festivitäten wollten ihre Gäste bei Laune halten und zum Lachen zu bringen: Hephaistos der Schmied, ließ über Aphrodite und Ares, nachdem er sie inflagranti ertappt hatte, ein kunstvoll gestaltetes Netz fallen. Diese und ähnliche Episoden erheiterten nicht nur Götter des Olymp, sondern auch das Auditorium antiker Amphitheater. Die Griechischen Komödien erfuhren staatliche Unterstützung – im Sinne von ‚panem et circenses‘. In der Komödie Lysistrata drohten Frauen sich so lange ihren Männern zu verweigern, bis diese den Kriege beendeten. Weibliche List spielt auch in einer weiteren Komödie die Hauptrolle, in ‚Frauen in der Volksversammlung‘ (Ἐκκλησιάζουσαι) des Aristophanes, unter dem Motto: Frauen an die Macht – im Sinne des Friedens.

‚Kurative‘ Wirkung durch die Katharsis ‚philosophical purification‘ (Plato) der Tragödie galt als Faktum in der Antike. Auch der Humor in Satire und Komödie vertrieb damals nicht nur ‚die Laus, welche über die Leber gelaufen war‘, sie heilte dieses Organ, den ‚Sitz der Gefühle‘ vom Sauertöpfischen. Eine historische Episode dazu: Einem jungen Mann wurden Laxantien oder Purgativa verordnet – und einem in die Jahre gekommenen Herrn ein ‚Diasatyrion‘ („a kind of Renaissance viagra“). Diese Medizinen wurden jedoch irrtümlich vertauscht – zum allgemeinen Gaudium. Obwohl die Astrologie damals hoch im Kurs stand und allerhöchste Kriegsherren entscheidend beeinflusste, übte die Satire Kritik an hochgelahrten Sterndeutern und amüsierte sich über deren merkwürdige Therapie- Empfehlungen, welche womöglich noch mehr Unheil anrichteten als die Kunst antiker Quacksalber; wer den Schaden hat..

Doch zurück zur Blindheit des Teireisias: Über seinen unglückseligen Zustand äußerte er niemals Unmut“ , er, welcher „auch im Tode die Helligkeit des Geistes bewahrt hatte“. Eine junge blinde Frau versichert ihren Lesern in einem bemerkenswerten Buch: „Es mag für Nicht-Blinde unglaubwürdig klingen, aber ich bin ganz sicher, dass ich gerade aufgrund dieses Unvermögens die Welt auch im Bild wahrnehmen zu können – zu dem geworden, was ich bin. Ich habe nie mit meinem Schicksal gehadert“ (K. Hill). Ist dies ein bemerkenswerter Einzelfall? Nein, vielleicht eine Einladung und eine Zielvorstellung.

Laus caecitatis – das Lob der Blindheit, klingt befremdlich. Was an physischen Fähigkeiten verloren gehe, werde ersetzt und übertroffen durch geistige, innerliche Schau. Andere Sinne werden geschärft und weitere  Perspektiven tun sich auf. Blinde Musiker, wie Ray Charles, Stevie Wonder oder Otto Lechner (http://ottolechner.at/), blinde Philosophen und Schriftsteller sowie blinde Physiotherapeuten, ‚die mit den Händen sehen‘, belegen dies. Zu den musikalischen Höhenflügen eines Otto Lechner drängt sich unwillkürlich die Assoziation ‚Weltmeister‘ auf.

Blinde Kinder und Jugendliche brauchen mehr als nur wohlgemeinte Zuwendung. Und die Alten -? Sehstörungen bis Blindheit, der Verlust anderer Sinne, Nachlassen körperlicher  und geistiger Fähigkeiten, des Gedächtnisses, der Orientierung, der Handlungsfähigkeit werden zur Herausforderung für Angehörige und Pflegeberufe. Einfühlsam-intuitives Mit-Empfinden, behutsames Hineinhorchen und viel Geduld sind erforderlich. Auch Phantasie wäre ein wertvolles Desideratum beim Umgang mit Blinden oder Erblindeten. Nie sollte ein Blinder in die jeweils erforderliche Richtung geschoben oder gestoßen werden. Niemals darf – mit ‚falschem Mitleid‘ – ‚Salz in die Wunden‘  gestreut werden. Nur am Rande: Das Fremdwort Empathie sollte im Procedere von Ämtern, Ministerien, Geld-Instituten etc. nicht bis in alle Ewigkeit fremd bleiben – ein frommer Wunsch vermutlich. „Vernimm, dieweil du höhntest auch als Blinden mich: Selbst sehend schaust du deines Jammers Größe nicht“   Sophokles, Oidipus Tyrannos.

Seit der Antike beschäftigt das Phänomen Blindheit Dichter und Philosophen: Der Verlust des ‚wertvollsten aller Sinne‘ sei keine schicksalhafte Strafe rachsüchtiger Gottheiten (Philip Molstetter’s Laus caecitatis (1593)) Cave: caecitas kann auch Verblendung [mentis; animi] bedeuten – dies wäre allerdings schlimmer als Verlust der physischen Sehfähigkeit. Der Heilige Audomarus erblindete im Alter; jedoch after having seen the corruption of the worldbat er Gott ihn wieder erblinden zu lassen – dies wurde ihm gewährt. Ergo – nichts Neues unter der Sonne. Die antike Philosopie, insbesondere die Stoa zweifelte daran, dass Blindheit ein vernichtender, nicht kompensierbarer Schicksalschlag wäre. Als das wesentliche Argument dieser Denker wurde angeführt, dass Blindheit dem Menschen nichts raube, was ihn hindern könnte glücklich zu sein. Cicero zitierte Epikur: „Der Weise ist immer glücklich“. Homer – abgeleitet von ho me horon (χο με χορόν, der Nicht-Sehende) war blind, Helen Keller war blind und taub, James Joyce und Jorge Luis Borges erblindeten.

Demokrit ließ seine Augen durch die Sonne zerstören um klarer denken und meditieren zu können und scharfsinnger, einfühlsamer, tief blickender, weiser etc. zu werden – und frei von unerwünschten Ablenkungen (Gellius, Noctes Atticae). Der Geist und der Verstand sind die Quellen wahren Wissens, nicht die Sinne (De remediis II.96, Petrarch). „The ability to see with the mind’s eye was a requisite for humanity. Men did not see, even with their eyes open“ (Jacques Gouthière oder Guthierres, ~ 1575–1638) Tiresias, seu caecitatis encomium (1616)). Das letzte Wort gebührt hier – verdienterweise – dem Kleinen Prinz:

 „Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut.

 Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“  Antoine de Saint Exupéry.

Eine Physiotherapeutinnen-Anekdote.. Sie: „Es wird wieder Zeit ihr Turngewand zum Waschen zu bringen.“ Er (alter Stammkunde): „das ist nicht mein’s.“ Sie: „Es riecht aber nach ihnen!“ Ihr – im Rahmen einer Sehbehinderung (D: Cone Rod-Dystrophy) verfeinerter Geruchsinn überzeugte ihn doch, schlussendlich. 

 Fortuna, die Göttin des Glücks wird nicht selten mit verbundenen Augen dargestellt, auch  Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit. Um etwa 1500 symbolisierten ihre verbundenen Augen die Blindheit der Justiz. Später hieß es, daß sie immer blind urteile – angeblich ohne Ansehen der Person, Justitia – whom the ancient Egyptians had imagined as being headless“

Theatermasken: ‚persona‘ (personare – hindurchtönen), Rolle im Leben/Theater.

Lit.:

Roscher WH, Ed. (1916-1924) Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie Bd V. BG Teubner

https://archive.org/details/ausfhrlichesle05rosc/page/n4/mode/1up?view=theater

Hunger H (2006) Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Brüder Hollinek

Hill K (2018) Ich seh, ich seh, was du nicht siehst. Denn ich bin blind. ueberreuter

Kivistö S (2009) Medical Analogy in Latin Satire. palgrave macmillan

Lu A et al (2019) Neuroticism and depression: a moderated mediation model of secure peer attachment and blindness. J Child Adolesc Ment Health. 31(1):63-75.

Osaba M et al (2019) Relationship Between Legal Blindness and Depression. Med Hypothesis Discov Innov Ophthalmol. 8(4):306-311.

Gascoyne B et al (2022) Vision impairment and self-reported anxiety and depression in older adults in Nigeria: evidence from a cross-sectional survey in Kogi State. Int Health. 14(Suppl 1):i9-i16.

https://www.lebenshilfen-sd.at/Aktuelles/Brailleschrift-Warum-Innovationen-wie-diese-nach-wie-vor-zur-aktiven-Teilhabe-in-der-Gesellschaft-beitragen (Maßnahmen gegen den ‚Schriftkompetenzverlust‘).

https://www.hilfsgemeinschaft.at/beratung/psychologische-beratung

https://www.anderes-sehen.de/weitere-info/erziehungstipps-fur-eltern-und-padagogen-blinder-kinder/

Gender: beyond

Conflict of Interest: nein

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Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: Fehler, kreative

Fehler, kreative

Visuelle Abbildungs’fehler‘ müssen keineswegs stören. Geringgradige Astigmatismen können das Bild der Welt plastischer und vielleicht sogar lebendiger erscheinen lassen. Ein wenig Anisometropie mit ausreichender ‚Tiefenwahrnehmung‘, wäre – so betrachtet – ein Geschenk der Natur, kein physikalisch optischer ‚Fehler‘.

‚Perfekte‘, unübertroffen scharfe Bilder mit höchster Leuchtkraft, digital optimiert, ‚fehlerlos‘ kontrastreich in allen Abbildungs-Ebenen, kreieren keinen natürlichen Eindruck sondern ein Scheinbild, im Grunde – zu flach und zu grell, ohne die Fülle ‚höherer harmonischer Klänge‘ – wie analog – in den Welten der Musik, ohne allmählich verfließende und in blaßblaue Weiten sich verlierende Konturen, mit behutsamen Pinselstrichen aquarelliert.

Mikrobewegungen, Drift, Mikrosakkaden, Mikrotremor, Suchbewegungen und visuelles ‚Abtasten‘ sammeln Seh-Eindrücke und gestalten das visuelle Erlebnis, weiter verarbeitet in kognitiven kortikalen Prozessen, bottom up/top down und unbemerkten gelegentlichen neurophysiologischen ‚Trompe-l’œil’s. Die Wirklichkeit ist mehr als bloß reflektiertes Licht, eingefangen von retinalen ‚Lichtfallen‘. Ein Radikaler Konstruktivismus (Paul Watzlawick) übernimmt zu guter Letzt das Steuer: „Dass wir die Wirklichkeit nicht finden, sondern erfinden..“ als WahrNehmung, welche apriori/implicit-Fehler miteingebaut hat im ‚System‘.

Abgesehen von unverzeihlichen, intolerablen Fehlern durch die imbecillitas mendosa humanorum sapientorum ist – „die Fehlerrate der eigentliche Motor der natürlichen Selektion. Zellen reparieren Mutationen, aber sie sind nicht in jedem Fall erfolgreich, andernfalls wären alle Individuen einer Art identisch“. Nurse P (2021 Was ist Leben? aufbau). Und – Schwarze Löcher sind die Motoren des Kosmos, mit ihnen die ’scheuen‘ Weißen hypothetischen Löcher. Auch Trial and error‘ sowie das Errare Humanum est lassen erkennen, daß postulierte Fehlerlosigkeit ein in sich fehlerhaftes Postulat wäre.

Epilog: „Jeder Mensch kann irren, aber nur Dummköpfe verharren im Irrtum.“ Cicero (?). Es lebe der kreative ‚Fehler‘! Gescheite Menschen machen immer neue – .

Legende: chinesischer Humor: Der Mann mit der Bambus-Stange scheiterte am Stadttor (er hielt die Stange quer). Ein Weiser riet ihm: „Säge sie entzwei“.

mendosa: ‚fehlerhaft, voller Fehler, Fehler verursachend‘

Heilig P (2016) Trompe l-Oeil/Trompe l’Esprit: Täuschung der Sinne/Täuschung des Sinnes https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=25819

https://www.theappealoftheunreal.com/research-areas/a-brief-history-of-illusion/

Watzlawick P (2011 ) Vom Unsinn des Sinns und vom Sinn des Unsinns. Picus

Hasan C A et al (2017) Transient Smartphone Blindness: Precaution Needed. Cureus 9(10): e1796

Al-Mohtaseb Z et al (2021) The Relationship Between Dry Eye Disease and Digital Screen Use. Clin Ophthalmol.  10;15:3811-3820.

McLeod, S. A. (2020). Theory of falsification. „Karl Popper believed that scientific knowledge is provisional..“

Gender: ‚beyond‘

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Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: Blue ‚enriched‘ light.

Blue ‚enriched‘ light.

Kunstlichter wurden heller und zunehmend kurzwellig dominiert, mit wenigen Ausnahmen.    

Als Tageslichtleuchten werden fälschlicherweise auch Produkte mit hohem Blau-Anteil (blue-enriched white light) bezeichnet. Diese wurden als Mittel zur Verbesserung der Vigilanz, Arbeitslust, Kaufwut etc. angepriesen und zur Therapie von Herbst- und Wintermüdigkeit, Depressionen und der Demenz – bemerkenswerterweise – eingesetzt. Ein vermehrter Aufenthalt im Freien ist, abgesehen von der Myopie-Prophylaxe, der ‚Lichttherapie‘ überlegen.

Termini technici wie ‚Neutral weißes Licht‘ und ‚Vollspektrum‘ Leuchtmittel schaffen kaum Klarheit, denn auch Pflanzenleuchten und ‚Licht-Therapie‘-Geräte mit hohem Blau-Anteil finden sich unter der Bezeichnung ‚Vollspektrum‘. ‚Augenschutz und Augen-Entlastung‘ sowie „hoher UV-Anteil“ werden angepriesen. Niemand hat mehr den Überblick. Korrekt könnten Spektrogramme informieren. Die Normen-Ausschüsse wären am Ball.

Durch kurzwellig dominiertes Kunstlicht werden physiologische circadiane Fluktuationen  aus dem Takt gebracht – über ipMRGC und SCN via Photoentrainment  (artificial blue-enriched light competes with natural light as a dominant „Zeitgeber“). Am späten Abend wirkt sich der ‚blue enriched-) Kunstlichteinfluss anhaltend ungünstig aus. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche. Deren chronische Übermüdung durch gestörte Schlafrhythmen löst immer mehr larvierte Depressionen aus. Damit in Zusammenhang stehen die zunehmend Besorgnis-erregenden Suizidneigungen junger Menschen. „..it is suggested that care should be exercised in using such light sources“ – dabei meinten die Autoren allerdings nur potentiell phototoxische Noxen energiereichen Kunstlichts.

Üblicherweise drohen den Augen durch das Kunstlicht diverser Leuchtmittel, als Decken-, Wand- oder Straßenbeleuchtung etc. keine Gefahr. Lichtintensität nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab und vice versa. Das Licht von Smartphone-Displays strahlt aus kurzer Distanz in die Augen, extrem lange bei ’smartphone abusers, Synonyme addiction, nomophobia (derived from “no-mobile-phone phobia), –addiction, -overuse‘ etc. – leider über immer länger werdende Zeitspannen. Dunkler Hintergrund mit heller Schrift, Blaufilter, reduzierte Intensität etc. werden empfohlen. Weitere Lichtbelastungen aus diversen Monitoren, Tablets, PC, TV, Scheinwerfern etc. beteiligen sich via zeitlicher Summation, sodaß kritische Grenzen retinaler Belastbarkeit überschritten werden könnten, à la longue.

„Übergang von Blau-dominiertem zu ’neutral‘-weißem Licht reduzierte die  Ablenkungen, verbesserte Lernfähigkeit samt Konzentration und erwies sich – in summa – als wertvolle Verbesserung für Studenten“. Nur am Rande: „So fördert Dämmerlicht kreatives Denken“.

‚Abendmenschen‘ (Evening Chronotypes) neigen zu Fehlleistungen, falls frühmorgens unterwegs als Straßen-Verkehrsteilnehmer, unter dem Einfluß von hellem, kurzwellig dominiertem Kunstlicht („no benefits on driving performance!“). Deutlich langsamere Reaktionszeiten (RT) auf plötzliche, unerwartete Ereignisse wurden dabei gemessen, auch vermehrte Genauigkeitsfehler (deteriorated accuracy). Dies gilt nicht nur für den Straßenverkehr („misleading claim that light exposure is a remedy for improving cognitive performance under any circumstance“).

Apropos: Kein Abend- beziehungsweise Morgenmensch lässt sich ‚umpolen‘.

Die für Vigilanz zuständigen kortikalen Zentren interagieren auch mit solchen, welche für die örtliche Orientierung zuständig sind. An jungen Probanden wurden erstmals folgende Phänomene als Reaktion auf energiereiches ‚blue-enriched‘ Licht untersucht und „überraschend“ – neue ‚asymmetrische‘ Resultate beobachtet: „..prior exposure to higher intensities of blue-enriched light speeds response times to left, but not right, hemifield visual stimuli, via an asymmetric effect on right hemisphere parieto-occipital α-power“. Human brain imaging shows that light exposure activates key areas of right-hemisphere attention networks 15,16″. Fazit: Behutsamerer Umgang mit Licht-Stimulationen ist aus mehrfachen Überlegungen angesagt. Der Einfluss zu vieler und womöglich zu intensiver Lichtstimuli kann den Rahmen kapazitiver Grenzen sprengen und fatale Fehler induzieren, ganz besonders im Straßenverkehr.

Ein geradezu ‚einleuchtendes‘ Beispiel sind Tagfahrlichter (‚daytime running lights‘, DRL).   Das Überschreiten einer kritischen Anzahl oder der Intensität auch peripherer Lichtstimuli kann subjektiv unbemerkte funktionelle Ausfälle, wie ‚Distraction Blindness‘ verursachen: Das Kind am Schutzweg wurde zwar gesehen aber nicht wahrgenommen. Tagfahrlichter – immer heller, blaustichiger und isotrop: Dadurch steigt die Gefahr von Ablenkungen, auch der von nicht motorisierten Straßenverkehrsteilnehmern.

Fazit: zurück zur Natur – auch der Tageslicht-Spektren.

ipMRGC: intrinsic photosensitive Melanopsin Retinal Ganglienzellen

SCN: Suprachiasmatische Nuclei

isotrop: in alle Richtungen strahlend

Rodríguez-Morilla B et al  (2018) Blue-Enriched Light Enhances Alertness but Impairs Accurate Performance in Evening Chronotypes Driving in the Morning. Front Psychol. May 15;9:688.

Sunde E et al (2020) Blue-Enriched White Light Improves Performance but Not Subjective Alertness and Circadian Adaptation During Three Consecutive Simulated Night Shifts. Front Psychol. Aug 18;11:2172.

Choi K et al (2020) The gradual transition from blue-enriched to neutral white light for creating a supportive learning environment. Building and Environment 180, 107046

Heilig (2016) Handy-‚Blackouts‘ und der Blaulichtskandal https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=26411

Newman D et al (2016) Ocular exposure to blue-enriched light has an asymmetric influence on neural activity and spatial attention Brain networks   https://www.nature.com/articles/srep27754

Gender: beyond, Interest: no

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AlphaFold Protein Structure Database (Developed by DeepMind and EMBL-EBI)

AlphaFold Protein Structure Database

URL: https://alphafold.ebi.ac.uk/

Die Vorhersage der 3-dimensionalen Proteinstruktur durch einen Algorithmus einer Artificial Intelligence wurde Ende 2021 vom Journal SCIENCE zum Breakthrough of the Year gewählt.

DeepMind, eine Tochtergesellschaft von GOOGLE, gab 2020 bekannt, mittels künstlicher Intelligenz die räumliche Struktur aufgrund einer bekannten Aminosäuresequenz von Proteinen hervorsagen zu können. 2021 publizierten sie mit Hilfe des entsprechenden Programmes, AlphaFold, 350.000 Proteine. Und nun, im Jahr 2021, stellt die Firma in der gemeinsam mit dem EMBL (European Molecular Biology Laboratory) über 200 Millionen Proteine in der Datenbank AlphaFold Protein Structure Database der wissenschaftlichen Forschergemeinde zur Verfügung.

Dieser wissenschaftliche Durchbruch kann in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.


LITERATUR

Jumper J, Evans R, Pritzel A, Green T, Figurnov M, Ronneberger O, et al. Highly accurate protein structure prediction with AlphaFold. Nature. 2021 Aug;596(7873):583–9.
Varadi M, Anyango S, Deshpande M, Nair S, Natassia C, Yordanova G, et al. AlphaFold Protein Structure Database: massively expanding the structural coverage of protein-sequence space with high-accuracy models. Nucleic Acids Res. 2022 Jan 7;50(D1):D439–44.
Thorp HH. Proteins, proteins everywhere. Science. 2021 Dec 17;374(6574):1415–1415.


VIDEOS

DEEPMIND – DeepMind’s AlphaFold 2 Explained! AI Breakthrough in Protein folding! What we know (& what we don’t)

EMBL – How to interpret AlphaFold structures


Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: Sammel-Linsen

Sammel-Linsen

Peter Heilig
Concept Ophthalmologie 04-05/22 34

Als fokussierende optische Mikrolinsen fungieren zahlreiche dicht gepackte Mitochondrien in ellipsoiden Regionen der Zapfen des „13-lined Ground Squirrels“. Das gebündelte Licht wird, abhängig von Winkel und Lokalisation des eintretenden Lichtstrahls (Stiles Crawford-Effect) in das äußere Segment des Rezeptors gelenkt: „.. many times brighter than the background light intensity..“


Illustration: PeterHeilig

Dieses Resultat erweitert nicht nur das Verständnis hinsichtlich der Evolution des Auges, es hat auch eine besondere klinische Bedeutung: ‚Abnorme‘ Stiles Crawford-Effekte wurden bei Untersuchungen von Retinopathia Pigmentosa Patienten beobachtet – auch bei klinisch noch nicht beeinträchtigtem Visus. Der Stiles Crawford Effekt, als mögliches Frühsymptom retinaler Erkrankungen kann als wertvolle Ergänzung im diagnostischen Armamentarium dienen.

Zu den bekannten metabolischen Haupt-Eigenschaften der Mitochondrien gesellen sich,  nun bekannt seit dem oben beschriebenen faszinierenden Befund, optische Qualitäten. Winzige Öltropfen in den Netzhäuten von Vögeln, Reptilien und einigen Beuteltierarten  fungieren in optischer Hinsicht ähnlich wie die Mitochondrien-Mikrolinsen der Zapfen-dominierten Erdhörnchen-Netzhäute. Solche Öltropfen-‚Mikrolinsen‘ sind im äußeren Segment nahe der Grenze zum inneren Segment der Photorezeptoren eingelagert. 

Die ‚konvergente Evolution‘ zeigt sich in den Facettenaugen von Arthropoden, bei Fliegen oder Hummeln beispielsweise. Auch in humanen Retinae spielt das foveale „waveguiding by photoreceptors“ eine entscheidende Rolle. Unmittelbar außerhalb des foveolaren Areals sind diese Mitochondrien-‚Lupen‘ deutlich weniger dicht angeordnet. Abgesehen von mitochondrialen Licht-‚Verstärkern‘ wirken auch die Müllersche Stütz-Zellen mit ihren Faseroptik-Eigenschaften wirkungsvoll an Licht-Optimierungen mit – und zwar in Form Verlust- und Streuungs-freier Weiterleitung der Stimuli bis zum Rezeptor. Quer durch die Stammbäume im ‚Wald der Evolution‘ finden sich verschiedene raffinierte Maßnahmen der Natur – mit dem Ziel einfallendes Licht optimal auszunützen.

Die Fehlentwicklung unserer Kunstlicht-‚Kultur‘ erscheint unter diesem Aspekt geradezu absurd. Äußerst vulnerable Netzhäute werden immer häufiger von kurzwellig dominierten Lichtern geblendet. Im ‚Brennpunkt‘ der Netzhaut fehlen blaue Zapfen (S-Cones). Diese Besonderheit manifestiert sich als zentrales (tritanopes, sozusagen ‚physiologisches‘ -) Blauskotom. Wurden im Lauf der Evolution foveoläre S-cones womöglich ‚ausgebrannt‘? Oder handelt es hierbei sich um eine weise Maßnahme der Natur?

Ad: ‚Directional Tuning‘: ‚Off axis‘, ein Problem, bekannt seit Begnn der Intraokularlinsen-Ära, bewirkt gegebenenfalls schwächere Stimulus-Intensitäten durch ‚circles of confusion‘ anstelle präzise fokussierter retinaler Abbildungen. Auch Multifokal-Konstrukte, meist einigermaßen gut vertragen in blendungsfreien Ordinationen, Wohn- und Arbeitsräumen, können in Straßenverkehr-Szenarios (Blend-KFZ-Leuchten, grelleTagfahrlichter etc.) zum ernsten oder fatalen Problem werden. Die Lichtstimuli werden teilweise defokussiert und projizieren, verschlimmert durch ubiquitäre Blendungen, eine Art von Nebel verwirrend – ablenkender Zerstreuungskreise auf die Netzhaut. 

Überdosiert helles bläuliches Licht – en vogue – hat doppelt so viele Elektronenvolt wie das langwellige sichtbare Licht; ist potentiell phototoxisch – auch als Op-Mikroskop-Licht. Alle grell-bläulichen Monitore, Displays, Screens etc. sind in Anbetracht hochempfindlicher, mit Mikro-Sammel-Linsen und Faseroptiken ausgestatteten Netzhautstrukturen fehl am Platz: Dunkler Hintergrund mit heller Schrift (reduzierte integrale Netzhaut-schonende Helligkeit) auf allen Smartphones, PCs etc. wird empfohlen – blaue Schrift nur für Bürger von Schilda. Am Gipfel der kontraproduktiven Entwicklung stehen die KFZ- und Fahrrad-Scheinwerfer.  CUI BONO?

Blenden: etym.: ‘blind machen‘, durch übermäßige Lichtstrahlung. ahd. blenten (9. Jh.), mhd. mnd. blenden, aengl. blendan ist eine faktitive Bildung (germ. *blandjan)

Stiles Crawford-Effect (SCE): „When light enters the eye near the center of the pupil, it appears brighter compared to light of equal intensity entering the eye near the edge of the pupil.“

Off-axis: s. oben; . IOL: „Already for angles of 10° temporal retina and 15° nasal retina the operated eyes had significantly more astigmatism.“  und: Off – Axis Astigmatismus‘ pseudophaker Augen reduziert ebenfalls deutlich die ‚Detection Sensitivity‘.   https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=37106.  An verbesserter (pseudophaker) peripherer Abbildungsqualität wird gearbeitet.

Ball  JM  et al (2022) Mitochondria in cone photoreceptors act as microlenses to enhance photon delivery and confer directional sensitivity to light. Sci Adv ;8(9):eabn2070

Heilig P (2021) Peripheres Sehen, pseudophakes. Conc Ophthalmologie. 6/2021 X15-X16    

Magnussen S et al (2004) Unveiling the foveal blue scotoma through an afterimage. Vision Research 44, 4, 377-383

Long VW, Woodruff GH. Bilateral retinal phototoxic injury during cataract surgery in a child. J AAPOS. 2004; 8(3):278-9.

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Interest..      

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Korrespondenzadresse:
Univ.-Prof. Dr.med. PeterHeilig
Augenheilkunde undOptometrie
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