Gastautor Univ.-Prof. Dr. med. Peter Heilig: La musique

La musique est l’espace entre les notes.
Debussy


Wer hätte dies schöner sagen können?

Vielleicht Harnoncourt – mit seinen Unmöglichkeiten, den schönsten Möglichkeiten (1). Oder aber auch seine kongeniale Partnerin..

Natürlich war es bereits Mozart, der die Stille zwischen den Noten hervorhob.“Was spielen denn die Engel im Himmel?“ „Bach“ und „wenn ‚ER‘ wieder anderweitig unterwegs ist?“ „Mozart.

Vielleicht steckt sie nicht nur in der Stille zwischen den Noten, sondern schwebt darüber – diese Musik, welche jeder anders hört und anders empfindet. So wie ein Bild, subjektiv betrachtet, einmalige individuelle Eindrücke vermittelt; diese sind mit keiner Methode ‚objektivierbar‘. Keine einzige Farbe lässt sich, losgelöst von individueller ‚Einfärbung‘ herauslösen aus der subjektiven Wahrnehmung (2), analog dazu auch kein Klang.

Nebenbei ist es unvorstellbar, dass es in Mozarts Kopf – in seiner überschäumenden genialen Kreativität jemals ’still‘ geworden wäre. Schon die uralten Meister der subtilen Stille-Meditation hatten ihre liebe Not mit den Schülern, welche an ihren aufdringlichen ‚inneren Lärmpegeln‘ scheiterten.

Der alte ‚Heißsporn‘ Sergio Celibidache hatte sich vom „verkappten Diktator“, wie er dies einmal formulierte, zu einem in sich Ruhenden, zum Philosophen der Ausgeglichenheit gewandelt, zur Entdeckung der Langsamkeit: „Jeder Saal, jedes Stück, jeder Satz hat ein eigenes, absolutes Tempo“ – meinte er..

Dies trifft im übertragenen Sinn auf alle Orchester zu und auf jeden dieser einmaligen Musiker, auf die Interindividualität des Auditoriums – in summa auf die Harnoncourt’sche Unmöglichkeit (1). Dazu: „Musik ist nichts Rationales und nicht logisch zu erklären.“     
Sergio Celibidache.

Beispiele aus der Harnoncourt’schen Sprachbilderwelt

„Knapp vor der Perfektion ist es am wunderschönsten.“

zum Chor: „Nicht langsamer werden! Das Ritenuto ist hier ausgeschrieben. Wie sie wissen – in der Wiener Klassik bedeutet ‚decrescendo‘ nicht dasselbe wie ‚diminuendo‘ – das heißt vermindern von Allem, Lautstärke und Tempo, decrescendo aber nicht“ –  die ‚Hohe Schule‘, für Fortgeschrittene..

zu Mozart: „Nicht plötzlich herunterhudeln – das klingt ja wie ein Flugzeugabsturz.“

zu Schubert: „Ich finde ganz viel Gründe dafür, dass Schubert recht hat mit seinem Tempo.“
Nikolaus Harnoncourt

Musikphilosophie und Musikforschung versuchen diese Welt der Musik, besser gesagt ein Musik-Universum, die ‚Harmonie des Kosmos‘, ‚die höchste Kunst‘ nach Schopenhauer – zu erklären. „Ist eine Philosophie der Musik überhaupt möglich?“ – dieses „sich selbst programmierende offene Kunstwerk“ – mit den Worten Umberto Ecos.

 Das nicht fassbare und nirgends einzuordnende Phänomen Musik entzieht sich nicht nur der angestrengt bemühten Philosophie, es verbirgt sich nicht nur ‚zwischen den Noten‘, in kreativer Stille – etwa in einem Darüber oder ‚Zuinnerst‘ – wer weiß das schon?

 Musik kann das Gedächtnis verbessern – sowie die Aufmerksamkeitspanne verlängern, Erfolge in Depressions-Prophylaxe und -Therapien erzielen, sensomotorische Fein-Abstimmungen und Koordinationen optimieren, auch in Schlaganfall-Rehabilitationen inklusive der Logopädie. Über Erfolge in der Parkinson-Behandlung, Epilepsie, Demenz, speziell Morbus Alzheimer etc. wurde berichtet. Linderung von Schmerzen, besonders chronischer durch ‚rezeptive Musiktherapie‘ – als Adjuvans, kann Wolken vetreiben (3).

‚Symphonien‘, wie Crescendos (4) neuronaler Aktivitäten, eine ‚Resonanz‘ in zahllosen ZNS-Regionen untermalen und bereichern sowohl das emotionale als auch kognitives Erleben. Wie Lampyridae synchron leuchten, als ‚inter-subject correlation‘ beschrieben und als inter-subject correlation of EEG signals dokumentiert, Synchronisierungen, zur Freude der Psychoaesthetics – Experten *, welche bereits vor über fünfzig Jahren diese bemerkenswerten Phänomene erwähnten, ohne dass die technischen Voraussetzungen zur Objektivierbarkeit gegeben waren (5).

Studien über Jazz-Improvisationen samt ‚Interplay‘ lieferten erstaunliche Resultate und erlaubten Einblicke in das faszinierende Zusammenspiel und in die komplex-dynamisch miteinander verflochtenen Jazzklänge – beinahe scheint es als wären die Jazzer intuitiv  via Gedankenübertragung quasi miteinander verbunden. Kommt hier wieder einmal  – unerforscht – Quanten-Physikalisches (6) ins Spiel?  

Epilog: Musik kann (ver)zaubern 

 Lampyridae: Leuchtkäfer

 * nicht mehr im Diesseits vermutlich..

1 Gruber S.M. (2003) Unmöglichkeiten sind die schönsten Möglichkeiten. Die Sprachbilderwelt des Nikolaus Harnoncourt. Residenz

2 Heilig P (2024) Farben: van Swieten blog https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=44120

3 Arnold CA et al (2024) The psychophysiology of music-based interventions and the experience of pain. Front Psychol;15:1361857.

4 Toader C et al (2023) Cognitive Crescendo: How Music shapes the brain structure and function. Brain Sci 13(10):1390

5 Madsen J et al (2019) Music synchronizes brainwaves across listeners with strong effects of repetition, familiarity and training. Sci Rep;9(1):3576.

6 Heilig P (2013) Quantum satis est. https://ub.meduniwien.ac.at/blog/?p=16917

Gender: beyond.

Interest: no conflict

_________________________

Veranstaltung:

Wahrgenommen
15.10.24 um 19.00 h

im Otto-Mauer-Zentrum – KAVÖ
Währinger Str. 2-4  A-1090 Wien

Veranstaltung Wahrgenommen

_________________________

Interessenkonflikt:
Der Autor erklärt, dass bei der Erstellung
des Beitrags kein Interessen –
konflikt im Sinne der Empfehlung des
International Committee of Medical
Journal Editors bestand.

Korrespondenzadresse:
Univ.-Prof. Dr. med. Peter Heilig
Augenheilkunde und Optometrie
peter.heilig@univie.ac.at

Weitere Beiträge »