Gastautor: Prof. Dr. Hermann AICHMAIR: Augen -Amulette, Brillen, Optik [18]: Geschichte der Brille
Ab 1500 gibt es sehr viele Darstellungen von Brillen. Es sollen hier nur einige erwähnt werden, weil sie sich in österreichischen Museen oder Galerien befinden, oder weil sie in Ausstellungen, die in den letzten Jahren in Wien zu sehen waren, gefunden wurden. Ein Beispiel ist ein Holzschnitt von Albrecht Dürer (1507) in der Albertina, aus dem Zyklus Marienleben: „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“, auf dem einer der Gelehrten eine Nietbrille trägt. Dürer hat auch einige Bilder gemalt, wo gleichfalls Brillen dargestellt sind.
Im Kunsthistorischen Museum fanden sich in der Ausstellung „ Von Bruegel bis Rubens“ ein Bild von Joos van Craesbeeck (1652- 1662): „Der Tod ist grell und schnell“ (Kneipenkrach). Vor einer Kneipe liegt neben einem umgefallenen Tisch und allerlei Hausrat ein leichenblasser junger Mann blutend auf dem Boden. Links vermutlich der Mörder, umringt von einer Menge drohender Bauern. Auf einem Stein unten rechts steht geschrieben:
„Der Tod ist grimmig und schnell, hütet euch vor Sünden, so tut ihr gut und wolltet niemandem schaden. Daß Gott es Euch nicht spüren läßt und nehmet niemandem das Seine, so behaltet ihr das Eurige.“
Auf den Gläsern einer großen Brille steht zu lesen: „ Ten is myn schuld niet dat den mensch niet beteren siet“ [= Es ist nicht meine Schuld, dass der Mensch nicht besser sehen kann].
Ferner fanden sich ein Bild von Jakob Jordaens (1593-1678) „ Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen“ (zwischen 1638-1640), wo der Alte in der Mitte des Bildes eine Bügelbrille trägt, und eines von Theodor Rombouts (1597-1637): „Kartenspieler“ (1628-1632), das eine Gesellschaft von vier Männern und einer alten Frau zeigt, die rund um einen Tisch versammelt sind. Zwei Soldaten spielen offensichtlich mit hohen Einsätzen Karten, während der alte Mann rechts gespannt durch seine Bügelbrille dem Fortgang des Spieles folgt.
Weiters sah man einen Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert mit einer Brille und dem Titel „Durchhin auf etwas anderes“, ebenso Bilder von Pieter Breughel dem Älteren ( 1525-1569) „Zwischen Carneval und Fasten“, das einen Narren mit einer Phantasiebrille zeigt, sowie „Christus unter den Schriftgelehrten“ (1630-1635) aus dem Umkreis von Jusepe de Ribera, auf dem ein alter Mann mit Einglas zu sehen ist.
Eine sehr schöne Darstellung einer Brille zeigt auch ein Bild von Jan van Ossenbeck (1624-1674), der in Rotterdam geboren wurde und sich 1659 in Wien niederließ. In der Galerie Harrach ist sein Bilderzyklus „Die fünf Sinne“ gehangen, wo der Gesichtsinn durch einen federspitzenden Schreiber mit Brille verkörpert wird.
Als letztes der bildlichen Darstellungen möchte ich einen Freskenzyklus des Christian Wink aus dem Schloss Zell an der Pram (1771-1772) anführen. Der bayrische Hofmaler hat im Schloss einige Jahre, bevor das lnnviertel wieder österreichisch wurde, gemalt. Vom großen Saal aus sind die Deckengemälde der beiden Galerien sichtbar. In der ostwärtigen Galerie werden die fünf Sinne dargestellt. Der „Gesichtssinn“ wird nicht mythologisch gedeutet, sondern mittels Instrumenten anschaulich gemacht – man sieht zwischen zwei Putten, die sich um das astronomische Fernrohr bemühen, einen Zwicker bzw. eine Lederbrille.
Als plastische Darstellung von Brillen bietet sich vorerst die Brillenverkäuferin der Porzellan-Manufaktur Augarten an, Kaufruf-Figur, zwischen 1740-1780. Diese Darstellung war sehr beliebt und findet sich schon sehr früh, wie z. B. auf einem Bild des Jakob Cornelius von Amsterdam (1511); man kann sich gut vorstellen, wie damals Brillen verkauft wurden.
Weiters seien Lebzeltmodel mit Brillendarstellungen erwähnt sowie als Kuriosum ein Wasserspeier der Votivkirche in Wien (erbaut 1856-1879), den der Steinmetz mit einer Brille gestaltet hat.
Es gab schon in der Gotik Bildhauer, die sich bei ihren Kunstwerken verewigt hatten, wie z. B. Meister Pilgram bei der Kanzel im Wiener Stephansdom. Der Gedanke, dass sich dieser Brauch bis zur Neugotik erhalten hat, war naheliegend, insbesondere deshalb, da sich auch der Erbauer der Votivkirche, Architekt Ferstl, unterhalb der Kanzel, zwar sehr versteckt, aber doch gut erkennbar, bildlich darstellen ließ.
Der Bildhauer Johann Fessler erhielt am 21.5.1858 den Auftrag, sämtliche Wasserspeier der Votivkirche zu errichten und blieb bis 1871 fest beim Bau dieser Kirche beschäftigt. Man kann daher mit einiger Sicherheit annehmen, dass er sich bei der Gestaltung dieses Wasserspeiers selbst verewigt hat.
Musiker zeichneten eine Brille vor einen Takt, um auf die Schwierigkeiten einer Passage hinzuweisen.
Ebenso findet sich in Computerprogrammen eine Brille, um einen Merksatz besonders hervorzuheben.
Lebzeltmodel aus der letzten Lebzelterei Wien in der Schattenfeldgasse, Wien 7„ um 1900.
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Text: Hermann AICHMAIR, MEIDLING BLÄTTER DES BEZIRKSMUSEUMS, Heft 59, 2003
Fotos: Sammlung Hermann Aichmair Bezirksmuseum Meidling