Gastautor: Prof. Dr. Hermann AICHMAIR: Augen – Amulette, Brillen, Optik [22]: Augenamulette, Augenvotive, Augenvotivbilder und alte Brillen

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Gastautor: Prof. Dr. Hermann AICHMAIR: Augen -Amulette, Brillen, Optik [22]: Augenamulette, Augenvotive, Augenvotivbilder und alte Brillen

Madonna1Franz Maresch berichtet über einen in Niederösterreich  gebräuchlichen Spruch gegen die „Augenbladern“
(eine Augenentzündung) , welcher zusammen mit Gaffer (Kampfer),  Golizenstein (Kupfervitriol), Sovriau (Safran) und   Rosenblättl die Heilung herbeiführen sollte. Als  Alternativbehandlung   wurde das Gesicht dicht vor eine Mehltruhe gehalten  und der Deckel dreimal fest zugeschlagen, worauf die Augen mit einem Tüchl verbunden wurden. Für einen heutigen Ophthalmologen ist dies umso unverständlicher, als gerade bei Augenentzündungen ein Verbinden kontraindiziert ist: Da hat der Spruch „nix is guat für die Augen“ schon einen viel reelleren Hintergrund. Laut Elisabeth Grabner wird er noch heute in den österreichischen Alpenländern gebraucht; deranscheinend unsinnige Spruch erfährt eine andere Deutung, wenn man die Fortsetzung kennt: auf „nix is guat für die Augen“ folgt „aber nicht für den Magen“. Mit „Nix“, „weißem Augennix“ oder „Nixsalbe“ ist Zinkoxyd (Zincum oxydatum) oder schwefelsaures Zink (Zincum sulfuricum) gemeint, welche noch heute in hoher Verdünnung als Augentropfen verwendet werden, z. B. als Kombination in Bor-Zink-Augentropfen. Der seltsame Name stammt einesteils von den Alchimisten, die oxydiertes Zink als „Nix a/ba“ (weißen Schnee) bezeichneten, weil es beim Erhitzen zu einem weißen Pulver verbrannte und in leichten Flocken herabfiel. Andererseits haben auch Bergleute die metallische Abscheidung der Zinkkerze mit „nix“ (Schnee) bezeichnet, da sie sich als weißes, flockiges, in der Luft herumfliegendes Pulver darstellt. MadoDas Volk wiederum erklärte sich diesen lateinischen Namen auf seine Art mit „nix“ gleich „nichts“, was auch durch den flüchtigen, kaum faßbaren Charakter der Substanz bestätigt wurde. Die Apotheker übersetzten ihrerseits das ihrer Meinung nach volkstümliche Wort „nix“ für den erwiesenermaßen wirksamen Stoff ins Lateinische und nannten es „nihilum album“, unter welcher Bezeichnung es auch in den Arzneibüchern bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts geführt wurde. So wurde das ohnehin schon lateinische Wort „nix „, das vom Volke eingedeutscht worden war, nochmals allerdings mit neuer Bedeutung ins Lateinische übersetzt, was sicher nicht allzu oft bei einem Wort vorkommt.

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Text: Hermann AICHMAIR, MEIDLING BLÄTTER DES BEZIRKSMUSEUMS, Heft 59, 2003
Fotos: Sammlung Hermann Aichmair Bezirksmuseum Meidling

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