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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [100]: Rückschau und Vorschau

Aus den medizinhistorischen Beständen der UB MedUni Wien: Rückschau und Vorschau

Text von Harald Albrecht, BA und Dr. Walter Mentzel

Seit Oktober 2017 werden von den beiden Mitarbeitern der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, Harald Albrecht und Walter Mentzel wöchentlich Blogbeiträge zu medizinhistorischen Büchern aus dem Bestand der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien präsentiert. Damit soll der vielfältige und inhaltlich differenzierte Bücherbestand, der sich über eine mehr als zweihundertjährige Periode hindurch kontinuierlich und Großteils aus Schenkungen zusammengefügt hatte, dargestellt werden. Damit sollten auch die vielfältigen Entwicklungen der Medizingeschichte, wie Forschungseinrichtungen, die Sanitätsverwaltung, die Gründung medizinischer Bibliotheken und die medizinische Forschung generell bespielhaft angerissen werden. Dies gilt ebenso für die Dokumentation des medizinischen Studienfaches an der ehemaligen Medizinischen Fakultät der Universität Wien, der Sanitätsentwicklung der Stadt Wien aber auch der Ausbreitung der „Wiener medizinischen Schulen“ in den Kronländern der ehemaligen Habsburgermonarchie. Parallel dazu kam es zu einer erstmaligen Tiefenerschließung des Bibliotheksbestandes, der neben der historischen Kontextualisierung des Bücherbestandes auch Recherchen zu den Autoren der Bücher einbezog um vorhandene biografische Lücken zu schließen. Um der Diversität des Bibliotheksbestandes gerecht zu werden wurde versucht Schwerpunkte und Themencluster zu setzten, die künftig in der Blogserie erweitert werden sollen. Dazu zählen:

  • Einen Schwerpunkt der Blogbeiträge bilden Büchersammlungen, die wegen ihrer inhaltlichen Thematik eine Einheit bilden, heute jedoch nur mehr virtuell identifizierbar sind. Dazu gehören u.a. die zirka 200 Bucheinheiten umfassende Sammlung „Cholera-Epidemie 1831-1832“.
  • Büchersammlungen die aus Schenkungsvorgängen von MedizinerInnen von Kliniken und Instituten und von Mitarbeitern der ehemaligen Medizinischen Fakultät stammen. Darunter die Büchersammlung von Heinrich von Bamberger, der zwischen 1872 und 1888 an der II. medizinischen Klinik im AKH Wien wirkte und spätestens 1913 die historische Klinikbibliothek Max Neuburger überließ, der zu dieser Zeit mit dem Aufbau einer künftigen Institutsbibliothek begonnen hatte. Ebenso die sogenannte „Nothnagel-Bibliothek“, des ehemaligen Leiters der I. medizinischen Klinik am AKH in Wien, dem Internisten und Förderer wissenschaftlicher Bibliotheken, Hermann Nothnagel.
  • Dazu gehören auch die durch Schenkungen in den Besitz der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin gekommenen privaten Bibliotheken aus der Provenienz von Ärztinnen und Ärzten, wie sie beispielhaft am Fall einer privaten Ärztebibliothek der beiden Wiener Mediziner aus dem 19. Jahrhundert „Thomas und Camill Lederer“ dargestellt wurde.
  • Einen zentralen Schwerpunkt bildeten die als Fragmente überlieferten, heute nicht mehr existierenden medizinischen Bibliotheken in Wien, die aber die Entwicklungen der medizinischen Bibliothekseinrichtungen dokumentieren. Dazu wurden als Beispiele gewählt: die frühere Bibliothek des „Ärztlichen Lesezimmer im Allgemeinen Krankenhaus in Wien“, die als Vorläufereinrichtung der heutigen Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität zu gelten hat. Weiters die Anfänge der Bibliotheksgeschichte des späteren Bibliothek des I. neurologischen Institutes (Obersteiner-Bibliothek) in Form der noch erhaltenen Bücher der von Bruno Goergen an der Privat-Heilanstalt für „Gemüthskranke in Wien um 1820 errichteten Bibliothek. Dazu zählt auch die „Sammlung chirurgische Gremien“, die die Bibliotheksentwicklung medizinischer Einrichtungen vor 1800 bekundet.
  • Die an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität durchgeführte NS-Provenienzforschung und die bislang durchgeführten Restitutionen bilden eine eigene Serie im Blog. Dokumentiert wurden die Restitutionen an die ErbInnen und RechtsnachfolgerInnen von Carl Julius Rothberger, oder Stefan Auspitz von Artenegg. Die nationalsozialistische Periode zwischen 1938 und 1945 war neben der Provenienzforschung ein vom Bearbeiter der NS-Provenienzforschung Dr. Walter Mentzel gesetztes Thema im Blog. Dazu zählt ein Beitrag über den zwischen 1940 und 1945 am ehemaligen Institut für Geschichte der Medizin amtierende Medizinhistoriker und Leiter des Institutes, Fritz Lejeune. Weitere Ergebnisse der Provenienzforschung und zum NS-Bücherraub wurden in Form von Artikeln in dem von der Kommission für Provenienzforschung beim Bundeskanzleramt projektierte seit 2018 existierende Online- Lexikon der Provenienzforschung publiziert und sind hier abrufbar.
  • In diesem historischen Kontext wurden auch Bücherschenkungen von 1938 geflüchteten Medizinern thematisiert, die ihre privaten Bibliotheken – in manchen Fällen – schon seit den 1920er Jahren universitären Einrichtungen wie der ehemaligen Medizinischen Fakultät in Wien durch Schenkungen übergeben hatten. Dazu zählen Bücher aus der Privatbibliothek des Psychiaters Wilhelm Stekel, die sich heute an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin befinden.
  • Bücher, die die Entwicklung und Geschichte des ehemaligen Institutes für Geschichte der Medizin, als Keimzelle der heutigen Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin, thematisieren, sowie Bücher und Schriften von Personen, die am Standort des Josephinum bzw. am ehemaligen Institut für Geschichte der Medizin als Mitarbeiter, Forschende oder Bibliothekare wirkten. Dazu zählen Beiträge zum Gründer des Institutes Max Neuburger und seine dem Institut durch drei Tranchen als Schenkung überlassene und in den Bibliothekskorpus einverleibten medizinhistorischen Privatbibliothek, oder die am Josephinum wirkenden Mediziner, Medizinhistoriker und Bibliothekar wie im 19. Jahrhundert Burkard Eble, oder im 20. Jahrhundert Emanuel Berghoff, dem zwei Blogs gewidmet wurden [1, 2].
  • Einen weiteren Schwerpunkt bilden Frauen in der Medizin und Naturwissenschaft: Hier wurde versucht einen möglichst weiten Bogen von frühen Autorinnen aus dem 17./18. Jahrhundert bis zu den Pionierinnen der modernen Medizin im 20. Jahrhundert zu spannen. Neben dem Herbarium von Elizabeth Blackwell wurden Publikationen von Marie Fouquet, Justine Siegemund, Angélique Marguerite Le Boursier Du Coudray, Elizabeth Nihell und Marie-Anne-Victoire Boivin Zu den portraitierten Pionierinnen im 20. Jahrhundert, die alle aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt wurden zählen: Dora Brücke-Teleky, Anna Simona Spiegel-Adolf, Helene Wastl und Klara Weingarten.
  • Eine eigene Serie bilden Bücher vor 1800, wie etwa einige unserer historischen Highlights. Aus diesem Kreis gab es Beiträge zu Andreas Vesalius berühmten anatomischen Werk aus dem Jahr 1555: „De Humani Corporis Fabrica Libri Septem“, Girolamo Gabuccinis „De Comitiali Morbo Libri III“ aus dem Jahr 1564, das eine unserer insgesamt fünf Aldinen darstellt, Paulus Aeginetas „Pavli Aeginetae Medici Opera“, Anton de Haens „[…] De Magia Liber“ aus dem Jahr1774 oder die wunderschöne, handkolorierte Ausgabe des Professors der k.k. chirurgischen Josephsakademie im Josephinum, Joseph Jacob von Plencks „[…] Icones Plantarum Medicinalium […] aus dem Jahr 1788. 
  • Einen inhaltlichen Schwerpunkt setzten wir unter anderen mit mehreren Beiträgen zu den Anfängen der modernen Sexualwissenschaft. Hierzu gab es einen Beitrag über den Pionier der Sexualwissenschaft und gleichzeitig ersten Aktivisten für die Gleichstellung von Homosexuellen, Karl Heinrich Ulrichs. Neben Richard von Krafft-Ebings erfolgreichen Standardwerk „Psychopatia sexualis“ aus dem Jahr 1886, stellten wir auch den Berliner Sexualforscher und Begründer des ersten Instituts für Sexualwissenschaften, Magnus Hirschfeld, und sein „Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen […]“, vor. Dazu kamen Beiträge über die Sexualwissenschaftler Wilhelm Stekel und Eugen Steinach.
  • Nicht fehlen durften Beiträgen über die Begründer der Zweiten Wiener medizinischen Schule – die ja das eigentliche historische Erbe der heutigen Medizinischen Universität Wien darstellen. Hier wurden Beiträge zu deren wichtigsten Vertretern publiziert, unter anderen über: Joseph Skoda, Carl von Rokitansky und Ferdinand von Hebra.
  • Nach dem Schwerpunkt über den Anfang der weltberühmten Wiener medizinischen Schule war auch eine Auseinandersetzung mit ihrem tragischen Ende unausweichlich. Da etwa die Hälfte der Lehrenden an der Wiener medizinischen Fakultät 1938 jüdischer Herkunft waren, und deshalb von den Nationalsozialisten ihre Venia legendi entzogen bekamen sowie verfolgt, vertrieben und/oder ermordet wurden, setzte ein Brain-Drain ein, von dem sich die Wiener Medizin nie wieder restlos erholen sollte. Diesem dunkelsten Kapitel der Wiener Medizin widmeten wir Beiträge unter andrem über: Leopold Freund, Isidor Fischer, Stefan Jellinek, Rudolf Neurath, …
  • Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Geschichte der medizinischen Verwaltung der Stadt Wien, der Aufbau des Spitalswesens und der medizinischen Organisationen und Verwaltungsstrukturen im Kontext der Entwicklung Wiens zu einer modernen europäischen Metropole Ende des 19. Jahrhunderts. Dazu zählt der Mediziner, spätere Dekan der Medizinischen Fakultät in Wien und Sanitätsbeamte in Wien, Joseph Johann Knolz, der im Vormärz eine wesentliche Rolle bei der medizinischen Organisation und Verwaltung der sich in der beginnenden Phase der Industrialisierung befindenden Stadt Wien einnahm. Ähnlich versuchte der langjährige Primararzt am Israelitischen Spital in Wien Zacharias Wertheim mit seiner 1810 herausgegebenen reportageähnlichen Arbeit zur „medizinischen Topografie von Wien“ erstmals statistische Daten zur medizinischen Situation Wiens zu erheben. Mit Franz Innhauser, Eduard Neusser, Emil Kammerer u.a wurden die ersten „Stadtphysiker“ nach der Sanitätsreform der Gemeinde Wien im Jahr 1864 vorgestellt. Ein Blog widmete sich dem vor dem „austrofaschistischen“ Regime 1934 geflohenen Wiener Mediziner Sigismund Peller und seiner Studie über die Ernährungsverhältnisse der Wiener Arbeiterschaft im Jahre 1925.
  • 2018 war auch das Gedenkjahr der „1848er Revolution“, der mit der Serie „Vertriebene Mediziner 1848“ einen Schwerpunkt gesetzt wurde. Hier kam es zur Vorstellung jener meist junge Mediziner, die aktiv an der Revolution teilnahmen und nach deren Niederschlagung vertrieben wurden oder die zur Flucht gezwungen waren. Eine Sammlung einer bislang noch wenig erforschten Wissenschaftscommunity, von der heute die Zweigbibliothek zumeist nur mehr ihre kurz zuvor am Josephinum abgelegten Abschlussarbeiten besitzt. Darunter: Nikodem Betkowski, Moritz Kálazdy, der Balneologe Joseph Segen, Siegfried Kapper, Richard Comfort, Ernst Krackowitzer, Adolf Fischhof. Mit August Fischer wurde ein Absolvent des Josephinum vorgestellt, der 1848 als Militärarzt am Feldzug in Italien teilnahm und hier verstarb.
  • Weitere Schwerpunkte bildeten Bücher zu Themen der Technisierung und Technikgeschichte in der medizinischen Forschung und Lehre. Darunter der Mediziner Joseph Berres, der sich im frühen 19. Jahrhundert mit der mikroskopischen Forschung und der Daguerreotypie beschäftigte. Die Entwicklung der Fotografie in der medizinischen Forschung wird im Blog repräsentiert durch die „Gastrofotografie in Wien (Heilpern, Porges und der Fotograf Franz Gerhard Back), oder der medizinische Film an Beispielen des ersten wissenschaftlichen Dokumentarfilms von Ludwig Braun in Wien im Jahr 1896, des Mediziners und Lehrfilmers Friedrich Dimmer, oder zum sogenannten „Steinach-Film“. In einem Beitrag wurde auch der erst in den USA bekannt gewordene und bis heute dort rezipierte Pionier des wissenschaftlichen Films Adolf Nichtenhauser, mit seinem bis heute unveröffentlichten Manuskript „A history of motion pictures in medicine“ behandelt.
  • Geburts- und Todestage als Gedenktage waren ebenfalls Anlass und Gelegenheit Repräsentanten der „Wiener Medizinischen Schule“ vorzustellen. Dazu wurden unter anderem veröffentlicht: zum 100. Todestag von Julius Mauthner, zum 150. Geburtstag von Julius Tandler, zum 100. Todestag von Friedrich Schauta, zum 100. Todestag von Victor Adler, zum 200. Todestag von Johann Valentin von Hildenbrand,…
  • Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt bildeten Bücher von Autoren, die ihre Lehrjahre und ihr Studium der Medizin in Wien absolvierten und darauf in und außerhalb Österreichs ihre Karriere begannen oder fortsetzten. Sie dokumentieren die „Wiener Medizinischen Schulen“ als ein regional übergreifendes Projekt einer Wissensmigration und eines Wissenschaftstransfers. Die ersten exemplarischen Schwerpunkte wurden mit der Auswahl zu einzelnen Kronländern gesetzt, darunter das seit 1772 zur Habsburgermonarchie gehörende Kronland Galizien, das seit 1775 dazu gehörende Kronland Bukowina, sowie das seit 1878 unter österreichisch-ungarischer Verwaltung stehende Bosnien-Herzegowina. Aus den Beständen wurden dazu ausgewählte Bücher des in Wien geborenen und in Sarajewo wirkenden Mediziners Josef Preindelsberger und dessen Ehefrau Milena Preindlsberger-Mrazović, die als Schriftstellerin über die Probleme der Durchsetzung der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina berichtete, vorgestellt. Weiters Bücher des Leiters des Landesspitals in Sarajewo Leopold Glück, von Adam Barach eine Monografie über die Heilquellen in Iwonicz, sowie die Arbeiten des Militärarztes Franz Apt, oder Karl Denarowski, der eine erstmals taugliche Visualisierung des Sanitätswesens in der Bukowina vorgenommen hatte. Weiters finden sich Beiträge von MedizinerInnen im Blog, die nach ihrer Ausbildung am Josephinum im Ausland wirkten. Darunter jene Ärzte, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts in den Dienst des osmanischen Reiches stellten und am Aufbau eines modernen Sanitätswesens maßgeblich Einfluss nahmen, oder der in Serbien wirkende österreichische Mediziner, Emerich Lindenmayr, der Autor des Buches „Serbien, dessen Entwicklung und Fortschritt im Sanitätswesen“ war.
  • Eine eigene Blogserie widmet sich den in zahlreichen Büchern sich befindenden Exlibris, die sowohl medizin- wie kulturhistorischen bedeutsam sind. Sie wurden dokumentiert in Beiträgen zu Karl Albert Lanna und Ernst Ludwig Heim. Eine Vielzahl von Exlibris „erzählen“ auch von längst vergessenen medizinischen Einrichtungen und ihren Bibliotheken wie jene „chirurgischen Lesegesellschaften“ von Georg Mojsisovics von Mojsvar.

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Aus den medizinhistorischen Beständen der Ub MedUni Wien [25]: Paulus Aegineta: Pavli Aeginetae Medici Opera. Lyon: Apud Guliel. Rouillium sub scuto Veneto 1551.

Paulus Aegineta: Pavli Aeginetae Medici Opera. Lyon: Apud Guliel. Rouillium sub scuto Veneto 1551.

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[Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin/Rara-Bibliothek, Sign.: RD-2296]

http://search.obvsg.at/

Aegineta
Abb. 1    Paulus Aegineta

Paulus Aegineta (auch Paulos von Aigina) war ein byzantinischer Arzt, der im siebenten Jahrhundert nach Christus lebte, und von der (heute griechischen) Insel Ägina/Αίγινα im Saronischen Golf im Westen der Ägäis stammte. Über sein Leben gibt es wenige Hinweise, die aus seinen eigenen Schriften und aus mittelalterlichen arabischen Bio-Bibliographien überliefert sind. Er galt bei den Arabern als „Hebammenspezialist“ (al-qawābilī) und soll zur Zeit der arabischen Eroberung (641 n.Chr.) in Alexandria gewirkt haben.

Sein Hauptwerk – Pragmateia – ist eine sieben Bücher umfassende medizinische Enzyklopädie, die eine umfassende Zusammenfassung des damaligen medizinischen Wissens widergeben will. Diese sieben Bücher behandeln: 1. Hygiene und Diätetik, 2. Fieberarten, 3. Topographisch von Kopf bis Fuß klassifizierte Krankheiten, 4. Hautkrankheiten und Erkrankungen der Eingeweide, 5. Toxikologie, 6. Chirurgie und 7. Medikamentöse Therapeutik. Paulus Aegineta konzipierte sein Handbuch als Parallele zu den damals üblichen juristischen Handbüchern. Die Hauptquellen zu seinen Arbeiten stammen aus den Schriften von Oribasius von Pergamon (auch Oreibasios/Ὀρειβάσιος – 4. Jhdt.). In den Bereichen Gynäkologie und Chirurgie publizierte er überwiegend eigene Erkenntnisse. Sein Werk hatte großen Einfluss auf die Medizin in der arabischen Welt und ist in mehreren arabischen Handschriften überliefert. „The Arabic translation of Paul of Aegina had a great impact on Arabic pharmacological writing.”[1] Spätestens seit dem 9. Jahrhundert gab es arabische Übersetzungen seiner Bücher. In der lateinischen Welt blieb er bis ins 11. Jahrhundert gänzlich unbekannt. Dies änderte sich im 12. Jahrhundert, als auch Teile seiner Werke in Europa rezipiert wurden. 1528 wurde sein Gesamtwerk erstmals in Venedig ins Lateinische übersetzt und herausgegeben – noch im 16. Jahrhundert folgten einige weitere Auflagen seiner Werke.Titelblatt
Abb. 2    Titelblatt: Paulus Aegineta: Opera Medici. Lyon 1551.

Die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin besitzt zwei Exemplare von Paulus Aeginetas „Opera Medici“. Eines davon stammt ursprünglich aus dem Besitz von Hans von Hebra (1847-1902). Er war ein österreichischer Dermatologe und ab den 1890er Jahren auch Mitglied des Wiener Gemeinderates. Hans von Hebra war der Sohn von Ferdinand von Hebra (1860-1880), der als Begründer der sogenannten neuen „Wiener Schule der Dermatologie“ galt. Hans von Hebra, der Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien war, dürfte sein Exemplar der Bibliothek der GdÄW als Schenkung übergeben haben. Heute ist es Teil der Rara-Bibliothek, einer von neun historischen Bibliotheken der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin im Josephinum.
Hebra
Abb. 3    Exlibris: Hans von Hebra

Rara Bibliothek

RARA_M.Hartl Diese Bibliothek besteht aus ca. 10.000 Monografien aus dem 16. bis 19. Jhdt. Es handelt sich um Zweitexemplare zur Josephinischen Bibliothek aus den Beständen der Militärärztlichen Akademie, des ehem. Instituts für Geschichte der Medizin und Altbeständen aus Kliniken (v.a. I. Augenklinik). Die Sammlung zeichnet sich durch bis in das 16. Jahrhundert zurückreichende Bücherbestände aus. Wegen der zahlreichen Exlibri, den unterschiedlichsten Widmungen und Autografen, die die Exemplare zu Unikaten machen, besitzen diese seltenen Einzelexemplare einen hohen ideellen und historischen Wert. Die Bibliothek ist durch einen Zettelkatalog erschlossen.

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Abb. 4    Stempel am Vorsatzblatt des Buches: Gesellschaft der Ärzte in Wien ; Hans von Hebra

Quellen:

Homepage: Wikipedia. Stand: 06.04.2017.

https://de.wikipedia.org/wiki/Paulos_von_Aigina

Paulos v. Aigina (7. Jh. n. Chr.). In: Antike Medizin. Ein Lexikon. Hrsg. von Karl Heinz Leven. München: C. H. Beck: 2005. Sp. 681-682.

Pormann, Peter E.: The oriental tradition of Paul of Aegina’s Pragmateia. Leiden und Boston: Brill 2004.

Adams, Francis: The Medical Works Of Paulus Ægineta, The Greek Physician, Translated Into English: With A Copious Commentary, Containing A Comprehensive View Of The Knowledge Possessed By The Greeks, Romans, And Arabians On All Subjects Connected With Medicine And Surgery. Vol. I. London: J. Welsh 1834.

Text: Harald Albrecht

[1] Pormann, Peter E.: The oriental tradition of Paul of Aegina’s Pragmateia. Leiden und Boston: Brill 2004. S. 205.

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Van Swieten Blog-Beitrag zu Ferdinand von Hebra (1860-1880)