Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: A-Symmetrisches

A-Symmetrisches

P Heilig, A. Thaler

Heilig P, Thaler A
(2023) A-Symmetrisches. Concept Opth 2/2023 Sinnesphysiologie 1-2  cpt_202302_med_asymmetrien

 

Kein Auge gleicht dem anderen. Es sei denn..

Die okuläre Dominanz (‚eyedness‘) manifestiert sich nicht nur funktionell, sondern auch morphologisch. J.C. Maxwell veröffentlichte im Jahre 1856 „On the unequal sensitivity of the foramen centrale to light of different colors“. Dieses tritanope Zentralskotom des führenden Auges (‚Maxwell’s spot centroid‘) ist üblicherweise kreisrund und das des Partnerauges etwas größer und unregelmäßig begrenzt, meist annähernd elliptisch konfiguriert. Symmetrische, beidseits gleich große und runde Blau-Skotome können bei klinisch unauffällig ophthalmologischem Status zu Kompetenz-Differenzen (‚Undetermined Dominance, Binocular Imbalance oder – Rivalry‘) führen und sich klinisch als Dyslexie manifestrieren. Bei Blendung (tiefstehende Sonne, KFZ-Blendlaternen etc.) wird nicht, wie üblich, immer dasselbe Auge (Partnerauge) geschlossen („the habit to close one eye in the sun“), sondern abwechselnd, – etwa gleich lange, einmal das rechte und das linke Auge – ‚undetermined‘ ..

Neuronale Pfade und synaptische Verbindungen bilden sich in den kritischen Phasen der Entwicklung im asymmetrischen Modus. Okuläre Dominanz wird vom ZNS ausgewählt, mit allen morphologischen Unterschieden, von der Retina (nervefiber-, macular ganglion cell, inner plexiform layer and macular thickness ), über den Tractus opticus bis zu corticalen strukturellen Asymmetrien. Die Dominanz-Auswahl wird von verschiedenen Faktoren mitbestimmt, wie zum Beispiel Genetik und Refraktion. Das dominierende Auge liefert dem Gehirn präzise primäre sinnesphysiologische Daten begleitet von ’sekundären‘ Zusatzinformationen des Partnerauges, mit dem Ziel störungsfreier binokulärer kognitiver Funktion. Bei fehlender oder zu gering ausgeprägter okulärer Dominanz können sich dyslektische Störungen manifestieren, wie zum Beispiel sogenannte ‚mirror-image letters‘-Verwechslungen, wie etwa zwischen ‚d‘ und ‚b‘. Die Bedeutung okulärer Dominanz darf nicht unterschätzt werden, besonders für refraktive Maßnahmen, einschließlich refraktiv-chirurgischer.

Manche Lern- und Verhaltensstörung Jugendlicher, aber auch so manche gescheiterte berufliche Karriere könnte durch Dyslexie mitverschuldet worden sein. Dies ließ eine auffällige Dyslexie-Häufung bei der Untersuchung jugendlicher Straftäter vermuten (Muñoz-López 2021).

Erworbene Asymmetrien

Am Beispiel von retinalen Lichtschäden: Neben interokulären Asymmetrien finden sich diesbezüglich auch monokuläre Symmetrie’brüche‘. Dies zeigt sich deutlich bei Retinopathia pigmentosa (RP) sectorialis. Pathognomische RP-Pigmentierungen sind geringer ausgeprägt oder fehlen im ‚Schatten‘ von Brauen und Nasenrücken:  „the inferonasal quadrant is most commonly affected in sector RP due to the greater light exposure of the lower retina from an overhead light source“, Coussa 2019). Regelrecht hervorgehoben (‚highlighted‘) werden die phototoxischen Laesionen bei dieser besonderen Form der RP, als Ausdruck extremer Licht-Vulnerabilität retinaler Strukturen.„Monokuläre RP“– Varianten sind eher mancher Phänokopie zuzuordnen oder Ausdruck extremer einseitiger Lichtschädigung des führenden Auges bei später auftretenden klinischen RP.- Manifestationen – denn das führende Auge ist früher und schwerer betroffen („the habit to close one eye in the sun“. Jensen, 1982), dies verdeutlicht das Extrembeispiel Amblyopie. Das ’schwachsichtige‘ Auge erleidet deshalb kaum jemals retinale Lichtschäden. Die bei schwerer Blendung nahezu geschlossene Lidspalte schützt den Bulbus des Partnerauges vor potentiell phototoxischen Licht- und UV-Strahlen. Bei schwach ausgeprägter okulärer Dominanz finden sich geringere Lichtschäden-Unterschiede zwischen beiden Augen.

Scheinbar unvermeidliche iatrogene OP-Mikroskop-Lichtschäden ließen sich reduzieren: „.. light exposure reaching the patient‘s retina during cataract surgery is much lower in the intracameral illumination than in the microscope illumination“ (Kim 2021). RP-Patienten, welche in der ICCE-Ära mit extrem reduzierter retinaler Lichtbelastung operiert werden konnten, erfreuten sich auffallend lange ihres erstaunlich gut erhaltenen Visus centralis („oblique intracameral illumination caused less subjective photostress and was preferred over coaxial microscope illumination“).

Berufliche, meist unterschätzte monokuläre Lichtbelastungen (Endoskopie, Mikroskopie (monokulär) etc. können sich relativ früh störend bemerkbar machen, zuerst als erworbene diskrete Dyschromatopsie und reduziertes Kontrastsehen, schließlich als beeinträchtigter Visus centralis sowie relatives Zentralskotom.

 

„The foveal blue scotoma is most easily observed with a homogenous 450 nm monochromatic background modulated in a square-wave fashion at temporal frequencies of 1–2 Hz.“ (Magnussen S et al (2001) Filling-in of the foveal blue scotoma. Vision Res;41(23):2961-7) – aber auch ohne großen Aufwand durch schlichtes Betrachten einer monochrom blauen Fläche – evtl. intermittierend abdecken.

Okuläre Dominanz variiert interindividuell. Diese große Bandbreite erlaubt daher keine Alles-oder-Nichts-Diagnose. Nahezu symmetrische Maxwell’s spots können – als Ausnahme von der Regel – so gut wie ohne dyslektische Symptomatik vorkommen; im hartnäckigen anamnestischen ‚Verhör‘ tauchen gelegentliche doch Erinnerungs-Reste auf – an „merkwürdig verdrehte“ Buchstaben und Ziffern in frühen Kindheitstagen.

Auf die diversen Definitionen von Legasthenie, phonologischer Legasthenie, Dyskalkulie Early Oral Language Difficulties etc. kann hier nicht eingegangen werden. An der Rechts- oder Links-‚Händigkeit‘ (- handedness) ist das Gen PCSK6 mitbeteiligt. Diese andere Art von Dominanz manifestiert sich zum Beispiel am hypertrophierten Tennisarm mancher Tennisprofis oder an der mächtigen ‚Protz‘-Schere von Winkerkrabben.

Epilog:  Kosmogenetische Symmetrie (Σ M = Σ AM) hätte zu ‚Nichts‘ geführt. Σ M > Σ AM schuf das All und alles. ‚M’= Materie. ‚AM’= Antimaterie. Nur am Rande..

Lit.:

Jensen OL (1982) Pterygium, the dominant eye and the habit of closing one eye in sunlight. Acta Ophthalmol (Copenh);60(4):568-74.

Le Floch A et al (2017) Left–right asymmetry of the Maxwell spot centroids in adults without and with dyslexia. Proc Biol Sci 284(1865): 20171380.

Kasamatsu T et al  (2020) Ocular dominance plasticity: Molecular mechanisms revisited. J Comp Neurol. 528(17):3039-3074.

Liu S et al  (2021) Ocular Dominance and Functional Asymmetry in Visual Attention Networks. Invest Ophthalmol Vis Sci;62(4):9.

Muñoz-López L et al (2021) Writing Abilities in Compulsive Prisoners. Front Psychol; 12: 701941.

Coussa RG et al (2019) Sector retinitis pigmentosa: Report of ten cases and a review of the literature. Mol Vis. Dec 30;25:869-889.

Baudin J et al (2019) S-cone photoreceptors in the primate retina are functionally distinct from L and M cones. Elife;8:e39166.

Thaler A et al (1973) Sectoral retinopathia pigmentosa. Involvement of the retina and pigment epithelium as reflected in bioelectric responses. Docum Ophthalmol Proc Ser II, 237-243

Ramon E et al (2014) Differential light-induced responses in sectorial inherited retinal degeneration. J Biol Chem;289(52):35918-28.

Kim YJ et al (2021) Contrast, visibility, and color balance between the microscope versus intracameral illumination in cataract surgery using a 3D visualization system. Indian J Ophthalmol;69(4):927-931.

Seo H et al (2018) Macular photostress and visual experience between microscope and intracameral illumination during cataract surgery. J Cataract Refract Surg;44(2):190-197.

Hulme C et al (2016) Reading disorders and dyslexia. Curr Opin Pediatr.; 28(6):731-735. 

Heilig P (2017) Maculadegeneration monokulär (?) Concept Ophthalmologie 01 / 2017

https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=27664

Heilig P, Thaler A (2023) A-Symmetrisches. Concept Opth 2/2023 Sinnesphysiologie 1-2  cpt_202302_med_asymmetrien

Robinson KJ et al (2016) The PCSK6 gene is associated with handedness, the autism spectrum, and magical ideation in a non-clinical population. Neuropsychologia;84:205-12.

Gender: beyond
Conflict of Interest: no

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Veranstaltungshinweis

Veranstaltungsabend in der Gesellschaft der Ärzte am Mittwoch 29.03.2023: „Spermidin verschiebt das Altern“

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Katharina und Peter Heilig
VIDEO ON DEMAND: KUNSTLICHT IN UNSEREN AUGEN:

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