Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: Kriegsgötterdämmerung

Kriegsgötterdämmerung

„Intitolata Bonaparte von Luigi van Beethoven“ stand am Titelblatt der „Sinfonia Eroica, composita per festiggiare il sovvenire di un grand´uomo“.*

Beethovens Tilgung dieser Widmung rüttelte auf aus Lethargie wie Haydns ‚Paukenschlag‘, erschütterte wie ein Donnerkeil Jupiters. Verachtung trat an die Stelle von Bewunderung. Vergessen waren ‚liberté, égalité und fraternité‘ – für Europa, wie vergeblich erhofft. Dem ‚großen Mann‘ stand der Sinn nach noch ‚Höherem‘.

„Ist er auch nichts anderes wie ein gewöhnlicher Mensch? Nun wird er alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen, er wird sich nun höher als alle anderen stellen, ein Tyrann werden!“  (Ferdinand Ries: Beethovens Stoßseufzer).

Gesalbt (Pius VII), gekrönt (Selbst) und bejubelt (- vom Mosaik-Monster Klerus/Adel/Militär) missbrauchte der neue ‚Kaiser der Franzosen‘ die selbstgebastelte Macht; nach gnadenloser Ausbeutung geknechteter Länder rekrutierte er seine Soldaten aus diesen. Höchste Ämter und Titel wurden disponiblen Subalternen verliehen, vor Allem auch Verwandten – im Sinne reibungsloser Vetternwirtschaft (Nepotismus), mit bewährter Erfolgs-orientierter Heiratspolitik. Der Tross des ‚commandant suprême‘ bestand aus einer sechs(!)spännigen Kutsche, zwei Butlern, drei Köchen, sechs Dienern und acht Pferdeknechten, zweiundfünfzig Kutschen seines Stabes, ungezählten Versorgungs-Fuhrwerken sowie einem prachtvoll ausgestatten ‚Garderobewagen‘.

Niemand sollte genialen Kriegsheroen ihre taktisch-strategischen Schachzüge kleinreden – aber um Schachfiguren handelte es sich eben doch nicht bei ‚Bauern- (und anderen) Opfern. Francisco de Goya schrieb Geschichte mit ‚Les désastres de la guerra‘, auch Callot mit ‚Les Grandes Misères de la guerre‘ und nicht zuletzt Picasso mit seiner unsterblichen ‚Guernica‘. Als ehernes Gesetz folgt jeder Apotheose der Denkmalsturz; dies lehrt die Geschichte. Alexander, Caesar, Augustus, auch Kaiserinnen wurden zeremoniell zu ‚Göttern erhoben‘ – passager. Sämtliche neuzeitlichen trüben Epigonen verdienen nicht erwähnt zu werden: Folg‘ nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange. Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!“ 
JW Goethe Faust I, Studierzimmer.

Nikita Chruschtschow prangerte in einer mehrstündigen Philippika Personenkult, Genozide, Terror, Liquidierungen und Massendeportationen an. Danach wurde ihm ein Zettel gereicht – mit der Frage: ‚Was tatest Du, als ‚jener‘ diese Verbrechen beging? Chruschtschow las die Frage vor und sagte: „Ich bitte den Fragesteller aufzustehen.’ Niemand rührte sich. ‚Das’ sagte Chruschtschow, ‚ist nämlich genau das, was ich getan habe, während ‚jener‘ an der Macht war.“ Nikita C. wurde zur ‚Unperson‘ erklärt und an der Kremlmauer (posthumer ‚walk of fame‘) fand sich auch kein Platz, im Gegensatz zu ‚jenem‘.

Kriegshelden treiben weiter ihr Unwesen. „Ihre eigene Haut steht nicht auf dem Spiel. Sie tragen mit krimineller Politik vielmehr die Haut anderer zu Markte.“ (N. Taleb). Unglaublich – kein einziger Tag verging auf diesem Planeten ohne Säbelrasseln. Euphorisiert, vernebelt von hohlen Phrasen und Parolen zogen irregeführte ‚Hurra-Patrioten‘ in den Krieg, Blümchen-geschmückt, jubelnd und singend, mit Kampfliedern, wie etwa „Die Brust im Gefechte gelüftet“ – als Kanonenfutter – siehe ‚Forlorn Hope‘-Kompanien (Les Enfants perdus, Schweizer Knabenschaften etc.).

Das toxischeste aller ‚Entlaubungsmittel‘2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD)‚Agent orange‘ – Beispiel für die ‚chemische Kriegsführung‘: Insgesamt wurden  45.677.937 Liter TCDD über Vietnam versprüht (zuletzt Jan. 1971), zusätzlich zahllose andere toxische Chemikalien. Bis heute leiden Millionen Menschen an diesen Spätfolgen einer besonders infamen Art der Gewalt. Kriegs- und andere Verbrechen sowie Gewalt gegen Frauen etc. ‚perpetuieren‘ sich, es sei denn, der homo sapiens sapiens findet ‚Zurück zur Vernunft‘ (Rust H (2002): Wenn Gurus, Powertrainer und Trendforscher nicht mehr weiterhelfen. Gabler) oder – es entstehen neue ‚Schulen der Diktatoren‘ (Erich Kästner, Lustspiel:

„Das Stück wurde 1957 in den Kammerspielen München uraufgeführt. Diese satirische Komödie gehört zu den wichtigen antitotalitären Werken der Weltliteratur. In einem imaginären Staat fällt ein auf Lebenszeit installierter Diktator einem Attentat zum Opfer und wird von seinen Satrapen durch immer neue Imitationen ersetzt, ohne daß das Volk etwas davon merkt“). So unwahrscheinlich dies klingt – ut fama loquitur (oder doch nur ein Gerücht?) – es soll tatsächlich vorgekommen sein..

‚Verursacher‘, in imperialer Aura ihres ‚Gottesgnadentums‘, erklärten den Krieg, bewaffnet mit einem Federkiel dazumals, wie der „Gute Alte Kaiser“, auf Sommerfrische weilend, in Bad Ischl. Rasches Handeln tat not – um „einer Friedensinitiative (horribile dictu) der Triple-Entente zuvorzukommen“. Das Weltreich Alexanders ‚des Großen‘ zerfiel durch die Händel seiner „Diadochen“. Sogar das Land, ‚in dem die Sonne nie unterging‘, schrumpfte auf eine überschaubare ‚Größe‘ – immerhin finden dort Atomverhandlungen statt – allerdings nur ‚bedingt‘..

„Als zum erstenmal das Wort »Friede« ausgesprochen wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie schrien auf im Schmerz: Wir haben verdient! Lasst uns den Krieg! Wir haben den Krieg verdient!“ (Karl Kraus)

EPILOG: Wer wird die Kinder beschützen? – und deren Kinder? – und . . ?

Epigenetische Prägung: „Es kann mehrere Generationen dauern um epigenetischen Folgen von Armut, Krieg und Vertreibung zu ‚heilen‘ (EBM).

*„Heldensymphonie, niedergeschrieben um das Andenken an einen großen Mann zu feiern“. Beethoven hielt die Eroica für sein bedeutendstes Werk.

Gottesgnadentum: „himmlischer Wille vertraue alles Irdische zur ‚Lenkung‘ an“  (”curae nutu suo caelesti terrena omnia moderanda commisit”)

Ares, der Ur-Kriegsgott hatte keine guten Karten, auch keine gute Presse. Als er beim Techtelmechtel mit Aphrodite in flagranti erwischt wurde, gefangen im kunstvoll gestalteten Netz des Hephaistos (ihr Gatte), erscholl vom Olymp ‚homerisches Gelächter‘. Vor Troja unterliegt er, ein simpler ‚Haudrauf‘, der ‚mit Besonnenheit‘ kämpfenden Athene. Als Ares wütend zu seinem Vater eilte, um sich über das Vorgehen Athenes zu beschweren, begegnete ihm Zeus mit eisiger Ablehnung. „Ares kannte kein Erbarmen, war aggressiv, blutrünstig und grausam. Es war ihm ein Vergnügen in die Schlachten der Menschen einzugreifen und sie gegeneinander aufzuhetzen. Besondere Freude bereiteten ihm Massaker, Plünderungen sowie das Brechen von Knochen“.   https://griechische-goetter.info/ares/

alternative Fakten: Ares „wurde mit Aphrodite (seine Halbschwester) vermählt“. Hunger H (1959) Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Hollinek. Wie heute, so auch in grauer Vorzeit, ließ die Qualität seriöser und zuverlässiger Berichterstattung sehr zu wünschen übrig.

H Maier (2014) Apotheose und Denkmalsturz. Diktatoren im 20. Jahrhundert

http://hhmaier.de/wp-content/uploads/2014/11/Diktatoren_im_20_Jahrhundert.pdf

Tuchman B (2001) Die Torheit der Regierenden. Von Troja bis Vietnam. Fischer. (im Original: „The March of Folly“ )

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Interest: no

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Katharina und Peter Heilig
VIDEO ON DEMAND: KUNSTLICHT IN UNSEREN AUGEN:
https://youtu.be/k9k_wG5lacA

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