Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: Blaue Schrift im Blau–Skotom

Blaue Schrift im Blau–Skotom

Concept Ophthalmologie 9/2018

Peter Heilig

„ . .war mit blaßblauer Tinte beschriftet gewesen“.

                                                Franz Werfel: Eine blassblaue Frauenschrift

Das Zentrum humaner Foveae ist „blaublind“ – tritanop (König 1894), denn S-cones fehlen im Bereich der Foveola. Dieses gewissermaßen physiologische Blauskotom bleibt unter üblichen Bedingungen unentdeckt, es sei denn, der zentrale blinde Fleck im Band des sichtbaren kurzwelligen Spektrums lässt sich im Rahmen sinnesphysiologischer Experimente – als negatives Nachbild z.B. – visualisieren.

Dicht gepackte M- und L-Zapfen in der Foveola ermöglichen optimierte zentrale Sehschärfe; der kurzwellige Bereich ist jedoch ausgeklammert, denn .. „blaue Zapfen liefern keinen wesentlichen Beitrag zu Sehschärfe oder Formensehen“ (Brindley 1954). Gelbes Licht reduziert chromatische Aberration („blue blur“) und verbessert Visus centralis sowie Kontrastsehen.

Andererseits dominieren immer helleres, meist kurzwelliges Kunstlicht (blue enriched white light), grell-blaustichige Monitore, Tablets, ‚Smart’phones, Scheinwerfer, Tagfahrlichter etc. die Szene und verursachen Schäden, nicht nur reversible. Als Krönung setzen die Bürger von Schilda blaue Schrift überall dort ein, wo sie meinen besonders Wichtiges und Bedeutungsvolles mitzuteilen zu müssen – als blaue Schrift im Blau-Skotom.

Dunkler Hintergrund – mit heller Schrift – reduziert integrale Helligkeit, verringert Blendung und verzögert Irritationen und Augenreizungen („Office Eye Syndrome“ etc.). Die Lichtbelastung der Netzhaut sinkt deutlich – cave temporale Summation potentiell phototoxischer Effekte. „Wenn schwarzer Text auf weißem Hintergrund gelesen wird, reduziert dies nach einer Stunde die Dicke der Chorioidea um 16 μm; beim Lesen weißen Textes auf schwarzem Hintergrund hingegen nimmt die Aderhautdicke um 10 μm zu.“ (OCT- Untersuchungen junger Probanden) Nicht nur beim Menschen, auch in Tierexperimenten konnte gezeigt werden, dass dünnere Chorioidea Myopie-Entwicklung begünstigt, während dickere Aderhaut dies verhindert: „black text on white paper heavily overstimulated retinal OFF pathways.“

Chronic fatigue syndrome (CFS) wurde in Zusammenhang mit dem trockenen Auge gebracht, ohne dass eine plausible Erklärung gefunden werden konnte. Möglicherweise simuliert reduzierter praecornealer Tränenfilm das Symptom allabendlicher Müdigkeit – ‚die Augen wollen mir zufallen‘.

Bei reduzierter Sehleistung wird meist dunkler Hintergrund mit heller Schrift vorgezogen. Unsensibel und unmotiviert verwendete blaue Schrift erweist nicht nur Patienten mit Augenproblemen einen Bärendienst. Blaue Schrift ist obsolet – und:

Dunkler Hintergrund auf allen Monitoren, auch auf ‚Smart’phone-Displays wird zum Gebot der Stunde.

Lit.

Aleman AC et al (2018) Reading and Myopia: Contrast Polarity Matters. Scientific Reportsvolume 8, Article number: 10840

König A (1894). Über den menschlichen Sehpurpur und seine Bedeutung für das Sehen.

Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, 30, 577–598.

Wald, G. (1967). Blue-blindness in the normal fovea. Journal of the Optical Society of America, 57, 1289–1303.

Williams, D. R., MacLeod, D. I. A., & Hayhoe,M.M. (1981a). Foveal tritanopia. Vision Research, 21, 1341–1356.

Chen Y et al (2015) Size of the foveal blue scotoma related to the shape of the foveal pit but not to macular pigment. Vision Res;106:81-9. .

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Heilig P (2015) Prophylaxe durch Lichthygiene. Concept Ophthalmologie 02/2015: 16-17

Heilig P (2018) Myopie und die Müller’sche Stützzelle. Concept Ophthalmologie 6/2018: 30-31

Chen CS et al (2018) Dry eye syndrome and the subsequent risk of chronic fatigue syndrome-a prospective population-based study in Taiwan. Oncotarget. 17;9(55):30694-30703.

Morgan IG et al (2018) The epidemics of myopia: Aetiology and prevention. Progress in Retinal and Eye Research 62 134-149

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