Der Arzt als „Moulageur“ – Dr. Alphons (Alfons) Poller (1879-1930) im Ersten Weltkrieg 1914 – 1918 Teil 2
Sein Schreiben blieb unbeantwortet. Daraufhin bot er seine Dienste dem preussischen Kriegsministerium an, das ihn im April 1915 anstellte. Poller schilderte den Sachverhalt im Mai 1917 folgendermaßen:
„Ich wurde im April des Jahres 1915 an die Kaiser-Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen nach Berlin berufen und auf Grund eines Vertrages mit dem preussischen Kriegsministerium, der mich mindestens bis Kriegsende verpflichtet, beauftragt, eine Sammlung von Kriegsmoulagen zu schaffen. Selbstverständlich folgte ich diesem Rufe erst, nachdem es nicht gelungen war, in Wien eine Verwirklichung dieses Gedankens zu ermöglichen. Schon im August 1914 reichte ich nämlich bei der Medizinalabteilung des K. u. K. Kriegsministeriums einen ausführlich begründeten schriftlichen Antrag in diesem Sinne ein, auf den eine Antwort bis jetzt nicht erfolgt ist und der daher wohl noch im dortigen Aktenbestand vorfindlich sein dürfte. Im Laufe des Herbstes 1914 sprach ich verschiedentlich persönlich bei den massgebenden Herren vor und fand auch vielfach Beifall und Zustimmung, es kam jedoch zu keinem praktischen Ergebnis. Die Zeit drängte, da man ja nicht wissen konnte, wie lange der Krieg dauern würde und so entschloß ich mich, dem rasch erfolgenden und günstigen Angebote Berlins Folge zu leisten. Zugleich mit mir wurde meine Frau als meine bezahlte Assistentin in Vertrag genommen. Seither wurde das Unternehmen in Berlin mit grosser Munifizienz [=Freigebigkeit] und von allen sonst in Betracht kommenden Stellen tatkräftig gefördert. Ich arbeitete zunächst 3 Monate in Berlin. Dann schickte mich die Akademie nach dem östlichen Kriegsschauplatze mit dem Standquartier in Königsberg, wo ich wieder ein kostspieliges Laboratorium einrichten durfte und von wo aus Reisen weiter nach dem Osten unternommen wurden. Dort blieb ich 11 Monate. Im Sommer 1916 hatte ich Auftrag eine Auswahl der im Osten geschaffenen Präparate in Berlin dem Chef des Feldsanitätswesens, Sr. Exzellenz von SCHJERNING und dem wissenschaftlichen Senate des Kriegsministeriums zu demonstrieren. Das gesamte Material wurde in eigenem Transport nach Berlin überführt. Sodann wurde das Laboratorium nach Frankfurt und im Herbste 1916 über Coblenz und Cöln nach Aachen dirigiert mit dem Auftrage, hier ein Standquartier zu errichten, und von hier aus Exkursionen nach dem Operationsgebiete zu unternehmen. Es gelang mir seit Beginn der Arbeit ungefähr 200 Modelle zu schaffen und dank der opferwilligen Förderung von seiten der Kaiser-Wilhelms-Akademie ganz neue Methoden der Darstellung auszuarbeiten.“
Erst im Jahr 1917 wurde das k. u. k. Kriegsministerium in Wien auf Alphons Poller aufmerksam und es beabsichtigte ihn „aufgrund einer Zuschrift des AOK [https://de.wikipedia.org/wiki/Armeeoberkommando_(%C3%96sterreich-Ungarn)] für die Erstellung von Moulagen heranzuziehen, die eine wertvolle Ergänzung der kriegspathologischen Sammlung des Militärsanitätskomitees [=Hilfsorgan des österreichisch-ungarischen Kriegsministeriums, bestehend aus 8–12 aktiven Militärärzten unter Vorsitz eines Generalstabsarztes in Wien, zur Prüfung und Beratung wissenschaftlicher und technischer Angelegenheiten des Militärsanitätsdienstes] in Wien bilden sollten.“
Die Bemühungen des k. u. k. Kriegsministeriums, Alphons Poller nach Österreich zu holen, hatten jedoch erst im Frühjahr 1918 Erfolg, als das preussische Kriegsministerium den Vertrag mit 1. April 1918 gekündigt hatte. Eine Mitarbeit an der „kriegspathologischen Sammlung“ in Österreich erfolgte jedoch nicht mehr, da Poller zu diesem Zeitpunkt schon in Verhandlungen mit der Universität Wien um die Nachfolge des Anfang Juni 1917 verstorbenen Leiters des Universitäts-Moulagen-Instituts ,Dr. Karl HENNING, stand.
Nach dem Ende des Krieges, im April 1919, wurde er schließlich zum Leiter dieses Instituts bestellt. Gleichzeitig mit seiner Ernennung erhielt es die Bezeichnung „Institut für Darstellende Medizin“.
Lesen Sie bitte einige Artikel zu Alphons Poller in der österreichischen Tagespresse:
Zu seiner Hochschulzeit
9. Juli 1912 – Hochschulnachrichten http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=dvb&datum=19120709&seite=5&zoom=33&query=%22alfons%2Bpoller%22&provider=P03&ref=anno-search |
Zum Ehrenbeleidigungsprozess Pollers gegen Theodor Henning, den Sohn Karl Hennings
31. Oktober 1926 – Ein wissenschaftlicher Ehrenbeleidigungsprozess
3. Oktober 1928 14.Dezember 1928 – Erklärung |
Zu seiner Tätigkeit bei der Polizei
30. November 1926 – Rund um die Wiener Polizei – Erkennungsamt
30. Dezember 1926 – Die Ausstellung der Wiener Polizei 12. Juni 1927 – Das Abformlaboratorium der Wiener Polizei 5. Juni 1929 – Photographie im Raum 29. August 1929 – Das Pollersche Moulageverfahren 17. Oktober 1930 – Im Moulage-Kabinett der Polizei |
Zu seinem Tod
5. September 1930 – Tod eines Erfinders http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=dkb&datum=19300905&seite=3&zoom=33&query=%22alfons%2Bpoller%22&provider=P03&ref=anno-search 5. September 1930 – Selbstmord eines Wiener Arztes und Erfinders 5. September 1930 – Selbstmord eines Wiener Arztes 6. September 1930 – Dozent Dr. Alfons Poller 7. September 1930 – Das Poller-Verfahren 8. September 1930 – Der Freitod eines Gelehrten |
Zur „Pollerschen Methode“
8. Mai 1942 – Menschen, Masken und Schicksale
22.Juli 1944 – Wenn der Augenblick erstarrt – Porträtplastiken helfen derTheaterwissenschaft 27. August 2012 – „Pollern“ |
„Poller-Werkstatt“ – Inserate in Zeitungen und Zeitschriften
1. Juni 1932 – Plastische Photographie
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=aaz&datum=19320601&seite=36&zoom=33&query=%22alphons%2Bpoller%22&provider=P03&ref=anno-search 1. Oktober 19324. November 1932 4. Dezember 1938 13. Dezember 1938 |
Sein Mitarbeiter, der Bildhauer Max[imilian] BLAHA
23. April 1932 – Die Aufbahrung Kardinal Piffl |
Ausgewählte Artikel von Alphons Poller in der Tagespresse
27. September 1918 – Unsere Propaganda – gegen uns
11.Dezember 1918 – Richterstuhl oder Rachetribunal 18. Oktober 1919 – Republik oder Monarchie? |
Zur Geschichte der Moulagenbildnerei beachten Sie bitte: Internationale Tagung „Naturgetreue Objekte“? am 4. und 5. März 2016 im Medizinhistorischen Museum Hamburg
https://www.uke.de/dateien/institute/geschichte-und-ethik-der-medizin/medizinhistorisches-museum/pdf/tagungsflyer-naturgetreue-objekte-web.pdf |
Text: Dr. Reinhard Mundschütz