CARRIERS..
Der Carrier-Phänotypus ist von Bedeutung, weil er wertvolle Informationen über die Muster von X-Inaktivierungen und mögliche pathologische Entwicklungen liefern kann. Überträgerinnen x-chromosomaler retinaler Dystrophien sind meist asymptomatisch. Einige können jedoch ähnlich schwere Symptome aufweisen wie in vollem Umfang erkrankte Männer (2). Somit könnte fälschlich ein autosomal dominanter (‚pseudodominant‘) Erbmodus angenommen werden (1): Hier wird eine Lanze gebrochen für alle etwas stiefmütterlich behandelten Überträgerinnen – regelmäßige Verlaufkontrollen könnten erkennen lassen, ob Progredienz vorliegt – das ERG kann dabei wertvolle Informationen liefern.
Nicht nur Überträgerinnen, sondern auch erkrankte Männer können den Diagnose-Teams Kopfzerbrechen bereiten, etwa mit asymptomatischer x-linked juveniler Retinoschisis oder mit unterschiedlichen Verläufen und ungewöhnlichen Befunden – sogar bei monozygoten Zwillingen; Kasuistik: Refraktions-Unterschied eineiiger Zwillinge (D: x-linked retinoschisis): Emmetropie versus Myopie (-10 D) (3): “Chromosomal mosaicism, skewed X-inactivation, imprinting mechanisms, epigenetic mechanisms etc.“ werden als Erklärungsversuche angeboten.
Auch bei scheinbar klinisch unauffälligem Befund mancher Überträgerin können Fundus-Abnormalitäten samt schwerer Funktionsausfälle zu einem späteren Zeitpunkt manifest werden. Pigment-Muster in Carrier-Fundi, wie bei der Chorioiderämie oder dem Albinismus gehen auf Unterschiede von X-inactivations zurück: „Etwa 15% der Gene des x-Chromosoms entkommen der Inaktivierung und ungefähr zehn Prozent lassen variable Inaktivations-Muster erkennen.“ (2).
Fundus Autofluoreszenz (FAF) ist ein Indiz für Lipofuszin nach Phagozytose von Außensegment-Fragmenten, nicht selten als autofluoreszierender Ring imponierend – im Grenzbereich zwischen gesünderem und stärker erkranktem Gewebe – mit Tendenz zu allmählicher Konstriktion.
Pigmentierungen: Auffallende (interokuläre) Asymmetrien der x-linked RP-Carrier-Fundi (führendes Auge mit stärker ausgeprägten Lichtschäden als im Fundus des Partnerauges) und sektorenförmige retinale Pigment-Muster-Verteiungen wären Hinweise auf eine geringere Phototoxicity-Sensibilität der Carrier-Retinae verglichen mit der potentiell höheren Licht-Vulnerabilität männlicher Fundi – ohne X-Inaktivation (2).
OpenAI (2024) ChatGPT Illustration zum Thema carrier (x-linked inheritance mode) ein Mädchen, welches ein Kätzchen trägt: speziesübergreifende Mutation oder ‚Designervirus‘ (?) [Software].
Über fortschreitende Sehverluste von Überträgerinnen wurde auch bei Chorioideremie und X-linked Retinopathia pigmentosa (XLRP) berichtet. Bisher wurde diesen zunächst scheinbar unauffälligen Carriers zu wenig Beachtung und Aufmerksamkeit geschenkt – sowie kaum über Prophylaxe und eventuell mögliche Therapien nachgedacht – für all jene Übeträgerinnen, welche aufgrund fehlerhafter Konzepte routinemäßig aus manch klinischen Studien ausgeschlossen wurden.
Epilog: Die variable Expressivität genetischer Mutationen in hetrogenen Gruppen – mit womöglich überlappenden Phänotypen kann zwangsläufig Probleme verursachen.
1 De Silva SR et al (2021) The X-linked retinopathies: Physiological insights, pathogenic mechanisms, phenotypic features and novel therapies. Prog Retin Eye Res;82:100898.
2 Gocuk SA et al (2023) Female carriers of x-linked inherited retinal diseases – genetics, diagnosis, and potential therapies. Progr Retin; Eye Res (96) 101190
3 Silva S et al (2010) Why are monocygotic twins different? J Perinat Med 39(2): 195-202
4 Heilig P, Thaler A (2023) A-Symmetrisches. Conc Ophth;2/2023 Sinnesphys.1-2.
Gender: beyond
Interest: no conflict
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Interessenkonflikt:
Der Autor erklärt, dass bei der Erstellung
des Beitrags kein Interessen –
konflikt im Sinne der Empfehlung des
International Committee of Medical
Journal Editors bestand.
Korrespondenzadresse:
Univ.-Prof. Dr. med. Peter Heilig
Augenheilkunde und Optometrie
peter.heilig@univie.ac.at