Sammel-Linsen
Peter Heilig
Concept Ophthalmologie 04-05/22 34
Als fokussierende optische Mikrolinsen fungieren zahlreiche dicht gepackte Mitochondrien in ellipsoiden Regionen der Zapfen des „13-lined Ground Squirrels“. Das gebündelte Licht wird, abhängig von Winkel und Lokalisation des eintretenden Lichtstrahls (Stiles Crawford-Effect) in das äußere Segment des Rezeptors gelenkt: „.. many times brighter than the background light intensity..“
Dieses Resultat erweitert nicht nur das Verständnis hinsichtlich der Evolution des Auges, es hat auch eine besondere klinische Bedeutung: ‚Abnorme‘ Stiles Crawford-Effekte wurden bei Untersuchungen von Retinopathia Pigmentosa Patienten beobachtet – auch bei klinisch noch nicht beeinträchtigtem Visus. Der Stiles Crawford Effekt, als mögliches Frühsymptom retinaler Erkrankungen kann als wertvolle Ergänzung im diagnostischen Armamentarium dienen.
Zu den bekannten metabolischen Haupt-Eigenschaften der Mitochondrien gesellen sich, nun bekannt seit dem oben beschriebenen faszinierenden Befund, optische Qualitäten. Winzige Öltropfen in den Netzhäuten von Vögeln, Reptilien und einigen Beuteltierarten fungieren in optischer Hinsicht ähnlich wie die Mitochondrien-Mikrolinsen der Zapfen-dominierten Erdhörnchen-Netzhäute. Solche Öltropfen-‚Mikrolinsen‘ sind im äußeren Segment nahe der Grenze zum inneren Segment der Photorezeptoren eingelagert.
Die ‚konvergente Evolution‘ zeigt sich in den Facettenaugen von Arthropoden, bei Fliegen oder Hummeln beispielsweise. Auch in humanen Retinae spielt das foveale „waveguiding by photoreceptors“ eine entscheidende Rolle. Unmittelbar außerhalb des foveolaren Areals sind diese Mitochondrien-‚Lupen‘ deutlich weniger dicht angeordnet. Abgesehen von mitochondrialen Licht-‚Verstärkern‘ wirken auch die Müllersche Stütz-Zellen mit ihren Faseroptik-Eigenschaften wirkungsvoll an Licht-Optimierungen mit – und zwar in Form Verlust- und Streuungs-freier Weiterleitung der Stimuli bis zum Rezeptor. Quer durch die Stammbäume im ‚Wald der Evolution‘ finden sich verschiedene raffinierte Maßnahmen der Natur – mit dem Ziel einfallendes Licht optimal auszunützen.
Die Fehlentwicklung unserer Kunstlicht-‚Kultur‘ erscheint unter diesem Aspekt geradezu absurd. Äußerst vulnerable Netzhäute werden immer häufiger von kurzwellig dominierten Lichtern geblendet. Im ‚Brennpunkt‘ der Netzhaut fehlen blaue Zapfen (S-Cones). Diese Besonderheit manifestiert sich als zentrales (tritanopes, sozusagen ‚physiologisches‘ -) Blauskotom. Wurden im Lauf der Evolution foveoläre S-cones womöglich ‚ausgebrannt‘? Oder handelt es hierbei sich um eine weise Maßnahme der Natur?
Ad: ‚Directional Tuning‘: ‚Off axis‘, ein Problem, bekannt seit Begnn der Intraokularlinsen-Ära, bewirkt gegebenenfalls schwächere Stimulus-Intensitäten durch ‚circles of confusion‘ anstelle präzise fokussierter retinaler Abbildungen. Auch Multifokal-Konstrukte, meist einigermaßen gut vertragen in blendungsfreien Ordinationen, Wohn- und Arbeitsräumen, können in Straßenverkehr-Szenarios (Blend-KFZ-Leuchten, grelleTagfahrlichter etc.) zum ernsten oder fatalen Problem werden. Die Lichtstimuli werden teilweise defokussiert und projizieren, verschlimmert durch ubiquitäre Blendungen, eine Art von Nebel verwirrend – ablenkender Zerstreuungskreise auf die Netzhaut.
Überdosiert helles bläuliches Licht – en vogue – hat doppelt so viele Elektronenvolt wie das langwellige sichtbare Licht; ist potentiell phototoxisch – auch als Op-Mikroskop-Licht. Alle grell-bläulichen Monitore, Displays, Screens etc. sind in Anbetracht hochempfindlicher, mit Mikro-Sammel-Linsen und Faseroptiken ausgestatteten Netzhautstrukturen fehl am Platz: Dunkler Hintergrund mit heller Schrift (reduzierte integrale Netzhaut-schonende Helligkeit) auf allen Smartphones, PCs etc. wird empfohlen – blaue Schrift nur für Bürger von Schilda. Am Gipfel der kontraproduktiven Entwicklung stehen die KFZ- und Fahrrad-Scheinwerfer. CUI BONO?
Blenden: etym.: ‘blind machen‘, durch übermäßige Lichtstrahlung. ahd. blenten (9. Jh.), mhd. mnd. blenden, aengl. blendan ist eine faktitive Bildung (germ. *blandjan)
Stiles Crawford-Effect (SCE): „When light enters the eye near the center of the pupil, it appears brighter compared to light of equal intensity entering the eye near the edge of the pupil.“
Off-axis: s. oben; . IOL: „Already for angles of 10° temporal retina and 15° nasal retina the operated eyes had significantly more astigmatism.“ und: Off – Axis Astigmatismus‘ pseudophaker Augen reduziert ebenfalls deutlich die ‚Detection Sensitivity‘. https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?p=37106. An verbesserter (pseudophaker) peripherer Abbildungsqualität wird gearbeitet.
Ball JM et al (2022) Mitochondria in cone photoreceptors act as microlenses to enhance photon delivery and confer directional sensitivity to light. Sci Adv ;8(9):eabn2070
Heilig P (2021) Peripheres Sehen, pseudophakes. Conc Ophthalmologie. 6/2021 X15-X16
Magnussen S et al (2004) Unveiling the foveal blue scotoma through an afterimage. Vision Research 44, 4, 377-383
Long VW, Woodruff GH. Bilateral retinal phototoxic injury during cataract surgery in a child. J AAPOS. 2004; 8(3):278-9.
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