Gastautor Prof. Dr. Peter Heilig: GRILLPARZER UND DAS GEHEIMNIS DER LUDLAMSHÖHLE

GRILLPARZER UND DAS GEHEIMNIS DER LUDLAMSHÖHLE

‚Der Zauberflöte zweiter Teil und andere Satiren‘.

„In hartnäckig komischer Verzweiflung, treffsicher, sarkastisch und mit Beamtenhumor Herzmanovsky Orlando’scher Prägung“, verwandelte (sublimierte) Grillparzer seinen berechtigten Groll (Grant oder Gizi*) in literarische Kostbarkeiten, in köstliche Miniaturen der Satire. Spitzelunwesen, Zensurknebelung und Polizei-Schikane „legten damals die zart erblühende Freiheit der Aufklärung in Fesseln.“

Mozarts Zauberflöte wurde erstmals im Freihaustheater auf der Wieden, im Jahr von Grillparzers Geburt uraufgeführt. Das Stubenmädel seiner Mutter durfte bei dieser Uraufführung als Äffchen verkleidet (der Gipfel ihrer Karriere!) auftreten. Schikaneders Text bewahrte sie auf wie einen heiligen Schatz. „Auf dem Schoße des Mädchens sitzend, las ich mit ihr abwechselnd die wunderlichen Dinge, von denen wir beide nicht zweifelten, daß es das Höchste sei, zu dem sich der menschliche Geist aufschwingen könne“ berichtet Franz Grillparzer in seiner – von der Akademie der Wissenschaften in Auftrag gegebenen – Selbstbiographie.

‚Der Zauberflöte zweiter Teil‘ war die Antwort auf Metternich’schen Ungeist im trüben Dunstkreis Allerhöchster Begrenztheiten. Grillparzer wollte mit seinem geradezu funkensprühenden Text voll Witz und Esprit seine Freunde („alle bessern Maler, Musiker und Literatoren der Residenz“) in der „Ludlams Höhle“ überraschen. Dort gab es gepflegt scharfsinnigen Humor, Gesang und phantasievolle Spitznamen der „Ludlamiten“: Die Geisterfrau Ludlam und ihre Höhle – aus einem romantischen Märchen – hatten der legendären Ludlamshöhle den Namen geliehen. Das Oberhaupt, Carl Schwarz, Hofschauspieler, trug den sprechenden Namen „Rauchmar der Zigarringer“. Am Gasthaustisch des „Blumenstocks“ und später „Zum Haidvogel“ hockte die Künstler-Gemeinde gut gelaunt, jedoch niemals verschwörerisch beisammen und amüsierte sich köstlich – auf hohem Niveau. Auch Beethoven und Schubert waren gern gesehene Gäste. „Durchreisende Künstler und Literatoren suchten und fanden Zutritt, und haben noch lange später gestanden gleich vergnügte Abende niemals und nirgends zugebracht zu haben.“

Den ‚Ludlamiten‘ ließ sich beim besten Willen nichts suspekt Geheimisvolles andichten.  ‚Subversives‘ war diesem heiteren Völklein geradezu wesensfremd. Ungewöhnliche geistige Regsamkeit kam der ständig Verrat-witternden Hohen Behörde verdächtig vor. „Die überfallsartige Auflösung“ samt Verhören, Hausdurchsuchungen, Schikanen und Beschlagnahmungen – „am 26. April 1826 gehört zu den merkwürdigsten Kunststücken der Wiener Polizei.“ Dem genervten Franz Grillparzer, erst seit wenigen Wochen Mitglied, wurde kurzfristig Hausarrest aufgebrummt. Sein Mittagessen musste er unter dem wachsamen Auge des Gesetzes einnehmen. Dazu eine Eintragung in seinem Tagebuch: „Wer mir die Vernachlässigung meines Talents zum Vorwurfe macht, der solle bedenken, wie in dem ewigen Kampfe mit Dummheit und Schlechtigkeit endlich der Geist ermattet.“

„Obschon die Polizeibehörde noch am Abende des nämlichen Tages merkte, daß sie eine Dummheit begangen habe“, blieb die Ludlamshöhle für immer geschlossen und der ‚Zauberflöte zweiter Teil‘ in der Lade. Der zuständige Polizei-Direktor, „den ich wohl einen Schurken nennen darf, da er wenig später, wegen Geldunterschlagung, sich selbst den Tod gegeben hat“, hatte  mit einer Beförderung  spekuliert.

Grillparzer nahm sich kein Blatt vor den Mund. In den „Nachrichten aus Cochinchina“ karikierte er die „immerwährenden Kopfschmerzen, an denen der Sohn des Kaisers ‚Schmamfu‘ litt. Dieses Kopfweh hätte ihm zwar keine keine bedeutenden Schmerzen verursacht, aber ein gewisses Gefühl der Leere zurückgelassen und sei als eine Krankheitsablagerung des schwächsten Teils zu betrachten. Er war daher nicht imstande, das was in Cochinchina als die Hauptpflicht des Regenten galt, die Unterschriften in gehöriger Menge zu besorgen, er hätte sich daher seinen Oheim Wauwau adjungiert.“

 In der „Bittschrift der Spitzbuben“ nahm  Grillparzer die Bevorzugung der im ‚Staatsdienst stehenden Dummköpfe‘ aufs Korn: „Bedenkt ein Vater nicht vor allem seine geistesschwachen, seine blödsinnigen Kinder? Man hat daher hierzulande in Beförderungsfällen bei Hof- und Länderstellen die Dummköpfe immer ganz besonders bevorzugt und manche aus dieser von Natur verwahrlosten Klasse stehen den höchsten Bedienstungen mit glücklicher Selbstzufriedenheit vor. Sollte soviel für die Dummköpfe geschehen und für die Spitzbuben nicht?“

In Wien war ein Verein zur Unterstützung entlassener Sträflinge gegründet worden. „Wir sprechen hier nicht von denjenigen Anstellungen, zu denen man Schurken notwendig braucht – die Diplomatie, Zensur.., das Brieföffnergeschäft, Denunzianten.. Wir haben .. gelesen, dass ein Kaufmann einen Dieb zum Einkassieren verwendet.. Glaubt, dass wir Spitzbuben, wie der Adel und der Kriegerstand, wenn auch nicht Ehrlichkeit, doch aber Ehre im Leib haben. Wenn ihr uns eure Kassen verschließt, werden wir einbrechen. Wenn ihr sie aber offen uns anvertraut – mir schwindelt! Wenigstens aber werden wir sie wie Löwen gegen jeden anderen verteidigen.“

In seiner „Bekanntmachung“ geht es um Schnell- beziehungsweise Langsamfahren der Kutschen samt entsprechender Verordnung: „Noch unerlässlicher ist das Schnellfahren bei hohen Beamten und Diplomaten. Diese Personen erzeugen nämlich ihre Gedanken nicht, wie der rohe Pöbel meint, durch langes Nachdenken und vieles Überlegen, sondern im Wege des Genies durch rasche Einfälle und augenblickliche Gedankenblitze. Wenn nun ein solcher Staatsmann im Wagen sitzend von einer Ideen-Improvisation überfallen wird.. so kann, wenn er durch langsames Fahren auf der Straße aufgehalten wird, leicht geschehen, dass er ankommend gar nicht mehr weiß, was er eigentlich gewollt hat, und das Schicksal eines Staates, ja eines ganzen Weltalls findet sich durch einen albernen Kutscher der höchsten Gefahr ausgesetzt.. Höchstens ist dem Kutscher erlaubt, aus der Kleidung und sonstigem Aussehen der über den Weg gehenden Person einen Schluss zu ziehen, ob die Gefahr des Überfahrens mit der Gefahr der Verzögerung in einem rücksichtwürdigen Verhältnis stehe. Diese Erinnerung wird eigens durch den Druck bekannt gemacht, da die an den Straßenecken aufgestellten Polizeiwachen, sich eben jetzt lediglich mit der Verhinderung des Zigarrenrauchens zu beschäftigen haben und daher auf Nebendinge, dergleichen die Fahrordnung ist, kein Acht haben können.“ 

Stoßseufzer: Tamino – „Gelebt! Mordio! Lieber zweimal durch Feuer und Wasser gehen als einmal in die Kanzlei!“

Kritik: „Unser guter Professor Stein erklärte ohne Anstand, daß unter allen diesjährigen Schülern ich (Grillparzer) das wenigste Ohr für den Vers hätte.“

Gefährliches: „Aber Herr Hofrat, was haben Sie denn an dem Stück Gefährliches gefunden?“ (FG)  „Gar nichts aber ich dachte mir, man kann ja nie wissen“ (Hofrat Anton von Vogel. Zensurhofstelle).

Vermutlich letzte handschriftlichen Zeilen, einem Brief an Katharina Fröhlich entnommen, schließen mit den Worten: „Der Teufel hol das alles. Ergebenst Grillparzer.“

http://www.internetloge.de/arst/zaubertext.pdf

Holzinger DO (2006) Franz Grillparzer: Der Zauberflöte zweiter Teil und andere Satiren. Kral, nicht zu verwechseln mit „Der Zauberflöte zweyter Theil“, einem Librettofragment von JW Goethe und „Der Zauberflöte zweyter Theil. Das Labyrinth oder Der Kampf mit den Elementen“, einer Oper von Emanuel Schikaneder

*Gizi: Altwienerisch: da° kriag ian Gizi ! – „mir platzt der Kragen!“

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