„O ihr Menschen die ihr mich für Feindseelig störisch oder Misantropisch haltet “
Heiligenstädter Testament
Nachtigallen in Beethovens Gärten
„Da° drübn, über’m Schreiberbacherl, ha°b i’s singa g’heat, de Nachtigall“ erzählte der immer zum Scherzen aufgelegte alte Heurigenwirt. Durt ha°b i a vagessane Muttagottes-Figur z’sa°mm‘klaubt. In da Kuchl stehts heit no, mitsa°mmt‘m Taub’ndreck – i hab’s ja° net a°ngrührt. Und augenzwinkernd: Schließlich ha°t da Mensch a Ehrfurcht!“
Nachtigall und klane Bankerln aus dem Wienerlied sind Geschichte. Das Laternderl strahlt mit abgekühltem Leuchtstoff-Lichterl-Charme und das Bacherl ist ein bisserl still geworden. In seinem Prokrustesbett.
Finster blickend wendet sich der Meister* ab. Oder duckt er sich vielleicht vor einer der drohenden Nussberg-Schlammlawinen? Versiegelte Böden hatten das Schicksal manch edler Luxuskarosse besiegelt .
Nostalgie? Aus der Mode gekommen. Aber – für Äcker werde es keinen Platz mehr geben, in etwa zweihundert Jahren. Meinen Zukunftforscher. Was bleibt erhalten? Die unsterblichen Werke des Genius loci.
Für einen ‚feindselig-störrischen Misanthropen‘ wurde er gehalten. Und doch – „zusammengeraffter, energischer, und inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen“ – meinte Johann Wolfgang Goethe (Teplitz, 1812).
Eine wenig bekannte, besonders liebenswerte Facette der Persönlichkeit diese Künstlers ist „Beethovens herzbezwingender Humor“:
Beethoven in einem Brief an Diabelli: „Bester Herr! wozu wolltet ihr denn noch eine Sonate von mir?! Ihr habt ja ein ganzes Heer von Komp.[onisten], die es weit beßer können als ich, gebt jedem einen Takt, welch wundervolles werk ist da nicht zu erwarten? – Es Lebe dieser euer Österr. verein, welcher SchusterFleck – Meisterl.[ich] zu behandeln weiß –“
„Es ist ein gar zu zartes, naives Ding, dieses humoristische Scherzspiel; und der müsste ein geborner Feind des Scherzes seyn, von dem es nicht ein freundliches Lächeln erzwänge…“ „Hier tändelt, neckt, scherzt alles…“ „Stets neuer Reitz in der Durchführung erhält den Zuhörer.. und stimmt ihn mit jeder Modulation zu immer zunehmend heiterer Laune.“
„…ganz ein Guss, und trotz seiner Mannigfaltigkeit ohne fremdartige Unterbrechungen, ist das Allegro scherzo. Beethoven schien sich in dieser fast ausgelassenen frohen Stimmung so wohl zu gefallen, dass er sich von keinen phantastischen Grillen stören liess; und hatte vollkommen Recht. Daher verliess auch das Publikum eben so freundlich gestimmt den Saal.“
„Alberti beschreibt die Achte – ‚als Lächeln in Thränen, oder als jenes Weinen im Lachen‘ und schließt hieraus wiederum auf Beethovens Intentionen zurück: „Beethoven […], der edle, durch und durch sittliche Charakter, der von glühender Liebe für die Menschheit Erfüllte, der Aufopferungsfähige konnte, wie sehr ihn die Welt verkannte, wie tiefe Schmerzen sie ihm bereitete, nie aufhören sie zu lieben. .. darum verschwanden vor ihm ihre für ihn nichtigen Gegensätze, darum bewahrte er sich stets ein Herz auch für das Kleinste in der Welt und vermochte es alle Entzweiung des Innern zu überwinden, jedes Weh der Erde niederzukämpfen und zur Versöhnung mit sich selbst hindurchzudringen„Der Humor ist für ihn nämlich diejenige Stimmung, die Beethoven die Komposition der Achten – trotz seiner von Leiden gezeichneten Lebenssituation ermöglicht habe“.
„Wenn er die Welt floh, so war’s, weil er in den Tiefen seines liebenden Gemüthes keine Waffe fand, sich ihr zu widersetzen; wenn er sich den Menschen entzog, so geschah’s, nachdem er ihnen alles gegeben und nichts zurück empfangen hatte. Er blieb einsam, weil er kein Zweytes fand. Aber bis zum Tode bewahrte er ein menschliches Herz allen Menschen.“
aus Grillparzers Grabrede
.. „weil er kein Zweytes fand“..
“.. lebt wohl und vergesst mich nicht ganz im Tode, ich habe es um euch verdient, indem ich in meinem Leben oft an euch gedacht, euch glücklich zu machen, seyd es“
Heiligenstadt, am 6. October 1802
Der zweite Satz der sechsten Symphonie trägt die Satzüberschrift „Szene am Bach“. Das Murmeln und Plätschern, die Musik des damals noch frei und munter fließenden Schreiberbaches inspirierte Beethoven auf seinem Lieblings-Spaziergang.
Florian Kraemer (2014) Entzauberung der Musik. Beethoven, Schumann und die romantische Ironie. Wilhelm Fink Verlag
https://www.beethoven.de/sixcms/detail.php/18880
*Steinerne Büste in Beethovens ‚Gärten‘.
Gender: beyond
– am Schreiberbach, AD MMXVII
Weitere Beiträge: https://ub-blog.meduniwien.ac.at/blog/?s=heilig
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„Phantasie“
Erfahrenes und Erlesenes
vorgetragen und interpretiert von Katharina und Peter Heilig.
Phantasie ist nicht den Träumern und Phantasten reserviert.
Sie ist unverzichtbar für das Gedanken-zu-Ende denken und für umsichtig-nüchternes Erwägen aller, auch ausgefallener Möglichkeiten. Ein musikalisch begleiteter Abend, der durch Phantasien und Träume führt.
Am Donnerstag, 01. 03. 2018 um 19 Uhr
Im Otto Mauer Zentrum (Eintritt frei)
1090 Wien, Währingerstraße 2-4, Halbstock (Mezzanin) links