Werte . .
Meng-Tse: „Die ursprüngliche Natur des Menschen ist gut“ – „Alle haben ihre ursprüngliche Natur verloren..“ Hsün-Tse.
Die Gedichte des Li Tai-po reimen sich nicht mehr im heutigen Hoch-Chinesisch. Nicht nur diese. Der Dichtkunst wurde im Land der Mitte ein hoher, vielleicht der höchste Rang zugewiesen. Von allen Hochkulturen ist die chinesische nicht die älteste – sie konnte sich jedoch am längsten, über Jahrtausende ohne Störung oder Unterbrechung entfalten. J.W. Goethe (1827) zollte ihr hohes Lob: „Durch strenge Mäßigung in allem habe sich dieses chinesische Reich seit Jahrtausenden erhalten und wird dadurch auch ferner bestehen. Diese Menschen denken, handeln und empfinden fast ebenso wie wir..“ – und: „Beim Übersetzen muß man bis ans Unübersetzbare herangehen; alsdann wird man aber erst der fremden Nation und der fremden Sprache gewahr.“ *
Yüan Mei, ‚größter chinesischer Dichter des 18. Jahrhunderts‘, bedankte sich humorvoll und mit feiner Klinge für einen bestickten Tabakbeutel, mit dem seine Verse honoriert werden sollten. Er fühle sich geehrt; aber – das Geschenk war bloß Handarbeit einer Dienerin. „Hörtest Du niemals, dass man einmal tausend Seidenballen für ein einziges Wort gab oder zwei schöne Mädchen für einen Vers? Der Austausch eines Werkes der geschickten Finger Deiner Dienerin mit einem Werk meines Geistes bedeutet ein großes Kompliment für sie, aber nur ein kleines für mich. Wenn Du selbst Lanze und Schwert beiseite gestellt, Nadel und Seide genommen hättest, ja dann.. Wie konntest du also versuchen mich wie Ts’ao Ts’ao zu bewirten, indem Du mir so einen kümmerlichen Tabaksbeutel anbotest. Aber – schicke schnell den Beutel und vertraue Deinem Glück auf die Verse.“
Chinesischer Humor ist ein bemerkenswert sympathischer Wesenszug; dazu ein Beispiel: Zwei uralte chinesische Weise lachten dereinst schallend um die Wette: Jeder prahlte damit ein noch schäbigerer alter Sack zu sein als der Freund. Als seine Zeit gekommen war, soll einer dieser Lebenskünstler lachend gestorben sein, berichtet die Mär. In diesem Sinne schwebt die Philosophie des Lin Yutang leicht wie ein Schmetterling über trüber Schwermut: „Am Ende deines Lebens sollst du dich zurücklehnen und sagen können: Das Ganze war eine hübsche Komödie.“
Die hohe Wertschätzung chinesischer Kultur bewog den ewigen Pessimisten Nietzsche, den Begründer der Aufklärung, Immanuel Kant mit einem damals ganz besonderen Ehrentitel zu würdigen: „der Chinese in Königsberg“. Doch auch im Reich der Mitte (中国), machte die Bedeutungsverschlechterung, wie überall vor der ‚Kultur‘ (chinesisch „wei“) nicht halt. Als ‚Mensch und Tun‘ geschrieben, bedeutete dieser Begriff ursprünglich ‚Menschenwerk‘, heute jedoch „falsch“ oder „geheuchelt“. Unerklärlicherweise bergen hohe Kulturen einen Keim der Dekadenz – ab ovo – und landen im schlimmsten Fall unter der ‚Führung‘ konfuser Usurpatoren im Chaos. Staatenbildende Insekten bewahrt offenbar eine Art höherer Intelligenz vor einem solchen Schicksal.
„Ein politisch Lied, ein garstig Lied, so dachten die Dichter mit Goethen
und glaubten sie hätten genug getan, könnten sie girren und flöten.
Und wer nicht die Kunst in unserer Zeit weiß gegen die Zeit zu richten,
der werde nun endlich beizeiten gescheit und lasse lieber das Dichten.“ Hoffmann von Fallersleben
Kulturelle Werte: Mäßigung war offenbar das magische Wort und kulturelle Werte das Eigentliche – bis zum Wandel in Unmäßiges, Maßloses und in Schein-Werte: circulus vitiosus globalis oeconomiae: Merkwürdige globale im-Kreis-Verschuldung basierend auf virtuellen Scheinwerten; ein krudes Moebius-Schleifen-Truggebilde, intransparent und undurchschaubar. Fehl-informierte Opfer der ‚Wohlstand‘-Werte-Gesellschaft finden sich – und-hast-du’s-nicht-geseh’n, auf der ‚Kehrseite‘ dieses Systems. Bankenprognosen für 2030 projizieren die USA auf Platz Drei – eine untragbare okzidentale Kränkung, oder gar transitiv – eine orientale- (?).
‚Pandemische‘ Stille lag über der Erde, sogar am Platz des Himmlischen Friedens. Klare Luft, blauer Himmel, Singvögel sangen, Hummeln brummten. Social-Media-Kakophonien verstummten. Kurz. Doch bald darauf füllte die biblische Social Media-Plage geistig-seelische Leere erneut mit Müll logorrhoisch, in Endlos-Déjà-Vu–Warteschleifen. Ein rosiger Silberstreif am (östlichen) Horizont: Ein Appell zur „Kooperation statt Konfrontation’“. Der Beginn einer neuen Ära ? Womöglich ein hoffnungsträchtiger ‚Pekinger Frühling‘?
Epilog: Tiefe, Weite und Einfachheit charakterisieren die Hohe Alte Kultur, sowie Zartgefühl und als Besonderheit ein Quäntchen Humor. Unreflektiertes ‚China – Bashing‘ – cui bono?
Der Pavillon aus Porzellan
Mitten in dem kleinen Teiche
Steht ein Pavillon aus grünem
Und aus weißem Porzellan.
Wie der Rücken eines Tigers
Wölbt die Brücke sich aus Jade
Zu dem Pavillon hinüber.
In dem Häuschen sitzen Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern, –
Manche schreiben Verse nieder.
Ihre seidnen Ärmel gleiten
Rückwärts, ihre seidnen Mützen
Hocken lustig tief im Nacken.
Auf des kleinen Teiches stiller
Oberfläche zeigt sich alles
Wunderlich im Spiegelbilde:
Wie ein Halbmond scheint der Brücke
Umgekehrter Bogen. Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern,
Alle auf dem Kopfe stehend,
In dem Pavillon aus grünem
Und aus weißem Porzellan. Li Tai-po
Übersetzung Hans Bethge.
* Spiegelbild: 镜像, ‚tuschig‘, Tusche: 墨水, verschwommen, unklar: 模糊,Zurückstrahlen, Spiegelung, Reflexion: 反射; gedankliche Reflexion: 思考 – ‚compound words‘, wie in einem Tuschebild; der wie gemalte Gesamteindruck übermittelt Gedanken und Stimmung – z.B. Li Tai Pos Bild des Porzellan-Pavillons und der Freunde, Poetisches, Schöngeistiges pflegend, gespiegelt im dunklen Wasser.
Lin Yutang (2004) Die Weisheit des lächelnden Lebens. Insel Tb.
Debon G (Ed), Speiser W (1987) Chinesische Geisteswelt. Zeugnisse aus drei Jahrtausenden. W Dausien.
Gender: beyond
Interest: no conflict of..
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Katharina und Peter Heilig
VIDEO ON DEMAND: KUNSTLICHT IN UNSEREN AUGEN:
https://youtu.be/k9k_wG5lacA
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