Vortrag im Josephinum: „Die Wiener Gerichtsmedizin im Nationalsozialismus“ von I. Arias – 4. Juni 2009

Josephinum_Foto_M.Hartl

Dr. Ingrid Arias (III. medizinische Abteilung Krankenanstalt Rudolfstiftung) wird im Josepinum einen Vortrag über „Die Wiener Gerichtsmedizin im Nationalsozialismus““ halten.

    Ort: Lesesaal des Josephinum, (Währinger Straße 25, A – 1090 Wien)
    Zeit: 4. Juni 2009, 18.00 c.t.
    Kontakt: sammlungen@meduniwien.ac.at
    ++43/ 1/ 40160/ 26000

Die Aufarbeitung der Medizingeschichte in der NS-Zeit zeigt, wie sehr nicht nur ideologisch belastete Fächer, wie Rassenhygiene oder Erbbiologie, sich in den Dienst der Politik stellten, sondern wie jeglicher Fachbereich der Medizin davon betroffen war. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem jeweils herrschenden Rechtssystem war die Gerichtsmedizin besonders von der Anpassung an die NS-Ideologie betroffen. Allerdings basierte diese Kooperation auf Freiwilligkeit, Wissenschaftler stellten ihr Expertenwissen bereitwillig in den Dienst des neuen Regimes, das umgekehrt bereit war politische Entscheidungsprozesse auf wissenschaftliche Expertisen zu begründen.
Gerichtsmediziner urteilten an der Seite der Richter bei Erbgesundheitsverfahren mit dem Ziel durch Zwangssterilisation oder Kastration die Vermehrung einer unerwünschten Bevölkerungsgruppe zu verhindern, oder beeinflussten durch ihr Urteil bei Abtreibungen und Kindesmord das Strafausmaß der betroffenen Frauen. Als beratende Gerichtsmediziner bei der Wehrmacht urteilten sie über Selbstverletzungen in der Truppe mit einschneidenden bis tödlichen Konsequenzen für die Betroffenen.
Der Vortrag streift die Kooperation des Instituts für gerichtliche Medizin mit der Luftwaffe, sowie die Gründung des nur kurz existierenden Kriminalmedizinischen Zentralinstituts und dessen Rolle im Fall Bruno Lüdke. Abschließende Bemerkungen über die Entnazifizierungsmaßnahmen an der Medizinischen Fakultät und die Nachkriegskarriere Leopold Breiteneckers zeigen den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in Österreich.

Ein umfangreicher Projektbericht zur Wiener Gerichtsmedizin im Nationalsozialismus wird im Juli 2009 auch als Buch im Ärztekammerverlag erscheinen.

Dr. Ingrid Arias: Studium der Medizin, Ausbildung in Interner Medizin mit Zusatzfach Nephrologie. Studium der Geschichte, Diplomarbeit über die ersten Ärztinnen in Wien, weitere Schwerpunkte sind Medizingeschichte im Nationalsozialismus, sowie die Entnazifizierung an der Wiener Medizinischen Fakultät (geplantes Dissertationsthema). Teilnahme an Projekten über die ersten Medizinerinnen in Österreich, die Geschichte des „Altersheims Lainz“ und Frauen im Gesundheitswesen während des Nationalsozialismus.

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