PROVENIENZFORSCHUNG an der Ub MedUni Wien: Durchgeführte Restitutionen 2012

Restitutionsdossier Nr. 3 (Kurzfassung)
von Dr. Walter Mentzel

Restitutionsdossier: Bibliothek „Raoul Fernand Jellinek-Mercedes“

I. Eigentümer
Raul Fernand Jellinek-Mercedes

II. Informationen zu den geraubten Büchern
Zahl der als geraubt identifizierten Bücher: 5

Standort der Bücher heute: Medizinische Universität Wien, Institut für Geschichte der Medizin
Historischer Standort der Bücher 1941-1945: Institut für Geschichte der Medizin

Inventarnummern:

1. 11.334/1-2
2. 11.332
3. 11.335
4. 17.095/Ergz.

Buchtitel:

1. Helmholtz Hermann von, Vorträge und Reden. Bd. 1-2, 5. Aufl. Braunschweig
1903.
2. Heymanns G., Einführung in die Metaphysik auf Grundlage der Erfahrung.
Leipzig 1905.
3. Ostwald Wilhelm, Vorlesungen über Naturphilosophie gehalten im Sommer 1901
an der Universität Leipzig. 2. Aufl. Leipzig 1902.
4. Haeckel Ernst, Die Lebenswunder. Gemeinverständliche Studien über
Biologische Philosophie. Ergänzungsband zu dem Buche über die Welträthsel.
Stuttgart 1905.

III. Beschreibung der Provenienzmerkmale
Alle fünf Bücher enthalten das Ex libris: „Dem Fernand Jellinek-Mercedes sein Buch“, sowie den handschriftlichen Vermerk bezüglich der Erwerbung durch das Institut für Geschichte der Medizin/Wien vom Leipziger Antiquariat Hiersemann: „5. III. 41“ inklusive Preisangabe in Reichsmark und „Hiersemann“.

Laut Inventarbuch des IGM wurden die Bücher zu den unten angeführten Preisen angekauft:
Die Signaturen:

17.095/Ergz. RM 8.-
11.335 RM 5.-
11.332 RM 8.-
11.334/1-2 RM 8.-


IV. Angaben zu den Eigentumsverhältnissen und zur Bibliothek

Raoul Fernand Jellinek-Mercedes wurde am 18. Juni 1888 in Algier geboren und war laut seiner Angabe bei der Vermögensverkehrsstelle Schriftsteller. Jellinek-Mercedes lebte in Baden bei Wien/Niederösterreich, Wienerstrasse 41. Er war mit Leopoldine Jellinek, geb. Weiss verheiratet. Sein Vater Emil Jellinek war Sohn des jüdischen Gelehrten Adolf Jellinek und seiner Frau Rosalie geborene Bettelheim. Er war in erster Ehe verheiratet mit Rachel Goggmann Cenrobert und hatte mit ihr die Kinder Adolph, Fernand und Adrienne Manuela Ramona (Mercedes). In zweiter Ehe war er verheiratet mit Henriette Engler (Anaise Jellinek). Sie hatten die Kinder Alain Didier, Guy, René und Andrée (Maya).
Emil Jellinek war Geschäftsmann und Berater der Daimler-Motorengesellschaft, nach dessen Tochter Adrienne Manuela Ramona Jellinek (Mercedes), das gleichnamige Automobil benannt wurde. 1907 wurde Jellinek österreichisch-ungarischer Generalkonsul und kurze Zeit später Konsul von Mexiko. Seit 1909 fungierte er als Leiter des österreichisch-ungarischen Konsulats in Monaco.

Raoul Fernand Jellinek-Mercedes lebte im Jahr 1938 in Baden bei Wien. Neben einer reichen Musikaliensammlung besaß er eine Gemäldesammlung und eine reichhaltige Bibliothek. Seine wertvollen Mobilien sowie Kunst- und Buchbestände weckten die Begierden der Nationalsozialisten. Im Juli 1938 wurde er aufgefordert seine Vermögensverhältnisse der Abteilung „Vermögensanmeldung“ der Vermögensverkehrsstelle im Ministerium für Arbeit und Wirtschaft, entsprechend der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 18. Mai 1938 (GBl. für Österreich Nr. 139/1938)“ bekannt zu geben. Jellinek-Mercedes unternahm darauf umfangreiche Nachforschungen, um Dokumente über seine „jüdische Abstammung zweiten Grades“ zu erbringen.
Diese scheiterten jedoch aufgrund seiner Geburt in Algier im Jahr 1883, da die dort ausgestellten französischen Dokumente keine Eintragungen zum Religionsbekenntnis enthielten. Nachdem er mehrmals auf diesen Umstand aufmerksam machte, wurde ihm weiterhin beschieden, dass, solange er nicht seine nichtjüdische „Abstammung“ nachweisen könne, er und sein Vermögen weiter „als jüdisch“ gelten würden. Monatelang war Jellinek-Mercedes gezwungen sein Privatvermögen durch Notverkäufe – unter anderem seine Bibliothek an Buchhändler und Antiquare – zu veräußern. Zuletzt belehnte er sein Haus der bei Stadt Baden bei Wien. Am 10. Februar 1939 beging Jellinek-Mercedes aufgrund des Druckes durch die Gestapo und der „Vermögensverkehrsstelle“ in Baden bei Wien Selbstmord.

V. Rekonstruktion des Raubes

Alle fünf Bücher wurden am 5. März 1941 vom Institut für Geschichte der Medizin vom Leipziger Antiquariat Hiersemann gekauft. Dieses Antiquariat könnte schon vor dem Selbstmord von Jellinek-Mercedes „Ankäufer“ der Privatbibliothek und einer der von Jellinek-Mercedes in seiner Vermögenserklärung erwähnten „Buchhändler und Antiquare“ gewesen sein. Jedenfalls wurde spätesten nach dem Tode von R. F Jellinek-Mercedes große Teile der Bibliothek von seiner Ehefrau Leopoldine Jellinek-Mercedes verkauft.

Handschriftliche Hinweise in den aufgefunden Bücher aus der Provenienz Jellinek-Mercedes über den Zeitpunkt, bezahlten Preis und den Verkäufer der Bücher

In der Anlage zu seiner „Vermögensanmeldung gab R. F. Jellinek-Mercedes Ende 1938 gegenüber der Vermögensverkehrsstelle an, dass er „den Wert seiner Bibliothek angegeben in der Höhe des Anbotes, den mir Buchhändler anfangs Mai (1938) dafür gemacht haben.“.

Weitere Hinweise zum Raub und den unter Druck vorgenommenen Veräußerungen der Privatbibliothek der Familie Jellinek-Merceds, gab die Ehefrau von R. F. Jellinek-Mercedes, Leopoldine Jellinek-Mercedes rückblickend auf die von ihr getätigte „Judenvermögensabgabe“, im Oktober 1958 gegenüber dem Bundesministerium für Finanzen der Republik Österreich an: „Am 10. Februar 1939 erschoss sich mein Gatte nach einer Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten. Mein Gatte stand vor der Verhaftung. Ich musste nach meinem Gatten an Judenvermögensabgabe 32.000.- RM bezahlen. Um diese enorme Summe aufzubringen musste ich die überaus kostbare Bibliothek, die einzugartige Partitursammlung und mein Grundstück in Baden, Germergasse 26, ferner Schmuck und fünf sehr wertvolle Perserteppiche, weit unter dem Wert veräußern und )sic) die Sühneabgabe, „Juva“ von 32.000 RM zu leisten“. Der von Leopoldine Jellinek-Mercedes Mai 1962 – nach der Schaffung von „Auffangorganisationen“ zur Sammlung entzogenen Vermögens – angestrengte Rückstellungsantrag wurde im August 1962 aufgrund ihrer nicht Fristgerechten Einreichung des Antrages abgewiesen.

Quelle:
Niederösterreichisches Landesarchiv – „Arisierungsakt“/Vermögensanmeldung. Jellinek-Mercedes Raoul Fernand Dr.

Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Bundesministerium für Finanzen, Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und dem Burgenland (FLD), Zl. 22.062 Band 1 und 2, Leopoldine Jellinek-Mercedes – Rückstellungsantrag.

Literatur:

Brenner Reinhard, Die Sammlung Jellinek-Mercedes in der Stadtbibliothek Essen, in: Jüdischer Buchbesitz als Raubgut, (= Zweites Hannoversches Symposium, hrsg. von Regine Dehnel), Frankfurt am Main 2006, (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderhefte 88), S.379

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Restitutionsdossier Nr. 4 (Kurzfassung)
von Dr. Walter Mentzel

Restitutionsdossier: Bibliothek „Alfred Arnstein“

I. Eigentümer

DR. ALFRED ARNSTEIN

II. Informationen zu den geraubten Büchern

Als geraubt identifizierte Bücher: 1
Standort des Buches heute: Zweigbibliothek Geschichte der Medizin
Inventarnummer: 31.837
Titel des Buches: Friedmann Moritz, Zur Frage der Trinkwasserversorgung der Truppe im Felde, Wien 1912 (Broschur)

III. Beschreibung der Provenienzmerkmale

Stempel mit der Aufschrift: „Med. Dr. Alfred Arnstein“

IV. Beschreibung der Bibliothek, der Eigentümer und des Raubprozesses

Alfred Arnstein wurde am 26. Juni 1886 als Sohn von Dr. Emanuel Arnstein und Regina Hahn in Wien geboren. Er studierte an der Medizinischen Fakultät in Wien und promovierte 1910. Er war mit Hilde Arnstein, geborene Baum, seit 25. November 1920 verheiratet. Er arbeitete zunächst am Pathologischen Institut der Medizinischen Fakultät Wien und darauf als Primararzt für innere Medizin an der 3. Medizinischen Abteilung in Krankenhaus der Gemeinde Wien Lainz. Er hatte zwei Kinder, Hans Arnstein (geb. 19.2.1921) und Heinrich Arnstein (geb. 12.6.1924). Nach seiner Flucht vor den Nationalsozialisten arbeitete er ab 1941 in London/England als Arzt. Alfred Arnstein verstarb am 3. Jänner 1972 in London.

V. Rekonstruktion des Raubes

Arnstein musste aufgrund seiner jüdischen Abstammung am 14. Juli 1938 seine Vermögensverhältnisse der Abteilung „Vermögensanmeldung“ der Vermögensverkehrsstelle im Ministerium für Arbeit und Wirtschaft, entsprechend der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 18. Mai 1938 (GBl. für Österreich Nr. 139/1938)“ bekannt geben. Im August 1838 flüchtete Arnstein mit seiner Familie nach London/England.
Wie aus der Vermögensanmeldung hervorgeht besaß Arnstein eine private Ärztebibliothek. Das „gesamte stehende und liegende Vermögen“ von Alfred Arnstein und seiner Familie wurde von der Gestapo beschlagnahmt. Wie aus den Akten der Vermögensverkehrsstelle hervorgeht wurde das Wohnungsinterieur der Familie Arnstein vom Dorotheum in Wien versteigert.

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